L 2 U 281/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 313/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 281/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im zweiten Überprüfungsverfahren auf der Grundlage des § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gegen die Entziehung seiner Verletztenteilrente zu Ende Februar 1996.

Der 1940 geborene Kläger erlitt am 05. Juni 1987 einen Unfall, bei welchem er von einem Schaufelbagger gegen einen Container gedrückt wurde. Hierbei erlitt er nach dem Zwischenbericht des H-Krankenhauses B vom 22. Juli 1987, wo er im Anschluss an den Unfall stationär behandelt wurde, eine vordere Beckenringfraktur links, eine Musculus-quadrizeps-Quetschung links mit Faszienruptur sowie eine Penisquetschung mit subjektiver impotentia coeundi seit dem Unfall. Auf der Grundlage eines durch den weiterbehandelnden Chirurgen Dr. R erstellten Gutachtens vom 23. Mai 1989 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Mai 1989, nachdem zuvor eine vorläufige Rente gezahlt worden war, eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie dabei an: Knöchern fest ausgeheilter schwerer Beckenbruch sowie tiefe bleibende Eindellung mit reizloser 21 cm langer Narbe und reizloser 14 cm langer Narbe, geringer Gefühlsstörung und Muskelverlust im Bereich des linken Oberschenkels. Keine Unfallfolgen seien eine degenerative Veränderung beider Hüftgelenke im Sinne einer Vorform der Coxarthrose, Senk-Spreizfuß beiderseits.

In der Folgezeit wurden über weitere Behandlungen des Klägers verschiedene Entlassungs- und Zwischen- sowie Nachschauberichte erstattet. Im Gutachten vom 01. Oktober 1990 befürwortete der Arzt für Orthopädie Dr. K gegenüber der Landesversicherungsanstalt Berlin ein ärztliches Heilverfahren wegen der Diagnosen: Zustand nach Beckenkompressionsfraktur und degenerative Veränderungen der HWS und LWS mit zeitweiligem Cervikal- und Lumbalsyndrom; ausgeführt ist, dass seit Januar 1990 "wegen der HWS" Arbeitsunfähigkeit bestehe. Im ärztlichen Entlassungsbericht der B Klinik vom 30. April 1991 sind als Diagnosen angeführt: Hauptleiden: Zustand nach Beckenkompressionsfraktur sowie Weichteilquetschung links, Nebenleiden links: LWS-Syndrom mit ischialgieformen Schmerzattacken, Cervikalsyndrom. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie M teilte mit Schreiben vom 20. Dezember 1991 mit, dass der jetzige Schmerz- und Leidenszustand sich nicht mehr eindeutig auf den Unfall vom 05. Juni 1987 zurückführen lasse, er habe zu einer lumbalen Computertomografie überwiesen. Mit Zweitem Rentengutachten vom 13. Dezember 1995 teilte der Chirurg Dr. M mit, dass die MdE nunmehr 10 v. H. betrage. Es sei zu einer Kräftigung der Beinmuskulatur und einer Umfangvermehrung gekommen, so dass jetzt der Muskelumfang links stärker ausgebildet sei als rechts. Die Beckenfraktur sei jetzt knöchern fest durchbaut und belastungsstabil. Unfallbedingte Sensibilitätsstörungen im linken Bein bestünden nicht mehr. Die geklagten Beschwerden an beiden Beinen seien auf den vor dem Unfall bestehenden Bandscheibenschaden L 5/S 1 zurückzuführen. Die schmerzhaften Bewegungseinschränkungen an beiden Hüftgelenken seien auf die unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen der Gelenkpfannen zurückzuführen.

Nach Anhörung des Klägers teilte die Beklagte diesem mit Bescheid vom 15. Januar 1996 mit, dass die bisher gewährte Rente mit Ablauf des Monats Februar 1996 entzogen werde. Die noch vorhandenen Unfallfolgen würden mit einer MdE von 10 v. H. eingeschätzt. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte eine Rückäußerung des Dr. M vom 13. März 1996 ein, der seine Einschätzung zu den unfallunabhängigen Veränderungen weiter bestätigte. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin zurück.

Hiergegen erhob der Kläger Klage (Aktenzeichen S 69 U 426/96), welche das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 27. Februar 1997 abwies. Im Berufungsverfahren L 2 U 33/97 wurden Befundberichte und ein Gutachten des Orthopäden Dr. E vom 17. Mai 1998 eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, dass als Unfallfolgen fortbestünden eine knöchern konsolidierte Beckenringfraktur, eine Verknöcherung der Schambeinfuge nach Sprengung, eine Verknöcherung der linken Kreuzdarmbeinfuge nach Sprengung, eine narbige Einziehung im Bereich des linken Oberschenkelmuskels nach Weichteilverletzung, eine Meralgie der linken Oberschenkelhautnerven mit Gefühlsstörungen nach Nervenverletzung sowie eine folgenlos verheilte Verletzung der Urethra und des Blasenschließmuskels. Die MdE aufgrund dieser Unfallfolgen betrage 10 v. H. Weiter ist ausgeführt, dass die seit dem Unfall aufgetretenen Beschwerden sehr komplexer Natur seien und in ihrer Kausalität aufgeschlüsselt werden müssten, da die unfallbedingten Beschwerden sich mit erheblichen unfallunabhängigen Verschleißerscheinungen überlagerten. Ein erheblicher Anteil der Beschwerdesymptomatik – der Schmerz an der Hüftaußenseite mit Ausstrahlung in den Oberschenkel – sei als wirbelsäulenbedingt anzusehen. Entsprechend habe röntgenologisch ein erheblicher Verschleiß des letzten Bewegungssegmentes festgestellt werden können, der diese Beschwerden mehr als ausreichend erkläre. Unfallunabhängig bestünden ein rezidivierendes HWS-Syndrom im Sinne von Hinterkopf-Nacken-Schulterschmerzen auf dem Boden geringer degenerativer Veränderungen, ein Lendenwirbelsäulensyndrom im Sinne von rezidivierenden Lumbalgien auf dem Boden erheblicher degenerativer Wirbelsäulenveränderungen, ein deutlicher Verschleißzustand beider Hüftgelenke, ein deutliches Krampfaderleiden an beiden Unterschenkeln mit Zustand nach zweimaliger Krampfader-OP beidseits, eine unkomplizierte Fußfehlform beidseits im Sinne eines diskreten Senk-Spreizfußes sowie ein überreichlicher Ernährungszustand. Anamnestisch klage der Kläger über Schmerzen in der linken Seite mit Ausstrahlung in die Hoden, an der Hüftaußenseite sowie an der Oberschenkelinnenseite seit dem Unfall. Belastungsabhängig verstärkten sich diese Beschwerden, schmerzbedingt bestehe im linken Beine keine Kraft. Die vergleichende Umfangsmessung weise im Seitenvergleich aber keine Umfangsdifferenz des Muskelmantels auf, wie sie nach so langer Zeit einer Minderbelastung unbedingt zu erwarten gewesen wäre.

Ein ferner eingeholtes Gutachten des Facharztes für Urologie Prof. Dr. F vom 25. September 1999 ergab, dass wahrscheinlich eine Beeinträchtigung der Nervenversorgung, die für die Erektion verantwortlich sei, vorliege, die MdE betrage 20 v. H. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H teilte mit Stellungnahme nach Aktenlage vom 13. Februar 2000 dazu mit, die Einschätzung von Prof. Dr. F nicht zu teilen, es seien auch keine mittelbaren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit etwa infolge entsprechender seelischer Leidenszustände mit nachfolgendem Leistungsverlust gegeben.

Mit Urteil vom 12. September 2000 wies das Landessozialgericht Berlin die Berufung des Klägers daraufhin zurück, da insgesamt nur eine MdE von 10 v. H. feststellbar sei.

Im hiergegen angestrengten Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X wies das Sozialgericht Berlin die gegen den ablehnenden Überprüfungsbescheid vom 13. Dezember 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2001 gerichtete Klage durch Gerichtsbescheid vom 21. Februar 2002 ab, wobei in diesem Verfahren der Schwerpunkt auf der Frage lag, ob die vom Kläger geltend gemachte Erektionsschwäche unfallbedingt sei. Im Berufungsverfahren wurde nach weiteren medizinischen Ermittlungen, etwa durch die Einholung von Befundberichten, ein Gutachten des Prof. Dr. K vom 09. Juni 2004 eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, dass sich die erektile Dysfunktion nicht ausschließlich auf den Arbeitsunfall zurückführen lasse. Abgesehen davon könne die hieraus resultierende MdE mit maximal 10 v. H. angenommen werden, dies sei auch gleichzeitig der Gesamt-Grad für die MdE. Auf Anregung des Gerichts nahm der Kläger im Termin vom 11. August 2005 daraufhin die Berufung zurück (Az. S 67 U 292/01/L 3 U 30/02).

Im November 2005 beantragte der Kläger erneut die Überprüfung der Einstellung der Verletztenrente und bezog sich hierbei auf ein Attest des behandelnden Facharztes für Anästhesiologie Dr. E vom 06. Oktober 2005 und ein Attest des behandelnden Arztes für Chirurgie Dr. R vom 29. September 2004, die ausführten, dass sich die beim Kläger bestehenden chronischen Schmerzen ursächlich auf den Unfall zurückführen ließen. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 07. März 2006 unter Bezugnahme auf die bereits durchgeführten Ermittlungen ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, mit dem dieser ausführte, dass der Aspekt der Schmerzerkrankung in den vorangegangenen Verfahren nicht ausreichend beachtet worden sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2006 zurück.

Im hiergegen angestrengten Klageverfahren hat das Sozialgericht Berlin auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Facharztes für Anästhesiologie Dr. J, MVZ Schmerzzentrum B, vom 10. Mai 2007 eingeholt. Dieser führte aus, dass beim Kläger ein chronifiziertes Schmerzsyndrom mit eigenständigem Krankheitswert, ein neuropathischer Schmerz, ein chronisches LWS-Syndrom (Protrusionen bei L 4/5 und L 5/S 1) sowie eine rezidivierende depressive Störung vorlägen. Im Vordergrund des Beschwerdekomplexes ständen mittlerweile offensichtlich die chronifizierte Störung der Schmerzverarbeitung, die zur Ausprägung des Vollbildes einer eigenständigen Krankheit geführt habe. Wichtig zum Verständnis sei, dass Schmerz immer subjektiv sei. Aufgrund seiner Erfahrung seien die subjektiven Angaben des Klägers zu seinem Schmerzerleben und –empfinden vollkommen nachvollziehbar. Der zunächst entstandene Eindruck einer leicht vermehrten Aggravation habe niemals die normale situationsgerechte und gemäße Aggravation überstiegen. Um die Schmerzen des Patienten zu verstehen, müsse man sie auch als subjektive Tatsache akzeptieren. Die national und international zum Einsatz kommenden Messinstrumente wie Skalen und Indizes könnten die individuell erlebte Schmerzintensität und -qualität nur unzureichend abbilden, ebenso die Auswirkungen der chronifizierten Schmerzen auf den Lebensentwurf der Betroffenen. Die komplexen Schädigungsmuster implizierten eine ebenso komplexe Schädigungsmöglichkeit der beteiligten nervalen Strukturen, welche sich in ihrer Feinheit, aber auch Komplexität einer objektivierenden technischen Untersuchung entzögen. Es müsse zum 01. März 1996 eine wenigstens 20 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit eingeschätzt werden. Der Grad der Behinderung (GdB) betrage aufgrund des chronischen Schmerzes mit eigenständigem Krankheitswert 20. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 30 unter Einbeziehung eines chronischen LWS-Syndroms mit einem Einzel-GdB von 20 und einer larvierten Depression ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20.

Mit Urteil vom 12. Oktober 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage daraufhin abgewiesen. Das Gericht habe sich nicht davon überzeugen können, dass die Rentenentziehung mit Bescheid vom 15. Januar 1996 rechtswidrig gewesen sei und der Bescheid daher nach § 44 SGB X aufgehoben werden müsste mit der Folge, dass dem Kläger die zuvor bewilligte Dauerrente nach einer MdE von 20 v. H. wieder zustehen würde. Zwar habe Dr. J ausgeführt, dass beim Kläger ab 01. März 1996 ein chronifiziertes Schmerzsyndrom bestehe. Die hierfür gegebene Begründung habe allerdings nicht überzeugt. So habe auch Dr. Jansen eingeräumt, dass sich die Verifizierung eines Schmerzsyndroms einer objektivierenden technischen Untersuchung entziehe, so dass der Gutachter mehr oder weniger auf die Angaben des Klägers angewiesen gewesen sei. Angesichts des Umstandes, dass der Gutachter trotz ausdrücklicher Frage des Gerichts nicht näher begründet habe, warum ein Schmerzsyndrom seit 1996 bis heute unverändert bestehen solle, erscheine dies auch vor dem Gesamtablauf der bisherigen Gerichtsverfahren und der eingeholten Gutachten nicht recht nachvollziehbar. Die Schmerzen des Klägers hätten im Laufe der Jahre durchaus unterschiedlichen Charakter gehabt und seien auch von ihm selbst mit den unterschiedlichsten Gesundheitsstörungen in Zusammenhang gebracht worden. Von besonderer Bedeutung sei hierbei, dass bereits 1989 im H-Krankenhaus Bedenken an den Schmerzangaben des Klägers geäußert worden seien, weil diese Schmerzen auf die Gabe von Analgetika nicht angesprochen hätten, wohl aber der Kläger nach Gabe von Placebos erhebliche Besserung verspürt habe. Im Jahre 1991 habe der Neurologe und Psychiater Mdann ausgeführt, dass die geklagten Schmerzen einem bestimmten Versorgungsgebiet eines Nervens nicht zuzuordnen seien. Sei dem aber so, so stelle sich durchaus die Frage, ob die geklagten Schmerzen nicht auch verschiedene organische Ursachen gehabt haben könnten. Zu dieser für die Kammer entscheidenden Fragestellung äußere sich der Gutachter jedoch nicht. So sei dem Kläger im April 1991 wegen ischialgieformer Schmerzattacken eine Rehabilitationsmaßnahme vom Rentenversicherungsträger gewährt worden. Im Entlassungsbericht sei dann jedoch von einem chronifizierten Schmerzsyndrom keine Rede, auch nicht davon, dass die Schmerzen auch nur in einem wahrscheinlichen Zusammenhang mit dem Unfall gebracht worden seien. Auch etwa im Rentenüberprüfungsverfahren bei Dr. M seien vom Kläger keine Hinweise für ein chronifziertes Schmerzsyndrom angegeben worden. Zutreffend sei zwar, dass der Kläger, insoweit glaubhaft, geklagt habe, dass er unter Schmerzen zu leiden habe. Das sei für einen 1942 geborenen Mann jedoch geradezu normal.

Gegen dieses ihm am 30. Oktober 2007 zugegangene Urteil richtet sich die 23. November 2007 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger trägt zur Begründung vor, seit dem Unfall fortlaufend unter Schmerzen gelitten zu haben. Seine chronische Schmerzerkrankung sei als solche bloß nicht früher erkannt worden. Er habe sich auch immer in Schmerzbehandlung befunden. Schmerzen hätten in ihrer charakteristischen chronischen Ausprägung bereits seit 1989 vorgelegen. Bereits damals habe er sich auch in fachanästhesiologischer Behandlung bei Dr. Ernst befunden. Möglicherweise hänge die verspätete diesbezügliche Antragstellung mit der zunehmenden wissenschaftlichen Anerkennung einer "chronischen Schmerzerkrankung" zusammen. Dr. J habe die chronische Schmerzkrankheit isoliert mit einer Einzel-MdE von 20 v. H. bewertet und hierbei zutreffend einen Zusammenhang mit einer chronischen Schmerzverarbeitungsstörung (seelisches Leiden) erkannt. Diese Schmerzverarbeitungsstörung habe zu einer nachhaltigen Beeinträchtigung der Schwingungs- und Erlebnisfähigkeit und somit zu einer sozialen Beeinträchtigung seiner kommunikativen Kompetenzen geführt. Es könne nicht zu seinem Nachteil gereichen, dass eine chronische Schmerzerkrankung zum damaligen Zeitpunkt zwar mit allen Beschwerden vorhanden gewesen sei, jedoch in dieser Deutlichkeit nicht zutreffend erkannt worden sei. Die seinerzeitige Verringerung der MdE sei letztlich darauf zurückzuführen, dass seine Schmerzen zwar von der Beklagten erkannt, jedoch als vom Unfall unabhängig angesehen worden seien. Auch der Durchgangsarzt Dr. V halte die notwendige Injektionsbehandlung zur Schmerzreduktion als ausschließlich wegen der Folgen des Unfallereignisses für erforderlich. Beigebracht wurde eine diesbezügliche Stellungnahme Dr. V vom 29. Januar 2008. Ferner verweist der Kläger auf das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. T vom 14. September 2009. Beigebracht wurde eine Bescheinigung des Dr. E vom 14. Januar 1999, wonach sich der Kläger seit 04. Februar 1989 wegen chronischer Schmerzen in seiner Behandlung befinde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 07. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 15. Januar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996 zurückzunehmen und ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 05. Juni 1987 Verletztenrente über den 29. Februar 1996 hinaus zu gewähren. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verweist auf die Ausführungen in der erstinstanzlichen Entscheidung. Auch die im vorliegenden Verfahren auf der Grundlage des § 109 SGG eingeholten Gutachten belegten nicht eine MdE von 20 v. H. über den Entzugszeitpunkt Februar 1996 hinaus. Das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten des Dr. T lasse eine kritische Auseinandersetzung mit den erhobenen unfallbedingten Befunden, den bestehenden Krankheitsbildern sowie eine entsprechende Abgrenzung und Wertung der Frage der Ursächlichkeit mit diesbezüglicher medizinisch-wissenschaftlicher Begründung vermissen, vielmehr gründe er seine Auffassung insbesondere auf die jetzigen Angaben des Klägers und die Angaben und Bewertung des behandelnden Arztes Dr. L.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Gericht ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T vom 14. September 2009 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass im März bzw. Mai 1996 beim Kläger eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine erektile Dysfunktion bestanden hätten. Es liege beim ihm ein chronisches Schmerzsyndrom mit dem Chronifizierungsgrad III nach Gerbershagen vor. Er habe sich nach eigenen Angaben und entsprechend dem Attest vom 06. Oktober 2005 in regelmäßiger ärztlicher Behandlung bei Dr. E befunden. Wie aus der Bescheinigung des Dr. E hervorgehe, sei das Schmerzsyndrom nicht mit einem Bandscheibenvorfall in Verbindung zu bringen, sondern Folge einer Nervenverletzung des N. femoralis. Auch Dr. R habe den Kläger schmerztherapeutisch behandelt. Seit mehreren Jahren befinde sich der Kläger nun in schmerztherapeutischer Behandlung bei Dr. L, der telefonisch berichtet habe, dass der Kläger an einem chronischen Schmerzsyndrom leide, das auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Das chronische Schmerzsyndrom sei eindeutig unfallbedingt und nicht auf einen Bandscheibenschaden zurückzuführen. Es sei davon auszugehen, dass auch eine wechselseitige Beziehung zwischen den unfallbedingten Schmerzen einerseits und der Erektionsstörung andererseits bestehe und dass beide Gesundheitsstörungen einen negativen Einfluss auf die Stimmungslage und das Selbstwertgefühl hätten. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung bzw. das chronische Schmerzsyndrom und die erektile Dysfunktion seien im Sinne der erstmaligen Entstehung auf den Unfall zurückzuführen. Die anhaltende somatoforme Schmerzstörung habe ab März 1996 bis fortlaufend zu einer unfallbedingten MdE von 20 v. H. geführt. Auch die unfallbedingte erektile Dysfunktion sei mit einem "GdB von 20" zu bemessen. Die Bewertung des Dr. M sei seiner Einschätzung nach nicht zutreffend. Dr. E habe das unfallbedingte chronische Schmerzsyndrom nicht berücksichtigt. Mit den Diagnosen des Dr. J stimme er überein.

Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes am 12. August 2010 einen Erörterungstermin durchgeführt, in welchem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Gerichts durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153, 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG durch die Einzelrichterin einverstanden erklärt haben.

Das Gericht hat sodann auf entsprechenden Antrag dem Gutachter Dr. TFragen des Klägers vorgelegt, zu denen dieser am 07. Oktober 2010 Stellung genommen hat. Er führte aus, seine Diagnose auf die vom Kläger geschilderten Beschwerden und den erhobenen Befund zu stützen. Dr. E könne er nicht folgen, weil dessen Einschätzung den Angaben des Klägers widerspräche. Entgegen der Angabe des Dr. E habe der Kläger Injektionen zur Schmerzbehandlung nicht neben die Wirbelsäule bzw. in die Hüftgelenke, sondern vielmehr in den linken Oberschenkel erhalten. Dr. R, Dr. E und Dr. L seien ebenfalls der Auffassung, dass die Beschwerden des Klägers unfallbedingt seien. Er habe sich bei seiner Beurteilung auf die Anhaltspunkte für die ärztliche Begutachtung im Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht orientiert. Er komme jetzt zu dem Urteil, dass die unfallbedingte MdE mit 30 bis 40 zu bemessen sei.

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2010 hat der Kläger erklärt, weiterhin mit einer Entscheidung nach § 124 SGG einverstanden zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten zu diesem Verfahren, der Akten zu den Verfahren L 2 U 33/97 und L 3 U 30/02 sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten (5 Bände).

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte aufgrund des hiermit erklärten Einverständnisses der Beteiligten gemäß §§ 153, 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und 4 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung durch den Einzelrichter entschieden werden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das erstinstanzliche Urteil sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Das Sozialgericht hat deshalb zu Recht die hiergegen erhobene Klage abgewiesen.

Gemäß § 44 Abs. 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Unter Zugrundelegung dieser Vorschrift hatte die Beklagte vorliegend ihren Bescheid vom 15. Januar 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 1996, mit welchem dem Kläger die ihm bis dahin gewährte Rente zu Ende Februar 1996 entzogen worden ist, erneut zu überprüfen. Zu Recht hat die Beklagte die Rücknahme dieser Bescheide abgelehnt, weil diese rechtmäßig waren. Denn eine MdE in rentenberechtigendem Umfang ließ sich weder für den Entziehungszeitpunkt Ende Februar 1996 noch für den Zeitpunkt der letzten verwaltungsmäßigen Entscheidung über den Rentenentzug durch den Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1996 feststellen. Auch nach dem Ergebnis der im vorliegenden Verfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen betrug die MdE des Klägers seinerzeit weniger als 20 v. H., so dass eine Verletztenrente über den Entziehungszeitpunkt hinaus nicht mehr zu leisten war.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Dies setzt voraus, dass Schäden, die zu einer Erwerbsminderung geführt haben, "infolge" eines Versicherungsfalls entstanden sind. Gesundheitsstörungen infolge eines versicherten Ereignisses können nur dann anerkannt werden, wenn sie mit Wahrscheinlichkeit zumindest ihre wesentliche Teilursache in dem versicherten Unfallereignis haben. Eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 19, 52; 32, 203, 209; 45, 285, 287) liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss und dass es keine Beweisregel gibt, wonach bei fehlender Alternativursache die naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a. F.; BSGE 19, 52, 56; BSG SozR 3 1300 § 48 Nr. 67). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG Urteil vom 02. Mai 2001 SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rn. 10.3). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).

Es steht aufgrund der seinerzeit im Verfahren gegen den Entziehungsbescheid durchgeführten medizinischen Ermittlungen fest, dass beim Kläger im maßgebenden Zeitpunkt Februar bzw. Mai 1996 eine MdE von weniger als 20 v. H. vorlag. Dies folgt insbesondere aufgrund des Gutachtens des Dr. E vom 17. Mai 1998. Dr. E war nach einer Untersuchung des Klägers und umfassender Erörterung und Begründung der beim Kläger festgestellten verschiedenen körperlichen Einschränkungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die MdE lediglich noch mit 10 v. H. einzuschätzen war. Dem schließt sich auch das nunmehr erkennende Berufungsgericht an. Dr. E hat überzeugend dargelegt, welche Gesundheitsstörungen beim Kläger bestanden und unterschieden, welche davon unfallabhängig waren und welche nicht. Mit diesen gutachterlichen Feststellungen sowie auch mit denen der in dem Verfahren ebenfalls gehörten Prof. Dr. F und Dr. H hat sich sodann das Landessozialgericht Berlin in einem umfangreich begründeten Urteil vom 12. September 2000 auseinandergesetzt. Hier ist dargelegt, weshalb aufgrund der gutachterlichen Feststellungen von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne des der Rentenentziehung zugrunde liegenden § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auszugehen ist. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Gutachten des Dr. E nicht deshalb unverwertbar, weil Dr. E Orthopäde sei und das Vorliegen eines chronischen Schmerzsyndroms verkannt habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger tatsächlich bereits im Zeitpunkt der Rentenentziehung an einem chronischen Schmerzsyndrom gelitten hat. Denn Dr. E hat sich mit der beim Kläger bestehenden Schmerzsymptomatik umfassend und nachvollziehbar auseinandergesetzt. Dabei kam er allerdings zu dem Ergebnis, dass sich die unfallbedingten Beschwerden mit denen aufgrund erheblicher unfallunabhängiger Verschleißerscheinungen überlagerten. Dies ist aufgrund der von Dr. E festgestellten unfallunabhängigen Erkrankungen, insbesondere einem rezidivierenden HWS-Syndrom, einem Lendenwirbelsäulensyndrom sowie einem deutlichen Verschleißzustand beider Hüftgelenke auch durchaus überzeugend. Die vom Kläger angegebene Minderbelastbarkeit im Bereich des linken Beines, die aufgrund des Unfallschadensbildes unfallabhängig gewesen wäre, ließ sich nach Dr. E jedoch nicht objektivieren. Denn hier führte er aus, dass die vergleichende Umfangsmessung im Seitenvergleich keine Umfangsdifferenz des Muskelmantels aufweise, wie sie jedoch nach so langer Zeit einer Minderbelastbarkeit unbedingt zu erwarten gewesen wäre. Eine psychiatrische Begutachtung hielt Dr. E seinerzeit, wie sich aus der Beantwortung der Beweisfrage 6 ergibt, nicht für erforderlich.

Es besteht auch nach dem Ergebnis der im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten der Dr. J und Dr. T kein Grund, an der Richtigkeit der Feststellungen des Dr. E zu zweifeln. Denn beide Gutachten überzeugten in keiner Weise.

Zu den Ausführungen des Dr. J wird zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen. Dr. J hat zwar einen chronischen Schmerz mit Krankheitswert bejaht. Dem Gutachten fehlt aber zunächst jede Überprüfung der Angaben des Klägers anhand des vorliegenden umfangreichen Akteninhaltes. Eine Objektivierung der klägerischen Angaben wurde nicht einmal versucht, sondern mit der Begründung, dass Schmerz immer subjektiv sei und sich einer objektivierenden technischen Untersuchung entziehe, ausdrücklich abgelehnt. Dies ist jedoch bereits grundsätzlich nicht ausreichend, was umso mehr dann gilt, wenn ein umfassendes und detailliertes Gutachten wie das des Dr. E zuvor zu einem anderen Ergebnis gekommen war.

Weiter fehlt dem Gutachten des Dr. J jede Auseinandersetzung mit der Frage, welche unfallunabhängigen Erkrankungen beim Kläger im Entziehungszeitpunkt vorlagen und ob und inwieweit diese ggf. ebenfalls ursächlich für die chronische Schmerzerkrankung sein könnten und wie hier die Verursachungsbeiträge abzuwiegen seien. Vielmehr hat Dr. J ausweislich seiner Ausführungen nicht einmal bemerkt, dass er ein unfallversicherungsrechtliches Zusammenhangsgutachten erstatten sollte, weil er in Beantwortung der Beweisfrage 4 Ausführungen zu einer "GdB"-Höhe gemacht hat unter Einbeziehung von eindeutig unfallunabhängigen Erkrankungen wie dem chronischen LWS-Syndrom. Hinzuweisen ist im Übrigen darauf, dass er wiederholt allgemeine Ausführungen etwa zum subjektiven Schmerzerleben "der Patienten" macht, was die Frage aufwirft, welche der zahlreichen allgemeinen Erörterungen überhaupt auf den Kläger bezogen werden können. Letztlich fehlt dem Gutachten jede Schlussfolgerung im Hinblick auf die Auswirkungen des Schmerzes des Klägers auf dessen Erwerbsfähigkeit. Textbausteine zu "regelhaften" Auswirkungen einer Schmerzsymptomatik reichen für ein gerichtliches Gutachten grundsätzlich nicht.

Auch dem Gutachten des Dr. T konnte nicht gefolgt werden. Dessen äußert knappes Gutachten enthält zunächst eine Anamnese, der ausschließlich Fragen zum derzeitigen Gesundheitszustand des Klägers zugrunde lagen. Jegliche Ausführungen zum Gesundheitszustand im maßgebenden Zeitpunkt der Rentenentziehung 1996 fehlen trotz der diesbezüglich ausdrücklichen Beweisfragen; stattdessen ist dargelegt, dass "mittlerweile" die chronifizierte Störung der Schmerzverarbeitung im Vordergrund stände. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, weshalb der durch die Anamnese für den Tag der Begutachtung erfragte Gesundheitszustand ohne weiteres voll umfänglich auf 1996 zu übertragen sei, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen. Aus der bloßen Tatsache einer seinerzeitigen schmerztherapeutischen Behandlung ist dies jedenfalls nicht zu schließen. Weiter fehlt es an jeder überzeugenden Auseinandersetzung mit den umfangreichen in den Akten befindlichen Aussagen zum Krankheitsverlauf des Klägers. So haben sich im ursprünglichen Verwaltungsverfahren nicht nur Dr. E, sondern auch andere Ärzte mit den vom Kläger gemachten Angaben zu seinem Schmerzgeschehen auseinandergesetzt, so etwa Dr. M. Auch im Entlassungsbericht der B Klinik über die stationäre Behandlung des Klägers im April 1991 finden sich umfangreiche Angaben zu vom Kläger erlebten Schmerzen in unterschiedlichen Wirbelsäulenabschnitten, die nicht unfallabhängig sein konnten. Mit den Ausführungen des Dr. E setzt sich Dr. T nur in einem Satz dahin auseinander, dass dieser eben das Schmerzsyndrom nicht erkannt habe. Dies war angesichts der sich auch mit den Schmerzen des Klägers auseinander setzenden Argumentation des Dr. E nicht ausreichend.

Soweit Dr. T mit der Diagnose einer "somatoformen Schmerzstörung" eine der Nr. 45.4 der ICD-10 (10. Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO) zuzuordnende Erkrankung festgestellt hat, ist zwar den vom BSG in dem vom Kläger überreichten Urteil aufgestellten Grundsätzen (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006, Aktenzeichen B 2 U 1/05 R, zitiert nach juris.de) insoweit Genüge getan, als eine exakte Diagnose gestellt wurde. Hieraus folgt allerdings weder etwas für den Ursachenzusammenhang noch, dass dem ohne weiteres eine MdE zuzuordnen wäre. So ist in dem Standardwerk zur medizinisch-wissenschaftlichen Unfallversicherungsliteratur Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, 2010, S. 218 ff.) ausgeführt, dass auch ansonsten bei der Feststellung von Unfallfolgen geltende Grundsätze selbstverständlich und erst recht bei der Feststellung psychischer Erkrankungen als Unfallfolge gelten und dass – anders als in der schmerztherapeutischen Behandlung – der Grundsatz "Schmerzen hat, wer Schmerzen klagt" im Rahmen der Begutachtung keine Geltung beanspruchen kann. Von genau diesem Grundsatz ist Dr. J jedoch explizit ausgegangen, auch den Ausführungen des Dr. T kann für die insoweit unbedingt erforderliche Plausibilitätsprüfung nichts entnommen werden. Letztlich resultiert entgegen der Auffassung des Klägers und der beiden im vorliegenden Verfahren gehörten Gutachter aus der Feststellung einer Schmerzerkrankung keineswegs regelmäßig eine MdE. Denn nicht der Schmerz selber, sonders lediglich ggf. seine nachhaltigen Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Betroffenen fließen in die MdE-Bewertung ein (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., S. 221). Entscheidend ist, ob der Schmerz tatsächlich und zur Überzeugung des Gutachters nachhaltige Auswirkungen im Sinne von Behinderungen auf die Erwerbsfähigkeit hat. Auch diese Grundsätze haben beide im vorliegenden Verfahren gehörten Gutachter verkannt. Denn aus dem Schmerzempfinden des Klägers resultierende Funktionseinschränkungen und Auswirkungen im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit sind weder von Dr. J noch von Dr. T erfragt oder dargelegt worden. Dr. E hingegen hatte eine derartige Plausibilitätsprüfung durchgeführt hat und war dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Kläger angegebene Minderbelastbarkeit, aus der Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit hätten folgen können, aufgrund der seitengleich festgestellten Umfänge der Beine nicht festgestellt werden konnte.

Die Rückäußerung des Dr. T vom 07. Oktober 2010 überzeugte ebenfalls nicht. Eine argumentative Abwägung mit anderen für die Schmerzerkrankung in Betracht kommenden Ursachen fand erneut nicht statt. Offen bleiben konnte, wohin die Spritzen zur Schmerzbehandlung jeweils gesetzt wurden, da die Art der aktuellen Therapie von Dr. E, wie von Dr. T wörtlich zitiert, nur als "letztes Indiz" gewertet worden war. Ausdrücklich gab der Gutachter an, sich bei seinem im September 2009 erstatteten Gutachten auf die "Anhaltspunkte" gestützt zu haben. Abgesehen davon, dass diese zum 01. Januar 2009 durch die Versorgungsmedizin-Verordnung ersetzt worden waren, verdeutlichte dies, dass der Gutachter nicht die für die unfallversicherungsrechtliche Zusammenhangsbeurteilung einschlägigen Grundsätze, wie sie oben dargestellt und in der vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 14. August 2010 in der Frage 3 mit Quellen benannt worden waren, seiner Beurteilung zugrunde gelegt hatte. Dementsprechend war auch das von ihm gefundene Ergebnis –von der fehlenden Argumentationshöhe abgesehen – unverwertbar.

Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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