Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 AS 479/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - stehenden Kläger Schreiben nur in Briefumschlägen ohne Erwähnung des Namens der Beklagten zusenden darf.
Der am 15.06.1947 geborene Kläger stand zunächst von März bis Juli 2007 im Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte. Nachdem er zwischenzeitlich die Bundesrepublik verlassen hatte, lebte er von März 2008 bis September 2009 in Goch. Seitdem lebt er wieder in Nürnberg. Seit März 2008 steht er wieder im laufenden Leistungsbezug.
Bereits zu Beginn des Leistungsbezugs im Jahr 2007 forderte der Kläger von der Beklagten verschiedentlich, dass diese im Absenderfeld ihrer Schreiben an ihn nicht ihre offizielle Bezeichnung, sondern lediglich ein anonymes Postfach angeben solle. Auch sonstige Aufdrucke auf den Briefumschlägen mit der offiziellen Bezeichnung der Beklagten seien zu unterlassen.
Auf einen Eilantrag des Klägers vor dem Sozialgericht - SG - Nürnberg entschiedet dieses mit Beschluss vom 12.09.2007 (S 20 AS 935/07 ER), dass die Angabe der Beklagten als Absender notwendig im Sinne der sozialdatenschutzrechtlichen Bestimmungen sei, da es nur so möglich sei, von einer gescheiterten Zustellung Kenntnis zu erlangen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Landessozialgericht - LSG - mit Beschluss vom 12.11.2007 (L 11 B 872/07 AS ER) zurückgewiesen, da der Kläger kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht habe.
Am 22.10.2008 hat der Kläger beim SG Nürnberg Klage erhoben.
Das SG Nürnberg hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.11.2008 an das erkennende Gericht verwiesen.
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Klage auf § 35 SGB I. Ein anonymes Postfach bzw. ein Freistempel der Stadt Nürnberg reiche aus, damit die Beklagte Kenntnis von Zustellungsproblemen erlange.
Der Kläger beantragt wörtlich:
"Die Beklagte wird verurteilt, ab sofort alle Briefsendungen so in neutralen Umschlägen zu versenden, dass kein Außenstehender einen Kontakt eines "Kunden" der ARGE erkennen kann. Das bedeutet auch, dass im Adressfeld keine Hinweise stehen dürfen."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage wird so ausgelegt, dass der Kläger ein Unterlassen der Beklagten speziell ihm gegenüber begehrt. Dass bei Richtigkeit der Argumentation des Klägers die Beklagte generell in seinem Sinn handeln müsste, bedeutet nicht, dass mit der Klage auch ein Handeln oder Unterlassen der Beklagten gegenüber Dritten begehrt wird.
Der Sozialrechtsweg ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, da es um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende geht. Das Bundessozialgericht - BSG - hat mit Beschluss vom 01.04.2009 (B 14 SF 1/08 R) entschieden, dass ein Rechtsstreit über ein Hausverbot für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fällt, wenn ein enger Sachzusammenhang mit den vom Träger wahrzunehmenden Aufgaben besteht. Insofern bestehe eine "Annexkompetenz" (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 16). Dies ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen, in dem ein SGB II-Leistungsbezieher ein bestimmtes Handeln bzw. Unterlassen des Leistungsträgers in Bezug auf die mit ihm geführte Korrespondenz begehrt.
Richtige Klageart ist die Unterlassungsklage als besondere Form der Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 54 Rdnr. 42: "Unterlassen der Offenbarung von Geheimnissen"). Insofern war auch kein Vorverfahren erforderlich.
Das Rechtsschutzinteresse fehlt nicht etwa wegen fehlender vorheriger Befassung der Beklagten, da der Kläger dieser gegenüber wiederholt sein Anliegen vorgetragen hat (vgl. die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 20.04., 24.04., 21.06. und 01.10.2007).
Dem Rechtsschutzinteresse steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr im Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte war. Spätestens ab Mitte 2009 war für den Kläger offenbar klar, dass er demnächst wieder in Nürnberg leben und Leistungen beziehen würde, was jetzt auch der Fall ist.
Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Unterlassen der Angabe der Beklagten als Absender auf deren Briefen zu.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten im Sinne von § 67 Abs. 1 SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Gemäß § 35 Abs. 2 SGB I ist eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches zulässig. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist Verarbeiten das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Sozialdaten. Im Einzelnen ist Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Gemäß § 67d Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 - 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Buch vorliegt. Gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden ist oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch.
Nach diesen Grundsätzen darf die Beklagte in ihrer Korrespondenz mit dem Kläger ihre Behördenbezeichnung auf den Briefumschlägen angeben.
Nach Auffassung der Kammer liegt bereits kein schützenswertes Sozialdatum im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.
Unstreitig ist die Angabe, dass jemand im Bezug von Sozialleistungen steht, als "Einzelangabe über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten Person" im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X anzusehen (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 67 Rdnr. 7, Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92, juris, Rdnr. 10; Verwaltungsgericht - VG - Bremen, Urteil vom 04.10.1990, 3 A 323/88, NVwZ-RR 1991, 564; VG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.1984, 17 K 2376/83, NJW 1985, 1794). Entsprechend ist es unzulässig, beispielsweise bei Überweisungen oder bei vom Postzusteller überbrachten Postanweisungen als Betreff "Sozialleistungen" anzugeben (vgl. BVerwG, a.a.O.; VG Düsseldorf, a.a.O.).
Wenn auf einem Briefumschlag der Beklagten deren offizielle Bezeichnung zu finden ist, beinhaltet dies aber nicht die Aussage, dass der Adressat dieses Briefes auch tatsächlich Leistungsbezieher ist. Denn im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung und insbesondere unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes korrespondieren Leistungsträger eben nicht nur mit Leistungsbeziehern, sondern auch mit anderen Personen (z.B. mit Arbeitgebern, Vermietern, Unterhaltsverpflichteten, Dritten im Anwendungsbereich von § 60 SGB II etc.). Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die überwiegende Anzahl der von der Beklagten versandten Briefe an Leistungsbezieher geht. Genaue Zahlen hierzu sind dem Gericht allerdings nicht bekannt. Selbst wenn der überwiegende Anteil der Schreiben der Leistungsträger an Leistungsempfänger gerichtet sein sollte, so wäre einem Briefumschlag, der als Adressat eine natürliche Person und als Absender die Beklagte ausweist, lediglich die Aussage zu entnehmen, dass der Adressat vermutlich bzw. wahrscheinlich Leistungsempfänger ist. Trotz der besonderen Bedeutung des Sozialdatenschutzes sieht die Kammer diese bloße Wahrscheinlichkeitsaussage (noch) nicht als Sozialdatum im Sinne von § 67 SGB X an.
Selbst wenn die vorgenannte Wahrscheinlichkeitsaussage unter § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu subsumieren wäre, so wäre die Angabe der Behördenbezeichnung auf den Briefen der Leistungsträger gleichwohl rechtmäßig.
Allerdings stellte die Versendung eines solches Briefumschlags dann aufgrund der Möglichkeit der Einsichtnahme durch den Postboten ein Übermitteln im Sinne einer Weitergabe dar, da hierunter auch das passive Einsehenlassen fällt (vgl. von Wulffen, a.a.O. Rdnr. 26; speziell zur Möglichkeit der Einsichtnahme durch Postbeamte VG Düsseldorf, a.a.O.; BVerwG, a.a.O., Rdnr. 12).
Die Angabe des Absenders wäre nach Auffassung der Kammer aber notwendig im Sinne von § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zur Wahrnehmung der den Leistungsträgern übertragenen Aufgaben.
Die Beklagte weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die Angabe des Absenders im Fall von Zustellungsproblemen die Rücksendung an die Beklagte und damit eine entsprechende Kenntniserlangung der Beklagten ermöglicht. Hierfür dürfte allerdings auch die Angabe eines anonymen Postfachs als Absender ausreichend sein. Dem Angestellten eines Postdienstleisters wird wiederum nach kurzer Zeit auch die Bedeutung dieses anonymen Postfachs bekannt sein. Bei dritten Personen, die in den Besitz des Briefumschlags aufgrund eines Irrläufers gelangen, dürfte dies dagegen nicht der Fall sein. Ob allein die Möglichkeit der Kenntniserlangung von Zustellungsproblemen die Angabe der Beklagten erforderlich macht, ist damit zumindest fraglich.
Die Kammer hält die Angabe der Beklagten aber jedenfalls deshalb für erforderlich, weil nur so für den Leistungsempfänger (!) in hinreichender Form erkennbar ist, dass es sich bei dem Poststück um ein solches in seiner Leistungsangelegenheit handelt. Die Kammer geht unter Einbeziehung der durch ihre ehrenamtlichen Richter eingebrachten Lebenserfahrung davon aus, dass nicht selten einzelne Poststücke - bei Leistungsempfängern wie bei Dritten - ungeöffnet bleiben. Dies liegt auch an dem hohen Anteil von vielgestaltigem Werbematerial in der Post. Die Bezeichnung der Beklagten als Absender bewahrt den Leistungsempfänger davor, das behördliche Schriftstück zu übersehen bzw. fälschlich als Werbung einzustufen. Ein anonymes Postfach allein dürfte diese Funktion nicht in hinreichender Form erfüllen. Die Wichtigkeit der Kenntnisnahme von Schreiben der Leistungsträger ergibt sich insbesondere aus den gesetzlichen Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen.
Im Übrigen ist im Rahmen der sozialdatenschutzrechtlichen Prüfung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. von Wulffen, a.a.O., § 69 Rdnr. 3; VG Düsseldorf, a.a.O.). Dabei ist der Grad der Offenbarung dem jeweiligen Zweck gegenüberzustellen und ins Verhältnis zu setzen. Bei dieser Abwägung ist hier einerseits die Sensibilität der Sozialdaten (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., S. 1795) und die Gefahr von Irrläufern zu berücksichtigen. Andererseits dürfte die Gefahr von Irrläufern eher als gering anzusehen sein. Die "Offenbarung" erfolgt weder zielgerichtet noch ist sie an einen großen Personenkreis gerichtet. Das gilt umso mehr, als die Leistungsgewährung regelmäßig für sechs Monate erfolgt (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II), so dass den Leistungsempfänger im Normalfall lediglich zwei Schreiben pro Jahr erreichen dürften. Hinzu kommt, dass die mit der Angabe des Absenders auf dem Briefumschlag verbundene Aussage, dass der betreffende möglicherweise bzw. wahrscheinlich im Leistungsbezug steht, eben nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage ist. Der Grad der Offenbarung ist damit insgesamt moderat. Demgegenüber stehen zwei Zwecke (Erkennbarkeit von Rückläufern und Kennzeichnung als behördliche Angelegenheit), von denen jedenfalls einer dem Schutz des Leistungsempfängers selbst und nicht allein den Interessen des Leistungsträgers dient. Gerade dies führt in der Abwägung zur Zulässigkeit der Vorgehensweise der Beklagten.
Soweit dem Briefumschlag im konkreten Fall nicht nur die bloße Bezeichnung der Beklagten zu entnehmen ist, sondern sich dort auch ein großer Stempel der Beklagten befindet, ändert dies an den vorgenannten Ausführungen nichts. Dass auf dem Stempel ein "Organisationszeichen" angegeben ist, ist ebenfalls unschädlich, da es sich dabei nicht um das Aktenzeichen des Klägers, sondern lediglich um einen Teil der Bezeichnung der Beklagten handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 SGG, da es nicht um eine bezifferbare Geld-, Dienst- oder Sachleistung geht, der ein Wert von bis zu 750 EUR zugeordnet werden könnte.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte dem im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - stehenden Kläger Schreiben nur in Briefumschlägen ohne Erwähnung des Namens der Beklagten zusenden darf.
Der am 15.06.1947 geborene Kläger stand zunächst von März bis Juli 2007 im Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte. Nachdem er zwischenzeitlich die Bundesrepublik verlassen hatte, lebte er von März 2008 bis September 2009 in Goch. Seitdem lebt er wieder in Nürnberg. Seit März 2008 steht er wieder im laufenden Leistungsbezug.
Bereits zu Beginn des Leistungsbezugs im Jahr 2007 forderte der Kläger von der Beklagten verschiedentlich, dass diese im Absenderfeld ihrer Schreiben an ihn nicht ihre offizielle Bezeichnung, sondern lediglich ein anonymes Postfach angeben solle. Auch sonstige Aufdrucke auf den Briefumschlägen mit der offiziellen Bezeichnung der Beklagten seien zu unterlassen.
Auf einen Eilantrag des Klägers vor dem Sozialgericht - SG - Nürnberg entschiedet dieses mit Beschluss vom 12.09.2007 (S 20 AS 935/07 ER), dass die Angabe der Beklagten als Absender notwendig im Sinne der sozialdatenschutzrechtlichen Bestimmungen sei, da es nur so möglich sei, von einer gescheiterten Zustellung Kenntnis zu erlangen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Landessozialgericht - LSG - mit Beschluss vom 12.11.2007 (L 11 B 872/07 AS ER) zurückgewiesen, da der Kläger kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht habe.
Am 22.10.2008 hat der Kläger beim SG Nürnberg Klage erhoben.
Das SG Nürnberg hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.11.2008 an das erkennende Gericht verwiesen.
Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Klage auf § 35 SGB I. Ein anonymes Postfach bzw. ein Freistempel der Stadt Nürnberg reiche aus, damit die Beklagte Kenntnis von Zustellungsproblemen erlange.
Der Kläger beantragt wörtlich:
"Die Beklagte wird verurteilt, ab sofort alle Briefsendungen so in neutralen Umschlägen zu versenden, dass kein Außenstehender einen Kontakt eines "Kunden" der ARGE erkennen kann. Das bedeutet auch, dass im Adressfeld keine Hinweise stehen dürfen."
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage wird so ausgelegt, dass der Kläger ein Unterlassen der Beklagten speziell ihm gegenüber begehrt. Dass bei Richtigkeit der Argumentation des Klägers die Beklagte generell in seinem Sinn handeln müsste, bedeutet nicht, dass mit der Klage auch ein Handeln oder Unterlassen der Beklagten gegenüber Dritten begehrt wird.
Der Sozialrechtsweg ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz - SGG -, da es um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende geht. Das Bundessozialgericht - BSG - hat mit Beschluss vom 01.04.2009 (B 14 SF 1/08 R) entschieden, dass ein Rechtsstreit über ein Hausverbot für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende dann in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fällt, wenn ein enger Sachzusammenhang mit den vom Träger wahrzunehmenden Aufgaben besteht. Insofern bestehe eine "Annexkompetenz" (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 16). Dies ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen, in dem ein SGB II-Leistungsbezieher ein bestimmtes Handeln bzw. Unterlassen des Leistungsträgers in Bezug auf die mit ihm geführte Korrespondenz begehrt.
Richtige Klageart ist die Unterlassungsklage als besondere Form der Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 54 Rdnr. 42: "Unterlassen der Offenbarung von Geheimnissen"). Insofern war auch kein Vorverfahren erforderlich.
Das Rechtsschutzinteresse fehlt nicht etwa wegen fehlender vorheriger Befassung der Beklagten, da der Kläger dieser gegenüber wiederholt sein Anliegen vorgetragen hat (vgl. die Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 20.04., 24.04., 21.06. und 01.10.2007).
Dem Rechtsschutzinteresse steht auch nicht entgegen, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr im Bezug von SGB II-Leistungen durch die Beklagte war. Spätestens ab Mitte 2009 war für den Kläger offenbar klar, dass er demnächst wieder in Nürnberg leben und Leistungen beziehen würde, was jetzt auch der Fall ist.
Dem Kläger steht jedoch kein Anspruch auf Unterlassen der Angabe der Beklagten als Absender auf deren Briefen zu.
Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I hat jeder Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten im Sinne von § 67 Abs. 1 SGB X von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden (Sozialgeheimnis). Gemäß § 35 Abs. 2 SGB I ist eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches zulässig. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist Verarbeiten das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen von Sozialdaten. Im Einzelnen ist Übermitteln das Bekanntgeben gespeicherter oder durch Datenverarbeitung gewonnener Sozialdaten an einen Dritten in der Weise, dass die Daten an den Dritten weitergegeben werden oder der Dritte zur Einsicht oder zum Abruf bereitgehaltene Daten einsieht oder abruft (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Gemäß § 67d Abs. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten nur zulässig, soweit eine gesetzliche Übermittlungsbefugnis nach den §§ 68 - 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Buch vorliegt. Gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden ist oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach diesem Gesetzbuch.
Nach diesen Grundsätzen darf die Beklagte in ihrer Korrespondenz mit dem Kläger ihre Behördenbezeichnung auf den Briefumschlägen angeben.
Nach Auffassung der Kammer liegt bereits kein schützenswertes Sozialdatum im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB II vor.
Unstreitig ist die Angabe, dass jemand im Bezug von Sozialleistungen steht, als "Einzelangabe über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten Person" im Sinne von § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X anzusehen (vgl. von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 67 Rdnr. 7, Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92, juris, Rdnr. 10; Verwaltungsgericht - VG - Bremen, Urteil vom 04.10.1990, 3 A 323/88, NVwZ-RR 1991, 564; VG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.1984, 17 K 2376/83, NJW 1985, 1794). Entsprechend ist es unzulässig, beispielsweise bei Überweisungen oder bei vom Postzusteller überbrachten Postanweisungen als Betreff "Sozialleistungen" anzugeben (vgl. BVerwG, a.a.O.; VG Düsseldorf, a.a.O.).
Wenn auf einem Briefumschlag der Beklagten deren offizielle Bezeichnung zu finden ist, beinhaltet dies aber nicht die Aussage, dass der Adressat dieses Briefes auch tatsächlich Leistungsbezieher ist. Denn im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung und insbesondere unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes korrespondieren Leistungsträger eben nicht nur mit Leistungsbeziehern, sondern auch mit anderen Personen (z.B. mit Arbeitgebern, Vermietern, Unterhaltsverpflichteten, Dritten im Anwendungsbereich von § 60 SGB II etc.). Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die überwiegende Anzahl der von der Beklagten versandten Briefe an Leistungsbezieher geht. Genaue Zahlen hierzu sind dem Gericht allerdings nicht bekannt. Selbst wenn der überwiegende Anteil der Schreiben der Leistungsträger an Leistungsempfänger gerichtet sein sollte, so wäre einem Briefumschlag, der als Adressat eine natürliche Person und als Absender die Beklagte ausweist, lediglich die Aussage zu entnehmen, dass der Adressat vermutlich bzw. wahrscheinlich Leistungsempfänger ist. Trotz der besonderen Bedeutung des Sozialdatenschutzes sieht die Kammer diese bloße Wahrscheinlichkeitsaussage (noch) nicht als Sozialdatum im Sinne von § 67 SGB X an.
Selbst wenn die vorgenannte Wahrscheinlichkeitsaussage unter § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu subsumieren wäre, so wäre die Angabe der Behördenbezeichnung auf den Briefen der Leistungsträger gleichwohl rechtmäßig.
Allerdings stellte die Versendung eines solches Briefumschlags dann aufgrund der Möglichkeit der Einsichtnahme durch den Postboten ein Übermitteln im Sinne einer Weitergabe dar, da hierunter auch das passive Einsehenlassen fällt (vgl. von Wulffen, a.a.O. Rdnr. 26; speziell zur Möglichkeit der Einsichtnahme durch Postbeamte VG Düsseldorf, a.a.O.; BVerwG, a.a.O., Rdnr. 12).
Die Angabe des Absenders wäre nach Auffassung der Kammer aber notwendig im Sinne von § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X zur Wahrnehmung der den Leistungsträgern übertragenen Aufgaben.
Die Beklagte weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die Angabe des Absenders im Fall von Zustellungsproblemen die Rücksendung an die Beklagte und damit eine entsprechende Kenntniserlangung der Beklagten ermöglicht. Hierfür dürfte allerdings auch die Angabe eines anonymen Postfachs als Absender ausreichend sein. Dem Angestellten eines Postdienstleisters wird wiederum nach kurzer Zeit auch die Bedeutung dieses anonymen Postfachs bekannt sein. Bei dritten Personen, die in den Besitz des Briefumschlags aufgrund eines Irrläufers gelangen, dürfte dies dagegen nicht der Fall sein. Ob allein die Möglichkeit der Kenntniserlangung von Zustellungsproblemen die Angabe der Beklagten erforderlich macht, ist damit zumindest fraglich.
Die Kammer hält die Angabe der Beklagten aber jedenfalls deshalb für erforderlich, weil nur so für den Leistungsempfänger (!) in hinreichender Form erkennbar ist, dass es sich bei dem Poststück um ein solches in seiner Leistungsangelegenheit handelt. Die Kammer geht unter Einbeziehung der durch ihre ehrenamtlichen Richter eingebrachten Lebenserfahrung davon aus, dass nicht selten einzelne Poststücke - bei Leistungsempfängern wie bei Dritten - ungeöffnet bleiben. Dies liegt auch an dem hohen Anteil von vielgestaltigem Werbematerial in der Post. Die Bezeichnung der Beklagten als Absender bewahrt den Leistungsempfänger davor, das behördliche Schriftstück zu übersehen bzw. fälschlich als Werbung einzustufen. Ein anonymes Postfach allein dürfte diese Funktion nicht in hinreichender Form erfüllen. Die Wichtigkeit der Kenntnisnahme von Schreiben der Leistungsträger ergibt sich insbesondere aus den gesetzlichen Fristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen.
Im Übrigen ist im Rahmen der sozialdatenschutzrechtlichen Prüfung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. von Wulffen, a.a.O., § 69 Rdnr. 3; VG Düsseldorf, a.a.O.). Dabei ist der Grad der Offenbarung dem jeweiligen Zweck gegenüberzustellen und ins Verhältnis zu setzen. Bei dieser Abwägung ist hier einerseits die Sensibilität der Sozialdaten (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O., S. 1795) und die Gefahr von Irrläufern zu berücksichtigen. Andererseits dürfte die Gefahr von Irrläufern eher als gering anzusehen sein. Die "Offenbarung" erfolgt weder zielgerichtet noch ist sie an einen großen Personenkreis gerichtet. Das gilt umso mehr, als die Leistungsgewährung regelmäßig für sechs Monate erfolgt (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II), so dass den Leistungsempfänger im Normalfall lediglich zwei Schreiben pro Jahr erreichen dürften. Hinzu kommt, dass die mit der Angabe des Absenders auf dem Briefumschlag verbundene Aussage, dass der betreffende möglicherweise bzw. wahrscheinlich im Leistungsbezug steht, eben nur eine Wahrscheinlichkeitsaussage ist. Der Grad der Offenbarung ist damit insgesamt moderat. Demgegenüber stehen zwei Zwecke (Erkennbarkeit von Rückläufern und Kennzeichnung als behördliche Angelegenheit), von denen jedenfalls einer dem Schutz des Leistungsempfängers selbst und nicht allein den Interessen des Leistungsträgers dient. Gerade dies führt in der Abwägung zur Zulässigkeit der Vorgehensweise der Beklagten.
Soweit dem Briefumschlag im konkreten Fall nicht nur die bloße Bezeichnung der Beklagten zu entnehmen ist, sondern sich dort auch ein großer Stempel der Beklagten befindet, ändert dies an den vorgenannten Ausführungen nichts. Dass auf dem Stempel ein "Organisationszeichen" angegeben ist, ist ebenfalls unschädlich, da es sich dabei nicht um das Aktenzeichen des Klägers, sondern lediglich um einen Teil der Bezeichnung der Beklagten handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 SGG, da es nicht um eine bezifferbare Geld-, Dienst- oder Sachleistung geht, der ein Wert von bis zu 750 EUR zugeordnet werden könnte.
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