L 13 R 652/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 R 2687/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 652/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München
vom 8. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Die Beteiligten streiten um Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1958 in Bosnien-Herzegowina geborene Klägerin mit deutscher Staatsangehörigkeit hat von 1982 bis 1984 eine Berufsausbildung als Verkäuferin absolviert; eine Prüfung hat sie nicht bestanden. Sie war als Verkäuferin bzw. Kassiererin beschäftigt. Nach der Geburt ihres Kindes im Jahr 1999 war sie als Hausfrau tätig bzw. arbeitslos. Zuletzt hat sie ab April 2008 bis Mai 2011 als Reinigungskraft bei der F. A. GmbH an drei Tagen pro Woche versicherungspflichtig gearbeitet.
Bei der Untersuchung am 08.08.2012 gab sie an, derzeit in einem 2-etagigen Bürogebäude viermal wöchentlich 7 Stunden pro Tag zu arbeiten.

Sie hat einen Grad der Behinderung von 70 ab 04.01.2010.

Im Rahmen eines früheren erfolglosen Rentenverfahrens wurde ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. D. C. vom 14.12.2006 eingeholt. Die Klägerin leide seit vielen Jahren unter unklaren Schmerzen des rechten Arms und der rechten Hand. Die Bildgebung zeige Bandscheibenvorfälle der HWS und BWS, jedoch habe kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Bandscheibenvorfällen und den beschriebenen Ausfällen erkannt werden können. Es habe sich keine Einschränkung der Funktionsfähigkeit der oberen und unteren Extremitäten gezeigt. Schmerzen entlang der Wirbelsäule würden keine Einschränkung der Beweglichkeit erzeugen. Bezüglich der Störung des rechten Augenlichts sei sie bereits 1985 in der Uni-Klinik in E. behandelt worden.

Am 30.03.2010 stellte die Klägerin den - streitgegenständlichen - Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Sie gab an, seit Monaten an "HWS-Syndrom, Arthrose linkes Knie, Arthrose beider Hände, rechtes Auge erblindet, Kropf, Asthma" zu leiden.

Die Beklagte holte Arztbriefe bei der Hausärztin Dr. M. und ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. B. mit Untersuchung vom 31.05.2010 ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einer ausgeprägten somatoformen Störung bei nicht behandelter Depression leide. Die objektivierbaren Befunde auf orthopädischem Fachgebiet seien wenig eindrücklich, subjektive und objektive Beschwerden würden nicht korrelieren. Relevant seien lediglich die starken degenerativen Veränderungen der LWS. Für leichte Arbeiten bestehe vollschichtige Erwerbsfähigkeit.

Mit Bescheid vom 15.06.2010 wurde der Antrag abgelehnt. Die Klägerin könne ihre letzte Tätigkeit noch sechs Stunden täglich ausüben.

Mit dem Widerspruch vom 02.08.2010 wurde insbesondere ein Attest der Hausärztin Dr. M. vom 27.07.2010 vorgelegt.

Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 08.10.2010 wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2010 zurückgewiesen. Darin wurde die Klägerin auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen, für den noch ein sechsstündiges tägliches Leistungsvermögen bestünde.

Im nachfolgenden Klageverfahren (S 31 R 2687/10) vor dem Sozialgericht München (SG) hat die Klägerin insbesondere den Verschleiß an der HWS, Schmerzen an der gesamten Wirbelsäule, in beiden Händen und im Bereich des linken Knies geltend gemacht.
Sie hat verschiedene Atteste und Arztbriefe vorgelegt, u.a. des Neurologen Dr. P. vom 12.02.2007, des Internisten Dr. L. vom 11.12.2008 sowie der Augenärzte Dr. G. vom 20.10.2010 und Dr. V. vom 16.09.2002 über eine funktionelle Einäugigkeit.

Das SG hat weitere Befundberichte bei der Hausärztin Dr. M. vom 20.12.2010 und dem Orthopäden Dr. N. vom 03.01.2011 eingeholt sowie eine Auskunft des letzten Arbeitgebers.

Ein vom SG veranlasstes orthopädisches Gutachten des Dr. K. vom 16.04.2011 hat über eine kurz zuvor durchgeführte Operation am rechten Ellenbogen (Bursektomie) mit noch nicht vollständig abgeklungenen Beschwerden berichtet. Die Klägerin hat über Gefühlsstörungen am vierten und fünften Finger seit 6 Jahren geklagt. Eine neurologische Abklärung sei ohne Befund geblieben. Die Handgelenke würden beim Verrichten von grobmanuellen Tätigkeiten (Auswringen des Putzlappens) schlimmer. Die Gehstrecke sei nicht limitiert.

Das Gutachten enthält die Diagnosen:
1. Fortgeschrittener HWS-Verschleiß mit Gefügestörung (Spondyloosteochondrose C4-7 - mäßige Bewegungseinschränkung hinsichtlich Seitneigung, Hartspann, die bildgebende Diagnostik belege weit fortgeschrittene Aufbraucherscheinungen und eine Knickbildung, deutlich geminderte Belastbarkeit)
2. Beginnender BWS-Verschleiß (Osteochondrose Th 5-10 - nicht reduziertes Ott-Zeichen, keine zusätzlichen Beeinträchtigungen)
3. fortgeschrittener LWS-Verschleiß bei Seitverbiegung (rechtskonvexe Lumbalskoliose, Spondyloosteochondrose L 1-4, L5/S1) - Schober-Zeichen reduziert, leichte muskuläre Verkürzungen, schmerzhafte Reklination, Druckschmerz L5/S1, deutlicher Hartspann, radiologisch weit fortgeschrittene Aufbraucherscheinungen; Seitverbiegung, deutlich geminderte Belastbarkeit
4. Handgelenksbeschwerden beidseits (Arthralgien) - grobe Kraft der oberen Extremitäten seitengleich, keine Bewegungseinschränkung der Schulter, Hand ohne Schwellungen, freie Beweglichkeit Handgelenk, keine Einschränkung von Faustschluss, Schlüssel-, und Spitzgriff
5. beginnender Hüftverschleiß beidseits (Coxarthrose I-II° nach Mose) - keine eingeschränkte Beweglichkeit
6. Kniegelenksverschleiß links rechts bei Kapselbandinstabilität (Gonarthrose II° nach Wirth, antero-mediale Instabilität) - deutliche Atrophie linkes Bein, Gangbild ausreichend raumgreifend, Unsicherheit im Kniegelenk, links verminderte Stabilität, keine Einschränkung der Beweglichkeit, Druckschmerz Gelenkspalt links, stabilisierende Orthese, Geh- und Stehleistung gemindert
7. Hohl-Spreizfuß beidseits (Pes excavato-transversus): freie Beweglichkeit des Sprunggelenks und der Zehengelenke, beginnende Abweichung der Großzehe, keine zusätzliche Einschränkung.
Motorische Defizite oder Reflexstörungen an den oberen und unteren Extremitäten lagen bei der Untersuchung nicht vor. Führend seien die degenerativen Veränderungen der HWS und LWS sowie die Kniegelenksinstabilität links. Es liege seit der Untersuchung durch Dr. B. eine Verschlechterung vor. Die Gesamteinschätzung bleibe unverändert. Es seien zusätzliche qualitative Leistungseinschränkungen zu formulieren: Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten verrichten, aus überwiegend sitzender Ausgangslage bei ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung. Vermieden werden müssten Zwangshaltungen (Überkopfarbeiten), Hantieren mit Lasten von mehr als 5 kg, Arbeiten in Rumpfbeugehaltung oder in Haltungskonstanz (Fließbandarbeit oder ausschließliche Bildschirmarbeit), erhöhte Anforderungen an die Trittsicherheit (bei Leitern, Gerüsten), Knien und Hocken. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft sei nicht mehr zumutbar; unter Beachtung der Leistungseinschränkungen seien der Klägerin aber noch sechs Stunden täglich zumutbar. Eine relevante Beschränkung des Anmarschwegs bestehe nicht.
Die Behandlungsmaßnahmen seien unvollständig ausgeschöpft.
Es bestünden Hinweise auf eine depressiv unterlegte Somatisierungsstörung. Die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens hielt der Gutachter für verzichtbar, da sich keine Anzeichen einer Dekompensation gezeigt hätten.

Die Beklagte hat dazu ausgeführt, dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung nicht vorlägen. Es seien Bürohilfsarbeiten, Pförtnertätigkeiten an der Nebenpforte und Überwachungstätigkeiten zumutbar.

Die Klage ist mit Urteil vom 08.06.2011 zurückgewiesen worden. Das SG hat sich auf die Gutachten der Dres. K. und B. gestützt. Die qualitativen Leistungseinschränkungen würden keinen sog. Summierungsfall darstellen. Der Ausschluss von schwerem Heben, Überkopfarbeiten, Zwangshaltung, Rumpfbeugehaltung, Knien und Hocken sowie des Besteigens von Leitern und Gerüsten stelle eine Konkretisierung der Einschränkung auf leichte Tätigkeiten dar. Hinsichtlich der Arbeitsumgebung und der sonstigen Arbeitsbedingungen lägen nicht außergewöhnlich viele weitere Einschränkungen vor (Einschränkung auf überwiegend sitzende Tätigkeiten bei ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung, eingeschränktes Sehvermögen). Mit dem eingeschränkten Sehvermögen auf dem rechten Auge, das schon jahrelang bestehe, habe die Klägerin ohne Beanstandungen als Verkäuferin und Kassiererin gearbeitet. Diese beiden Einschränkungen allein würden aber noch nicht zu einer Benennungspflicht für eine zumutbare Tätigkeit nach den Grundsätzen der "Summierung" führen. Selbst wenn, so könne die Klägerin noch einfache Bürohilfstätigkeiten (körperlich leichte Tätigkeit aus überwiegend sitzender Ausgangslage, keine erhöhten Anforderungen an die Sehfähigkeit) ausüben. Angesichts der Ausbildung als Verkäuferin habe die Klägerin entsprechende Kenntnisse. Auch die Gebrauchsfähigkeit der Hände reiche noch aus, da nach Untersuchung durch Dr. K. keine Einschränkungen von Faustschluss, Schlüssel- oder Spitzgriff bestünden.
Die Klägerin genieße aufgrund der letzten versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft keinen Berufsschutz.

Gegen das am 17.06.2011 zugestellte Urteil ist am 11.07.2011 Berufung eingelegt worden.
In der Begründung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sich erneut darauf berufen, dass eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliege. Das Verbleiben des beruflichen Leistungsspektrums sei nach Ansicht des Sachverständigen stark eingeengt. Das eingeschränkte Sehvermögen schränke die Klägerin enorm ein; im Bereich der HWS habe die Klägerin täglich auftretende Schmerzen im Nacken mit Ausstrahlungen in den Hinterkopf; am vierten und fünften Finger bestünden seit sechs Jahren Gefühlsstörungen. Weiter habe die Klägerin anhaltende Schmerzen im Bereich beider Handgelenke mit einer Morgensteifigkeit.

Der Senat hat eine weitere Begutachtung durch den Orthopäden und Allgemeinmediziner Dr. A. C. veranlasst. Der Sachverständige hat die Klägerin am 28.07.2012 untersucht und folgende Diagnosen gestellt:
1. Das altersentsprechende Maß weit überschreitende degenerative Veränderungen der HWS- und LWS mit wiederkehrenden Nervenwurzelreizzuständen der oberen Extremitäten und Kopfschmerzneigung
2. Fortgeschrittene Kniegelenksarthrose linksseitig, mit muskulär nur teilstabilisierbarer Kapselbandinstabilität, derzeit persistierender Reizzustand und geringe Muskelmassenminderung des linken Beins
Die Klägerin könne noch leichte Arbeiten mit der Möglichkeit der wechselnden Körperausgangslage, in geschlossenen Räumen täglich mindestens 6 Stunden verrichten. Das Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken sowie Arbeiten an Maschinen und am Fließband sowie unter Zeitdruck seien zu vermeiden. Das Restleistungsvermögen gestatte noch ein Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen kleinerer Teile. Transportieren, Zureichen und Abnehmen seien mit einer erhöhten Wirbelsäulenbelastung verbunden und nicht mehr zumutbar. Als Pförtnerin, Warenaufmacherin oder Versandfertigmacherin könne sie noch 6 Stunden pro Tag tätig sein. Wesentliche Einschränkungen der Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände würden nicht bestehen. Die zumutbare Wegstrecke liege über 500 m.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Klägerin stellt den Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 8. Juni 2011 sowie des Bescheids vom 15. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2010 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie des gerichtlichen Verfahrens Bezug genommen.



Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 15.06.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.10.2010 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die im Jahr 1958 geborene Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1, 2 SGB VI zu. Die Klägerin genießt keinen Berufsschutz (§ 240 SGB VI); sie hat zuletzt eine ungelernte Tätigkeit als Reinigungskraft ausgeübt.

Teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs bzw. drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist nach den überzeugenden Feststellungen von Dr. K. und Dr. C. noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine andere Einschätzung vertritt lediglich der Neurologe Dr. P. in seinem Attest vom 12.02.2007. Er bezieht sich bei seinen Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung und mittelschweren Depression auf die von der Klägerin mitgebrachten Vorunterlagen. Eigene Befunde oder Behandlungsergebnisse teilt er in dem genannten Attest jedoch nicht mit. In einem Arztbrief vom 11.03.2010 schließt Dr. P. nach Untersuchung ein sulcus-ulnaris-Syndrom aus; die neurologische Abklärung der Gefühlsstörungen der Finger ist ohne pathologischen Befund geblieben. Zu der diskutierten somatoformen Schmerzstörung verweist er auf die "spinale Stenose der mittleren bis unteren Halswirbelsäule". Er selbst vermutet für die Beschwerden eine körperliche Ursache (HWS, Bewegungsapparat).
Der Senat sieht sich nicht zu weiterer Aufklärung auf nervenärztlichem Gebiet gedrängt.
Die Klägerin befindet sich nicht weiter in nervenärztlicher Behandlung. Sie selbst hat psychische Beschwerden weder bei der Antragstellung noch bei der Begründung der Klage oder Berufung genannt. Auch die Hausärztin hat in ihren Befundberichten keine derartigen Diagnosen mitgeteilt. Die Schmerzen an der Wirbelsäule lassen sich zudem mit dem von Dr. K. erhobenen Befund erklären. Er hat - anders als der von der Beklagten beauftragte Orthopäde Dr. B. - keine Diskrepanz zwischen subjektiven Beschwerden und objektiven Befunden gesehen, sondern auf die zweifelsfrei vorliegenden weit fortgeschrittenen Aufbraucherscheinungen im Bereich des Achsenorgans hingewiesen. Die Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens hielt er ausdrücklich für verzichtbar, da entsprechende Dekompensationszeichen fehlten. Auch Dr. C. hat weitere fachärztliche Untersuchungen nicht für erforderlich gehalten.

Die Schmerzen sind aufgrund der Erkrankungen der Klägerin und auch vor dem Hintergrund ihrer immer noch durchgeführten Putztätigkeit - laut Angabe bei Herrn Dr. C. im Umfang von 7 Stunden an 4 Tagen - nachvollziehbar. Diese Tätigkeit mit z.T. körperlich schweren Arbeiten geht zu Lasten der Gesundheit.

Im Vordergrund der Beschwerden stehen die degenerativen Veränderungen der HWS und LWS sowie die Kniegelenksinstabilität links.
Dr. C. hat im Wesentlichen dieselbe Befundlage wie der Vorgutachter gesehen. Im Gegensatz zur Voruntersuchung bestand allerdings der deutliche Hartspann der Rückenstrecker bei Dr. C. nicht, auch war die Halswirbelsäule besser beweglich. Radiologisch sind ausgeprägte degenerative Veränderungen der tiefen HWS und der LWS in mehreren Bewegungssegmenten gesichert.
Beide Gutachter sehen durch die schweren Veränderungen der HWS und LWS eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Die Klägerin kann aufgrund dieser Gesundheitsstörungen nur noch leichte Arbeiten mit der Möglichkeit der wechselnden Körperausgangslage 6 Stunden verrichten (Dr. C.). Dr. K. sah leichte Tätigkeiten aus überwiegend sitzender Ausgangslage bei ergonomischer Arbeitsplatzgestaltung als zumutbar an. Eine Instabilität schweren Grades oder eine schwere Wirbelkanalstenose bzw. schwere Funktionseinschränkungen der HWS, die gegen eine vollschichtige Leistungsfähigkeit sprechen würden, liegen nach der überzeugenden Einschätzung des Dr. C. nicht vor.
Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten an Maschinen und am Fließband sowie unter Zeitdruck sind zu vermeiden. Ansonsten würde die stark geschädigte Wirbelsäule überlastet.

Gravierende Einschränkungen an den oberen Extremitäten haben die Gutachter nicht objektivieren können. Dr. K. fordert lediglich die Vermeidung von Überkopfarbeiten wegen der Störungen der HWS. Die grobe Kraft der Hände wurde bei der Untersuchung durch Dr. K. regelrecht demonstriert. Die Schulterbeweglichkeit der Klägerin war nicht eingeschränkt. Die Hand- und Fingergelenke wiesen keine Entzündungszeichen auf und waren frei beweglich. Röntgenaufnahmen des rechten Handgelenks waren ohne pathologischen Befund.
Dr. C. hat darauf hingewiesen, dass die an seinem Untersuchungstag demonstrierte Bewegungseinschränkung bei der Elevation der Arme nicht ausreichend nachvollziehbar war. Die Beweglichkeit war passiv vorhanden; Hinweise auf Fehlstellungen oder Arthropathien der Schultergelenke lagen nicht vor. Muskelatrophien im Bereich der oberen Extremitäten bestanden nicht. Die Handbinnenmuskulatur war kräftig; Hinweise auf rheumatypische oder arthrotische Veränderungen im Bereich der Arme bestanden nicht. Er sieht daher im Ergebnis überzeugend keine wesentlichen Einschränkungen der Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände.

Die Kniegelenke waren bei der Untersuchung durch Dr. K. frei beweglich. Links bestand jedoch eine deutliche Kapselbandschwäche, die muskulär nur eingeschränkt ausgleichbar war. Die Klägerin ist deswegen mit einer stabilisierenden Orthese versorgt. Der Sachverständige sah eine verminderte Geh- und Stehleistung der Klägerin.
Dr. C. fand eine linksseitige Kapselverdickung mit deutlicher Ergussbildung. Der vordere Kreuzbandanschlag war linksseitig erstgradig verspätet auslösbar. Dr. C. hat deshalb ein gelegentliches Auslassen des Kniegelenks und eine möglicherweise bestehende Sturzneigung durch die Kapselbandschwäche angenommen. Es lag aber keine auffällige einseitige Muskelmassenminderung vor. Auch die Fußsohlenbeschwielung war seitengleich normal ausgebildet. Der Gang ohne Orthese war noch ausreichend flüssig und ohne auffälliges Schonhinken. Aufgrund des Befundes am linken Knie sind Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an die Trittsicherheit (auf Leitern und Gerüsten) sowie Arbeiten in hockender und kniender Position ausgeschlossen.

Eine Einschränkung der Wegefähigkeit hat Dr. K. nicht angegeben. Dr. C. hat angesichts der nur geringen Muskelminderung nachvollziehbar eine ausreichende Beweglichkeit für zweimal mehr als 500 m pro Arbeitsweg mit Scharnierschiene am linken Kniegelenk gesehen.

Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden allgemeinen Arbeitsmarktes wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. BSGE 80, 24) keine Arbeit finden könnte.
Als solche schwere Einschränkungen gelten etwa besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 104, 117), - in Verbindung mit anderen Einschränkungen - die Erforderlichkeit, zwei zusätzliche Arbeitspausen von je 15 Minuten einzulegen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136), Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, halbstündiger Wechsel vom Sitzen zum Gehen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 8) und regelmäßig einmal in der Woche auftretende Fieberschübe (vgl BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 14). Erwähnt werden in diesem Zusammenhang auch Einarmigkeit und Einäugigkeit (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 30; zur funktionellen Einäugigkeit vgl. auch BSG v. 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R: maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls).
Als Grund dafür, dass bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist, wird angeführt, dass der Arbeitsmarkt für solche überdurchschnittlich stark leistungsgeminderte Personen möglicherweise schlechthin keine Arbeitsstelle bereit hält (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 81, 90) bzw. nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für die an sich noch mögliche Vollzeittätigkeit eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136) oder, dass ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 104).
Die konkrete Benennung einer Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Klägerin noch körperlich leichte Tätigkeiten mit weiteren Einschränkungen sechs Stunden täglich verrichten kann und sich für dieses Restleistungsvermögen Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes mit entsprechende Arbeitsplätzen beschreiben lassen (Gürtner in Kasseler Kommentar, 69. Ergänzungslieferung 2011, § 43 SGB VI, Rdnr. 47 m. w. N.).

Hier führen die im Vordergrund stehenden orthopädischen Erkrankungen noch nicht zu ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen. Zusätzlich ist zwar auch die funktionelle Einäugigkeit zu beachten; wegen der Störung am rechten Auge wurde die Klägerin bereits 1985 in der Universitätsklinik in E. behandelt. Durch diese Störung war die Klägerin aber offensichtlich nicht an einer beruflichen Tätigkeit, etwa zuletzt als Reinigungskraft, gehindert. Sie verfügt auch über einen Führerschein.
Selbst wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung angenommen würde, so stehen der Klägerin aber jedenfalls noch ausreichende Tätigkeitsfelder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung; die Klägerin ist nach dem Gutachten des Allgemeinmediziners Dr. C. etwa noch einsetzbar für Tätigkeiten wie Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen.
Der Senat hält auch konkret eine Verweisung auf die Tätigkeit als Pförtnerin bzw. Warenaufmacherin oder Versandfertigmacherin für zumutbar. Dabei handelt es sich um leichte Arbeiten. Warenaufmacher und Pförtner sind überwiegend sitzend tätig; ein Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ist meist möglich. Die dafür nötige Funktionstüchtigkeit der Arme und Hände besteht noch. Besondere Anforderungen an das Sehvermögen sind mit den Tätigkeiten nicht verbunden Der Senat schließt sich der entsprechenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. C. an, die dieser in Kenntnis der Beschreibung der genannten Berufe (vgl. Stellungnahme des Hessischen Landesarbeitsamts vom 25.08.2011 - L 2 180/11 und vom 19.10.2010 - S 5 R 543/08 - sozialgerichtsbarkeit.de) und unter Berücksichtigung der gesamten Einschränkungen getroffen hat.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass die Klägerin auch in zweiter Instanz mit ihrem Begehren erfolglos war.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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