L 4 KR 2907/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 825/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 2907/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten in Höhe von EUR 7.150,00 für eine durchgeführte, von der Klägerin selbstbeschaffte Bauchdeckenstraffung in einer Privatklinik.

Die am 1974 geborene Klägerin ist als Büroangestellte tätig und wegen dieser Beschäftigung versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse. Im Januar 2011 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage eines Arztbriefs des sie behandelnden Facharztes für Innere Medizin (hausärztliche Versorgung) und Notfallmedizin A. vom 16. Dezember 2010 und eines ärztlichen Befundberichts der sie behandelnden Gynäkologin Dr. K. vom 10. Januar 2011 die Kostenübernahme für die Durchführung einer operativen Korrektur der Fettgewebsansammlung im Bereich der Bauchschürze. Hausarzt A. führte aus, bei der Klägerin bestehe eine deutliche Adipositas mit besonderer Betonung des Bauchfettgewebes. In der Folge sei es immer wieder zu körperlichen Beschwerden, wie beispielsweise Bauchnabelentzündungen, gekommen. Außerdem habe die Klägerin eine deutliche psychische Belastung empfunden. Die Klägerin habe bereits seit ihrer Schwangerschaft eigenständig durch entsprechende Fitnessprogramme 40 kg Gewicht abgenommen. Dies reiche jedoch nicht aus, um insbesondere die Fettgewebsansammlung im Bereich der Bauchschürze zu verringern. Zur Verhinderung weiterer Folgeerkrankungen sei eine operative Maßnahme indiziert. Dr. K. legte dar, die vorhandene überhängende Fettschürze verursache immer wieder Entzündungen der darunterliegenden Hautfalte. Durch Sport oder weitere Gewichtsabnahme sei der Fettschürze nicht zu begegnen. Nur eine operative Korrektur könne Abhilfe schaffen. Neben der körperlichen Folgen sei die Klägerin auch unter psychischen Gesichtspunkten beeinträchtigt.

Die Beklagte veranlasste eine persönliche Untersuchung und Begutachtung der Klägerin beim Medizinischen Dienst Bundeseisenbahnvermögen (in der Folge MD BEV). In ihrem Gutachten vom 26. Januar 2011 führte die Fachärztin für Arbeits-, Innere und Sozialmedizin Dr. Ke. aus, die Klägerin trage derzeit Konfektionsgröße 40, höchstens 42. Am Ende ihrer zweiten Schwangerschaft habe sie 130 kg gewogen und durch konsequente Umstellung der Ernährung und Sport (Fitnessstudio) das Gewicht auf einen stabilen Wert zwischen 76 und 80 kg reduzieren können. Sie sei entschlossen, die Bauchdeckenstraffung durchführen zu lassen, da sie sich durch die Fettschürze gestört fühle und sie sie in ihrem Sexualleben und im Sport beeinträchtige. Sie sei jedoch nicht behandlungsbedürftig depressiv. Ein psychologischer oder nervenfachärztlicher Kontakt sei nie erfolgt. Orthopädische Beschwerden habe die Klägerin verneint. An Hautveränderungen habe sie wiederkehrende nässende Ekzeme im Nabelbereich mit teils üblem Geruch geschildert. Eine hautärztliche Behandlung sei deswegen bislang nicht erfolgt. Auf Frage seien andere Entzündungen im Bereich der Fettschürze, insbesondere in der darunterliegenden Hautfalte verneint worden. Dr. Ke. stellte einen BMI von 29,5 fest. Im Rahmen des körperlichen Befundes legte sie dar, die Klägerin trage eine Hose, darunter ein elastisches Miederhöschen. In diesem Zustand sei die Fettschürze nicht auffällig. Bei der entkleideten Klägerin zeige sich eine schlaffe weiche Fettschürze im Bereich des gesamten Mittel- und Unterbauchs. Der Bauchnabel sei medial, nicht verzogen. Er sei leicht gerötet, aktuell nicht nässend. Eine Hernie liege nicht vor. Die Bauchmuskulatur sei straff, darüber aber die abdominelle Fettschürze aufgelagert, die sich je nach Lagerung der Versicherten verteile. Die Auflagestrecke der Fettschürze betrage ca. sechs cm. Im Stehen liege eine Schürzenbildung über Mons pubis vor. Auch die Mammae beidseits seien schlaff. Der Hautpflegezustand sei sehr gut, Schnürfurchen oder Hautveränderungen unterhalb der Fettschürze fänden sich nicht, auch keine Striae. Im Rahmen des psychischen Befundes stellte Dr. Ke. fest, der Entschluss zur operativen Entfernung der Fettschürze sei bei der Klägerin in den letzten drei Jahren zunehmend gereift, da sich die Fettschürze durch andere Maßnahmen wie konsequente Gewichtsreduktion und regelmäßiges Fitnesstraining nicht glaubhaft habe beseitigen lassen und eine seelische Belastung für die Klägerin darstelle. Bei der Schilderung dieser Belastungen habe die Klägerin kurz geweint, aber sonst nicht depressiv oder psychisch auffällig gewirkt. Im Ergebnis führte Dr. Ke. aus, die geschilderte Fettschürze ließe sich aus Sicht der behandelnden Ärzte und aus ihrer eigenen Sicht nur operativ beseitigen. Obgleich die Klägerin sich durch ihr Erscheinungsbild beeinträchtigt fühle, liege eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung nicht vor. Beim Tragen normaler Konfektionskleidung mit zusätzlich leichter Miederhose sei das Erscheinungsbild unauffällig, bei leichter Sportbekleidung, auch im Schwimmbad, und vor allem unbekleidet schon sehr deutlich auffällig. Hautveränderungen unterhalb der Fettschürze würden von der Klägerin verneint und lägen auch aktuell nicht vor, wohl aber wiederkehrend nässende und übelriechende Nabelekzeme. Eine hautärztliche Behandlung sei allerdings bis dato nicht erfolgt. Eine operative Behandlung sei sicher die einzige Möglichkeit, die Fettschürze zu reduzieren. Eine eindeutige medizinische Indikation zur operativen Korrektur könne sie aber aufgrund der von ihr erhobenen Befunde nicht ableiten.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2011 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme in Ermangelung einer medizinischen Notwendigkeit ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der von der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss nach Einholung einer Stellungnahme des Dr. H., MD BEV, vom 18. Februar 2011, der sich dem Gutachten der Dr. Ke. anschloss, zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. März 2011). Zur Begründung führte der Widerspruchsausschuss aus, nach den Grundsätzen zur Abgrenzung kosmetischer von medizinisch indizierten Eingriffen der Deutschen Gesellschaft für plastische Chirurgie seien Behandlungen wie Hautstraffungen, Hautresektionen oder Bauchdeckenplastiken nur medizinisch indiziert und von der Krankenkasse übernahmefähig, wenn es sich um erhebliche Funktionsbehinderungen oder -einschränkungen mit eindeutigem Krankheitswert handele. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 9/04 R -; in juris), stelle eine Fettschürze oder Hauterschlaffung nicht in jedem Fall eine körperliche Anomalität dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten sei. Nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit komme ein Krankheitswert im Rechtssinne zu. Eine Leistungspflicht der Krankenkasse bestehe vielmehr lediglich dann, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt sei oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirke. Davon sei bei der Klägerin nicht auszugehen. Insbesondere sei die Hautveränderung nicht therapieresistent. Bei Bedarf sei zunächst eine konservative Behandlung beim Hautarzt anzustreben. Die bei der Klägerin vorliegende psychische Beeinträchtigung rechtfertige keinen operativen Eingriff. Soweit bei der Klägerin aufgrund des Körperbildes eine psychische Beeinträchtigung hervorgerufen würde, sei diese vorrangig mittels Psychotherapie zu behandeln. Insgesamt begehre die Klägerin einen kosmetischen Eingriff, der in ihre Eigenverantwortung falle.

Die Klägerin erhob am 28. März 2011 vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) Klage und führte zur Begründung aus, Dr. Ke. habe die Auffassung vertreten, die Fettschürze werde sich nicht mehr von selbst zurückbilden sowie ihr Erscheinungsbild sei bei leichter Sportbekleidung auffällig. Die Fettschürze bedinge bei ihr Hautentzündungen, Ekzembildung und Bauchnabelentzündungen, die immer wiederkehrten. Ihr Hausarzt habe ihr deswegen (erfolglos) Salben verordnet. Deswegen sei eine hautfachärztliche Behandlung nicht durchgeführt worden. Ihr äußeres Erscheinungsbild gehe jedoch mit gravierenden psychischen Beeinträchtigungen einher. Zudem habe sie durch ihre erhebliche Gewichtsabnahme ein gesundheitsbewusstes, der Beklagten zukünftig finanziell durch niedrigere Krankheitskosten zu Gute kommendes Verhalten gezeigt. Auch die Entfernung der Bauchfettschürze werde dafür sorgen, dass der Beklagten keine Kosten für dermatologische oder psychische Behandlungen mehr entstünden. Zur UntermA.ung ihres Vortrags legte sie Rezepte vor, mit denen Hausarzt A. ihr eine Multilind Heilsalbe verordnete. Es seien entsprechende medizinische Ermittlungen durch das Gericht durchzuführen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Einen am 4. April 2011 gestellten Antrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens (§ 76 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lehnte das SG mit Beschluss vom 3. Mai 2011 ab.

Die Klägerin ließ am 10. Mai 2011 in der K.-Klinik D., Privatklinik für Kosmetische und Plastische Chirurgie, die geplante Abdominalplastik mit Nabeltransposition und Liposuktion seitlich durchführen. Einen entsprechenden Operationsbericht des Facharztes für Plastische Chirurgie Dr. Ma. legte sie vor. Ebenso übermittelte sie dem SG eine CD, auf der Aufnahmen ihres Rumpfes vor der Operation zu sehen sind.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2011 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die durchgeführte Bauchdeckenstraffung. Die Voraussetzungen für die Kostenerstattung seien nicht erfüllt, da die begehrte Leistung nicht notwendig gewesen sei. Die Klägerin sei weder in ihrer Körperfunktion dadurch beeinträchtigt, dass sie im Bereich des Unterbauchs eine Fettschürze aufgewiesen, noch diese anatomische Abweichung entstellend gewirkt habe. Nicht jede körperliche Anomalität reiche nach Auffassung des BSG (Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -; in juris) aus. Vielmehr müsse es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeuge und damit zugleich erwarten lasse, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich ziehe, zum Objekt besonderer Beachtung anderer werde und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohe, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet sei. Die körperliche Auffälligkeit müsse dabei von solcher Ausprägung sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führe. Eine solche schwere, sichtbare Entstellung durch die Hautfalte habe bei der Klägerin nicht vorgelegen. Hierbei sei nicht die subjektive Betrachtung des betroffenen Versicherten, sondern allein ein objektiver Maßstab entscheidend. Im normalen bekleideten Zustand, wie er den Alltag präge, sei die Fettschürze nach dem Gutachten der Dr. Ke. nicht auffällig gewesen, wovon sich auch der Vorsitzende im Erörterungstermin am 3. Mai 2011 habe überzeugen können. Die Operation sei auch nicht zur Behandlung der beklagten Hautbeschwerden notwendig gewesen. Im Übrigen werde durch die Bauchdeckenreduktionsplastik unzulässigerweise in ein im Grunde gesundes Organ, d.h. die Bauchdecke, eingegriffen. Ferner hätten zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Ke. keine entsprechenden Beeinträchtigungen der Haut bestanden. Die Probleme der Klägerin im Bezug auf ihre Haut seien insoweit behandelbar. Zumindest habe ein therapieresistentes Hautekzem nicht bestanden und werde von der Klägerin auch nicht behauptet. Die angegebene psychische Belastung der Klägerin rechtfertige ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 16. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Juli 2011 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Das SG habe rechtsfehlerhaft darauf verzichtet, eine objektive medizinische Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Es gehe in seiner Annahme fehl, die bei ihr vorhandene Fettschürze habe kein solches Ausmaß angenommen, dass ihr eine entstellende Wirkung zukomme. Diese Feststellung hätte durch ein medizinisches Sachverständigengutachten oder durch die Befragung der sie behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen erfolgen müssen. Diese Ermittlungen müssten nunmehr durch das LSG durchgeführt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Juni 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der am 10. Mai 2011 in der KÖ-Klinik Düsseldorf durchgeführten operativen Entfernung ihrer Bauchfettschürze in Höhe von EUR 7.150,00 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Im Übrigen weist sie auf Frage des Senats darauf hin, dass die K.-Klinik D. keine Zulassung nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) besitze und nicht im Krankenhausbedarfsplan von Nordrhein-Westfalen enthalten sei. Die Klinik könne somit ausschließlich als Privatpatient belegt werden.

Auf Anforderung des Senats legt die Klägerin eine Liquidation für die von ihr durchgeführte Operation vom 10. Mai 2011 vor. Diese lautet wie folgt:

Liposuktion EUR 700,00 Bauchdeckenstraffung EUR 6.000,00 Stationärer Aufenthalt EUR 500,00 Verrechnung mit Liquidation vom 25.06.2010, Nummer 2103008 - EUR 50,00 Zwischensumme abzüglich Ihrer Zahlung vom 16.03.2011, VR 211 1266 EUR 7.150,00 - EUR 2.000,00 Gesamt EUR 5.150,00

Der vorherige Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 7. Dezember 2011 einen Erörterungstermin durchgeführt. Die anschließend durchgeführten Vergleichsverhandlungen der Beteiligten haben erfolglos geendet.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte, aus dem elektronischen Archiv reproduzierte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung ist auch ohne Zulassung statthaft. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von EUR 750,00 ist überschritten, denn für die von der Klägerin ursprünglich als Sachleistung begehrte Bauchdeckenstraffung sind insgesamt Kosten in Höhe von EUR 7.150,00 angefallen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat seinerzeit rechtmäßig die Gewährung der Bauchdeckenstraffung als Sachleistung abgelehnt; der Klägerin steht nach Durchführung der operativen Maßnahme am 10. Mai 2011 im KÖ-Klinikum Düsseldorf kein Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Kosten zu.

Als Rechtsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung kommt ausschließlich § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V in Betracht. Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, die Leistung notwendig und die Ablehnung für die Entstehung der Kosten ursächlich war. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin eine stationäre Behandlung zur Operation mittels Straffung der Bauchdecke zu gewähren. Deshalb kann die Klägerin auch nicht beanspruchen, dass ihr die Kosten, die durch die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind, von der Beklagten erstattet werden.

Da der Anspruch auf Kostenerstattung nicht weiter reicht als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch, setzt der Kostenerstattungsanspruch nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 16/07 R - und 7. Mai 2013 - B 1 KR 44/12 R -; beide in juris). Daran fehlt es hier.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u.a. die ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) und die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V). Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Nach § 39 Abs. 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 SGB V unterliegt den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R -; alle in juris). Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit zu. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R -; in juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 -; nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 -; in juris).

Die Klägerin hat zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides am 9. März 2011 an wiederkehrenden Nabelekzemen gelitten. Andere Krankheiten im oben genannten Sinn konnten demgegenüber nicht objektiviert werden. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Dr. Ke. vom 26. Januar 2011. Diese hat nachvollziehbar ausgeführt, bei der Klägerin liege - obgleich sie sich durch ihr äußeres Erscheinungsbild beeinträchtigt sehe - neben rezidivierenden Nabelekzemen eine psychische Beeinträchtigung nicht vor. Dies gelte auch für Hautveränderungen unterhalb der Fettschürze. Diese wurden im Rahmen der Begutachtungssituation von der Klägerin verneint und lagen auch im Zeitpunkt der Begutachtung nicht vor. Eine hautärztliche Behandlung erfolgte ausweislich der eigenen Angaben der Klägerin nicht. Orthopädische Beeinträchtigungen wurden nicht vorgetragen und ließen sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. Ke. auch nicht objektivieren.

Allerdings war es zur Behandlung dieser Erkrankung nicht erforderlich, eine operative Straffung der Bauchdecke durchzuführen. Denn die Bauchfalte (Fettschürze) selbst hat keinen behandlungsbedürftigen Krankheitszustand aufgewiesen. Deshalb wären die psychischen und dermatologischen Erkrankungen mit den Mitteln der entsprechenden Fachgebiete zu behandeln gewesen. Dass dies möglich und – zumindest teilweise – Erfolg versprechend war, ist aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen abzuleiten. Insoweit hat Dr. Ke. schlüssig ausgeführt, dass insbesondere die Hautveränderung nicht therapieresistent sei. Bei Bedarf sei zunächst eine konservative, bislang nicht erfolgte Behandlung beim Hautarzt anzustreben.

Die Klägerin ist im Hinblick auf die auf den von ihr vorgelegten Bildern (Bl. 44 der SG-Akten - in einer Tasche befindliche CD) dokumentierte Hautschürze, wie sie auch Dr. Ke. in ihrem Sachverständigengutachten beschrieben hat, nicht in einer Körperfunktion beeinträchtigt gewesen. Insoweit hat Dr. Ke. zutreffend dargelegt, dass die Fettschürze nicht so ausgeprägt gewesen sei, dass daraus motorische Einschränkungen der Rumpfbeweglichkeit entstehen würden. Solche Funktionseinschränkungen hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist sie ersichtlich auch nicht bei der Ausübung von Sport beeinträchtigt gewesen, denn es besteht eine gut entwickelte Muskulatur infolge regelmäßigen Fitnesstrainings.

Die Hautfalte hat bei der Klägerin auch keine Entstellung bewirkt. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anomalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit erzeugt und damit zugleich erwarten lässt, dass der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, so dass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein. Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R - und 6. März 2012 - B 1 KR 17/11 R -; in juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 -; nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 -; in juris). Die Feststellung, dass im Einzelfall ein Versicherter wegen einer körperlichen Anomalität an einer Entstellung leidet, ist in erster Linie Tatfrage (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R -; in juris).

Die Frage, ob eine Entstellung anzunehmen ist, muss infolgedessen unter Beachtung der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien im Einzelfall auf der Grundlage tatsächlicher Feststellungen beantwortet werden. Danach ist unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin und insbesondere der Lichtbilder, die sie nach erheblicher Gewichtsabnahme, aber vor dem Eingriff vom 10. Mai 2011 zeigen, keine Entstellung anzunehmen. Weiterer Feststellungen medizinischer Sachverständiger bedarf es demgegenüber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Insoweit sind daher weitere Ermittlungen nicht geboten. Die im unbekleideten Zustand optisch störende Bauchfalte hätte sich - auch wenn es hierauf nicht ankommt - durch das Tragen geeigneter Badekleidung soweit verdecken lassen, dass eine für jedermann sichtbare grobe Auffälligkeit im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung hätte vermieden werden können. Dies gilt auch für sportliche Betätigungen, worauf auch Dr. Ke. in ihrem Gutachten hingewiesen hat. Erst recht wäre es möglich gewesen, diesen körperlichen Zustand durch geeignete Straßenbekleidung zu kaschieren. Dass die Klägerin subjektiv die Fettschütze als entstellend empfunden hat, begründet aber nicht einen Anspruch auf Behandlung mit dem begehrten operativen Eingriff zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteile vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, 28. September 2010 - B 1 KR 5/10 R - und 11. September 2012 - B 1 KR 9/12 R -; alle in juris).

Die Klägerin kann die Operation auch nicht zur Heilung bzw. Besserung oder zwecks Verhütung von Verschlimmerungen einer Hauterkrankung verlangen. Der Senat geht davon aus, dass im Bereich der Hautfalte, Hauterscheinungen oder -erkrankungen, die über die erfolgte hausärztliche Behandlung hinaus fachärztlicher Behandlung bedurft hätten, vor dem 10. Mai 2011 nicht vorlagen. Insoweit hat die Klägerin im Rahmen der Begutachtungssituation bei Dr. Ke. als auch noch im Berufungsverfahren bestätigt, dass hautfachärztliche Behandlungen in der Zeit nach der Gewichtsabnahme nicht stattgefunden haben. Solche hautfachärztlichen Behandlungen sind auch im Erörterungstermin vor dem LSG am 7. Dezember 2011 nicht angegeben worden. Entsprechende behandlungsbedürftige Hauterkrankungen ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten der Dr. Ke ... Insoweit spricht Dr. Ke. lediglich davon, dass Hautveränderungen unterhalb der Fettschürze von der Klägerin selbst verneint würden und in der Begutachtungssituation nicht vorlägen. Im Bereich des Nabels habe sie selbst lediglich eine Rötung objektiviert; wiederkehrend nässende und übel riechende Nabelekzeme wurden von der Klägerin im Rahmen der Anamnese von der Klägerin nach Ansicht der Dr. Ke. glaubhaft geschildert. Da der Senat somit Hauterkrankungen im Bereich der Bauchfalte, die fachärztlicher Behandlung bedurft hätten bzw. bei denen eine solche fachärztliche Behandlung bis zum Zeitpunkt der durchgeführten Operation am 10. Mai 2011 erfolglos durchgeführt worden ist, nicht festzustellen mag, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass hier eine Operation zur Heilung von Hauterkrankungen oder zur Verhütung von wahrscheinlich eintretenden Verschlimmerungen einer Hauterkrankung hätte erforderlich sein können.

Die Klägerin beruft sich zwar weiter auf durch die Bauchfalte hervorgerufene psychische Beeinträchtigungen, die ausweislich der ärztlichen Befundberichte der Dr. K. und des Hausarztes A. durch die zunächst geplante Operation ebenfalls hätten positiv beeinflusst oder verhindert werden sollen. Insoweit entnimmt der Senat aber auch dem Gutachten der Dr. Ke. und den eigenen Ausführung der Klägerin, dass eine fachärztliche Behandlung im psychiatrischen Bereich nicht stattgefunden hat. Selbst die Unterstellung einer psychischen Belastung der Klägerin durch die Folgen der Gewichtsabnahme, die jedoch weder durch objektive Befunde der behandelnden Ärzte der Klägerin noch durch die Gutachterin Dr. Ke. belegt wurde, rechtfertigt die begehrte Operation nicht. Denn die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Bei einer depressiven Episode können zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich Behandlungen mit Mitteln der Psychiatrie beansprucht werden. Solche fachärztlichen Behandlungen sind ausweislich der Angaben der Klägerin zu keinem Zeitpunkt vor dem 10. Mai 2011 durchgeführt worden. Operationen am krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, sind nicht als "Behandlung" im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung des Versicherten zugewiesen. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkung von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörenden gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen (BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -; in juris; Urteil des Senats vom 26. Juni 2009 - L 4 KR 3386/08 -; nicht veröffentlicht; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. April 2013 - L 1 KR 119/11 -; in juris). Solche Zweifel bestehen auch hier.

Die Klägerin kann den Leistungsanspruch auch nicht darauf stützen, dass sie der Beklagten durch die eigenverantwortlich durchgeführte Gewichtsverminderung künftige Behandlungskosten wegen aus einem erheblichen Übergewicht entstehenden Folgeerkrankungen erspart haben könnte. Denn die Grenzen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung würden dadurch aufgehoben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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