Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 2217/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 312/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V setzt nicht die ständige Anwesenheit einer Pflegefachkraft in unmittelbarer Nähe des Versicherten voraus.
2. Ob ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V vorliegt, ist prognostisch zu beurteilen.
3. Es bleibt offen, ob das sog. Weaning (Beatmungsentwöhnungsversuche bei Wachkomapatienten) zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege zählt oder nur stationär durchgeführt werden darf.
4. Eine Krankenkasse kann eine unaufschiebbare Leistung nur dann nicht rechtzeitig erbringen, wenn der Versichert alles ihm Zumutbare unternimmt hat, um eine rechtzeitige Entscheidung der Krankenkasse zu ermöglichen. Daran fehlt es, wenn der Versicherte die ärztliche Verordnung dem Leistungserbringer übergeben hat, dieser aber die Weiterleitung an die Krankenkasse ohne triftigen Grund um mehrere Wochen verzögert. Fehlverhalten des Leistungserbringers muss sich der Versicherte in diesem Falle zurechnen lassen.
5. Ein Ehegatte wurde von einem verstorbenen Leistungsberechtigten dann „wesentlich unterhalten“ i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I, wenn dieser mindestens 25 % zum gemeinsamen Unterhalt beitrug
2. Ob ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege i.S.v. § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V vorliegt, ist prognostisch zu beurteilen.
3. Es bleibt offen, ob das sog. Weaning (Beatmungsentwöhnungsversuche bei Wachkomapatienten) zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege zählt oder nur stationär durchgeführt werden darf.
4. Eine Krankenkasse kann eine unaufschiebbare Leistung nur dann nicht rechtzeitig erbringen, wenn der Versichert alles ihm Zumutbare unternimmt hat, um eine rechtzeitige Entscheidung der Krankenkasse zu ermöglichen. Daran fehlt es, wenn der Versicherte die ärztliche Verordnung dem Leistungserbringer übergeben hat, dieser aber die Weiterleitung an die Krankenkasse ohne triftigen Grund um mehrere Wochen verzögert. Fehlverhalten des Leistungserbringers muss sich der Versicherte in diesem Falle zurechnen lassen.
5. Ein Ehegatte wurde von einem verstorbenen Leistungsberechtigten dann „wesentlich unterhalten“ i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I, wenn dieser mindestens 25 % zum gemeinsamen Unterhalt beitrug
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2011 und der Bescheid der Beklagten vom 02. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. November 2010 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 961,68 Euro zu zahlen. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1/10. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Die Klägerin ist die Witwe und – aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments – Alleinerbin des 2009 verstorbenen W L, der bei der Beklagten krankenversichert war. Der Zahlbetrag der dem Versicherten ab Juli 2008 ausgezahlte Altersrente betrug monatlich 960,77 Euro, das Nettoarbeitsentgelt der Klägerin belief sich auf 1.752,18 Euro.
Der Versicherte wurde aufgrund einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) viele Jahre in seinem Haushalt pflegerisch versorgt. Aufgrund chronischer respiratorischer Insuffizienz wurden im Jahr 2008 mehrere Krankenhausaufenthalte erforderlich. Während des letzten stationären Aufenthaltes vom 28. November bis 29. Dezember 2008 wurde bei dem Kläger am 12. Dezember 2008 eine Tracheotomie durchgeführt. In der Folgezeit gelang zwar keine dauerhafte Entwöhnung des Versicherten vom Respirator; seit der Anpassung eines Heimbeatmungsgerätes am 22. Dezember 2008 ließ sich der Versicherte hierüber jedoch problemlos automatisch beatmen. Ausweislich des Entlassungsberichtes ging das Krankenhaus von einem langfristigen partiellen Entwöhnungsversuch aus.
Noch während dieses stationären Aufenthalts reichte die Klägerin für ihren Ehemann am 19. Dezember 2008 bei der Beklagten einen "Antrag auf vollstationäre Pflege" ein. Diesem war das ärztliche Gutachten des Krankenhausarztes Dr. L sowie die Einschätzung einer Pflegekraft, jeweils vom 19. Dezember 2008, beigefügt. Eine Ärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Bran¬den¬burg (MDK) bejahte am 23. Dezember 2008 in einer vorläufigen gutachterlichen Stellungnahme Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI.
Am 29. Dezember 2008 schlossen der Versicherte, vertreten durch die Klägerin, und das Zentrum für B und Ipflege GmbH (im Folgenden: Pflegeeinrichtung) mit Wirkung vom selben Tage einen Heimvertrag ab, der u.a. Leistungen der Pflege, der medizinischen Behandlungspflege und der medizinischen Rehabilitation vorsah. Die Entgelte für die in der Pflegeeinrichtung ausgeführten Leistungen sollten sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen richten, die zwischen der Pflegeeinrichtung und den öffentlichen Leistungsträgern (Pflegekassen, Sozialhilfeträger) nach den einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches/Elftes Buch (SGB XI) und des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vereinbart sind (§ 13 Abs. 1 Heimvertrag). Das vereinbarte tägliche Gesamtentgelt belief sich auf 237,10 Euro und setzte sich zusammen aus - Kosten für Unterkunft und Verpflegung 16,06 Euro - Pflegestufe I 44,68 Euro - besonderer Zuschlag für Fachpflege Beatmung 159,01 Euro - Investitionskosten Einzelzimmer 17,35 Euro. Aufgrund einer Entgeltanpassungsklausel (§ 15 Heimvertrag) betrug 2009 der Beatmungszuschlag 160,28 Euro.
Mit Schreiben vom 06. Januar 2009, bei der Beklagten eingegangen am 08. Januar 2009, beantragte die Pflegeeinrichtung die Übernahme der Kosten für die medizinische Behandlungspflege nach § 37 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V). Bei dem Versicherten bestehe "ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege für mindestens 6 Monate (Überwachung und Adaption der Beatmung, Trachealkanülenwechsel, Endotracheales Absaugen rund um die Uhr – unvorhersehbar –, Kontrolle der Vitalparameter) der die Anwesenheit einer Pflegefachkraft am Tag und in der Nacht erforderlich" mache. Nach dem MDK-Gutachten vom 27. Januar 2009 lag beim Versicherten seit Dezember 2008 Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II vor.
Am 23. Februar 2009 ging bei der Beklagten die von der Pflegeeinrichtung übersandte und von der Allgemeinmedizinerin R am 29. Dezember 2008 ausgestellte Verordnung häuslicher Krankenpflege für den Versicherten, bezogen auf den Zeitraum 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009, ein. Nach dieser Verordnung sollte die häusliche Krankenpflege, die statt Krankenhausbehandlung und zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung erfolge, die Maßnahmen "24h Überwachung Beatmung, TK-Wechsel, Tracheostomapflege, 24h unvorhersehbares Absaugen, 24h O2 Überwachung, Med.Gabe nach Plan, Kontrolle Vitalparameter" umfassen. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab die Ärztin an: COPD FEV1 )=35% und (50%, chron.resp.Insuff., LZ-Beatmung, dysph. b.gebl.TK, Kachexie, CIP, CIM, Pflegebedürftigkeit, Hypertonie, Presbyakusis beidseitig, Depression. Am 28. Februar 2009 wurde der Versicherte erneut stationär in ein Krankenhaus aufgenommen und verstarb dort. Die Rechnungen der Pflegeeinrichtung vom 03. Februar und 30. März 2009 über 5.954,80 Euro bzw. 6.578,85 Euro beglich die Klägerin jeweils innerhalb einer Woche.
Nach einem von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 11. Mai 2009 lagen bei den in der Pflegeeinrichtung erbrachten Leistungen die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung aus mehreren Gründen nicht vor. Hierauf gestützt teilte die Beklagte der Pflegeeinrichtung mit, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne (Schreiben vom 17. Mai 2009). Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 06. Mai 2010 "Widerspruch" eingelegt und das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte mit – ebenfalls auf den 17. Mai 2009 datierten, am 02. September 2010 zugegangenen – Bescheid (im Folgenden: Bescheid vom 02. Sep¬tem¬ber 2010) sowie dem Widerspruchsbescheid vom 02. November 2010 die Kostenübernahme für Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab, weil keine behandlungspflegerischen Maßnahmen in Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erforderlich gewesen seien, die die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle oder ein vergleichbaren intensiven Einsatz einer Pflegefachkraft notwendig gemacht hätten, und weil eine Behandlungspflege mit der Zielsetzung einer Beatmungsentwöhnung (sog. Wea¬ning) durchgeführt worden sei, welches "nicht Bestandteil der HKP Richtlinien" sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Erstattung der ihr für die Beatmungspflege in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 in Rechnung gestellten Kosten geltend gemacht und diese auf 9.417,15 Euro beziffert. Das Sozialgericht hat die fachpflegerische und sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) vom 09. September 2008 zum Thema "Häusliche Krankenpflege in stationären Pflegeeinrichtungen gemäß § 37 Abs. 2 SGB V" beigezogen.
Mit Urteil vom 21. September 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, an die Klägerin 9.417,15 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Die Klägerin sei Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Es handele sich um eine unaufschiebbare Leistung und der Versicherte bzw. die Klägerin (als dessen Vertreterin) hätten alles Mögliche und Zumutbare getan, um eine rechtzeitige Entscheidung der Beklagten zu ermöglichen. Ab dem 29. Dezember 2008 sei die Leistungserbringung aus medizinischer Sicht so dringlich gewesen, dass keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr bestanden habe, weil mit der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus umgehend die stationäre Pflege des Versicherten erforderlich gewesen sei. Mit dem bereits am 19. Dezember 2008 gestellten Antrag auf vollstationäre Pflege hätten der Beklagten das Leistungsbegehren sowie alle erforderlichen Informationen für die Prüfung einer Leistungspflicht nicht nur nach § 43 SGB XI, sondern auch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V vorgelegen. Eine vertragsärztliche Verordnung über Behandlungspflege habe zwar noch nicht am 19. Dezember 2008, wohl aber zu Beginn der Leistung am 29. Dezember 2008 vorgelegen. Da die Beklagte bereits mit dem Leistungsbegehren befasst gewesen sei, sei es ihre Aufgabe im Rahmen der Aufklärungspflicht nach § 13 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) gewesen, auf die rechtzeitige Beibringung der erforderlichen ärztlichen Verordnung hinzuwirken. Sie könne nicht dadurch von ihrer Leistungspflicht befreit sein, dass sie den Antrag sehr verspätet bearbeite und sich dann darauf berufe, die erforderlichen Unterlagen hätten nicht rechtzeitig vorgelegen. Dem Versicherten habe in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2009 ein Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V zugestanden. Wann ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege vorliege, habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in seinen auf der Grundlage von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Häuslicher Krankenpflege (HKP-RL), dort § 1 Abs. 7 Satz 3, näher konkretisiert. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Erfordernis einer ständigen Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft nicht dahingehend auszulegen, dass die ständige Anwesenheit einer Pflegefachkraft in unmittelbarer Nähe des Versicherten erforderlich sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Regelungen, dem Willen des GBA sowie dem Zweck der Vorschrift, wie er auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck komme. Ein besonders hoher Pflegebedarf könne nicht allein deshalb verneint werden, weil in einer speziell ausgestatteten Intensiv- bzw. Beatmungspflegeeinrichtung aufgrund technischer Überwachungsmöglichkeiten – wie auch in der Stellungnahme des MDS bestätigt – die ständige Anwesenheit am Bett des Patienten nicht erforderlich sei. Beatmungspatienten würden nach der Gesetzesbegründung, die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes nach den HKP-RL als Regelfälle eines besonders hohen Behandlungspflegebedarfs gewertet. Auch aus dem Rahmenvertrag gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege im Land Berlin ergäben sich besonders hohe personelle und technische Anforderungen für Pflegeeinrichtungen zur Betreuung von langzeitbeatmeten Pflegebedürftigen. Die von der Beklagten favorisierte Auslegung von § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V laufe der Intention des Gesetzgebers evident zuwider. Von einem besonders hohen Behandlungspflegebedarf sei daher dann auszugehen, wenn der Pflegebedarf über den in einer Pflegeeinrichtung üblichen Rahmen deutlich hinaus gehe und hierdurch für den Versicherten gegenüber dem nach der entsprechenden Pflegestufe gedeckelten Betrag deutlich höhere Kosten entstünden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der schwerstpflegebedürftige Versicherte in einem Heim lebe, das sich konzeptionell auf einen Personenkreis mit außergewöhnlich hohem Behandlungspflegebedarf spezialisiert habe und deshalb einen Pflegesatz deutlich über den Pflegesätzen der Pflegekasse berechne. Wie sich aus der Stellungnahme des MDS ergebe, werde für die Behandlungspflege in einer stationären Einrichtung von einem durchschnittlichen zeitlichen Aufwand zwischen 6,7 und 11 Minuten ausgegangen, während bei einem tracheotomierten und dauerbeatmeten Patienten – auch wenn insoweit ein Wachkomapatient zugrunde gelegt werde – für die Behandlungspflege ca. 100 bis 150 Minuten zzgl. der nicht quantifizierbaren dauerhaften Kontrolle der Sauerstoffsättigung mittels Monitor und der Sauerstoffgabe erforderlich seien. Die meisten der in der MDS-Stellungnahme aufgeführten behandlungspflegerischen Maßnahmen dürften ausweislich des MDK-Gutachtens und der Pflegedokumentation auch im vorliegenden Fall angefallen sein. Der besonders hohe Pflegebedarf habe auch auf Dauer bestanden. Im Rahmen der erforderlichen vorausschauenden Behandlungsweise sei nicht bereits bei Aufnahme in die Pflegeeinrichtung davon auszugehen gewesen, dass der Versicherte nur noch zwei Monate zu leben habe. Unerheblich sei, dass nach Ansicht der Beklagten und des MDK im streitgegenständlichen Zeitraum in der Pflegeeinrichtung auch ein Weaning durchgeführt worden sei, welches der akutmedizinischen Behandlung zuzurechnen und daher im Krankenhaus durchzuführen sei. Indes stehe die Notwendigkeit einer stationären Behandlung einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in einer Pflegeeinrichtung nicht grundsätzlich entgegen. Denn gemäß § 37 Abs. 1 SGB V werde häusliche Krankenpflege auch dann gewährt, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei, oder wenn sie durch häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werde. Hierin komme die Wertung zum Ausdruck, dass die häusliche Krankenpflege – wenn möglich – eine aufwändige stationäre Behandlung ersetzen solle. Auch wenn spezielle Intensivpflegeeinrichtungen über eine aufwendige personelle und technische Ausstattung verfügten, dürfte der Aufenthalt dort in jedem Fall noch deutlich preiswerter sein als ein dauerhafter Aufenthalt im Krankenhaus, zumal wenn dieser – wie vorliegend jedenfalls bis zum 28. Dezember 2008 – auf einer Intensivstation erfolge. Der Einwand, dass die in einer Beatmungspflegeeinrichtung tätigen Pflegefachkräfte für die Durchführung des Weaning nicht ausreichend qualifiziert seien, betreffe im Übrigen nur die Durchführung des Weaning selbst, nicht aber die übrigen behandlungspflegerischen Maßnahmen. Schließlich sei vorliegend darauf hinzuweisen, dass das Krankenhaus nach den glaubhaften Angaben der Klägerin auf eine Beendigung des stationären Aufenthalts gedrängt habe und die Beklagte bzw. die Pflegekasse die vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI auch bewilligt habe.
Gegen dieses ihr am 28. September 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 26. Oktober 2011, die sie wie folgt begründet: Weil die vom Sozialgericht herangezogene Stellungnahme des MDS vom 09. September 2008 ihr erst in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt worden sei, leide das Urteil insofern an einem schweren Begründungsmangel, als diese Stellungnahme zum einen unveröffentlicht und zum anderen durch die spätere Stellungnahme vom 05. Februar 2009 überholt gewesen sei. Im Übrigen werde auf das MDK-Gutachten vom 17. November 2011 verwiesen. Nach diesem Gutachten sei die Beatmungstherapie eine originär ärztliche Aufgabe und eine Entlassung mit dem Ziel, den Wea¬ning¬prozess in der Häuslichkeit, in einer ambulanten oder stationären Betreuungseinrichtung fortzuführen, obsolet. Da nach den HKP-RL in der zuletzt am 15. April 2010 geänderten Fassung u.a. Maßnahmen der ärztlichen Therapie nicht als häusliche Krankenpflege verordnungsfähig seien, sei eine Behandlungspflege mit der Zielsetzung der Beatmungsgeräteentwöhnung nicht Bestandteil der HKP-RL. In der Pflegedokumentation für die Zeit vom 01. Januar bis 26. Februar 2009 sei keine unvorhersehbare – nicht planbare – behandlungspflegerische Maßnahme dokumentiert. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen sei nicht nachvollziehbar, dass "behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen" mussten. Nach der S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie ("Nicht invasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz") seien bei permanenter Beatmung die Beatmungsparameter und -messwerte kontinuierlich, mindestens einmal pro Schicht, zu überwachen und bedarfsgerecht zu dokumentieren. Die Voraussetzung für die in der MDS-Stellungnahme vom 05. Februar 2009 umschriebenen Fälle eines "besonders hohen Bedarfs" lägen nach der Pflegedokumentation nicht vor. Da der Versicherte sich häufig gemeldet habe, um abgesaugt zu werden, hätten keine schweren Beeinträchtigungen des Bewusstseins und der motorischen Fähigkeiten vorgelegen. Nach übereinstimmenden Äußerungen des GKV-Spitzenverbandes und des Bundesministeriums für Gesundheit im Februar und April 2009 sei das Kriterium der Unvorhersehbarkeit der Maßnahmen nicht explizit Anspruchsvoraussetzung, sondern beschreibe nur eine mögliche Fallgestaltung näher. Entscheidend komme es darauf an, dass die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichsweise intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich sei. Diese Voraussetzungen lägen nach nochmaliger gründlicher Prüfung der Unterlagen nicht vor, etwas anderes gelte nur für den 27. und 28. Februar 2009, an denen es zu unvorhersehbaren Krampfanfällen gekommen sei, die einen intensiven behandlungspflegerischen Einsatz des Pflegepersonals begründet und in der Folge zur stationären Aufnahme des Versicherten geführt hätten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Zahlungsanspruch der Klägerin insgesamt bejaht. Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte lagen nur für die Zeit vom 23. bis 28. Februar 2009 vor. Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Klage unbegründet.
I. Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten Inhaberin des Kostenerstattungsanspruchs. Dieser stand dem Versicherten bis zum seinem Tod als Surrogat des von der Beklagten nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs (hierzu unter II.) zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten zunächst dem Ehegatten zu, wenn er mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Ein Kostenerstattungsanspruch, der als Surrogat eines auf laufende Leistungen der häuslichen Krankenpflege gerichteten Sachleistungsanspruch entstanden ist, zählt zu den Ansprüchen auf laufende Geldleistungen (vgl. Bundessozialgericht ¬- BSG -, Urteil vom 03. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R –, juris, mit dem Hinweis, dass der 3. Senat des BSG seine abweichende Auffassung auf Anfrage aufgegeben habe).
Ob die Klägerin mit dem Versicherten zuletzt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, kann der Senat offen lassen. Denn sie wurde jedenfalls von ihm "wesentlich" unterhalten. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Das Tatbestandsmerkmal "überwiegend unterhalten" in § 56 Abs. 4 SGB I erlaubt jedoch den Rückschluss, dass ein "wesentlicher" Unterhalt auch unterhalb der 50 %-Grenze vorliegen kann (a.A. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2008 – L 27 SF 12/08 –, juris). Auf der anderen Seite können schon begrifflich geringfügige, nur unerhebliche Unterhaltsleistungen nicht "wesentlich" i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I sein. Mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Mrozynski, Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 4.A., § 56 Rd. 24; Merten, in: Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch I, IV; X, § 56 SGB I, Rd. 19; Lebich, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 56 Rd. 8; Krauskopf/Baier, Gesetzliche Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 56 SGB I, Rd. 24; Gutzler, in: Beck’scher Onlinekommentar, Stand 1. März 2014, SGB I § 56 Rd. 9-10; Hänlein, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3.A., § 56 SGB I, Rd. 11) geht der Senat daher davon aus, dass im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSGE 21, 155 zum früheren Kindergeldgesetz) ein Unterhalt zumindest ab einem Anteil von 25 % "nicht unerheblich" ist. Darüber hinaus stellt der Senat bei Eheleuten auf die beiden Ehegatten zur Verfügung stehenden laufenden Einkünfte ab, weil er in typisierender Betrachtung davon ausgeht, dass innerhalb einer Ehe alle Einkünfte zum Bestreiten des Unterhalts verwendet werden.
Unter diesen Prämissen trägt die vom Versicherten bezogene Rente i.H.v. 960,77 Euro wesentlich zum (Gesamt-)Unterhalt der Eheleute i.H.v. 2.712,95 Euro dar, denn sie überschreitet einen Anteil von 1/3. Dass weitere nennenswerte Einkünfte für den Unterhalt der Eheleute zur Verfügung standen, ist nicht ersichtlich.
II. Auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V steht der Klägerin nur teilweise ein Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten zu, die ihr für die Beatmung des Versicherten in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 in Rechnung gestellt wurden. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Zwar bestand ein – auch im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V erforderlicher – (primärer) Sachleistungsanspruch für den gesamten streitigen Zeitraum (hierzu unter 1.). Die weiteren Voraussetzungen für eine Kostenerstattung liegen indes nur teilweise vor (hierzu unter 2.).
1. Der Versicherte hatte für die Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege.
a. Rechtsgrundlage ist insoweit § 37 Abs. 2 SGB V. Nach dessen Satz 1 erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V, eingefügt m.W.z. 1. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26. März 2007). Als Ziel dieser Gesetzesänderung wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100, S. 105) angegeben:
"Für besondere, eng begrenzte Personengruppen mit besonders hohem Versorgungsbedarf (z.B. Wachkomapatienten, Dauerbeatmete) regelt Abs. 2 Satz 2 [im Laufe des Gesetzgebungsverfahren wurde daraus Satz 3] die Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege durch die Krankenkassen, die nach § 132a Abs. 2 Verträge mit den Pflegeeinrichtungen zu schließen haben. Für diese Personen fallen im Rahmen der vollstationären Dauerpflegeversorgung (§ 43 SGB XI) sehr hohe Kosten für den behandlungspflegerischen Aufwand an. Da diese bisher von der Pflegeversicherung nur im Rahmen ihrer gedeckelten Leistungsbeträge übernommen wurden, verblieben bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sehr hohe Eigenanteile, die sehr häufig die Finanzkraft der Betroffenen überforderten und zu Sozialhilfeabhängigkeit führte."
Zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben sah der GBA in seinen auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V gestützten HKP-RL unter Nr. 6 Abs. 3 vor:
"Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist, insbesondere weil - behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder - die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes im Sinne der Nr. 8 der Anlage am Tag und in der Nacht erforderlich ist."
Zu den verordnungsfähigen Leistungen der häuslichen Krankenpflege zählen nach Nr. 6 (erster Spiegelstrich), 8 und 29 der Anlage zu den HKP-RL auch:
"6. Absaugen der oberen Luftweg
Bei hochgradiger Einschränkung der Fähigkeit zum Abhusten / der bronchialen Selbstreinigungsmechanismen z.B. bei schwerer Emphysembronchitis, Aids, Mukoviszidose, beatmeten Patienten."
"8. Bedienung und Überwachung des Beatmungsgeräts
Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes an Vitalparameter (z.B. Atemgase, Herzfrequenz, Blutdruck) auf Anordnung des Arztes bei beatmungspflichtigen Erkrankungen (z.B. hohe Querschnittslähmung, Zustand nach Schädel-Hirntrauma); Überprüfung der Funktionen des Beatmungsgerätes, ggf. Austausch bestimmter Teile des Gerätes (z.B. Beatmungsschläuche, Kaskaden, O2-Zellen)."
"29. Wechsel und Pflege der Trachealkanüle
Herausnahme der liegenden Trachealkanüle, Reinigung und Pflege, ggf. Behandlung des Stomas, Einsetzen und Fixieren der neuen Trachealkanüle, Reinigung der entnommenen Trachealkanüle."
b. Diesen Anforderungen werden die dem Versicherten am 29. Dezember 2008 verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege gerecht.
aa. Die am 29. Dezember 2008 verordneten Einzelmaßnahmen "24h Überwachung Beatmung", "24h O2 Überwachung" und "Kontrolle Vitalparameter" sind Nr. 8 der o.g. Anlage, "TK-Wechsel" (= Trachealkanülen-Wechsel) und "Tracheostomapflege" Nr. 29 der Anlage, "24h unvorhersehbares Absaugen" Nr. 6 der Anlage und die Medikamentengabe nach Plan Nr. 26 der Anlage zuzuordnen. Allerdings waren für den Kläger als Pflegeheimbewohner (§ 43 SGB XI) andere als die in § 6 Abs. 3 HKP-RL genannten Maßnahmen gemäß § 6 Abs. 1 HKP-RL nicht verordnungsfähig. Dies ist indes unschädlich, da mit der Klage andere als die in Nr. 8 der Anlage genannten Leistungen nicht geltend gemacht werden. Die zugrunde liegenden Rechnungsbeträge ("Zulage Beatmung") beziehen sich offenkundig nur auf Beatmungsmaßnahmen i.S.v. Nr. 8 der o.g. Anlage.
bb. Zutreffend hat das Sozialgericht in der verordneten und durchgeführten Beatmungspflege einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege gesehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
(1) Soweit die Beklagte rügt, das Sozialgericht habe sich auf die überholte Stellungnahme des MDS vom September 2008 gestützt, verkennt sie, dass die aus ihrer Sicht heranzuziehende spätere Stellungnahme vom Februar 2009 frühestens ab dem (dem Senat nicht bekannten) Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung beachtlich sein könnte. Denn allgemein können für die Beurteilung medizinischer Fragen nur Veröffentlichungen Berücksichtigung finden, die zum maßgeblichen Zeitpunkt – hier: 28. Dezember 2008 bis 29. Februar 2009 – bereits allgemein zugänglich waren. So¬mit müssen auch die weiteren vom MDK in seinem Gutachten vom 17. No¬vem¬ber 2011 erwähnten Publikationen - die erstmals im Dezember 2009 veröffentlichte S2-Leitlinie sowie die aus dem Jahre 2011 stammenden, u.a. unter Mitwirkung des MDS erstellten "Durchführungsempfehlungen zur invasiven außerklinischen Beatmung" - außer Betracht bleiben.
(2) Die Beklagte hat auch verkannt, dass über Sachleistungsansprüche der Versicherten grundsätzlich aufgrund einer vorausschauenden Betrachtung zu entscheiden ist. Erkenntnisse, die die Krankenkasse oder für sie der MDK erst anhand von Unterlagen über die Leistungserbringung, z.B. der Pflegedokumentation, erlangen, stehen daher nicht dem Sachleistungsanspruch des Versicherten, sondern allenfalls dem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers entgegen. Unzulässig ist es demnach zum einen, die Erforderlichkeit der ständigen Anwesenheit einer Pflegefachkraft mit Hilfe der Pflegedokumentation abzulehnen. Zum anderen stehen dokumentierte, vom Leistungserbringer ggf. eigenmächtig eingeleitete Beatmungsentwöhnungsversuche (Wea¬ning) dem Sachleistungsanspruch nicht entgegen, solange sich – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Beatmungspflege mit dem Ziel der (kurzfristigen) Entwöhnung ärztlich verordnet wurde.
(3) Was die weiteren Einwände zu dem nach Ansicht des MDK außerhalb der akutmedizinischen Krankenhausbehandlung unzulässigen Weaning betrifft, sei zunächst darauf hingewiesen, dass weder dem Wortlaut der HKP-RL noch den Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA vom 17. Januar 2008 (veröffentlicht auf der Website des GBA, www.g-ba.de) eine diesbezügliche Einschränkung zu entnehmen ist. Im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung Ansprüchen auf häusliche Krankenpflege nicht generell entgegensteht. Dies wurde von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht ansatzweise in Zweifel gezogen.
2. Die sonstigen – formellen – Anforderungen an einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V liegen jedoch nur teilweise vor. Zu Recht ist das Sozialgericht zwar davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der zweiten Alternative dieser Vorschrift schon deshalb nicht vorliegen, weil sämtliche geltend gemachten Kosten vor der Leistungsablehnung der Beklagten gegenüber der Klägerin (Bescheid vom 2. September 2010) und deshalb nicht "dadurch" entstanden sind. Die Voraussetzungen der 1. Alt. sind nur für einen kurzen Teilzeitraum (23. bis 28. Februar 2009) dem Grunde nach gegeben.
a. Ein Kostenerstattungsanspruch gründet nur dann auf dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V), wenn es dem Versicherten – aus medizinischen oder anderen Gründen – nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (BSG, Urteile vom 18. Juli 2006 ¬– B 1 KR 9/05 R – und vom 25. September 2000 – B 1 KR 5/99 R –, Beschluss vom 10. Januar 2005 – B 1 KR 69/03 B –, juris). Dies ist der Fall, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die Norm erfasst allerdings nicht Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss. Sie knüpft an die Regel an, dass Versicherte ihrer Krankenkasse vor Selbstbeschaffung einer Leistung ermöglichen müssen zu prüfen, ob ihre Leistungspflicht besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R –, juris). Diesen Anforderungen wurde der Versicherte erst ab dem 23. Februar 2009 gerecht.
aa. Allerdings ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten, dass die vom Versicherten begehrte Leistung (künstliche Beatmung) durchgängig, d.h. auch schon bei Aufnahme in die Pflegeeinrichtung und während der gesamten stationären Pflege, aus medizinischen Gründen erforderlich und daher unaufschiebbar war.
bb. Die Klägerin hat mit Recht nicht eingewandt, dem Versicherten sei eine Einschaltung der Beklagten nicht möglich oder zumutbar gewesen. Die ärztliche Verordnung der streitgegenständlichen Beatmungspflege stammt vom 29. Dezember 2008, mithin dem Tag, an dem der Versicherte in die Pflegeeinrichtung aufgenommen wurde. Welche Gründe einer sofortigen Übermittlung dieser Verordnung per Telefax an die Beklagte entgegen gestanden haben könnten, ist nicht ersichtlich. Da der Versicherte sich für die weitere Klärung seines Anspruchs der Hilfe der Pflegeeinrichtung bedient hat, ist nicht erkennbar, warum diese nicht schon am Aufnahmetag der Beklagten die Verordnung per Telefax übermittelt hat.
cc. Der Versicherte hat nicht alles ihm Zumutbare unternommen, um der Beklagten eine Prüfung des Anspruchs auf Beatmungspflege zu ermöglichen.
(1) Zutreffend hat das Sozialgericht gewürdigt, dass die Beklagte schon seit dem 19. Dezember 2008 (Freitag), somit 10 Tage vor Aufnahme in die Pflegeeinrichtung, durch den Antrag auf vollstationäre Pflege und das beigefügte Gutachten des Krankenhausarztes Dr. Lang darüber informiert war, dass der Versicherte wegen der Beatmungspflichtigkeit auf Beatmungspflege angewiesen war. Sie hat auch angemessen reagiert, indem sie unverzüglich die dann am zweiten darauffolgenden Werktag verfasste Stellungnahme des MDK vom 23. Dezember 2008 (Dienstag) veranlasst hat. Allerdings hat der Versicherte am 19. Dezember 2008, auch wenn man seinen "Antrag auf vollstationäre Pflege" zugleich als auf § 37 Abs. 2 SGB V gestützten Antrag auf Beatmungspflege ansieht, der Beklagten nicht alle Informationen übermittelt, die diese zur Prüfung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege benötigt.
(2) In diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, ob im vorliegenden Fall die Beklagte wegen der darin enthaltenen Informationen zum Gesundheitszustand des Versicherten auf die Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung vom 29. Dezember 2008 angewiesen war. Denn spätestens seit dem 6. Januar 2009 waren ihr alle wesentlichen Umstände bekannt: einerseits zur Beatmungspflichtigkeit sowie den sie begründende Diagnosen und Befunden aufgrund des ärztlichen Gutachtens vom 19. Dezember 2008 und andererseits zum Umfang der Beatmungspflege ("Überwachung und Adaption der Beatmung, Trachealkanülenwech¬sel, endotracheales Absaugen rund um die Uhr - unvorhersehbar -, Kontrolle der Vitalparameter") aufgrund des Schreibens der Pflegeeinrichtung vom 4. Januar 2009.
(3) Jedenfalls ist auch bei unaufschiebbaren Leistungen die vorhandene (vertrags-) ärztliche Verordnung regelmäßig schon deshalb dem Leistungsantrag beizufügen, weil erst durch sie der Sachleistungsanspruch des Versicherten konkretisiert (BSG, Urteile vom 13. Dezember 2011 – B 1 KR 9/11 R – (Rd. 21), vom 28. September 2010 – B 1 KR 3/10 R –, vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R –; grundlegend zum Rechtskonkretisierungskonzept des SGB V: BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92 –; jeweils juris) und somit zum Entstehen gebracht wird. Sie schafft eine Grundlage dafür, dass Versicherte mit Naturalleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) auf Kosten der Krankenkassen versorgt werden (BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R –, juris). Ohne Vorlage der Verordnung darf die mit einer unaufschiebbaren Leistung konfrontierte Krankenkasse regelmäßig davon ausgehen, dass ein Sachleistungsanspruch bereits wegen Außerachtlassens des Arztvorbehalts (§ 15 Abs.1 SGB V) nicht besteht. Damit wird den Versicherten nicht Unzumutbares auferlegt. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Versicherte nahtlos im Anschluss an eine stationäre Behandlung – oftmals erstmalig – häusliche Krankenpflege benötigen, kann ihr Sachleistungsantrag ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand mit der Vorlage der erforderlichen ärztlichen Verordnung verbunden werden, etwa wenn der Antrag persönlich einem Mitarbeiter der Krankenkasse übergeben oder er per Telefax übermittelt wird. Selbst bei telefonischer Antragstellung können die wesentlichen Verordnungsdaten zunächst mündlich weitergegeben werden.
(4) Selbst wenn die Obliegenheit der Versicherten, der Krankenkasse auch bei unaufschiebbaren Leistungen mit dem Antrag auch zugleich die ärztliche Verordnung zu übermitteln, als unzumutbar eingestuft würde, gälte im vorliegenden Fall nichts anderes. Denn der GBA hat den in solchen Lebenssituationen auftretenden besonderen Belastungen der Versicherten und ihrer Angehörigen durch Nr. 26 HKP-RL (in der in den Jahren 2008 und 2009 geltenden, hier maßgeblichen Fassung – alte Fassung (aF)) Rechnung getragen. Danach übernimmt die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V. Weil der Versicherte aber nicht einmal – entsprechend dieser Regelung – die ärztliche Verordnung vom 29. Dezember 2008 bis zum dritten darauf folgenden Arbeitstag, d.h. bis zum 2. Januar 2009, der Beklagten vorgelegt hat, ist der Vorhalt, er habe nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen, berechtigt.
(5) Die Klägerin kann sich weder darauf berufen, sie habe darauf vertrauen dürfen, die Pflegeeinrichtung werde alles insoweit Erforderliche veranlassen, noch, dass sie mit der Übergabe der ärztlichen Verordnung an die Pflegeeinrichtung alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen habe. Wenn Versicherte sich Dritter, z.B. Verwandten oder Leistungserbringern, bedienen, um ihre Pflichten und Obliegenheiten gegenüber der Krankenkasse zu erfüllen, müssen sie sich auch Versäumnisse und Fehlverhalten dieser Dritten zurechnen lassen. Denn nicht die Krankenkasse, sondern die Versicherten haben im Einzelfall die jeweiligen Dritten ausgewählt. Führen deren Versäumnisse und Fehlverhalten zu finanziellen Schäden der Versicherten, sind diese ggf. durch Schadensersatzansprüche aus dem zugrunde liegenden Dienst- oder Auftragsverhältnis (§§ 611ff, 662ff BGB) vor bleibenden Nachteilen geschützt. Würden Versäumnisse und Fehlverhalten dieser Dritten hingegen der Krankenkasse zugerechnet, stehen dieser typischerweise keine Rückgriffsansprüche gegen die Dritten zu. Im vorliegenden Fall etwa wäre – ungeachtet einer möglichen Verjährung – an einen Anspruch der Klägerin gegen die Pflegeeinrichtung auf Rückzahlung des Entgelts für die Beatmungspflege wegen Verletzung einer Nebenpflicht – erheblich verspätetes Einreichen der ärztlichen Verordnung bei der Beklagten – zu denken.
b. Somit besteht nur für den Zeitraum 23. bis 28. Februar 2009 ein Kostenerstattungsanspruch, der sich der Höhe nach auf (6 x 160,28 Euro =) 961,68 Euro beläuft.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. § 193 SGG kommt im vorliegenden Fall zur Anwendung, da die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (s. oben unter I.) nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegiert ist.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Die Klägerin ist die Witwe und – aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments – Alleinerbin des 2009 verstorbenen W L, der bei der Beklagten krankenversichert war. Der Zahlbetrag der dem Versicherten ab Juli 2008 ausgezahlte Altersrente betrug monatlich 960,77 Euro, das Nettoarbeitsentgelt der Klägerin belief sich auf 1.752,18 Euro.
Der Versicherte wurde aufgrund einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) viele Jahre in seinem Haushalt pflegerisch versorgt. Aufgrund chronischer respiratorischer Insuffizienz wurden im Jahr 2008 mehrere Krankenhausaufenthalte erforderlich. Während des letzten stationären Aufenthaltes vom 28. November bis 29. Dezember 2008 wurde bei dem Kläger am 12. Dezember 2008 eine Tracheotomie durchgeführt. In der Folgezeit gelang zwar keine dauerhafte Entwöhnung des Versicherten vom Respirator; seit der Anpassung eines Heimbeatmungsgerätes am 22. Dezember 2008 ließ sich der Versicherte hierüber jedoch problemlos automatisch beatmen. Ausweislich des Entlassungsberichtes ging das Krankenhaus von einem langfristigen partiellen Entwöhnungsversuch aus.
Noch während dieses stationären Aufenthalts reichte die Klägerin für ihren Ehemann am 19. Dezember 2008 bei der Beklagten einen "Antrag auf vollstationäre Pflege" ein. Diesem war das ärztliche Gutachten des Krankenhausarztes Dr. L sowie die Einschätzung einer Pflegekraft, jeweils vom 19. Dezember 2008, beigefügt. Eine Ärztin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Bran¬den¬burg (MDK) bejahte am 23. Dezember 2008 in einer vorläufigen gutachterlichen Stellungnahme Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI.
Am 29. Dezember 2008 schlossen der Versicherte, vertreten durch die Klägerin, und das Zentrum für B und Ipflege GmbH (im Folgenden: Pflegeeinrichtung) mit Wirkung vom selben Tage einen Heimvertrag ab, der u.a. Leistungen der Pflege, der medizinischen Behandlungspflege und der medizinischen Rehabilitation vorsah. Die Entgelte für die in der Pflegeeinrichtung ausgeführten Leistungen sollten sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen richten, die zwischen der Pflegeeinrichtung und den öffentlichen Leistungsträgern (Pflegekassen, Sozialhilfeträger) nach den einschlägigen Vorschriften des Sozialgesetzbuches/Elftes Buch (SGB XI) und des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) vereinbart sind (§ 13 Abs. 1 Heimvertrag). Das vereinbarte tägliche Gesamtentgelt belief sich auf 237,10 Euro und setzte sich zusammen aus - Kosten für Unterkunft und Verpflegung 16,06 Euro - Pflegestufe I 44,68 Euro - besonderer Zuschlag für Fachpflege Beatmung 159,01 Euro - Investitionskosten Einzelzimmer 17,35 Euro. Aufgrund einer Entgeltanpassungsklausel (§ 15 Heimvertrag) betrug 2009 der Beatmungszuschlag 160,28 Euro.
Mit Schreiben vom 06. Januar 2009, bei der Beklagten eingegangen am 08. Januar 2009, beantragte die Pflegeeinrichtung die Übernahme der Kosten für die medizinische Behandlungspflege nach § 37 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V). Bei dem Versicherten bestehe "ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege für mindestens 6 Monate (Überwachung und Adaption der Beatmung, Trachealkanülenwechsel, Endotracheales Absaugen rund um die Uhr – unvorhersehbar –, Kontrolle der Vitalparameter) der die Anwesenheit einer Pflegefachkraft am Tag und in der Nacht erforderlich" mache. Nach dem MDK-Gutachten vom 27. Januar 2009 lag beim Versicherten seit Dezember 2008 Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe II vor.
Am 23. Februar 2009 ging bei der Beklagten die von der Pflegeeinrichtung übersandte und von der Allgemeinmedizinerin R am 29. Dezember 2008 ausgestellte Verordnung häuslicher Krankenpflege für den Versicherten, bezogen auf den Zeitraum 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009, ein. Nach dieser Verordnung sollte die häusliche Krankenpflege, die statt Krankenhausbehandlung und zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung erfolge, die Maßnahmen "24h Überwachung Beatmung, TK-Wechsel, Tracheostomapflege, 24h unvorhersehbares Absaugen, 24h O2 Überwachung, Med.Gabe nach Plan, Kontrolle Vitalparameter" umfassen. Als verordnungsrelevante Diagnosen gab die Ärztin an: COPD FEV1 )=35% und (50%, chron.resp.Insuff., LZ-Beatmung, dysph. b.gebl.TK, Kachexie, CIP, CIM, Pflegebedürftigkeit, Hypertonie, Presbyakusis beidseitig, Depression. Am 28. Februar 2009 wurde der Versicherte erneut stationär in ein Krankenhaus aufgenommen und verstarb dort. Die Rechnungen der Pflegeeinrichtung vom 03. Februar und 30. März 2009 über 5.954,80 Euro bzw. 6.578,85 Euro beglich die Klägerin jeweils innerhalb einer Woche.
Nach einem von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Gutachten des MDK vom 11. Mai 2009 lagen bei den in der Pflegeeinrichtung erbrachten Leistungen die medizinischen Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung aus mehreren Gründen nicht vor. Hierauf gestützt teilte die Beklagte der Pflegeeinrichtung mit, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne (Schreiben vom 17. Mai 2009). Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 06. Mai 2010 "Widerspruch" eingelegt und das gemeinschaftliche Testament der Eheleute vorgelegt hatte, lehnte die Beklagte mit – ebenfalls auf den 17. Mai 2009 datierten, am 02. September 2010 zugegangenen – Bescheid (im Folgenden: Bescheid vom 02. Sep¬tem¬ber 2010) sowie dem Widerspruchsbescheid vom 02. November 2010 die Kostenübernahme für Leistungen der häuslichen Krankenpflege ab, weil keine behandlungspflegerischen Maßnahmen in Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erforderlich gewesen seien, die die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle oder ein vergleichbaren intensiven Einsatz einer Pflegefachkraft notwendig gemacht hätten, und weil eine Behandlungspflege mit der Zielsetzung einer Beatmungsentwöhnung (sog. Wea¬ning) durchgeführt worden sei, welches "nicht Bestandteil der HKP Richtlinien" sei.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Erstattung der ihr für die Beatmungspflege in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 in Rechnung gestellten Kosten geltend gemacht und diese auf 9.417,15 Euro beziffert. Das Sozialgericht hat die fachpflegerische und sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) vom 09. September 2008 zum Thema "Häusliche Krankenpflege in stationären Pflegeeinrichtungen gemäß § 37 Abs. 2 SGB V" beigezogen.
Mit Urteil vom 21. September 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, an die Klägerin 9.417,15 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Die Klägerin sei Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Es handele sich um eine unaufschiebbare Leistung und der Versicherte bzw. die Klägerin (als dessen Vertreterin) hätten alles Mögliche und Zumutbare getan, um eine rechtzeitige Entscheidung der Beklagten zu ermöglichen. Ab dem 29. Dezember 2008 sei die Leistungserbringung aus medizinischer Sicht so dringlich gewesen, dass keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zu einer Entscheidung der Krankenkasse mehr bestanden habe, weil mit der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus umgehend die stationäre Pflege des Versicherten erforderlich gewesen sei. Mit dem bereits am 19. Dezember 2008 gestellten Antrag auf vollstationäre Pflege hätten der Beklagten das Leistungsbegehren sowie alle erforderlichen Informationen für die Prüfung einer Leistungspflicht nicht nur nach § 43 SGB XI, sondern auch nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V vorgelegen. Eine vertragsärztliche Verordnung über Behandlungspflege habe zwar noch nicht am 19. Dezember 2008, wohl aber zu Beginn der Leistung am 29. Dezember 2008 vorgelegen. Da die Beklagte bereits mit dem Leistungsbegehren befasst gewesen sei, sei es ihre Aufgabe im Rahmen der Aufklärungspflicht nach § 13 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) gewesen, auf die rechtzeitige Beibringung der erforderlichen ärztlichen Verordnung hinzuwirken. Sie könne nicht dadurch von ihrer Leistungspflicht befreit sein, dass sie den Antrag sehr verspätet bearbeite und sich dann darauf berufe, die erforderlichen Unterlagen hätten nicht rechtzeitig vorgelegen. Dem Versicherten habe in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis zum 28. Februar 2009 ein Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V zugestanden. Wann ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege vorliege, habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in seinen auf der Grundlage von § 37 Abs. 6 SGB V erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Häuslicher Krankenpflege (HKP-RL), dort § 1 Abs. 7 Satz 3, näher konkretisiert. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei das Erfordernis einer ständigen Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft nicht dahingehend auszulegen, dass die ständige Anwesenheit einer Pflegefachkraft in unmittelbarer Nähe des Versicherten erforderlich sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut und der Systematik der Regelungen, dem Willen des GBA sowie dem Zweck der Vorschrift, wie er auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck komme. Ein besonders hoher Pflegebedarf könne nicht allein deshalb verneint werden, weil in einer speziell ausgestatteten Intensiv- bzw. Beatmungspflegeeinrichtung aufgrund technischer Überwachungsmöglichkeiten – wie auch in der Stellungnahme des MDS bestätigt – die ständige Anwesenheit am Bett des Patienten nicht erforderlich sei. Beatmungspatienten würden nach der Gesetzesbegründung, die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes nach den HKP-RL als Regelfälle eines besonders hohen Behandlungspflegebedarfs gewertet. Auch aus dem Rahmenvertrag gemäß § 75 Abs. 1 und 2 SGB XI zur vollstationären Pflege im Land Berlin ergäben sich besonders hohe personelle und technische Anforderungen für Pflegeeinrichtungen zur Betreuung von langzeitbeatmeten Pflegebedürftigen. Die von der Beklagten favorisierte Auslegung von § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V laufe der Intention des Gesetzgebers evident zuwider. Von einem besonders hohen Behandlungspflegebedarf sei daher dann auszugehen, wenn der Pflegebedarf über den in einer Pflegeeinrichtung üblichen Rahmen deutlich hinaus gehe und hierdurch für den Versicherten gegenüber dem nach der entsprechenden Pflegestufe gedeckelten Betrag deutlich höhere Kosten entstünden. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der schwerstpflegebedürftige Versicherte in einem Heim lebe, das sich konzeptionell auf einen Personenkreis mit außergewöhnlich hohem Behandlungspflegebedarf spezialisiert habe und deshalb einen Pflegesatz deutlich über den Pflegesätzen der Pflegekasse berechne. Wie sich aus der Stellungnahme des MDS ergebe, werde für die Behandlungspflege in einer stationären Einrichtung von einem durchschnittlichen zeitlichen Aufwand zwischen 6,7 und 11 Minuten ausgegangen, während bei einem tracheotomierten und dauerbeatmeten Patienten – auch wenn insoweit ein Wachkomapatient zugrunde gelegt werde – für die Behandlungspflege ca. 100 bis 150 Minuten zzgl. der nicht quantifizierbaren dauerhaften Kontrolle der Sauerstoffsättigung mittels Monitor und der Sauerstoffgabe erforderlich seien. Die meisten der in der MDS-Stellungnahme aufgeführten behandlungspflegerischen Maßnahmen dürften ausweislich des MDK-Gutachtens und der Pflegedokumentation auch im vorliegenden Fall angefallen sein. Der besonders hohe Pflegebedarf habe auch auf Dauer bestanden. Im Rahmen der erforderlichen vorausschauenden Behandlungsweise sei nicht bereits bei Aufnahme in die Pflegeeinrichtung davon auszugehen gewesen, dass der Versicherte nur noch zwei Monate zu leben habe. Unerheblich sei, dass nach Ansicht der Beklagten und des MDK im streitgegenständlichen Zeitraum in der Pflegeeinrichtung auch ein Weaning durchgeführt worden sei, welches der akutmedizinischen Behandlung zuzurechnen und daher im Krankenhaus durchzuführen sei. Indes stehe die Notwendigkeit einer stationären Behandlung einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch in einer Pflegeeinrichtung nicht grundsätzlich entgegen. Denn gemäß § 37 Abs. 1 SGB V werde häusliche Krankenpflege auch dann gewährt, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar sei, oder wenn sie durch häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werde. Hierin komme die Wertung zum Ausdruck, dass die häusliche Krankenpflege – wenn möglich – eine aufwändige stationäre Behandlung ersetzen solle. Auch wenn spezielle Intensivpflegeeinrichtungen über eine aufwendige personelle und technische Ausstattung verfügten, dürfte der Aufenthalt dort in jedem Fall noch deutlich preiswerter sein als ein dauerhafter Aufenthalt im Krankenhaus, zumal wenn dieser – wie vorliegend jedenfalls bis zum 28. Dezember 2008 – auf einer Intensivstation erfolge. Der Einwand, dass die in einer Beatmungspflegeeinrichtung tätigen Pflegefachkräfte für die Durchführung des Weaning nicht ausreichend qualifiziert seien, betreffe im Übrigen nur die Durchführung des Weaning selbst, nicht aber die übrigen behandlungspflegerischen Maßnahmen. Schließlich sei vorliegend darauf hinzuweisen, dass das Krankenhaus nach den glaubhaften Angaben der Klägerin auf eine Beendigung des stationären Aufenthalts gedrängt habe und die Beklagte bzw. die Pflegekasse die vollstationäre Pflege nach § 43 SGB XI auch bewilligt habe.
Gegen dieses ihr am 28. September 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 26. Oktober 2011, die sie wie folgt begründet: Weil die vom Sozialgericht herangezogene Stellungnahme des MDS vom 09. September 2008 ihr erst in der mündlichen Verhandlung ausgehändigt worden sei, leide das Urteil insofern an einem schweren Begründungsmangel, als diese Stellungnahme zum einen unveröffentlicht und zum anderen durch die spätere Stellungnahme vom 05. Februar 2009 überholt gewesen sei. Im Übrigen werde auf das MDK-Gutachten vom 17. November 2011 verwiesen. Nach diesem Gutachten sei die Beatmungstherapie eine originär ärztliche Aufgabe und eine Entlassung mit dem Ziel, den Wea¬ning¬prozess in der Häuslichkeit, in einer ambulanten oder stationären Betreuungseinrichtung fortzuführen, obsolet. Da nach den HKP-RL in der zuletzt am 15. April 2010 geänderten Fassung u.a. Maßnahmen der ärztlichen Therapie nicht als häusliche Krankenpflege verordnungsfähig seien, sei eine Behandlungspflege mit der Zielsetzung der Beatmungsgeräteentwöhnung nicht Bestandteil der HKP-RL. In der Pflegedokumentation für die Zeit vom 01. Januar bis 26. Februar 2009 sei keine unvorhersehbare – nicht planbare – behandlungspflegerische Maßnahme dokumentiert. Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen sei nicht nachvollziehbar, dass "behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen" mussten. Nach der S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie ("Nicht invasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz") seien bei permanenter Beatmung die Beatmungsparameter und -messwerte kontinuierlich, mindestens einmal pro Schicht, zu überwachen und bedarfsgerecht zu dokumentieren. Die Voraussetzung für die in der MDS-Stellungnahme vom 05. Februar 2009 umschriebenen Fälle eines "besonders hohen Bedarfs" lägen nach der Pflegedokumentation nicht vor. Da der Versicherte sich häufig gemeldet habe, um abgesaugt zu werden, hätten keine schweren Beeinträchtigungen des Bewusstseins und der motorischen Fähigkeiten vorgelegen. Nach übereinstimmenden Äußerungen des GKV-Spitzenverbandes und des Bundesministeriums für Gesundheit im Februar und April 2009 sei das Kriterium der Unvorhersehbarkeit der Maßnahmen nicht explizit Anspruchsvoraussetzung, sondern beschreibe nur eine mögliche Fallgestaltung näher. Entscheidend komme es darauf an, dass die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichsweise intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich sei. Diese Voraussetzungen lägen nach nochmaliger gründlicher Prüfung der Unterlagen nicht vor, etwas anderes gelte nur für den 27. und 28. Februar 2009, an denen es zu unvorhersehbaren Krampfanfällen gekommen sei, die einen intensiven behandlungspflegerischen Einsatz des Pflegepersonals begründet und in der Folge zur stationären Aufnahme des Versicherten geführt hätten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. September 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Zahlungsanspruch der Klägerin insgesamt bejaht. Die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagte lagen nur für die Zeit vom 23. bis 28. Februar 2009 vor. Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Klage unbegründet.
I. Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten Inhaberin des Kostenerstattungsanspruchs. Dieser stand dem Versicherten bis zum seinem Tod als Surrogat des von der Beklagten nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs (hierzu unter II.) zu.
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten zunächst dem Ehegatten zu, wenn er mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Ein Kostenerstattungsanspruch, der als Surrogat eines auf laufende Leistungen der häuslichen Krankenpflege gerichteten Sachleistungsanspruch entstanden ist, zählt zu den Ansprüchen auf laufende Geldleistungen (vgl. Bundessozialgericht ¬- BSG -, Urteil vom 03. Juli 2012 – B 1 KR 6/11 R –, juris, mit dem Hinweis, dass der 3. Senat des BSG seine abweichende Auffassung auf Anfrage aufgegeben habe).
Ob die Klägerin mit dem Versicherten zuletzt in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, kann der Senat offen lassen. Denn sie wurde jedenfalls von ihm "wesentlich" unterhalten. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Das Tatbestandsmerkmal "überwiegend unterhalten" in § 56 Abs. 4 SGB I erlaubt jedoch den Rückschluss, dass ein "wesentlicher" Unterhalt auch unterhalb der 50 %-Grenze vorliegen kann (a.A. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Juli 2008 – L 27 SF 12/08 –, juris). Auf der anderen Seite können schon begrifflich geringfügige, nur unerhebliche Unterhaltsleistungen nicht "wesentlich" i.S.v. § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I sein. Mit der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Mrozynski, Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil, 4.A., § 56 Rd. 24; Merten, in: Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch I, IV; X, § 56 SGB I, Rd. 19; Lebich, in: Hauck/Noftz, SGB I, § 56 Rd. 8; Krauskopf/Baier, Gesetzliche Krankenversicherung Pflegeversicherung, § 56 SGB I, Rd. 24; Gutzler, in: Beck’scher Onlinekommentar, Stand 1. März 2014, SGB I § 56 Rd. 9-10; Hänlein, in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3.A., § 56 SGB I, Rd. 11) geht der Senat daher davon aus, dass im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSGE 21, 155 zum früheren Kindergeldgesetz) ein Unterhalt zumindest ab einem Anteil von 25 % "nicht unerheblich" ist. Darüber hinaus stellt der Senat bei Eheleuten auf die beiden Ehegatten zur Verfügung stehenden laufenden Einkünfte ab, weil er in typisierender Betrachtung davon ausgeht, dass innerhalb einer Ehe alle Einkünfte zum Bestreiten des Unterhalts verwendet werden.
Unter diesen Prämissen trägt die vom Versicherten bezogene Rente i.H.v. 960,77 Euro wesentlich zum (Gesamt-)Unterhalt der Eheleute i.H.v. 2.712,95 Euro dar, denn sie überschreitet einen Anteil von 1/3. Dass weitere nennenswerte Einkünfte für den Unterhalt der Eheleute zur Verfügung standen, ist nicht ersichtlich.
II. Auf der Grundlage von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V steht der Klägerin nur teilweise ein Anspruch auf Erstattung derjenigen Kosten zu, die ihr für die Beatmung des Versicherten in der Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 in Rechnung gestellt wurden. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (1. Alt.) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (2. Alt.) und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Zwar bestand ein – auch im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V erforderlicher – (primärer) Sachleistungsanspruch für den gesamten streitigen Zeitraum (hierzu unter 1.). Die weiteren Voraussetzungen für eine Kostenerstattung liegen indes nur teilweise vor (hierzu unter 2.).
1. Der Versicherte hatte für die Zeit vom 29. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf häusliche Krankenpflege.
a. Rechtsgrundlage ist insoweit § 37 Abs. 2 SGB V. Nach dessen Satz 1 erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V, eingefügt m.W.z. 1. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26. März 2007). Als Ziel dieser Gesetzesänderung wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100, S. 105) angegeben:
"Für besondere, eng begrenzte Personengruppen mit besonders hohem Versorgungsbedarf (z.B. Wachkomapatienten, Dauerbeatmete) regelt Abs. 2 Satz 2 [im Laufe des Gesetzgebungsverfahren wurde daraus Satz 3] die Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege durch die Krankenkassen, die nach § 132a Abs. 2 Verträge mit den Pflegeeinrichtungen zu schließen haben. Für diese Personen fallen im Rahmen der vollstationären Dauerpflegeversorgung (§ 43 SGB XI) sehr hohe Kosten für den behandlungspflegerischen Aufwand an. Da diese bisher von der Pflegeversicherung nur im Rahmen ihrer gedeckelten Leistungsbeträge übernommen wurden, verblieben bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen sehr hohe Eigenanteile, die sehr häufig die Finanzkraft der Betroffenen überforderten und zu Sozialhilfeabhängigkeit führte."
Zur Konkretisierung der gesetzlichen Vorgaben sah der GBA in seinen auf § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, Abs. 7 SGB V gestützten HKP-RL unter Nr. 6 Abs. 3 vor:
"Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist, insbesondere weil - behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder - die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes im Sinne der Nr. 8 der Anlage am Tag und in der Nacht erforderlich ist."
Zu den verordnungsfähigen Leistungen der häuslichen Krankenpflege zählen nach Nr. 6 (erster Spiegelstrich), 8 und 29 der Anlage zu den HKP-RL auch:
"6. Absaugen der oberen Luftweg
Bei hochgradiger Einschränkung der Fähigkeit zum Abhusten / der bronchialen Selbstreinigungsmechanismen z.B. bei schwerer Emphysembronchitis, Aids, Mukoviszidose, beatmeten Patienten."
"8. Bedienung und Überwachung des Beatmungsgeräts
Anpassung und Überprüfung der Einstellungen des Beatmungsgerätes an Vitalparameter (z.B. Atemgase, Herzfrequenz, Blutdruck) auf Anordnung des Arztes bei beatmungspflichtigen Erkrankungen (z.B. hohe Querschnittslähmung, Zustand nach Schädel-Hirntrauma); Überprüfung der Funktionen des Beatmungsgerätes, ggf. Austausch bestimmter Teile des Gerätes (z.B. Beatmungsschläuche, Kaskaden, O2-Zellen)."
"29. Wechsel und Pflege der Trachealkanüle
Herausnahme der liegenden Trachealkanüle, Reinigung und Pflege, ggf. Behandlung des Stomas, Einsetzen und Fixieren der neuen Trachealkanüle, Reinigung der entnommenen Trachealkanüle."
b. Diesen Anforderungen werden die dem Versicherten am 29. Dezember 2008 verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege gerecht.
aa. Die am 29. Dezember 2008 verordneten Einzelmaßnahmen "24h Überwachung Beatmung", "24h O2 Überwachung" und "Kontrolle Vitalparameter" sind Nr. 8 der o.g. Anlage, "TK-Wechsel" (= Trachealkanülen-Wechsel) und "Tracheostomapflege" Nr. 29 der Anlage, "24h unvorhersehbares Absaugen" Nr. 6 der Anlage und die Medikamentengabe nach Plan Nr. 26 der Anlage zuzuordnen. Allerdings waren für den Kläger als Pflegeheimbewohner (§ 43 SGB XI) andere als die in § 6 Abs. 3 HKP-RL genannten Maßnahmen gemäß § 6 Abs. 1 HKP-RL nicht verordnungsfähig. Dies ist indes unschädlich, da mit der Klage andere als die in Nr. 8 der Anlage genannten Leistungen nicht geltend gemacht werden. Die zugrunde liegenden Rechnungsbeträge ("Zulage Beatmung") beziehen sich offenkundig nur auf Beatmungsmaßnahmen i.S.v. Nr. 8 der o.g. Anlage.
bb. Zutreffend hat das Sozialgericht in der verordneten und durchgeführten Beatmungspflege einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege gesehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
(1) Soweit die Beklagte rügt, das Sozialgericht habe sich auf die überholte Stellungnahme des MDS vom September 2008 gestützt, verkennt sie, dass die aus ihrer Sicht heranzuziehende spätere Stellungnahme vom Februar 2009 frühestens ab dem (dem Senat nicht bekannten) Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung beachtlich sein könnte. Denn allgemein können für die Beurteilung medizinischer Fragen nur Veröffentlichungen Berücksichtigung finden, die zum maßgeblichen Zeitpunkt – hier: 28. Dezember 2008 bis 29. Februar 2009 – bereits allgemein zugänglich waren. So¬mit müssen auch die weiteren vom MDK in seinem Gutachten vom 17. No¬vem¬ber 2011 erwähnten Publikationen - die erstmals im Dezember 2009 veröffentlichte S2-Leitlinie sowie die aus dem Jahre 2011 stammenden, u.a. unter Mitwirkung des MDS erstellten "Durchführungsempfehlungen zur invasiven außerklinischen Beatmung" - außer Betracht bleiben.
(2) Die Beklagte hat auch verkannt, dass über Sachleistungsansprüche der Versicherten grundsätzlich aufgrund einer vorausschauenden Betrachtung zu entscheiden ist. Erkenntnisse, die die Krankenkasse oder für sie der MDK erst anhand von Unterlagen über die Leistungserbringung, z.B. der Pflegedokumentation, erlangen, stehen daher nicht dem Sachleistungsanspruch des Versicherten, sondern allenfalls dem Vergütungsanspruch des Leistungserbringers entgegen. Unzulässig ist es demnach zum einen, die Erforderlichkeit der ständigen Anwesenheit einer Pflegefachkraft mit Hilfe der Pflegedokumentation abzulehnen. Zum anderen stehen dokumentierte, vom Leistungserbringer ggf. eigenmächtig eingeleitete Beatmungsentwöhnungsversuche (Wea¬ning) dem Sachleistungsanspruch nicht entgegen, solange sich – wie hier – keine Anhaltspunkte dafür finden, dass die Beatmungspflege mit dem Ziel der (kurzfristigen) Entwöhnung ärztlich verordnet wurde.
(3) Was die weiteren Einwände zu dem nach Ansicht des MDK außerhalb der akutmedizinischen Krankenhausbehandlung unzulässigen Weaning betrifft, sei zunächst darauf hingewiesen, dass weder dem Wortlaut der HKP-RL noch den Tragenden Gründen zum Beschluss des GBA vom 17. Januar 2008 (veröffentlicht auf der Website des GBA, www.g-ba.de) eine diesbezügliche Einschränkung zu entnehmen ist. Im Übrigen hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Notwendigkeit stationärer Krankenhausbehandlung Ansprüchen auf häusliche Krankenpflege nicht generell entgegensteht. Dies wurde von der Beklagten im Berufungsverfahren nicht ansatzweise in Zweifel gezogen.
2. Die sonstigen – formellen – Anforderungen an einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V liegen jedoch nur teilweise vor. Zu Recht ist das Sozialgericht zwar davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen der zweiten Alternative dieser Vorschrift schon deshalb nicht vorliegen, weil sämtliche geltend gemachten Kosten vor der Leistungsablehnung der Beklagten gegenüber der Klägerin (Bescheid vom 2. September 2010) und deshalb nicht "dadurch" entstanden sind. Die Voraussetzungen der 1. Alt. sind nur für einen kurzen Teilzeitraum (23. bis 28. Februar 2009) dem Grunde nach gegeben.
a. Ein Kostenerstattungsanspruch gründet nur dann auf dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unaufschiebbaren Leistung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V), wenn es dem Versicherten – aus medizinischen oder anderen Gründen – nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (BSG, Urteile vom 18. Juli 2006 ¬– B 1 KR 9/05 R – und vom 25. September 2000 – B 1 KR 5/99 R –, Beschluss vom 10. Januar 2005 – B 1 KR 69/03 B –, juris). Dies ist der Fall, wenn eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung der Krankenkasse mehr besteht. Die Norm erfasst allerdings nicht Notfälle im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, bei denen ein unvermittelt aufgetretener Behandlungsbedarf sofort befriedigt werden muss. Sie knüpft an die Regel an, dass Versicherte ihrer Krankenkasse vor Selbstbeschaffung einer Leistung ermöglichen müssen zu prüfen, ob ihre Leistungspflicht besteht (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006 – B 1 KR 8/06 R –, juris). Diesen Anforderungen wurde der Versicherte erst ab dem 23. Februar 2009 gerecht.
aa. Allerdings ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht umstritten, dass die vom Versicherten begehrte Leistung (künstliche Beatmung) durchgängig, d.h. auch schon bei Aufnahme in die Pflegeeinrichtung und während der gesamten stationären Pflege, aus medizinischen Gründen erforderlich und daher unaufschiebbar war.
bb. Die Klägerin hat mit Recht nicht eingewandt, dem Versicherten sei eine Einschaltung der Beklagten nicht möglich oder zumutbar gewesen. Die ärztliche Verordnung der streitgegenständlichen Beatmungspflege stammt vom 29. Dezember 2008, mithin dem Tag, an dem der Versicherte in die Pflegeeinrichtung aufgenommen wurde. Welche Gründe einer sofortigen Übermittlung dieser Verordnung per Telefax an die Beklagte entgegen gestanden haben könnten, ist nicht ersichtlich. Da der Versicherte sich für die weitere Klärung seines Anspruchs der Hilfe der Pflegeeinrichtung bedient hat, ist nicht erkennbar, warum diese nicht schon am Aufnahmetag der Beklagten die Verordnung per Telefax übermittelt hat.
cc. Der Versicherte hat nicht alles ihm Zumutbare unternommen, um der Beklagten eine Prüfung des Anspruchs auf Beatmungspflege zu ermöglichen.
(1) Zutreffend hat das Sozialgericht gewürdigt, dass die Beklagte schon seit dem 19. Dezember 2008 (Freitag), somit 10 Tage vor Aufnahme in die Pflegeeinrichtung, durch den Antrag auf vollstationäre Pflege und das beigefügte Gutachten des Krankenhausarztes Dr. Lang darüber informiert war, dass der Versicherte wegen der Beatmungspflichtigkeit auf Beatmungspflege angewiesen war. Sie hat auch angemessen reagiert, indem sie unverzüglich die dann am zweiten darauffolgenden Werktag verfasste Stellungnahme des MDK vom 23. Dezember 2008 (Dienstag) veranlasst hat. Allerdings hat der Versicherte am 19. Dezember 2008, auch wenn man seinen "Antrag auf vollstationäre Pflege" zugleich als auf § 37 Abs. 2 SGB V gestützten Antrag auf Beatmungspflege ansieht, der Beklagten nicht alle Informationen übermittelt, die diese zur Prüfung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege benötigt.
(2) In diesem Zusammenhang kann auf sich beruhen, ob im vorliegenden Fall die Beklagte wegen der darin enthaltenen Informationen zum Gesundheitszustand des Versicherten auf die Vorlage der vertragsärztlichen Verordnung vom 29. Dezember 2008 angewiesen war. Denn spätestens seit dem 6. Januar 2009 waren ihr alle wesentlichen Umstände bekannt: einerseits zur Beatmungspflichtigkeit sowie den sie begründende Diagnosen und Befunden aufgrund des ärztlichen Gutachtens vom 19. Dezember 2008 und andererseits zum Umfang der Beatmungspflege ("Überwachung und Adaption der Beatmung, Trachealkanülenwech¬sel, endotracheales Absaugen rund um die Uhr - unvorhersehbar -, Kontrolle der Vitalparameter") aufgrund des Schreibens der Pflegeeinrichtung vom 4. Januar 2009.
(3) Jedenfalls ist auch bei unaufschiebbaren Leistungen die vorhandene (vertrags-) ärztliche Verordnung regelmäßig schon deshalb dem Leistungsantrag beizufügen, weil erst durch sie der Sachleistungsanspruch des Versicherten konkretisiert (BSG, Urteile vom 13. Dezember 2011 – B 1 KR 9/11 R – (Rd. 21), vom 28. September 2010 – B 1 KR 3/10 R –, vom 17. Dezember 2009 – B 3 KR 13/08 R –; grundlegend zum Rechtskonkretisierungskonzept des SGB V: BSG, Urteil vom 16. Dezember 1993 – 4 RK 5/92 –; jeweils juris) und somit zum Entstehen gebracht wird. Sie schafft eine Grundlage dafür, dass Versicherte mit Naturalleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) auf Kosten der Krankenkassen versorgt werden (BSG, Urteil vom 13. September 2011 – B 1 KR 23/10 R –, juris). Ohne Vorlage der Verordnung darf die mit einer unaufschiebbaren Leistung konfrontierte Krankenkasse regelmäßig davon ausgehen, dass ein Sachleistungsanspruch bereits wegen Außerachtlassens des Arztvorbehalts (§ 15 Abs.1 SGB V) nicht besteht. Damit wird den Versicherten nicht Unzumutbares auferlegt. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden, in denen Versicherte nahtlos im Anschluss an eine stationäre Behandlung – oftmals erstmalig – häusliche Krankenpflege benötigen, kann ihr Sachleistungsantrag ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand mit der Vorlage der erforderlichen ärztlichen Verordnung verbunden werden, etwa wenn der Antrag persönlich einem Mitarbeiter der Krankenkasse übergeben oder er per Telefax übermittelt wird. Selbst bei telefonischer Antragstellung können die wesentlichen Verordnungsdaten zunächst mündlich weitergegeben werden.
(4) Selbst wenn die Obliegenheit der Versicherten, der Krankenkasse auch bei unaufschiebbaren Leistungen mit dem Antrag auch zugleich die ärztliche Verordnung zu übermitteln, als unzumutbar eingestuft würde, gälte im vorliegenden Fall nichts anderes. Denn der GBA hat den in solchen Lebenssituationen auftretenden besonderen Belastungen der Versicherten und ihrer Angehörigen durch Nr. 26 HKP-RL (in der in den Jahren 2008 und 2009 geltenden, hier maßgeblichen Fassung – alte Fassung (aF)) Rechnung getragen. Danach übernimmt die Krankenkasse bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vom Vertragsarzt verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs. 2 SGB V, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird. Das Nähere regeln die Partner der Rahmenempfehlungen nach § 132a Abs. 1 SGB V. Weil der Versicherte aber nicht einmal – entsprechend dieser Regelung – die ärztliche Verordnung vom 29. Dezember 2008 bis zum dritten darauf folgenden Arbeitstag, d.h. bis zum 2. Januar 2009, der Beklagten vorgelegt hat, ist der Vorhalt, er habe nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen, berechtigt.
(5) Die Klägerin kann sich weder darauf berufen, sie habe darauf vertrauen dürfen, die Pflegeeinrichtung werde alles insoweit Erforderliche veranlassen, noch, dass sie mit der Übergabe der ärztlichen Verordnung an die Pflegeeinrichtung alles ihr Mögliche und Zumutbare unternommen habe. Wenn Versicherte sich Dritter, z.B. Verwandten oder Leistungserbringern, bedienen, um ihre Pflichten und Obliegenheiten gegenüber der Krankenkasse zu erfüllen, müssen sie sich auch Versäumnisse und Fehlverhalten dieser Dritten zurechnen lassen. Denn nicht die Krankenkasse, sondern die Versicherten haben im Einzelfall die jeweiligen Dritten ausgewählt. Führen deren Versäumnisse und Fehlverhalten zu finanziellen Schäden der Versicherten, sind diese ggf. durch Schadensersatzansprüche aus dem zugrunde liegenden Dienst- oder Auftragsverhältnis (§§ 611ff, 662ff BGB) vor bleibenden Nachteilen geschützt. Würden Versäumnisse und Fehlverhalten dieser Dritten hingegen der Krankenkasse zugerechnet, stehen dieser typischerweise keine Rückgriffsansprüche gegen die Dritten zu. Im vorliegenden Fall etwa wäre – ungeachtet einer möglichen Verjährung – an einen Anspruch der Klägerin gegen die Pflegeeinrichtung auf Rückzahlung des Entgelts für die Beatmungspflege wegen Verletzung einer Nebenpflicht – erheblich verspätetes Einreichen der ärztlichen Verordnung bei der Beklagten – zu denken.
b. Somit besteht nur für den Zeitraum 23. bis 28. Februar 2009 ein Kostenerstattungsanspruch, der sich der Höhe nach auf (6 x 160,28 Euro =) 961,68 Euro beläuft.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. § 193 SGG kommt im vorliegenden Fall zur Anwendung, da die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (s. oben unter I.) nach § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegiert ist.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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