Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 469/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Abgrenzung von Empfängnisverhütung und Krankenbehandlung im Falle eines genetisch bedingten erhöhten Risikos gesundheitlicher Schädigungen durch eine Schwangerschaft.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2011 verurteilt, der Klägerin die Kosten für den Einsatz der Mirena-Hormonspirale in Höhe von insgesamt 294,44 EUR zu erstatten. 2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Die Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung in Höhe von 294,44 EUR für eine (Mirena-) Hormonspirale.
Bei der am xxxxx1988 geborenen Klägerin besteht eine Faktor V-Leiden-Mutation (stark erhöhte Thromboseneigung). Sie befand sich u. a. vom 26.01.2010 bis zum 01.02.2010 in stationärer Behandlung in der A.-Klinik H1. Die behandelnden Ärzte empfahlen anschließend die Kontrazeption mittels einer Spirale. Die Klägerin hatte bereits zuvor - am 18.01.2010 - ein Telefongespräch mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten über diese Form der Empfängnisverhütung geführt. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig. Am 08.02.2010 erfolgte eine Untersuchung und ein Beratungsgespräch bei Herrn Prof. Dr. L. im E. H., der in einem Arztbrief vom 10.02.2010 an die behandelnde Frauenärztin der Klägerin, Frau Dr. M., gleichfalls darauf hinwies, dass bei der Klägerin ein extrem hohes Risiko für ein Rezidiv einer Lungenembolie bestehe. Dieses Risiko würde durch eine Schwangerschaft bzw. die Postpartalperiode massiv gesteigert werden. Bezüglich der aktuellen Kontrazeption wäre ein systemisches Hormonpräparat nicht vertretbar. Auf Grund des jungen Alters und der langfristig notwendigen sicheren Kontrazeption könne eine Mirena-Spirale vertreten werden, allerdings sei auch darüber aufgeklärt worden, dass dies einer Zystenbildung nicht vorbeuge. Zusammenfassend halte er die Mirena für die sinnvollste Therapieoption.
Am 25.02.2010 ließ die Klägerin sich die Spirale einsetzen. Hierfür wandte sie Kosten in Höhe von 294,44 EUR auf (154,44 EUR Kauf und 140,00 EUR ärztliche Behandlung). Die Verordnung erfolgte auf einem Privatrezept. Die Klägerin nahm Bezug auf die zuvor mit der Beklagten geführten Telefonate und beantragte am 26.02.2010 die Kostenerstattung für den Kauf und den Einsatz einer Hormonspirale und legte hierbei eine Bescheinigung ihrer behandelnden Frauenärztin Frau Dr. M. vor. In der Bescheinigung hieß es, dass bei der Klägerin eine homozygote Faktor V-Leiden Mutation bestehe und sie aus medizinischen Gründen nicht schwanger werden dürfe. Sie bedürfe daher einer sicheren Kontrazeption. Die hierfür indizierte Kontrazeption sei die Einlage einer Mirena-Spirale.
Nach mehreren Telefonaten und der Einreichung weiterer medizinischer Unterlagen lehnte die Beklagte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 02.12.2010 ab. Zur Begründung hieß es, dass nach § 24a Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V Versicherte nur bis zum 20. Lebensjahr Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln. Liege eine Erkrankung vor, die mit Arzneimitteln behandelt werde, bei dessen Anwendung zur Vermeidung embryonaler Schäden eine wirksame und andauernde Empfängnisverhütung in der Fachinformation zwingend vorgeschrieben sei, könne es sich bei der deshalb notwendigen Verordnung von empfängnisverhütenden Mitteln um eine Krankenbehandlung zu Lasten der Kasse handeln. Den eingereichten ärztlichen Unterlagen sei eine derartige Medikation nicht zu entnehmen, die eine Kostenübernahme durch die Beklagte rechtfertige. Daher könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen.
Die Klägerin erhob am 21.12.2010 Widerspruch, der mit Schreiben vom 02.02.2011 näher begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es handele sich um eine Maßnahme der Empfängnisverhütung und nicht der Krankenbehandlung, so dass nur ein Anspruch bis zum 20. Lebensjahr bestehen könne. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.01.1990 (3 RK 18/88) sei noch zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangen und habe für die nunmehr geltende Rechtslage nach dem SGB V keine Gültigkeit. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 24a SGB V den Umfang der Kostenübernahme für empfängnisregelnde Mittel bestimmt, was nach der alten Rechtslage nicht der Fall gewesen sei.
Die Klägerin hat am 06.05.2011 die vorliegende Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Therapie mit der Hormonspirale im Februar 2010 verpflichtet sei. Die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen auf eine sichere Empfängnisverhütung angewiesen, was die behandelnden Ärzte mehrfach bestätigt hätten. Maßnahmen zur Verhütung einer Schwangerschaft seien dann der Krankenbehandlung zuzurechnen, wenn sie – wie im Falle der Klägerin - erforderlich seien, um von der Versicherten die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung ihres körperlichen oder geistigen Gesundheitszustands abzuwenden. Die Spirale sei auch von einer Vertragsärztin verordnet worden. Die Klägerin sei von ihrer Ärztin der Eindruck vermittelt worden, dass die veranlasste Behandlung von der Krankenkasse getragen werde. Soweit hierin eine Falschberatung liege, habe die Krankenkasse hierfür einzustehen. Es sei im Januar 2010, vor dem Einsatz der Spirale, telefonisch mit der Beklagten vereinbart worden, dass die Klägerin unter Einreichung der Verordnungen eine Kostenerstattung beantragen könne. Die Beklagte habe darüber hinaus im Jahre 2013 auf einen neuen Antrag vom 19.08.2013 die Kosten für den Einsatz der Mirena-Spirale übernommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2011 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für den Einsatz der Mirena-Hormonspirale in Höhe von insgesamt 294,44 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und ist der Ansicht, dass gemäß § 24a SGB V ein Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln grundsätzlich nur für Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr bestehe. Die Übernahme für die Versorgung mit der Hormonspirale im Jahre 2013 sei erfolgt, da die Klägerin bei Antragstellung im August 2013 mit dem Präparat Xarelto behandelt werde, welches eine embryonaltoxische Wirkung habe. Im Falle einer derartigen Medikation könnten die Kosten übernommen werden, die Klägerin sei im Februar 2010 aber noch nicht mit Xarelto behandelt worden. Der Beschaffungsweg nach § 13 Abs. 3 SGB V stehe der geltend gemachten Kostenerstattung hingegen nicht im Wege, für die Beklagte sei entscheidend, ob inhaltlich ein Anspruch auf die Versorgung mit einer Mirena-Spirale bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf die Akte des Sozialgerichts sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die Erstattung der ihr durch den im Februar 2010 erfolgten Einsatz der Mirena-Spirale entstandenen Kosten.
I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat die nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage form- und fristgerecht vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben (vgl. §§ 87, 90 SGG). Das erforderliche Widerspruchsverfahren (vgl. § 78 Abs. 1 SGG) hat die Klägerin erfolglos durchgeführt.
II. Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat nach § 13 Abs. 3 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 294,44 EUR. Gemäß § 13 Abs. 3 SGB V sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2).
1. Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung der Leistung vor ihrer Inanspruchnahme abgelehnt hat oder ob es ggf. telefonisch zwischen den Beteiligten abgesprochen war, dass die Klägerin die Kostenerstattung nach dem Einsatz der Spirale unter Vorlage der Verordnung geltend machen sollte. Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die formalen Voraussetzungen der Kostenerstattung erfüllt sind. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2014 hierzu ausdrücklich erklärt, dass aus ihrer Sicht die Einhaltung des sogenannten Beschaffungswegs im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht problematisch sei und es aus ihrer Sicht allein auf den inhaltlichen Anspruch und auf die Frage ankomme, ob die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei. In dieser Erklärung liegt die Zusicherung, im Falle einer unrechtmäßigen Ablehnung auch die Kosten zu erstatten.
2. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die Leistung zu Unrecht abgelehnt, denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf die Versorgung mit einer Mirena-Spirale. Dieser Anspruch ergibt sich nicht aus § 24a Abs. 2 Satz 1 SGB V, denn die Klägerin hatte im Februar 2010 das 20. Lebensjahr bereits vollendet. Der Anspruch ergibt sich jedoch aus § 27 Abs. 1 SGB V, denn der Einsatz der Hormon-Spirale war hier nicht allein als Maßnahme der Empfängnisverhütung, sondern zugleich – und ihrem Schwerpunkt nach - als Maßnahme der Krankenbehandlung anzusehen. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.01.1990 – 3 RK 18/88 – ist ein Mittel auch dann als Arzneimittel anzusehen, wenn zwar nicht an der eigentlichen Krankheit ansetzt, aber hilft, anderweitige Krankheitsnachteile zu vermeiden. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass eine Schädigung des Embryos zugleich eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Schwangeren bedeutet. Diese Entscheidung zur Abgrenzung von (reiner) Empfängnisverhütung und Krankenbehandlung hat sich auch nicht überholt, zumal das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung bereits § 27 SGB V mit berücksichtigt hat. Damit fällt die der Einsatz der Mirena-Spirale auch dann in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn hierdurch zwar nicht – wie etwa im Rahmen einer Hormontherapie – unmittelbar eine Besserung des Gesundheitszustands erfolgen soll, die Empfängnisverhütung aber notwendig ist, um die konkrete Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigungen abzuwenden. Die Kammer schließt sich insoweit auch der Bewertung des Sozialgericht Stuttgart in der Entscheidung vom 11.05.2012 (S 19 KR 7248/09) an, wonach Maßnahmen zum Abbruch oder zur Verhütung einer Schwangerschaft grundsätzlich nicht zu den Leistungen der Krankenbehandlung gehören, sie aber Teil der von der Krankenkasse zu gewährenden Leistung sein können, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um von den Versicherten die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung ihres körperlichen oder geistig-seelischen Gesundheitszustands abzuwenden (so auch Schütze in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 24a SGB V [Rn. 26] und LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.07.2010 – L 9 SO 39/08 [Rn. 30]). Aus den vorgelegten ärztlichen Befunden der behandelnden Ärzte der Klägerin – vor allem der Berichte von Herrn Prof. Dr. L. vom 10.02.2010 und von Frau Dr. M. vom 25.02.2010 - ergibt sich, dass eine Schwangerschaft für die Klägerin wegen ihrer Grunderkrankung (Faktor V-Leiden-Mutation) mit einem erheblichen gesundheitlichen Risiko verbunden gewesen wäre, was von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt worden ist. Eine sinnvolle und realistische medizinische Alternative wurde von den behandelnden Ärzten nicht gesehen.
Die Auffassung der Beklagten, dass eine Kostenübernahme nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen auf Grund einer Medikation eine Schädigung des Embryos zu befürchten ist, teilt die Kammer nicht, zumal die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung der Schwangeren zugleich eine Gefahr für das Leben des Embryos bedeutet. Im Übrigen wird auch in den Fällen, in denen nach der Ansicht der Beklagten die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse besteht, eine gesundheitliche Schädigung nur mittelbar verhindert. Die Kammer weist ergänzend darauf hin, dass sich aus § 24a SGB V eine Einschränkung von Leistungen der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V nicht ergibt. Leistungsgegenstand des Anspruchs nach § 24a Abs. 2 SGB V sind empfängnisverhütende Mittel zur Familienplanung, soweit für sie keine medizinische Indikation besteht (Schütze a. a. O.).
Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist anhand der vorgelegten Rechnungen nicht zweifelhaft. Hierzu sind auch von der Beklagten Einwände nicht erhoben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Beschwerdewert des vorliegenden Verfahrens übersteigt für die Beklagte nicht 750,- EUR, so dass die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedarf. Das Gericht hat keine Veranlassung gesehen, die Berufung zuzulassen, da Gründe nach § 144 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung in Höhe von 294,44 EUR für eine (Mirena-) Hormonspirale.
Bei der am xxxxx1988 geborenen Klägerin besteht eine Faktor V-Leiden-Mutation (stark erhöhte Thromboseneigung). Sie befand sich u. a. vom 26.01.2010 bis zum 01.02.2010 in stationärer Behandlung in der A.-Klinik H1. Die behandelnden Ärzte empfahlen anschließend die Kontrazeption mittels einer Spirale. Die Klägerin hatte bereits zuvor - am 18.01.2010 - ein Telefongespräch mit einer Sachbearbeiterin der Beklagten über diese Form der Empfängnisverhütung geführt. Der genaue Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Beteiligten streitig. Am 08.02.2010 erfolgte eine Untersuchung und ein Beratungsgespräch bei Herrn Prof. Dr. L. im E. H., der in einem Arztbrief vom 10.02.2010 an die behandelnde Frauenärztin der Klägerin, Frau Dr. M., gleichfalls darauf hinwies, dass bei der Klägerin ein extrem hohes Risiko für ein Rezidiv einer Lungenembolie bestehe. Dieses Risiko würde durch eine Schwangerschaft bzw. die Postpartalperiode massiv gesteigert werden. Bezüglich der aktuellen Kontrazeption wäre ein systemisches Hormonpräparat nicht vertretbar. Auf Grund des jungen Alters und der langfristig notwendigen sicheren Kontrazeption könne eine Mirena-Spirale vertreten werden, allerdings sei auch darüber aufgeklärt worden, dass dies einer Zystenbildung nicht vorbeuge. Zusammenfassend halte er die Mirena für die sinnvollste Therapieoption.
Am 25.02.2010 ließ die Klägerin sich die Spirale einsetzen. Hierfür wandte sie Kosten in Höhe von 294,44 EUR auf (154,44 EUR Kauf und 140,00 EUR ärztliche Behandlung). Die Verordnung erfolgte auf einem Privatrezept. Die Klägerin nahm Bezug auf die zuvor mit der Beklagten geführten Telefonate und beantragte am 26.02.2010 die Kostenerstattung für den Kauf und den Einsatz einer Hormonspirale und legte hierbei eine Bescheinigung ihrer behandelnden Frauenärztin Frau Dr. M. vor. In der Bescheinigung hieß es, dass bei der Klägerin eine homozygote Faktor V-Leiden Mutation bestehe und sie aus medizinischen Gründen nicht schwanger werden dürfe. Sie bedürfe daher einer sicheren Kontrazeption. Die hierfür indizierte Kontrazeption sei die Einlage einer Mirena-Spirale.
Nach mehreren Telefonaten und der Einreichung weiterer medizinischer Unterlagen lehnte die Beklagte die Kostenerstattung mit Bescheid vom 02.12.2010 ab. Zur Begründung hieß es, dass nach § 24a Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) V Versicherte nur bis zum 20. Lebensjahr Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln. Liege eine Erkrankung vor, die mit Arzneimitteln behandelt werde, bei dessen Anwendung zur Vermeidung embryonaler Schäden eine wirksame und andauernde Empfängnisverhütung in der Fachinformation zwingend vorgeschrieben sei, könne es sich bei der deshalb notwendigen Verordnung von empfängnisverhütenden Mitteln um eine Krankenbehandlung zu Lasten der Kasse handeln. Den eingereichten ärztlichen Unterlagen sei eine derartige Medikation nicht zu entnehmen, die eine Kostenübernahme durch die Beklagte rechtfertige. Daher könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen.
Die Klägerin erhob am 21.12.2010 Widerspruch, der mit Schreiben vom 02.02.2011 näher begründet wurde. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es handele sich um eine Maßnahme der Empfängnisverhütung und nicht der Krankenbehandlung, so dass nur ein Anspruch bis zum 20. Lebensjahr bestehen könne. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.01.1990 (3 RK 18/88) sei noch zum Recht der Reichsversicherungsordnung (RVO) ergangen und habe für die nunmehr geltende Rechtslage nach dem SGB V keine Gültigkeit. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung des § 24a SGB V den Umfang der Kostenübernahme für empfängnisregelnde Mittel bestimmt, was nach der alten Rechtslage nicht der Fall gewesen sei.
Die Klägerin hat am 06.05.2011 die vorliegende Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Übernahme der Kosten für die Therapie mit der Hormonspirale im Februar 2010 verpflichtet sei. Die Klägerin sei aus gesundheitlichen Gründen auf eine sichere Empfängnisverhütung angewiesen, was die behandelnden Ärzte mehrfach bestätigt hätten. Maßnahmen zur Verhütung einer Schwangerschaft seien dann der Krankenbehandlung zuzurechnen, wenn sie – wie im Falle der Klägerin - erforderlich seien, um von der Versicherten die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung ihres körperlichen oder geistigen Gesundheitszustands abzuwenden. Die Spirale sei auch von einer Vertragsärztin verordnet worden. Die Klägerin sei von ihrer Ärztin der Eindruck vermittelt worden, dass die veranlasste Behandlung von der Krankenkasse getragen werde. Soweit hierin eine Falschberatung liege, habe die Krankenkasse hierfür einzustehen. Es sei im Januar 2010, vor dem Einsatz der Spirale, telefonisch mit der Beklagten vereinbart worden, dass die Klägerin unter Einreichung der Verordnungen eine Kostenerstattung beantragen könne. Die Beklagte habe darüber hinaus im Jahre 2013 auf einen neuen Antrag vom 19.08.2013 die Kosten für den Einsatz der Mirena-Spirale übernommen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2011 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für den Einsatz der Mirena-Hormonspirale in Höhe von insgesamt 294,44 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und ist der Ansicht, dass gemäß § 24a SGB V ein Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln grundsätzlich nur für Versicherte bis zum vollendeten 20. Lebensjahr bestehe. Die Übernahme für die Versorgung mit der Hormonspirale im Jahre 2013 sei erfolgt, da die Klägerin bei Antragstellung im August 2013 mit dem Präparat Xarelto behandelt werde, welches eine embryonaltoxische Wirkung habe. Im Falle einer derartigen Medikation könnten die Kosten übernommen werden, die Klägerin sei im Februar 2010 aber noch nicht mit Xarelto behandelt worden. Der Beschaffungsweg nach § 13 Abs. 3 SGB V stehe der geltend gemachten Kostenerstattung hingegen nicht im Wege, für die Beklagte sei entscheidend, ob inhaltlich ein Anspruch auf die Versorgung mit einer Mirena-Spirale bestehe.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf die Akte des Sozialgerichts sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die Erstattung der ihr durch den im Februar 2010 erfolgten Einsatz der Mirena-Spirale entstandenen Kosten.
I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat die nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage form- und fristgerecht vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben (vgl. §§ 87, 90 SGG). Das erforderliche Widerspruchsverfahren (vgl. § 78 Abs. 1 SGG) hat die Klägerin erfolglos durchgeführt.
II. Die Klage ist auch begründet, denn die Klägerin hat nach § 13 Abs. 3 SGB V einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 294,44 EUR. Gemäß § 13 Abs. 3 SGB V sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (§ 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2).
1. Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Klärung, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewährung der Leistung vor ihrer Inanspruchnahme abgelehnt hat oder ob es ggf. telefonisch zwischen den Beteiligten abgesprochen war, dass die Klägerin die Kostenerstattung nach dem Einsatz der Spirale unter Vorlage der Verordnung geltend machen sollte. Zwischen den Beteiligten steht nicht im Streit, dass die formalen Voraussetzungen der Kostenerstattung erfüllt sind. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 05.02.2014 hierzu ausdrücklich erklärt, dass aus ihrer Sicht die Einhaltung des sogenannten Beschaffungswegs im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht problematisch sei und es aus ihrer Sicht allein auf den inhaltlichen Anspruch und auf die Frage ankomme, ob die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei. In dieser Erklärung liegt die Zusicherung, im Falle einer unrechtmäßigen Ablehnung auch die Kosten zu erstatten.
2. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden die Leistung zu Unrecht abgelehnt, denn die Klägerin hatte einen Anspruch auf die Versorgung mit einer Mirena-Spirale. Dieser Anspruch ergibt sich nicht aus § 24a Abs. 2 Satz 1 SGB V, denn die Klägerin hatte im Februar 2010 das 20. Lebensjahr bereits vollendet. Der Anspruch ergibt sich jedoch aus § 27 Abs. 1 SGB V, denn der Einsatz der Hormon-Spirale war hier nicht allein als Maßnahme der Empfängnisverhütung, sondern zugleich – und ihrem Schwerpunkt nach - als Maßnahme der Krankenbehandlung anzusehen. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 24.01.1990 – 3 RK 18/88 – ist ein Mittel auch dann als Arzneimittel anzusehen, wenn zwar nicht an der eigentlichen Krankheit ansetzt, aber hilft, anderweitige Krankheitsnachteile zu vermeiden. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil ausgeführt, dass eine Schädigung des Embryos zugleich eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Schwangeren bedeutet. Diese Entscheidung zur Abgrenzung von (reiner) Empfängnisverhütung und Krankenbehandlung hat sich auch nicht überholt, zumal das Bundessozialgericht in dieser Entscheidung bereits § 27 SGB V mit berücksichtigt hat. Damit fällt die der Einsatz der Mirena-Spirale auch dann in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn hierdurch zwar nicht – wie etwa im Rahmen einer Hormontherapie – unmittelbar eine Besserung des Gesundheitszustands erfolgen soll, die Empfängnisverhütung aber notwendig ist, um die konkrete Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigungen abzuwenden. Die Kammer schließt sich insoweit auch der Bewertung des Sozialgericht Stuttgart in der Entscheidung vom 11.05.2012 (S 19 KR 7248/09) an, wonach Maßnahmen zum Abbruch oder zur Verhütung einer Schwangerschaft grundsätzlich nicht zu den Leistungen der Krankenbehandlung gehören, sie aber Teil der von der Krankenkasse zu gewährenden Leistung sein können, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um von den Versicherten die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung ihres körperlichen oder geistig-seelischen Gesundheitszustands abzuwenden (so auch Schütze in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 24a SGB V [Rn. 26] und LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 20.07.2010 – L 9 SO 39/08 [Rn. 30]). Aus den vorgelegten ärztlichen Befunden der behandelnden Ärzte der Klägerin – vor allem der Berichte von Herrn Prof. Dr. L. vom 10.02.2010 und von Frau Dr. M. vom 25.02.2010 - ergibt sich, dass eine Schwangerschaft für die Klägerin wegen ihrer Grunderkrankung (Faktor V-Leiden-Mutation) mit einem erheblichen gesundheitlichen Risiko verbunden gewesen wäre, was von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt worden ist. Eine sinnvolle und realistische medizinische Alternative wurde von den behandelnden Ärzten nicht gesehen.
Die Auffassung der Beklagten, dass eine Kostenübernahme nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen auf Grund einer Medikation eine Schädigung des Embryos zu befürchten ist, teilt die Kammer nicht, zumal die Gefahr einer erheblichen gesundheitlichen Schädigung der Schwangeren zugleich eine Gefahr für das Leben des Embryos bedeutet. Im Übrigen wird auch in den Fällen, in denen nach der Ansicht der Beklagten die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse besteht, eine gesundheitliche Schädigung nur mittelbar verhindert. Die Kammer weist ergänzend darauf hin, dass sich aus § 24a SGB V eine Einschränkung von Leistungen der Krankenbehandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 SGB V nicht ergibt. Leistungsgegenstand des Anspruchs nach § 24a Abs. 2 SGB V sind empfängnisverhütende Mittel zur Familienplanung, soweit für sie keine medizinische Indikation besteht (Schütze a. a. O.).
Die Höhe der geltend gemachten Kosten ist anhand der vorgelegten Rechnungen nicht zweifelhaft. Hierzu sind auch von der Beklagten Einwände nicht erhoben worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Beschwerdewert des vorliegenden Verfahrens übersteigt für die Beklagte nicht 750,- EUR, so dass die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG der Zulassung bedarf. Das Gericht hat keine Veranlassung gesehen, die Berufung zuzulassen, da Gründe nach § 144 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
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