Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1177/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4644/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.09.2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufnahme als Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1949 geborene Kläger nahm am 28.04.1965 erstmals eine Arbeit auf. Ab dem Jahr 1988 war der Kläger wie folgt krankenversichert:
01.01.1988 - 12.11.1992 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 13.11.1992 - 31.07.2001 Private Krankenversicherung 01.08.2001 - 16.09.2001 Familienversichert 17.09.2001 - 31.12.2002 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2003 - 29.06.2003 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V 30.06.2003 - 06.01.2004 Familienversichert 07.01.2004 - 31.12.2004 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2005 - 31.12.2006 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2007 - 07.01.2007 Familienversichert 08.01.2007 - 29.12.2008 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V 30.12.2008 - 24.04.2012 Familienversichert
Am 26.04.2012 stellte der Kläger bei der D. Bund einen Antrag auf Altersrente. Der Beklagten wurden daraufhin die Versicherungszeiten zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für die KVdR maschinell übermittelt. Mit Bescheid vom 08.10.2012 lehnte die Beklagte die Aufnahme in die KVdR ab. Voraussetzung für eine Aufnahme in die KVdR sei, dass der Kläger in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist von der erstmaligen Aufnahme einer Berufstätigkeit bis zum Tag des Rentenantrags mindestens 90 % gesetzlich versichert gewesen sei. Diese gesetzlichen Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt.
Hiergegen legte der Kläger per E-Mail am 10.10.2012 Widerspruch ein. Er sei in seinem beruflichen Leben fast ausschließlich bei der A. versichert gewesen. Insbesondere habe er sich als junger Beamter für die A. entschieden, obwohl er eine billigere Krankenversicherung hätte abschließen können. Mit Ausnahme der Bürgermeisterzeit sei er sein Berufsleben lang Mitglied der A. gewesen. Er halte es für unberechtigt, eine relativ kurze Zeit der anderweitigen Versicherung zu nutzen, um ihn aus der KVdR auszuschließen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtete sich die am 26.04.2013 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobene Klage. Die von der Beklagten durchgeführte Berechnung sei menschenunwürdig und unsozial. Sie lasse die erste Hälfte des Berufslebens völlig außer Betracht. Er sei in dieser Zeit, bis auf die Zeit bei der Bundeswehr, immer Mitglied der A. gewesen. Er sei bereits seit 49 Jahren Mitglied der A. Villingen. Nunmehr beziehe er eine sehr geringe Rente, von der ihm nach Abzug der Beiträge der Beklagten keine 600,00 EUR monatlich mehr verblieben. Vor diesem Hintergrund könnte die Bürgermeisterzeit von acht Jahren sowie der Bezug von Übergangsgeld für sechs Monate nicht zum "Aufhänger" für die Verweigerung der Aufnahme in die KVdR gemacht werden. Insoweit seien die Bestimmungen über die Vorversicherungszeit mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2014 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR lägen im Fall des Klägers nicht vor. Seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags sei der Kläger nicht mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in der GKV familienversichert gewesen. Die gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung und benachteilige den Kläger nicht unverhältnismäßig.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 04.10.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
Hiergegen richtet sich seine am 03.11.2014 beim SG eingelegte Berufung, welche am 10.11.2014 dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vorgelegt wurde. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass die Verweigerung der Aufnahme in die KVdR angesichts seines persönlichen Werdegangs unverhältnismäßig sei.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.09.2014 sowie den Bescheid vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2013 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 26.04.2012 versicherungspflichtiges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach der gesetzlichen Regelung erfülle der Kläger eindeutig nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in der KVdR. Aktuell sei der Kläger im Übrigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) V bei der Beklagten versichert. Hinsichtlich der Beiträge aus der Rentenversicherung sei der Rentenversicherungsträger zum Einhalt berechtigt. Der Kläger habe gegenüber der Pflichtversicherung (KVdR) einen finanziellen Nachteil von 2,21 EUR pro Monat. Es sei davon auszugehen, dass dieser Nachteil bei der Rentenanpassung zum 01.07.2015 entfiele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn die Berufung betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung und ist auch sonst zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Aufnahme als Mitglied in die KVdR.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Der Kläger nahm am 28.04.1965 erstmals eine Arbeit auf. Am 26.04.2012 stellte er den Rentenantrag bei der D. Bund. Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Unterlagen. Die Daten werden vom Kläger auch nicht bestritten. Demnach beträgt die Dauer der Rahmenfrist 46 Jahre, 11 Monate und 29 Tage. Die Hälfte der Rahmenfrist beträgt somit 23 Jahre, 5 Monate und 30 Tage und beginnt am 28.10.1988. Damit betragen 90 % der Hälfte der Rahmenfrist 21 Jahre, 1 Monat und 28 Tage. Ausweislich der Versicherungsdaten, die ebenfalls vom Kläger nicht beanstandet werden, war der Kläger im Zeitraum vom 28.10.1988 bis 26.04.2012 jedoch lediglich 14 Jahre, 9 Monate und 12 Tage Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit aber liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V im Fall des Klägers nicht vor.
Zur Überzeugung des Senats bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht in Betracht kam.
Der Senat verweist insoweit auf die bereits ergangene Rechtsprechung des BVerfG. Hinsichtlich des Erfordernisses der sogenannten Halbbelegung hat das BVerfG unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 Grundgesetz (GG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (so zutreffend Hessisches LSG, Urteil vom 21.10.2004, - L 1 KR 737/03 -, in juris, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 16.07.1985, - 1 BvL 5/80 u.a. -; sowie BVerfG, Urteil vom 25.03.1986, - 1 BvL 5/80 - u.a., alle in juris). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Personen wie der Kläger beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz sind, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen des freiwilligen Beitritts fortführen können (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.09.1998, - B 12 KR 15/97 R -; BVerfG, Urteil vom 03.04.2001, - 1 BvR 81/98 -, alle in juris) oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versichert sind. Der Ausschluss aus dem Kreis der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V pflichtversicherten Rentner ist nur dann mit finanziellen Belastungen verbunden, sofern im Rentenalter auch andere Einkünfte als gesetzliche Renten bezogen werden. Über § 240 SGB V sowie § 248 SGB V müssen freiwillig Versicherte oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherte bei geringen Einkünften ggf. einen Mindestbeitrag leisten, Beiträge auch auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus dem Vermögen bezahlen und Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen mit dem vollen und nicht nur mit dem halben Beitragssatz entrichten. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Dementsprechend hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall auf die nur geringfügige Mehrbelastung des Klägers hingewiesen.
Der Senat sieht auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist daher nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.02.2003, - 1 BvR 624/01 -, in juris, m. w. N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber dabei grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001, - 1 BvR 4/96 -, in juris). Soweit der Kläger die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG sinngemäß deshalb rügt, weil Rentner mit kürzeren Beitragszeiten Mitglieder der KVdR werden können, während er durch die Lücke in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens von der Mitgliedschaft in der KVdR ausgeschlossen ist, sieht der Senat keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Die dargestellte Ungleichbehandlung ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V stellt bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten gerade auf die individuelle Erwerbsbiografie des jeweiligen Rentners ab. Rentner sind grundsätzlich nur dann versichert, wenn sie mindestens 9/10 der zweiten Hälfte "ihres" Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung angehört haben oder als Familienangehörige eines Kassenmitglieds nach § 10 SGB V versichert waren. Durch die Zugangsverschärfung in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wollte der Gesetzgeber den Gedanken der Solidarität stärker als bisher betonen und vermeiden, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (BT, Drucksache 11/2237). Das Kriterium der Leistungsfähigkeit der Sozialgemeinschaft ist dabei eines der Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Einrichtung einer Pflichtversicherung leiten, und kann ein Anhaltspunkt für die Sachgerechtigkeit einer Grenzziehung mit den Folgen unterschiedlicher Beitragslast sein (BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, - 1 BvL 16/96 - u.a. , in juris). Bei der Verschärfung des Zugangs zur KVdR aus dem gewichtigen Grund der Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung hätte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten gehabt. Tatsächlich hat er bei der Ausgestaltung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie abgestellt und zudem den Schwerpunkt auf die zweite Hälfte des individuellen Erwerbslebens gelegt. Nur diejenigen sind als schutzbedürftig einbezogen worden, die nach ihrer individuellen Erwerbsbiografie längere Zeit in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens der Solidargemeinschaft angehört haben. Letzteres erscheint sachgerecht, weil die zweite Hälfte des Erwerbslebens zeitlich näher an den jeweiligen Leistungsfall heranreicht als die erste Hälfte des Erwerbslebens (Hessisches LSG, Urteil vom 01.10.2004, - L 1 KR 737/04 -; LSG Berlin und Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2011 - L 1 KR 353/09 -, in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Aufnahme als Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).
Der 1949 geborene Kläger nahm am 28.04.1965 erstmals eine Arbeit auf. Ab dem Jahr 1988 war der Kläger wie folgt krankenversichert:
01.01.1988 - 12.11.1992 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 13.11.1992 - 31.07.2001 Private Krankenversicherung 01.08.2001 - 16.09.2001 Familienversichert 17.09.2001 - 31.12.2002 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2003 - 29.06.2003 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V 30.06.2003 - 06.01.2004 Familienversichert 07.01.2004 - 31.12.2004 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2005 - 31.12.2006 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V 01.01.2007 - 07.01.2007 Familienversichert 08.01.2007 - 29.12.2008 Pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V 30.12.2008 - 24.04.2012 Familienversichert
Am 26.04.2012 stellte der Kläger bei der D. Bund einen Antrag auf Altersrente. Der Beklagten wurden daraufhin die Versicherungszeiten zur Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen für die KVdR maschinell übermittelt. Mit Bescheid vom 08.10.2012 lehnte die Beklagte die Aufnahme in die KVdR ab. Voraussetzung für eine Aufnahme in die KVdR sei, dass der Kläger in der zweiten Hälfte der Rahmenfrist von der erstmaligen Aufnahme einer Berufstätigkeit bis zum Tag des Rentenantrags mindestens 90 % gesetzlich versichert gewesen sei. Diese gesetzlichen Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt.
Hiergegen legte der Kläger per E-Mail am 10.10.2012 Widerspruch ein. Er sei in seinem beruflichen Leben fast ausschließlich bei der A. versichert gewesen. Insbesondere habe er sich als junger Beamter für die A. entschieden, obwohl er eine billigere Krankenversicherung hätte abschließen können. Mit Ausnahme der Bürgermeisterzeit sei er sein Berufsleben lang Mitglied der A. gewesen. Er halte es für unberechtigt, eine relativ kurze Zeit der anderweitigen Versicherung zu nutzen, um ihn aus der KVdR auszuschließen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.03.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtete sich die am 26.04.2013 zum Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobene Klage. Die von der Beklagten durchgeführte Berechnung sei menschenunwürdig und unsozial. Sie lasse die erste Hälfte des Berufslebens völlig außer Betracht. Er sei in dieser Zeit, bis auf die Zeit bei der Bundeswehr, immer Mitglied der A. gewesen. Er sei bereits seit 49 Jahren Mitglied der A. Villingen. Nunmehr beziehe er eine sehr geringe Rente, von der ihm nach Abzug der Beiträge der Beklagten keine 600,00 EUR monatlich mehr verblieben. Vor diesem Hintergrund könnte die Bürgermeisterzeit von acht Jahren sowie der Bezug von Übergangsgeld für sechs Monate nicht zum "Aufhänger" für die Verweigerung der Aufnahme in die KVdR gemacht werden. Insoweit seien die Bestimmungen über die Vorversicherungszeit mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.09.2014 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR lägen im Fall des Klägers nicht vor. Seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags sei der Kläger nicht mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder in der GKV familienversichert gewesen. Die gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassung und benachteilige den Kläger nicht unverhältnismäßig.
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 04.10.2014 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt.
Hiergegen richtet sich seine am 03.11.2014 beim SG eingelegte Berufung, welche am 10.11.2014 dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg vorgelegt wurde. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass die Verweigerung der Aufnahme in die KVdR angesichts seines persönlichen Werdegangs unverhältnismäßig sei.
Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.09.2014 sowie den Bescheid vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.03.2013 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 26.04.2012 versicherungspflichtiges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner ist, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach der gesetzlichen Regelung erfülle der Kläger eindeutig nicht die Voraussetzungen für die Aufnahme in der KVdR. Aktuell sei der Kläger im Übrigen nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch (SGB) V bei der Beklagten versichert. Hinsichtlich der Beiträge aus der Rentenversicherung sei der Rentenversicherungsträger zum Einhalt berechtigt. Der Kläger habe gegenüber der Pflichtversicherung (KVdR) einen finanziellen Nachteil von 2,21 EUR pro Monat. Es sei davon auszugehen, dass dieser Nachteil bei der Rentenanpassung zum 01.07.2015 entfiele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, denn die Berufung betrifft weder eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung und ist auch sonst zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Aufnahme als Mitglied in die KVdR.
Gem. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sind versicherungspflichtig Personen, welche die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens 9/10 der zweiten Hälfte des Erwerbslebens Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert waren.
Der Kläger nahm am 28.04.1965 erstmals eine Arbeit auf. Am 26.04.2012 stellte er den Rentenantrag bei der D. Bund. Dies ergibt sich für den Senat aus den vorliegenden Unterlagen. Die Daten werden vom Kläger auch nicht bestritten. Demnach beträgt die Dauer der Rahmenfrist 46 Jahre, 11 Monate und 29 Tage. Die Hälfte der Rahmenfrist beträgt somit 23 Jahre, 5 Monate und 30 Tage und beginnt am 28.10.1988. Damit betragen 90 % der Hälfte der Rahmenfrist 21 Jahre, 1 Monat und 28 Tage. Ausweislich der Versicherungsdaten, die ebenfalls vom Kläger nicht beanstandet werden, war der Kläger im Zeitraum vom 28.10.1988 bis 26.04.2012 jedoch lediglich 14 Jahre, 9 Monate und 12 Tage Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit aber liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V im Fall des Klägers nicht vor.
Zur Überzeugung des Senats bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht in Betracht kam.
Der Senat verweist insoweit auf die bereits ergangene Rechtsprechung des BVerfG. Hinsichtlich des Erfordernisses der sogenannten Halbbelegung hat das BVerfG unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 Grundgesetz (GG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (so zutreffend Hessisches LSG, Urteil vom 21.10.2004, - L 1 KR 737/03 -, in juris, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 16.07.1985, - 1 BvL 5/80 u.a. -; sowie BVerfG, Urteil vom 25.03.1986, - 1 BvL 5/80 - u.a., alle in juris). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Personen wie der Kläger beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz sind, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen des freiwilligen Beitritts fortführen können (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 03.09.1998, - B 12 KR 15/97 R -; BVerfG, Urteil vom 03.04.2001, - 1 BvR 81/98 -, alle in juris) oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versichert sind. Der Ausschluss aus dem Kreis der nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V pflichtversicherten Rentner ist nur dann mit finanziellen Belastungen verbunden, sofern im Rentenalter auch andere Einkünfte als gesetzliche Renten bezogen werden. Über § 240 SGB V sowie § 248 SGB V müssen freiwillig Versicherte oder nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherte bei geringen Einkünften ggf. einen Mindestbeitrag leisten, Beiträge auch auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus dem Vermögen bezahlen und Beiträge aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen mit dem vollen und nicht nur mit dem halben Beitragssatz entrichten. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Dementsprechend hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall auf die nur geringfügige Mehrbelastung des Klägers hingewiesen.
Der Senat sieht auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist daher nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerfG, Urteil vom 12.02.2003, - 1 BvR 624/01 -, in juris, m. w. N.). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber dabei grundsätzlich berechtigt, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen (BVerfG, Beschluss vom 22.05.2001, - 1 BvR 4/96 -, in juris). Soweit der Kläger die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG sinngemäß deshalb rügt, weil Rentner mit kürzeren Beitragszeiten Mitglieder der KVdR werden können, während er durch die Lücke in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens von der Mitgliedschaft in der KVdR ausgeschlossen ist, sieht der Senat keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Die dargestellte Ungleichbehandlung ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V stellt bei der Berechnung der Vorversicherungszeiten gerade auf die individuelle Erwerbsbiografie des jeweiligen Rentners ab. Rentner sind grundsätzlich nur dann versichert, wenn sie mindestens 9/10 der zweiten Hälfte "ihres" Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung angehört haben oder als Familienangehörige eines Kassenmitglieds nach § 10 SGB V versichert waren. Durch die Zugangsverschärfung in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V wollte der Gesetzgeber den Gedanken der Solidarität stärker als bisher betonen und vermeiden, die Versichertengemeinschaft mit Krankheitskosten von Personen zu belasten, die während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens der gesetzlichen Krankenversicherung nicht längere Zeit angehört haben (BT, Drucksache 11/2237). Das Kriterium der Leistungsfähigkeit der Sozialgemeinschaft ist dabei eines der Prinzipien, die den Gesetzgeber bei der Einrichtung einer Pflichtversicherung leiten, und kann ein Anhaltspunkt für die Sachgerechtigkeit einer Grenzziehung mit den Folgen unterschiedlicher Beitragslast sein (BVerfG, Beschluss vom 15.03.2000, - 1 BvL 16/96 - u.a. , in juris). Bei der Verschärfung des Zugangs zur KVdR aus dem gewichtigen Grund der Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung hätte der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten gehabt. Tatsächlich hat er bei der Ausgestaltung der Vorversicherungszeit auf die individuelle Erwerbsbiografie abgestellt und zudem den Schwerpunkt auf die zweite Hälfte des individuellen Erwerbslebens gelegt. Nur diejenigen sind als schutzbedürftig einbezogen worden, die nach ihrer individuellen Erwerbsbiografie längere Zeit in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens der Solidargemeinschaft angehört haben. Letzteres erscheint sachgerecht, weil die zweite Hälfte des Erwerbslebens zeitlich näher an den jeweiligen Leistungsfall heranreicht als die erste Hälfte des Erwerbslebens (Hessisches LSG, Urteil vom 01.10.2004, - L 1 KR 737/04 -; LSG Berlin und Brandenburg, Beschluss vom 22. März 2011 - L 1 KR 353/09 -, in juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved