L 9 R 5055/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 6201/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5055/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1969 geborene Klägerin ist gelernte Bankkauffrau und verfügt über eine Ausbildung zur staatlich geprüften Betriebswirtin. Zuletzt war sie im August 2002 als Betriebswirtin für Versand und Verwaltung im S. S. der Firma W. C. GmbH, M. abhängig beschäftigt. Am 11.10.2001 erlitt die Klägerin bei einem Auffahrunfall im Rahmen eines versicherten Wegeunfalles eine Zerrung der Halswirbelsäule. Von Juni bis November 2004 durchlief sie eine Weiterbildung zur Fachfrau für mySAP Financials CDI und ist seit Dezember 2004 arbeitssuchend. Vor dem Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 04.11.2008 befand sich die Klägerin im Rahmen einer vom Beklagten gewährten medizinischen Rehabilitation in stationärer (vom 09.10.2007 bis 04.12.2007) bzw. teilstationärer (vom 04.12.2007 bis 03.01.2008) Behandlung. Dort war sie mit den Diagnosen depressive Anpassungsstörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Eisenmangelanämie, Zustand nach Schleudertrauma Halswirbelsäule (VKU 2001) und Laktoseintoleranz arbeitsunfähig entlassen worden.

Nach der Antragstellung am 04.11.2008 gab die Beklagte nach u.a. Beiziehung der für die Bergbau-Berufsgenossenschaft im Rahmen der Klärung der Folgen des Arbeitsunfalles erstellten Gutachten der Unfallchirurgen Prof. Dr. H. und Dr. L. vom 11.09.2004, des Neurologen und Psychiaters Dr. F. vom 24.08.2004 sowie des Chirurgen Dr. T. vom 11.07.2005 ein Gutachten beim Neurologen und Psychiater Dr. Z. in Auftrag. In dessen Gutachten vom 11.02.2009 beschrieb dieser eine anhaltende Dysthymia, differenzialdiagnostisch eine blande verlaufende schizophrene Psychose oder eine Schizotypie und hielt die Erwerbsfähigkeit für erheblich gefährdet. Er regte eine nochmalige medizinische Rehabilitationsbehandlung an, die in einer renommierten Fachklinik durchgeführt werden sollte.

Nach Abschluss der daraufhin durchgeführten stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der S.-Klinik, A. (22.04.2009 bis 20.05.2009) wurden im ärztlichen Entlassungsbericht vom 25.05.2009 Anpassungsstörungen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine paranoide Persönlichkeitsstörung, eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, eine Eisenmangelanämie, nicht näher bezeichnet, festgestellt und eine auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehende unter dreistündige Leistungsfähigkeit angegeben.

In einem weiteren nach erneuter persönlicher Untersuchung der Klägerin erstellten Gutachten vom 14.07.2009 führte Dr. Z. aus, er komme klar zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Erwerbsunfähigkeitsberentung nicht vorlägen, auch nicht auf Zeit. Im Sinne von unbewussten Wiedergutmachungsfantasien nach einem selbstverschuldeten Wegeunfall habe die Klägerin auf dem Boden einer Persönlichkeitsstörung eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine anhaltende Dysthymia entwickelt. Auch wenn sie der festen Überzeugung sei, keinerlei Belastung gewachsen zu sein, halte er doch berufliche Rehabilitationsmaßnahmen zur Teilhabe am Erwerbsleben mit langsamer, stufenweiser Wiedereingliederung ins Erwerbsleben in dem zuletzt ausgeübten Beruf oder in eine andere Bürotätigkeit für erforderlich. In seiner sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung ging er für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Industriekauffrau sowie für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden und mehr "nach beruflicher Rehabilitation" aus.

Unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes der Beklagten, der Dr. S. vom 20.07.2009, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung mit Bescheid vom 28.07.2009 ab, weil die Klägerin aufgrund der erhobenen Befunde (somatoforme Schmerzstörung, anhaltende Dysthymia, emotional instabile Persönlichkeit, Adipositas) noch für fähig erachtet wurde, eine Erwerbstätigkeit mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben zu können.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2009 zurück.

Am 07.12.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Das SG hat zunächst Beweis erhoben durch das Einholen sachverständiger Zeugenaussagen bei der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. M.-S., bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. und beim Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. S ... Ferner hat es den Orthopäden Dr. G. und den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. von Amts wegen sowie die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. W. auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin als gerichtlich bestellte Gutachter gehört.

Dr. M.-S. hat unter dem 08.09.2010 über acht Behandlungen bis 26.02.2010 berichtet. Die Klägerin habe über Verspannungen, Verkrampfungen, Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Panikattacken, multiple Ängste, depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwäche, fehlendes Durchhaltevermögen berichtet und sei auf ihre Befindlichkeit eingeengt gewesen. Die Beschwerden hätten sich nicht verändert. Einmal seien die Schmerzen im Vordergrund gestanden, einmal die Depressivität und einmal die Erschöpfung. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche aufgrund von Konzentrationsproblemen und fehlendem Durchhaltevermögen nachzugehen. Dr. W. hat in ihrer am 16.09.2010 eingegangenen Zeugenaussage angegeben, die Klägerin bis dato zu behandeln. Auch sie war der Auffassung, dass der Klägerin aufgrund einer psychischen Dekompensation keine Tätigkeiten mehr wenigstens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Sie bekomme ihren Alltag nicht in den Griff, wohne bei den Eltern, nehme Essen auf Rädern in Anspruch, schon Formulare wegen der Scheidung/Rente, Arbeitslosengeld überforderten sie komplett. Dr. S. hat ausgeführt (Aussage vom 15.09.2010), nach Anamnese und Befund gelinge es der Patientin auch im privaten Bereich nicht, zuverlässig für leichte Arbeiten mehr als zwei Stunden tätig zu sein. Es komme rasch zu einem Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit und der Ausdauer. Die Klägerin sei daher auch nicht mehr in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich auch nur einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit nachzugehen. Hierfür maßgeblich sei die verminderte psychische Belastbarkeit, durch die die ausdauernde Konzentrationsfähigkeit stark beeinträchtigt sei.

Dr. G. hat unter dem 29.11.2010 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein Thoracic-Outletsyndrom ohne höhergradige Funktionseinschränkung, eine Hyperkompression der lateralen Patellafacette beidseits und eine leichte Bandinstabilität linkes Sprunggelenk sowie auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet nach Aktenlage eine depressive Anpassungsstörung und auf internistischem Fachgebiet nach Aktenlage eine Eisenmangelanämie und Laktoseintoleranz festgestellt. Unter Berücksichtigung näher ausgeführter qualitativer Einschränkungen könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht Tätigkeiten, die diese Einschränkungen berücksichtigten, noch sechs Stunden täglich und mehr ausüben. Prof. Dr. Ebert hat auf psychiatrischem Fachgebiet unter dem 15.03.2011 eine depressive Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung und eine somatoforme Schmerzstörung festgestellt. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Gutachten seien mittelschwere körperliche Arbeiten, ohne gleichförmige Körperhaltung, Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeiten möglich, Arbeiten mit Anforderung durch Publikumsverkehr, Anforderung an Flexibilität, psychomotorisches Tempo und Konzentrationsfähigkeit, Arbeit mit erhöhter Verantwortung und nervlicher Beanspruchung seien zu vermeiden. Es seien noch leichte körperliche Arbeiten ohne nervliche Belastung möglich. Da die Symptomatik im Verlauf wechselnd ausgeprägt gewesen war, gelte die aktuelle Leistungseinschätzung seit der Begutachtung.

Auf die Einwendungen des Bevollmächtigten der Klägerin hat Prof. Dr. E. unter dem 18.04.2011 ergänzend Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass die in den Akten gestellten Diagnosen einer Persönlichkeitsstörung oder Schizotypie bezüglich der sozialmedizinisch relevanten, leistungseinschränkenden Symptomatik in den genannten Diagnosen berücksichtigt seien. Persönlichkeitsstörungen würden ins Erwerbsleben eingebracht; aus Persönlichkeitsstörungen ergäben sich bei bereits vollzogenem Eintritt ins Erwerbsleben keine quantitativen Leistungseinbußen, aber sicherlich viele qualitative Leistungseinbußen. Es müssten also zusätzliche Störungen hinzukommen, wie sie im Gutachten berücksichtigt worden seien. Die relevanten Einschränkungen der paranoiden Persönlichkeitsstörung seien in den qualitativen Einschränkungen im Rahmen der depressiven Episode oder einer eventuellen somatoformen Schmerzstörung berücksichtigt. Aus einer paranoiden Persönlichkeitsstörung seien keine quantitativen Leistungsstörungen abzuleiten. Dies gelte prinzipiell.

Die Klägerin hat Stellungnahmen eines K. K. ("Soweit es mir möglich ist, begleite ich Frau H. zu Behörden und Gutachten und auf diverse Ämter und agiere als Fahrer und Begleitperson. Frau H. lebt sozial total zurückgezogen und hat totale Einschränkungen bei der Teilhabe am täglichen Leben."), ihrer Mutter vom 04.06.2011 ("Meine Tochter B. braucht leider bei vielen, auch kleinen Dingen des Lebens Hilfe, sei es beim Öffnen von Briefen, Ausfüllen von Formularen, Fragebögen oder Anträgen") sowie Stellungnahmen der Dr. M.-S. vom 18.06.2011 und 16.04.2011 vorgelegt. Hierzu und zu einer Stellungnahme des Dr. S. vom 17.06.2011 hat Prof. Dr. E. in weiteren ergänzenden Stellungnahmen vom 21.06.2011 und vom 07.07.2011 Ausführungen unter Beibehaltung seiner bislang vertretenen Einschätzung gemacht. U.a. hat er darauf hingewiesen, dass die behandelnde Psychiaterin leichter ausgeprägte Symptome und eine weniger gravierende Diagnose (Dysthymia) als er selbst und auch Dr. S. mit der komplexen Traumatisierung und Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung leichter ausgeprägte Symptome beschreibe als er selbst. Es sei darauf hinzuweisen, dass diese Diagnose für Kriegsopfer, Folteroper und Opfer von Konzentrationslagern reserviert sein sollte, nicht für Opfer von Scheidungsauseinandersetzungen, familiären Konfliktsituationen und Mobbingsituationen. Die damit verbundenen Probleme seien aber berücksichtigt worden. Dr. M.-S. beschreibe in erster Linie einen Kampf um die Rente, sie bezweifle das Vorliegen einer depressiven Störung und führe fehlende Arbeitsfähigkeit auf eine Verfassung zurück, die aber nicht krankheitsbedingt als Folge einer Erkrankung, sondern als Einengung auf eine verweigerte Rente gesehen werden müsse. Damit würden aber keine krankheitsbedingt objektivierbaren Einbußen mit quantitativen Leistungsstörungen beschrieben.

Hierzu hat der Beklagte eine ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin Dr. S. vom 15.09.2011 vorgelegt. Dr. P. (für den Landkreis Tübingen, Abteilung Gesundheit) hat unter dem 04.03.2009 bescheinigt, dass der Klägerin aufgrund einer chronifizierten psychischen Erkrankung, die fachgerecht durch Psychotherapie und Psychopharmakotherapie behandelt werde, ein Umzug nicht zugemutet werden könne.

Im nervenärztlichen Gutachten der Prof. Dr. W. vom 13.04.2012 hat diese eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende, aktuell schwere depressive Störung festgestellt. Im neurologischen Befund bestehe ein ausgeprägter Hartspann der Nackenmuskulatur und der Kaumuskulatur beidseits als Hinweis für Schmerzen. Im psychiatrischen Befund bestünden ausgeprägte emotionale und kognitive Störungen. Das Aufmerksamkeitsniveau sei schlecht, die Probandin beantworte an sie gestellte Fragen oft nicht, dem Gespräch werde nicht konzentriert gefolgt, die Anamnese werde trotz mehrfacher Aufforderung nicht chronologisch geschildert, sondern die Probandin springe zwischen verschiedenen Ereignissen aus unterschiedlichen Zeiten hin und her. Der formale Denkablauf sei sprunghaft, weitschweifig, umständlich, ungeordnet, die Stimmung sei kontinuierlich negativ, angespannt, unsicher und ängstlich. Die affektive Resonanzfähigkeit sei deutlich reduziert, die Klägerin sitze in gebeugter Haltung, was angespannt wirke, der Rededrang sei gesteigert, sie berichte im zweiten Termin über Suizidgedanken am Vortag. Die Klägerin könne noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne besondere geistige Beanspruchung ausführen. Diese Tätigkeiten könne sie nur noch unter drei Stunden täglich ausüben. Der Grund für diese Einschätzung sei die bei der Klägerin bestehende komplexe psychische Störung mit anhaltender somatoformer Schmerzstörung und schwerer rezidivierender Depression. Im Vergleich zum Befund von Prof. Dr. E. vom 15.02.2011 habe sich eine deutliche Verschlechterung ergeben. So habe er damals von einem geordneten formalen Gedankengang und lediglich subjektiven Konzentrationsstörungen berichtet.

Für die Beklagte hat hierauf nochmals Dr. S. Stellung genommen. Unter dem 04.06.2012 vertrat sie die Auffassung, dass insbesondere die Nennung einer schweren depressiven Episode nicht plausibel erscheine, zumal eine hochgradig ausgeprägte depressive Herabgestimmtheit mit entsprechender schwerwiegender Störung des Antriebs von Prof. W. nicht beschrieben worden sei. Gemäß den ICD 10-Kriterien könne allenfalls von einer mittelgradigen depressiven Episode ausgegangen werden. Hinsichtlich der somatoformen Schmerzstörung falle auf, dass im Gutachten keine differenzierte Auseinandersetzung mit der fehlenden Schmerztherapie stattfinde. Die Klägerin werde zwischenzeitlich mit zwei antidepressiv wirksamen Substanzen behandelt, wovon eine auch schmerzdistanzierend wirke. Eine darüber hinausgehende schmerztherapeutische Behandlung erfolge nicht, was den Ausprägungsgrad der somatoformen Schmerzstörung sicherlich relativiere. Soweit Prof. W. davon ausgehe, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, widerspreche sie sich insofern, als sie ausführe, dass die Ängste nicht im Vordergrund stünden und aus diesem Grund eine Angststörung auch nicht zusätzlich verschlüsselt werden müsse. Wenn Ängste nicht einmal einer Diagnosenennung bedürften, könnten sie auch kaum so ausgeprägt sein, dass sie der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machten.

Mit Urteil vom 16.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung des Versicherungsverlaufes vom 03.06.2008 und unter Berücksichtigung, dass weder Arbeitslosengeld II noch Sozialhilfe bezogen werde und den Fünf-Jahres-Zeitraum verlängernde Rentenbezugszeiten nicht vorlägen, könne keine vor dem 01.09.2011 eingetretene volle oder teilweise Erwerbsminderung angenommen werden, denn es stehe nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nicht mit dem für die Verurteilung der Beklagten erforderlichen Grad der Gewissheit fest, dass die Klägerin vor dem 01.09.2011 gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen sei, wenigstens eine körperlich leichte und nervlich wenig belastende Arbeit sechs Stunden täglich ausüben zu können. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 19.11.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.12.2012 Berufung eingelegt. Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen von Prof. Dr. W. in deren Gutachten, wonach spätestens ab März/April 2013 von voller Erwerbsminderung auszugehen sei. Zur weiteren Begründung ihrer Berufung legt sie einen Befundbericht der V.-v.-P.-H. gGmbH, R., vom 10.03.2013 über eine ambulante Behandlung seit Juli 2011 in der psychiatrischen Institutsambulanz vor. Dort wird über eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, eine Panikstörung (episodisch paroxysmale Angst), eine posttraumatische Belastungsstörung, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen (vermeidenden) und abhängigen Anteilen, ein chronisches Zervikobrachialsyndrom bei Zustand nach HWS-Schleudertrauma und ein chronisches Schmerzsyndrom berichtet. Unter anderem wird ausgeführt, dass die von der Klägerin beschriebenen Traumatisierungen sowohl in der Kindheit als auch in der Ehe zur Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung geführt hätten, wobei jedoch nicht das Vollbild dieser Erkrankung vorliege. Das konfus-schreckhafte Verhalten, welches sich in verschiedenen Auslösesituationen erheblich verstärke, deute auf das Vorliegen einer einfachen posttraumatischen Belastungsstörung hin. Weitere spezifische Symptome wie Flashbacks lägen nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. November 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 20.03.2013 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau ab 01.03.2011, ausgehend von einem Leistungsfall am 15.02.2011 (monatlicher Zahlbetrag ab 01.05.2013: 55,16 EUR). Die Klägerin habe die knappschaftliche Wartezeit erfüllt und laut dem Entlassungsbericht der S.-Klinik sei sie nicht mehr in der Lage, ihre bisherige knappschaftliche Hauptberufstätigkeit als Betriebswirtin zu verrichten. Eine hypothetische Verweisung sei wegen der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes im Bergbau ausgeschlossen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch das Einholen eines Gutachtens beim ärztlichen D. der U. für Psychiatrie und Psychotherapie Tübingen Prof. Dr. F. nebst eines testpsychologischen Zusatzgutachtens der Dipl.-Psychologin P. sowie durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage bei Dr. H., V.-v.-P.-H. gGmbH, R. und eines weiteren Gutachtens beim Chefarzt der M.-B.-K. K., Dr. C ...

Prof. Dr. F. hat in dem zusammen mit Priv.-Doz. Dr. E. erstellten Gutachten vom 21.05.2014 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige Episode, festgestellt. Bislang habe kein organischer Befund erhoben werden können, der die von der Klägerin geschilderten Beschwerden hätte erklären können. Insbesondere seien zunächst vor allem bezogen auf die rechte Schulter akzentuierte Schmerzen nicht in einem Zusammenhang mit einem Unfall gesehen worden, weil der Gurt beim Fahrer des Kfz über die linke Schulter verlaufe. Das auffälligste psychopathologische Symptom sei die ausgeprägte Weitschweifigkeit und ihre rückdelegierende Beantwortung von Fragen des Gutachters an selbigen. Hierbei handele es sich jedoch überwiegend um eine Strategie der Gesprächsführung in der Gutachtensituation, was von der Klägerin auch eingeräumt worden sei. Der Antrieb sei in der Gutachtensituation nicht vermindert gewesen. Insgesamt liege vom Schweregrad der depressiven Störung gegenwärtig nur eine leichtgradige Episode vor. Die als wesentliche Begründung für die fehlende Erwerbsfähigkeit genannten Konzentrationsstörungen hätten sich in der klinischen Untersuchung nicht bestätigen lassen. Diese Einschätzung stehe in Übereinstimmung mit der neuropsychologischen Testung, bei der sich im Word-Memory-Test eine eher mangelnde Motivation als tatsächlich objektivierbare Defizite gezeigt hätten. Die Schilderung hinsichtlich paranoider Ideen und auch die Erzählungen bezüglich Neid anderer Mitarbeiterinnen ihr gegenüber während ihrer Tätigkeit als Kundenberaterin bei einer Bank seien mit einer paranoiden Persönlichkeitsstörung vereinbar. Hierbei handele es sich um Beeinträchtigungen, die bereits ins Erwerbsleben eingebracht worden seien und die daher keine neu aufgetretenen Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit erklären könnten. Soweit eine Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung als Diagnose genannt worden sei, stimme man mit dem Vorgutachter überein, dass diese Diagnose Opfern von Krieg, Vertreibung und Konzentrationslagern vorbehalten sei und nicht für psychische Beeinträchtigung nach Auffahrunfällen, Mobbing am Arbeitsplatz oder Ehescheidungen in Frage komme. Soweit die behandelnde Ärztin Dr. Homolka eine posttraumatische Belastungsstörung und eine Panikattacke genannt habe, lägen die diagnostischen Kriterien für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht vor. Panikattacken seien darüber hinaus nirgendwo dokumentiert – etwa durch Notarzteinsätze im Rahmen von Angstzuständen mit Tachykardien und Hyperventilationen sowie nachfolgender somatischer Abklärung der auf den ersten Blick bedrohlich wirkender Symptomatik –, was gegen eine schwerwiegende Symptomatik im Rahmen einer Panikstörung spreche. Es sei zwar durchaus denkbar, dass die Klägerin zusätzlich an einer Panikstörung erkrankt sei, hierbei handele es sich jedoch um ein gut behandelbares Krankheitsbild, bei dem die Therapie der Wahl eine Verhaltenstherapie und eine begleitende medikamentöse Therapie sei. Insgesamt gesehen sei die Klägerin ihrer anspruchsvollen Aufgabe als Betriebswirtin nicht mehr gewachsen, eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit ohne besondere geistige Anstrengung sei ihr jedoch noch mit einer Arbeitszeit von mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Die Klägerin sei auf ihren Berentungswunsch äußerst fixiert und habe sich daher seit dem Unfall 2001 verschiedensten Begutachtungen unterzogen. Insgesamt handele es sich um die vierte Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet. Aktuell bestehe keine wirksame medikamentöse Behandlung aufgrund fehlender Compliance und auch keine adäquate Psychotherapie. Die von Dr. H. angeordnete psychopharmakologische Therapie mittels einer Kombination von zwei Noradrenalin-Serotonin-Wiederaufnahmehemmern sei überaus ungewöhnlich, weil diese beiden Substanzen einen nahezu identischen Wirkmechanismus besäßen. Es müsse jedoch festgestellt werden, dass der Berentungswunsch so stark überwiege, dass sie nicht therapiemotiviert sei. Insofern erscheine eine Verbesserung der Beschwerden wegen fehlender Mitarbeit auch unter optimaler Medikation unwahrscheinlich.

Zu diesem Gutachten hat die Klägerin ausführlich Stellung genommen (vgl. Bl. 91-95 der Senatsakten). Sie befand sich zudem vom 05.01.2015 bis 17.04.2015 in stationärer Behandlung der V.-v.-P.-H. gGmbH. In deren Entlassungsbericht vom 08.06.2015 wird über eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine Panikstörung, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine kombinierte und sonstige Persönlichkeitsstörung mit ängstlichen und abhängigen Anteilen, ein chronisches Zervikobrachialsyndrom bei Zustand nach HWS-Schleudertrauma und eine Eisenmangelanämie nach Blutverlust berichtet. Unter einem näher dargestellten Behandlungskonzept habe sich der psychische Zustand der Patientin verbessert, sodass sie schließlich in einem ausreichend stabilen Zustand in die ambulante Weiterbehandlung, distanziert von einer akuten Eigen- und Fremdgefährdung, habe entlassen werden können.

Für die Beklagte hat der Facharzt für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr. S. unter dem 08.07.2015 zusammenfassend festgestellt, dass seit der letzten Stellungnahme aus 2012 ganz offensichtlich und zumindest ab Januar 2015 von einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes bezüglich der psychischen Stabilität auszugehen sei, sodass eine erneute Sachaufklärung erforderlich sei.

In ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 08.01.2016 hat Dr. H. ausgeführt, die Klägerin sehe sich im Rahmen ihrer schweren Persönlichkeitsstörung permanent als Opfer ihrer engsten Familienangehörigen und ihres Ex-Ehemannes. Schwere psychische Traumatisierungen in Form von körperlicher und sexueller Gewalt in der Vergangenheit hätten mit Sicherheit vorgelegen und bildeten den Nährboden für eine schwere Persönlichkeitsstörung und die weiteren psychiatrischen Erkrankungen, wie rezidivierende Depression und Panikstörung. Aufgrund der Schwere der psychiatrischen Erkrankungen und insbesondere der Schwere der Persönlichkeitsstörung hätten nur kleine Behandlungserfolge festgestellt werden können. Die Klägerin sei im Rahmen der komplexen psychiatrischen Störung, wie sie sich über die gesamte Zeit der ambulanten Behandlung gezeigt habe, bereits mit der Bewältigung des alltäglichen Lebens überfordert. Indem sie ständig mit den Belastungen der Vergangenheit konfrontiert und beschäftigt sei, sei es ihr nicht möglich, angstfrei in die Zukunft zu schauen.

Unter dem 12.09.2016 haben die Bevollmächtigten mitgeteilt, dass die Klägerin geheiratet habe.

Dr. C. hat unter dem 19.09.2016 unter Berücksichtigung einer weiteren testpsychologischen Untersuchung eine kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen (hier: Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizotypischen, selbstunsicheren und dependenten Zügen), eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelgradige Episode, soziale Phobien, ggf. mit Panikstörung festgestellt. Darüber hinaus ein Thoracic-Outlet-Syndrom ohne höhergradige Funktionseinschränkung, eine leichte Bandinstabilität im linken Sprunggelenk, ein Zustand nach HWS-Schleudertrauma 10/2001, ein Zustand nach Vocal-Chord-Dysfunction, eine Eisenmangelanämie und eine Laktoseintoleranz. Er vertrat die Auffassung, dass der Klägerin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem Sitzen, Gehen oder Stehen noch möglich seien. Arbeiten mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder mit der Notwendigkeit, sehr komplexe Abläufe zu verfolgen und zu steuern, sollten nicht mehr durchgeführt werden. Arbeiten mit ständigem, insbesondere konflikthaftem Publikumsverkehr und intensiver Termineinbindung seien wegen der problematischen kommunikativen Mechanismen auf Dauer nicht möglich, Nachtarbeit, Schichtarbeit, Akkord- und sonstige Zeittakttätigkeit sollten nicht mehr abverlangt werden. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen könnten der Klägerin noch sechs Stunden Arbeitstätigkeit und mehr werktäglich zugemutet werden. Besondere Arbeitsbedingungen könnten entfallen, die Umstellungsfähigkeit erscheine ausreichend für entsprechend geeignete Tätigkeiten. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit sei nicht erkennbar, die Verkehrsfähigkeit sei durch die soziale Phobie reduziert, dergestalt, dass überfüllte Verkehrsmittel möglicherweise nicht angstfrei genutzt werden könnten. Diese Einschränkung könne durch zumutbare Übung und Adaption überwunden werden, was im Übrigen auch in therapeutischer Hinsicht äußerst sinnvoll und empfehlenswert wäre.

Die Klägerin hat zum Gutachten von Dr. C. Stellung genommen und insbesondere durch Anmerkungen zu den jeweiligen Ausführungen im Gutachten Kritik an dessen Schlussfolgerungen geübt (vgl. Bl. 221 - 334 der Senatsakten).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert, dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Eine volle Erwerbsminderung liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch dann vor, wenn der Versicherte täglich mindestens drei bis unter sechs Stunden erwerbstätig sein kann, der Teilzeitarbeitsmarkt aber verschlossen ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Juni 2016, § 43 SGB VI, Rn. 58 und 30 ff.).

Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente setzt beweisrechtlich voraus, dass die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.09.2004 – B 2 U 25/03 R – zitiert nach juris, Rn. 13), feststehen. Ob Tatsachen, vorliegend also das Bestehen und der Schweregrad von Erkrankungen der Klägerin sowie das Bestehen einer rentenanspruchsauslösenden quantitativen Minderung des Leistungsvermögens für die Durchführung von Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts, nachgewiesen sind oder nicht, entscheidet der Senat als sog. "Tatsachengericht" in freier richterlicher Beweiswürdigung (BSG, Urteil vom 07.09.2004, a.a.O., Rn. 15).

Im Falle der Nichterweislichkeit anspruchsbegründender Tatsachen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des BSG (grundlegend Urteil vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55BSGE 6, 70-74; ebenfalls Urteil vom 20.01.1977 – 8 RU 52/76BSGE 43, 110-113) der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast, wonach die Folgen der Nichterweislichkeit einer Tatsache von demjenigen Beteiligten zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Zwar gehört zur Freiheit der Beweiswürdigung auch die Entscheidung über Umfang und Art der Ermittlungen, so dass eine verfahrensrechtliche Pflicht zu weiteren Ermittlungen nur dann besteht, wenn sich dem Tatsachengericht solche auf Grundlage seiner Rechtsauffassung aufdrängen mussten (BSG, Urteil vom 07.09.2004, a.a.O., Rn. 19). Eine Beweislastentscheidung setzt jedoch voraus, dass zunächst alle verfügbaren Erkenntnisquellen und Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden sind und sich die entscheidungserheblichen Tatsachen gleichwohl nicht mehr feststellen lassen (vgl. Urteil des BSG vom 24.05.2006 – B 11a AL 7/05 RBSGE 96, 238-246, juris, Rn. 29, 32).

Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert. Ihr steht daher keine Rente zu.

Eine Erwerbsminderung der Klägerin, das heißt ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen.

Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der Klägerin beruhen im Wesentlichen auf psychiatrischem Fachgebiet. Denn das vom SG eingeholte Gutachten von Dr. G. bestätigt zunächst, dass von Seiten des orthopädischen Fachgebietes keine Erkrankungen vorliegen, die eine zeitliche Leistungsminderung rechtfertigen können. Nach dem Messblatt für die oberen und unteren Extremitäten liegen im Wesentlichen seitengleiche und uneingeschränkte Bewegungsmaße vor. Wesentliche funktionelle Einschränkungen von Seiten der Wirbelsäule und der Extremitäten hat Dr. G. nicht feststellen können. Diagnostisch hat er daher nachvollziehbar und überzeugend aufgrund des MRT-Befundes ein Thoracic-Outletsyndrom ohne höhergradige Funktionseinschränkung, eine Hyperkompression der lateralen Patellafacette beidseits und eine leichte Bandinstabilität des linken Sprunggelenkes beschrieben und die organisch nicht fassbaren Beschwerden der Klägerin (etwa Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule in den Muskeln bis zur LWS ziehend) einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zugeschrieben, die zuvor bereits von der S.-Klinik und in dem Gutachten von Dr. Z. beschrieben worden war. Mit dem Thoracic-Outletsyndrom, einem Schultergürtel-Kompressionssyndrom, sind im Übrigen auch die Schmerzen der Klägerin im Bereich der ersten Rippe berücksichtigt. Insgesamt betrachtet folgen hieraus aber, wie Dr. G. für den Senat schlüssig darzulegen vermochte, keine Einschränkungen des zeitlichen Leistungsvermögens. Gleiches gilt für die Eisenmangelanämie und die Lactoseintoleranz, die auch von den behandelnden Ärzten nicht im Zusammenhang mit einer zeitlichen Leistungsminderung angegeben worden sind.

Eine hier zunächst allein entscheidende zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens lässt sich auch nicht unter Berücksichtigung einer psychiatrischen Erkrankung begründen. Der Senat stützt sich dabei im Wesentlichen auf die Gutachten von Prof. Dr. E., Prof. Dr. F. und Dr. C., während die Leistungseinschätzungen der behandelnden Ärzte, insbesondere von Dr. S. und Dr. Homolka, aber auch das Gutachten von Prof. Dr. W. nicht zu überzeugen vermochten.

So geht der Senat zunächst davon aus, dass bei der Klägerin eine somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Erkrankung vorliegen, wie sie bereits im Gutachten von Dr. Z., welches der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, als auch in den Gutachten von Prof. Dr. Ebert und Prof. Dr. F. festgestellt sowie im Gutachten von Prof. Dr. W. und in den Berichten der S.-Klinik und von Dr. H. beschrieben werden.

Dabei klagte die Klägerin, was der Senat dem Gutachten von Dr. E. entnimmt, im Wesentlichen konsistent über Schmerzen, vor allem in der Wirbelsäule und im Bereich des Armes sowie über Kopfschmerzen, welche die Alltagsbewältigung, etwa beim Staubsaugen, beeinträchtigen. Ferner klagte sie über wechselnde Stimmungszustände, Lustlosigkeit und Antriebsmangel, Schlafstörungen und das Meiden von Menschenmassen. Zusammen mit den Eltern, bei denen sie nach der Trennung von ihrem Ehemann wieder lebe, beziehe sie Essen auf Rädern, weil sie es nicht schaffe, für alle drei zu kochen. Außerdem sei ihre Konzentration eingeschränkt, sie mache ständig Fehler, habe Blockaden, wenn sie für Behörden etwas ausfüllen müsse. Prof. Dr. E. hat sie in seinem Befund nach den durchgeführten – auch testpsychologischen – Untersuchungen (BDI, SCL-90-R) nachvollziehbar als wach, bewusstseinsklar, ohne Vigilanzstörungen, zu allen Qualitäten orientiert, ohne klinische Beeinträchtigung von Auffassungsgabe, Konzentrationsfähigkeit, Merkfähigkeit und Gedächtnis mit subjektiven Konzentrationsstörungen, mit eingeschränkter, nicht aufgehobener affektiver Schwingungsfähigkeit und mit einem deprimiert ausgelenkten Affekt beschrieben. Er konnte einen verminderten Antrieb mit Energie- und Lustlosigkeit, eine subjektive, aber nicht objektivierbare psychomotorische Hemmung mit dem Gefühl der Verlangsamung und des Widerstandes gegen intendierte Tätigkeiten feststellen. Es bestand ein formal geordneter Gedankengang, eingeengt auf Schmerzen und Insuffizienzgefühle. Inhaltliche Denkstörungen im Sinne eines Wahns, Störungen der Wahrnehmung oder des Ich-Erlebens hat er jedoch ebenso wenig wie Suizidgedanken explorieren können. An vegetativen Störungen bestanden Durchschlafstörungen, eine vermehrte Schmerzwahrnehmung und sexuelle Störungen. Eine schwere Verlangsamung und schwere Hemmung mit vorzeitigem Versiegen des Energieniveaus fehlten hingegen. Konsistent hiermit sind die von Prof. Dr. F. und im neuropsychologischen Gutachten der Dipl.-Psychologin P. wiedergegebenen Befunde, die - nach ausführlicherer testpsychologischer Untersuchung als im Gutachten von Prof. Dr. E. - neben der bereits erwähnten Weitschweifigkeit keine inhaltliche Denkstörungen, teilweise paranoide Ideen und keinen Anhalt für Störungen des Antriebs ergaben und die Klägerin als nervös, gedrückt, ohne deutlich depressiven Affekt, mit nur leicht eingeschränkter Schwingungsfähigkeit, ohne Anhalt für Ängste außerhalb der Nervosität, ohne Anhalt für Suizidalität beschrieben. In der neuropsychologischen Testung ergab sich eine gut durchschnittliche floride Intelligenz, eine Lern- und Merkfähigkeit im Durchschnittsbereich und konzentrativ durchgehend eine weit überdurchschnittliche Sorgfaltsleistung bei unzureichendem Tempo. Die geringe Tempoleistung war von der Psychologin als durch die hohe Sorgfalt und den im WMT sich zeigenden Verdacht auf geringe Anstrengungsbereitschaft erklärbar beurteilt worden (was die Klägerin aber auf die ihrer Ansicht nach nicht berücksichtigte Eisenmangelanämie zurückführt), auch die Exekutivfunktionen waren unauffällig. Nachvollziehbar und überzeugend hat Prof. Dr. E. (und ihm im Wesentlichen folgend Prof. Dr. F.) seine diagnostische Einschätzung einer depressiven Episode im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung nach den Kriterien des ICD-10 begründet. Insbesondere erscheint es dem Senat nachvollziehbar, wenn der Sachverständige darauf hinweist, dass bezüglich der Differenzierung der Schweregrade der Episoden das Ausmaß noch möglicher sozialer und beruflicher Aktivitäten im Alltag hilfreich ist, diese aber häufig durch individuelle, soziale und kulturelle Einflüsse beeinflusst sind und es deshalb nicht allein entscheidend sein kann, diese für die Einstufung des Schweregrades heranzuziehen. Ausgehend hiervon hat er den Senat davon überzeugt, dass zwar von einem schwereren Erkrankungsbild als der bislang diagnostizierten Dysthymia auszugehen ist, die Symptome schwerer depressiver Syndrome, wie eine ausgeprägte psychomotorische Hemmung oder ein starrer Affekt, eine ausgeprägte kognitive Beeinträchtigung oder Einengung des Denkens nicht nachweisbar waren. Die Diagnose einer nicht schweren, sondern allenfalls nur leicht- oder mittelgradigen depressiven Episode wurde durch die nachfolgenden Gutachten von Prof. Dr. F. und Dr. C. nochmals bestätigt. Soweit Prof. Dr. W. und auch Dr. H. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vor dem Senat unter Berücksichtigung der ambulanten Institutsbehandlung der Klägerin von einer schweren Ausprägung (aktuell schwer depressiv, so Prof. Dr. W., teils schwere depressive Episoden, so Dr. H.) ausgehen, steht dies nicht im Widerspruch zu den Ausführungen von Dr. Z., Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F ... Insbesondere Prof. Dr. E. hat hierzu ausgeführt, dass von einem chronisch-fluktuierenden Verlauf auszugehen ist, bei wechselnden Ausprägungsgraden der Erkrankung. Ähnlich relativiert auch Prof. Dr. W., wenn sie ausführt, dass die depressive Symptomatik "zumindest aktuell schwer ausgeprägt" sei, ohne dass sie für die Vergangenheit festzustellen vermochte, dass ein die zeitliche Leistungsfähigkeit limitierender Krankheitszustand vor ihrer Untersuchung und zu einem überwiegenden zeitlichen Anteil vorgelegen hat. Vielmehr wies sie ausdrücklich darauf hin, dass der bei Prof. Dr. E. erhobene Befund, wie auch der in der S.-Klinik erhobene, weniger auffällig war als der aktuell von ihr erhobene und dass es hierfür mehrere Möglichkeiten der Interpretation gibt. Dies spricht nach Überzeugung des Senats dafür, dass der Befund der Prof. Dr. W. eine Momentaufnahme einer zu dieser Zeit tatsächlich bestehenden zeitlichen Leistungsminderung gewesen ist, welcher jedoch nicht aussagekräftig genug ist, hieraus den Schluss zu ziehen, für die Zeit davor und auch für die Zeit nach der Begutachtung durch Prof. Dr. W. mit Sicherheit von einem ähnlich ausgeprägten Erkrankungsbild ausgehen zu können. Dies wird durch das Gutachten von Dr. C. bestätigt, der die Depressivität vom klinischen Eindruck her nur als leicht ausgeprägt beurteilt hat, so dass an eine leichte depressive Episode oder an eine Dysthymie hätte gedacht werden können. In die Diagnose hätten dem ICD-10 gemäß auch subjektive Probandenangaben einzufließen, weshalb eine mittelgradige Episode zu diagnostizieren gewesen sei. Soweit Prof. Dr. W. von einer wenig beeinflussbaren Symptomatik ausgeht, ist dies für den Senat zumindest mit Blick auf die verschiedenen Ausprägungsformen der Erkrankung und möglicher Interventionen (vgl. hierzu auch Prof. Dr. E. im Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 18.04.2011, Gutachten Prof. Dr. F. und Dr. C.) und mit Blick auf die nachfolgenden Begutachtungen, die die Schwere der Depression nicht in diesem Ausmaß feststellen konnten, nicht überzeugend. Unter Beachtung dessen ist die von Prof. Dr. E. vorgenommene sozialmedizinische Beurteilung nicht zu beanstanden, wonach der Klägerin qualitativ einfache geistige und körperliche Tätigkeiten noch zugemutet werden können. Mit der Berücksichtigung leichter körperlicher Tätigkeiten ist damit auch die vermehrte Schmerzwahrnehmung bei körperlichen Belastungen berücksichtigt, ebenso die von Prof. Dr. E. angenommene verminderte Konzentrationsfähigkeit und ein reduziertes psychomotorisches Tempo, wobei sich ersteres im Gutachten von Prof. Dr. F. sowie in der testpsychologischen Untersuchung der Diplom-Psychologin P. nicht bestätigen ließ. Die Antriebshemmung, die eine quantitative Leistungsminderung grundsätzlich rechtfertigen kann, ist nach den Feststellungen des Sachverständigen bei der Klägerin aber nicht ausgeprägt, sodass zumindest einfache Tätigkeiten sechs Stunden möglich sind, wenn die verbleibenden Willenskräfte aufgeboten werden. Auch insoweit war durch Prof. Dr. E. nicht feststellbar, dass diese Willenskräfte durch eine Erkrankung soweit eingeschränkt sind, dass hierdurch die Aufnahme und die Ausführung einer leidensgerechten Tätigkeit von wenigstens sechs Stunden am Tag im Rahmen einer Fünftagewoche ausgeschlossen wäre. So ist die depressive Episode der Klägerin nicht so stark ausgeprägt, dass der Willen erlöscht und dass der Antrieb so gehemmt ist, dass keine sechsstündigen einfachen Tätigkeiten mehr möglich sind, wie er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 18.04.2011 nochmals bekräftigte und was in Übereinstimmung mit dem erhobenen Befund steht, dass eine schwere Verlangsamung und schwere Hemmung mit vorzeitigem Versiegen des Energieniveaus nicht feststellbar waren. Auch aus der somatoformen Schmerzstörungen ergeben sich keine quantitativen Leistungseinbußen. Der Sachverständige wies insoweit darauf hin, dass sich die Schmerzsymptomatik der somatoformen Schmerzstörung im Verlauf einer Tätigkeit nicht verschlimmert, sie ist auch nicht von den Tätigkeiten abhängig und kann durch eine Tätigkeit sogar gebessert werden, wenn diese nicht zu anspruchsvoll ist. Aufgrund einer psychogenen Schmerzstörung muss demnach keine (leidensgerechte) Tätigkeit abgebrochen werden, auch wenn dem Patienten dies subjektiv so erscheint.

Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. G., wonach aus orthopädischer Sicht leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus stehend, gehend, sitzend noch zumutbar sind und eine wesentliche Kraftminderung oder Beweglichkeitseinschränkung, die ein Bücken, Treppensteigen oder ein Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten unmöglich machen könnten, nicht festzustellen waren, ergeben sich in Übereinstimmung mit Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. folgende zusätzlich zu berücksichtigende Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet: Zu vermeiden sind Arbeiten mit Anforderungen durch Publikumsverkehr, Anforderungen an Flexibilität, psychomotorisches Tempo und Konzentrationsfähigkeit, Arbeit mit erhöhter Verantwortung und nervlicher Beanspruchung.

Soweit Dr. H. in ihrer sachverständigen Zeugenaussage vom 08.01.2016 unter Berücksichtigung der Behandlung der Klägerin im Zentrum für Psychiatrie R. und auch Dr. C. eine Persönlichkeitsstörung im Vordergrund des Erkrankungsbildes stehend beschreiben, ergibt sich mit Blick auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin keine andere Beurteilung. Dabei ist zunächst anzumerken, dass auch Prof. Dr. E. eine Persönlichkeitsstörung in seinem Gutachten erwogen und gewürdigt sowie im Rahmen seiner Leistungseinschränkung berücksichtigt hat (vgl. Seite 74 der SG-Akten). Soweit Dr. C. eine Kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen (hier Persönlichkeitsstörung mit paranoiden, schizotypischen, selbstunsicheren und dependenten Zügen) diagnostiziert und damit die Diagnose der Psychiatrischen Institutsambulanz Rottenmünster (vom 08.06.2015) bestätigt, ergibt sich hieraus keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Der von ihm erhobene Befund unterscheidet sich mit Blick auf eine zu prüfende zeitliche Leistungseinschränkung nicht wesentlich von den Vorgutachten Prof. Dr. E. und Prof. Dr. F. (allseits orientiert und bewusstseinsklar, Intelligenz im Normbereich, keine erkennbaren Störungen der mnestischen Funktionen, keine inhaltlichen Denkstörungen, in formaler Hinsicht trete die bereits dargelegte Weitschweifigkeit zu Tage, keine Anhaltspunkte für Ich-Störungen und Wahrnehmungsstörungen, Konzentration und Aufmerksamkeit auf äußere Wahrnehmungen vermindert, weil der innere Monolog ganz im Vordergrund stehe, Stimmungslage neutral bis allenfalls leicht bedrückt bei guter affektiver Schwingungsfähigkeit. Soziale Ängste mit Vermeidungen und sozialen Rückzugstendenzen seien mitgeteilt worden, Ein- und Durchschlafstörungen angegeben worden, keine Suizidgedanken). Hierzu führt er aus, dass die kombinierte Persönlichkeitsstörung im Vordergrund steht, die durchaus als Traumafolgestörung verstanden werden kann. Eine von der Persönlichkeitsstörung abgrenzbare posttraumatische Belastungsstörung oder gar eine posttraumatische Wesensänderung hat er klinisch aber nicht diagnostizieren können, obgleich die mit der Klinik nicht übereinstimmenden Ergebnisse der psychologischen Testungen dies nahegelegt haben. Auf dem Boden der mit Selbstunsicherheit und paranoiden Tendenzen einhergehenden Persönlichkeitsstörung haben sich seiner Einschätzung nach soziale Phobien entwickelt, die sich nach subjektiver Schilderung der Klägerin bis zu Panikattacken steigern können und mit Vermeidungsverhalten einhergehen. Eine wesentliche Beeinträchtigung durch die Schmerzstörung hat er hingegen klinisch nicht feststellen können. Bei der ausgeprägten Redeseligkeit und Weitschweifigkeit handelt es sich um zeitlich überdauernde Persönlichkeitsmerkmale, wobei für das Vorliegen eines manischen oder hypomanischen Zustandsbildes, denen ansonsten diese formalen Denkstörungen als zentrales Charakteristikum zugeschrieben wird, sich jedenfalls weder anamnestisch noch klinisch ein Anhalt ergeben hat, weil alle anderen Spezifika dieser Syndrome fehlten. Neben der bereits angesprochenen Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode war auch Dr. C. der Auffassung, dass körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit ständigem Sitzen, Gehen oder Stehen noch zumutbar und möglich sind. Nur Arbeiten mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen oder mit der Notwendigkeit, sehr komplexe Abläufe zu verfolgen und zu steuern, sollten ebenso wie Arbeiten mit ständigem, insbesondere konflikthaftem Publikumsverkehr und intensiver Teameinbindung wegen der problematischen kommunikativen Mechanismen auf Dauer nicht abverlangt werden. Gleiches gilt für Nachtarbeit, Schichtarbeit, Akkord- und sonstige Zeittakttätigkeiten.

Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen können aber auch nach Auffassung von Dr. C. noch Tätigkeiten sechs Stunden und mehr werktäglich verrichtet werden, wobei besondere Arbeitsbedingungen nicht zu berücksichtigen sind. Nachdem auch er die Umstellungsfähigkeit noch als ausreichend erhalten beurteilte, lassen sich auch unter eigenständiger Berücksichtigung dieser Diagnosen die medizinischen Voraussetzungen für die beantragte Rente nicht begründen. Dies gilt umso mehr, als Dr. C. eine abgrenzbare posttraumatische Belastungsstörung oder gar eine posttraumatische Wesensänderung verneinte, die Traumafolgen aber als Teil der Persönlichkeitsstörung wertete und diese damit Eingang in die Leistungsbeurteilung gefunden haben.

Soweit die gehörten behandelnden Ärzte zu einer anderen quantitativen Leistungsbeurteilung gelangt sind, hält der Senat diese Einschätzungen durch die vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. E., Prof. Dr. F. und Dr. C. für widerlegt.

Der Klägerin ist somit keine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten kann. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.).

Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nur unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie § 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R –, juris). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R –, juris).

Ausgehend hiervon liegt bei der Klägerin weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Weder die auf orthopädischem Fachgebiet noch die auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Einschränkungen lassen darauf schließen, dass der Arbeitsmarkt für die Klägerin durch entsprechende Umstände eingeschränkt sein könnte. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist nicht ersichtlich. Der Senat sieht auch keinen Nachweis dafür, dass die Klägerin betriebsunübliche Pausen benötigt oder in ihrer Wegefähigkeit im rentenrechtlichen Sinne eingeschränkt ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001 – B 10 LW 18/00 RSozR 3-5864 § 13 Nr. 2 m. w. N. sowie Urteil vom 28.08.2002 – B 5 RJ 12/02 R –, juris). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des nach § 43 SGB VI versicherten Risikos (BSG, Urteile vom 17.12.1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 09.08.2001 - B 10 LW 18/00 R - SozR 3-5864 § 13 Nr. 2 und vom 14.03.2002 - B 13 RJ 25/01 R –, in Juris); das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung. Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach einem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Meter mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z. B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten zu berücksichtigen (BSG, Urteile vom 17.12.1991 – 13/5 RJ 73/90SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10, vom 19.11.1997 – 5 RJ 16/97SozR 3-2600 § 44 Nr. 10 und vom 30.01.2002 – B 5 RJ 36/01 R –, juris). Dazu gehört auch die zumutbare Benutzung eines vorhandenen, ggf. im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 16 SGB VI, § 33 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)) subventionierten Kraftfahrzeugs (vgl. BSG, Urteile vom 19.11.1997 – 5 RJ 16/97 – in SozR 3-2600 § 44 Nr. 10, vom 30.01.2002 – B 5 RJ 36/01 R – und vom 14.03.2002 – B 13 RJ 25/01 R –, jeweils in juris). Dabei lässt sich feststellen, dass Prof. Dr. E. (wie bereits zuvor Dr. G. auf orthopädischem Fachgebiet) diesbezüglich überhaupt keine Einschränkungen sah. Soweit die Klägerin gegenüber Prof. Dr. W. angegeben hat, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden, weil sie dort Panik bekomme, war dies für die Sachverständige kein Grund, eine eigenständige Angsterkrankung (neben einer depressiven Störung) zu diagnostizieren. Mit Dr. S. ist auch der Senat der Überzeugung, dass hierdurch der Nachweis einer krankheitsbedingten Unmöglichkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, nicht abgeleitet werden kann. Insoweit wurden die angegebenen Panikattacken von Prof. Dr. W. auch nicht hinterfragt, das Ausmaß und die Unzumutbarkeit nicht beleuchtet. Dementsprechend weist Prof. Dr. F. zu Recht darauf hin, dass Panikattacken nirgendwo (weder in den Berichten der behandelnden Ärzte noch im Rahmen von stationären Aufenthalten) dokumentiert worden sind. Auch Dr. C. ist in seinem Gutachten nur von einer mittelgradigen Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit ausgegangen, wohl mit Blick auf den von ihm durchgeführten Mini-ICF-APP, einem Fremdbeurteilungsinstrument zur Beschreibung und Quantifizierung von Fähigkeitsstörungen bei psychischen Störungen, im Übergang von der Psychopathologie zur Teilhabestörung. Darin hielt er die Verkehrsfähigkeit in Begleitung für umfassend gegeben, unbegleitet neige die Klägerin aber dazu, sich ihren sozialen Ängsten in vermeidender Weise zu ergeben. Unabhängig davon, dass dies nicht gleichbedeutend ist mit der aus krankheitsbedingten Gründen begründeten Unzumutbarkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, spricht Dr. C. bei der Beantwortung der Beweisfrage 6a) nur von einer reduzierten Wegefähigkeit mit Bezug auf überfüllte Verkehrsmittel, die "möglicherweise" nicht angstfrei genutzt werden könnten, was ebenfalls nicht den Anforderungen an einen Vollbeweis genügt. Schließlich kann dies aber auch dahinstehen, weil eine solche Einschränkung nach den Einlassungen von Dr. C. durch zumutbare Übung und Adaption überwunden werden kann und sich aus den Gutachten von Dr. G. und Prof. Dr. W. ergibt, dass die Klägerin über einen Führerschein verfügt und auch, wenn auch kürzere Strecken mit dem Auto zurücklegt, obwohl sie aus Angst vor Unfällen nur noch selten Auto fahren sollte. Damit sieht der Senat die Wegefähigkeit der Klägerin nicht in rentenberechtigendem Grad beeinträchtigt.

Die Einlassungen der Klägerin, insbesondere zuletzt die Anmerkungen zu dem Gutachten von Dr. C., hat der Senat zur Kenntnis genommen. Hieraus ergeben sich aber für die hier zu entscheidende und ausführlich diskutierte Frage in der Gesamtschau der vorliegenden Befunde und Einschätzungen keine relevanten Änderungen. Soweit die Klägerin geltend macht, Dr. C. hätte unter Berücksichtigung der von ihm genutzten Tabelle eine schwere depressive Symptomatik diagnostizieren müssen, ergibt sich nichts anderes, nachdem die oben ebenfalls wiedergegebenen Befunde und nicht die Diagnosestellung allein ausschlaggebend sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin auch im Berufungsverfahren.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor
Rechtskraft
Aus
Saved