L 6 SB 1639/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1928/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1639/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. März 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 sowie der Merkzeichen G, B, aG und RF streitig.

Auf den erstmaligen Antrag des 1957 geborenen, verheirateten Klägers (4 Kinder), der als Gastronom (Cafe) arbeitete, aus dem Jahr 2004 wurde ihm mit Bescheid des Beklagten vom 28. Februar 2005 ein Gesamt-GdB von 30 zuerkannt. Der auf die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerichtete Widerspruch blieb ebenso erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2005) wie das Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg - SG - nach Einholung von Gutachten bei Prof. Dr. Z. und Dr. H. (Urteil vom 20. Mai 2009, S 3 SB 3069/05). Im Berufungsverfahren (L 6 SB 2923/09) beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) schlossen die Beteiligten, nachdem ein Befangenheitsantrag des Klägers gegen die Vorsitzende und den damaligen Berichterstatter mit Beschluss vom 1. März 2011 als unzulässig zurückgewiesen wurde, nach Befragung des Klägers zu der Insulineinstellung (3 bis 4-mal täglich Blutzuckerkontrollen, 3-mal täglich Insulin vor den Mahlzeiten spritzen, häufige Schwindelgefühle) am 2. März 2011 in der Senatssitzung einen Vergleich des Inhalts, dass der Gesamt-GdB ab dem 24. Juni 2009 (Beginn der Insulintherapie) 50 betrage. Gegen diesen Vergleich legte der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde ein (B 9 SB 31/11 B), den er nach dem Hinweis auf die fehlende Statthaftigkeit zurücknahm. Stattdessen beantragte er beim LSG die Fortsetzung des Berufungsverfahrens. Mit Urteil vom 24. Mai 2012 entschied der Senat, dass das Berufungsverfahren durch den Abschluss des Vergleichs vom 2. März 2011 erledigt sei (L 6 SB 2231/11). Gegen dieses Urteil legte der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG ein (B 9 SB 43/12 B), die durch Beschluss vom 14. August 2012 als unzulässig verworfen wurde.

Die Beklagte führte den Vergleich durch Bescheid vom 14. März 2011 aus, wobei der Diabetes mellitus mit einem Teil-GdB von 40 und der Bluthochdruck mit einem Teil-GdB von 20, hingegen die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, des rechten Kniegelenks und beider Hüftgelenke jeweils mit einem Teil-GdB von 10, ebenso die Polyneuropathie wie die Entleerungsstörung der Harnblase mit erektiler Dysfunktion, bewertet wurden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger zurück.

Am 14. Februar 2013 beantragte der Kläger wegen Verschlechterung des Diabetes mellitus und der Polyneuropathie, weiterer neurologischer Ausfälle, Wirbelsäulen- sowie neu aufgetretener internistischer Erkrankungen die Neufeststellung des GdB sowie Zuerkennung der Merkzeichen B, G, aG und RF. Behandelnde Ärzte seien der Hausarzt/Diabetologe Dr. W., die Urologen Dr. G./Dr. K. sowie der Augenarzt Dr. Sch ... Beigefügt waren Privatgutachten des Diabetologen Dr. B. vom 4. März 2009 (kompliziertere Diabetes, Insulintherapie erforderlich, enger Zusammenhang mit metabolischem Syndrom, Folgeerkrankungen: beginnende diabetische Nephropathie, diabetische Polyneuropathie, erektile Dysfunktion, diabetische Retinopathie), welches bereits bei der vorausgegangenen Berufungsverhandlung vorlag, sowie des Neurologen Prof. Dr. G. vom 24. März 2011 (diabetische Polyneuropathie mit schmerzhafter Small fiber Neuropathie, Verdacht auf zusätzliche depressive Entwicklung, Periathropathia humeroscapularis rechts, Hüftgelenksarthrose beidseits), die jeweils im Rahmen eines Rechtsstreits wegen Berufsunfähigkeit beim Landgericht Freiburg (14 O 30/07) erstattet wurden.

Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und deren versorgungsärztlicher Auswertung (einmalige Insulingabe ohne Anpassung der Insulindosis, daher Teil-GdB 30, keine wesentlichen Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, keine Endorganschäden wegen Bluthochdrucks dokumentiert, daher Teil-GdB 20, keine Kardiomyopathie oder Nierenfunktionseinschränkung, psychische Belastung durch erektile Dysfunktion bei Vorstellung beim Urologen 2010 nicht geschildert, keine funktionelle Einschränkung durch Aortensklerose oder Mediasklerose der Beinarterien, Merkzeichen nicht begründbar) lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 4. Oktober 2013 ab.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger auf seine Harnentleerungsstörung ("auf Badisch, er seiche in die Hose", müsse mehrmals täglich die Kleider wechseln, nehme deswegen schon seit längerem keine Einladungen mehr an, da er fürchten müsse, sich einzunässen, was auch beim Betrieb seines Cafés eine große und schwerwiegende Behinderung darstelle), das metabolische Syndrom sei nicht ausreichend berücksichtigt, der Diabetes mit der Gefahr der Unterzuckerung begründete die Notwendigkeit einer Begleitperson. OMRin Dr. M. führte versorgungsärztlich aus, dass die Anpassung des Teil-GdB für den Diabetes mellitus im Rahmen der gesetzlichen Änderung erfolgt sei und nach den vorliegenden Befunden nicht zu beanstanden wäre. Für Merkzeichen ergebe sich kein Anhaltspunkt. Eine erhebliche Gehbehinderung werde nicht beschrieben, vielmehr könne der Kläger öffentliche Verkehrsmittel ohne regelmäßige Hilfe benutzen. Die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen sei in nennenswertem Umfang zumutbar. Dies gelte auch hinsichtlich des geschilderten Sachverhalts bezüglich der Harninkontinenz. Die Gehfähigkeit sei nicht auf das Schwerste eingeschränkt. Die Voraussetzungen der vier Merkzeichen lägen nicht vor. Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2014 als unbegründet zurückgewiesen.

Auch hiergegen hat der Kläger am 20. April 2014 Klage beim SG erhoben. Nach Aufforderung des Gerichts zur Vorlage der Formularerklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht hat er die aktuell behandelnden Ärzte nicht benannt, lediglich verM.t "die Entbindung der Ärzte von der Schweigepflicht gilt fort". Auf die wiederholte Mahnung unter Hinweis auf die Beweislast, aktuell behandelnde Ärzte, insbesondere Orthopäden, Psychiater/Psychotherapeuten und Internisten zu benennen, ist keine Antwort des Klägers erfolgt.

Nachdem ein Befangenheitsgesuch des Klägers gegen die Vorsitzende der 13. Kammer des SG mit Beschluss vom 4. Februar 2016 zurückgewiesen worden war, hat dieses mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 14. März 2016 die Klage mit der Begründung abgewiesen, der aktuelle Gesundheitszustand, insbesondere die geltend gemachte Verschlechterung seit Antragsänderung von 2013 lasse sich nicht nachvollziehen. Die Befundberichte von April bzw. Juni 2014, die der Beklagte eingeholt habe, stützten das Begehren des Klägers nicht. Es sei ihm auch nicht unzumutbar, seine aktuell behandelnden Ärzte zu benennen. Er habe lediglich geäußert, dass entsprechende Ermittlungen für den Erfolg seiner Klage nicht erforderlich seien.

Gegen den am 15. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 15. April 2016 Berufung beim LSG eingelegt, zu deren Begründung er vorgetragen hat, es sei nicht vermittelbar, weshalb dem Gericht aktuelle Stellungnahmen der behandelnden Ärzte vorliegen müssten.

Nachdem ihm der Senat eine Frist gesetzt hat, hat er mitgeteilt, dass er allein bei Dr. W. wegen des Zuckers und des hohen Blutdrucks in Behandlung sei. Da die Polyneuropathie und die Polyarthritis auf den Zucker zurückzuführen seien, mache es keinen Sinn, einen Orthopäden oder Neurologen aufzusuchen.

Der Senat hat daraufhin Dr. W. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat am 9. August 2016 unter Beifügung verschiedener Arztberichte wie eines Medikamentenplans, der eine regelmäßige Medikation mit zwei Medikamenten für den Diabetes mellitus und einem Blutdrucksenker ausweist, ausgeführt, der Kläger habe berichtet, durch die Verschlusskrankheit nur 100 m laufen zu können. Eine vertebragene Störung in Kombination mit Polyneuropathie sei möglich. Seines Erachtens könne der Kläger nicht mehr 2 km am Stück zurücklegen, Pausen brächten Besserung. Eine Rollstuhlpflicht bestehe nicht. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel allein sei zumutbar, auch wenn sich der Kläger dies möglicherweise nicht vorstellen könne. Der Kläger sei seit 2011 insgesamt zwölfmal behandelt worden, 2011 und 2012 wegen Hypoglykämie, 2015 wegen Lumbago (Verordnung von Ibuprofen) sowie 2013 und erneut 2016 wegen Beinermüdung, Schmerzen in den Knien nach Gehstrecke 150 m. Der Gesamt-GdB liege seines Erachtens unter Berücksichtigung der Verschlusserkrankung und des Diabetes bei 50.

Beigefügt ist der Bericht des Herzzentrums B. K. vom 29. Juni 2016, der eine hochgradige Stenose rechts bei peripherer materieller Verschlusskrankheit und kardiovaskuläre Risikofaktoren (Diabetes mellitus, HbA 1c 7,3 %, Adipositas, sistierter Nikotinabusus und arterielle Hypertonie) wie eine periphere Polyneuropathie beschreibt. Der Kläger habe geäußert, dass er beidseits Wadenschmerzen habe, nach einer Gehstrecke von 100 m sei eine Gehpause erforderlich. Der Augenarzt Dr. Sch. vom 14. Oktober 2015 hat einen stabilen altersentsprechenden Augenbefund, keine Rubeosis Iridis beschrieben. Die Orthopädische Gemeinschaftspraxis, Praxisklinik Z., hat am 26. Juni 2015 die Behandlung einer lumbalen Blockierung links wie Wurzelreizung, Lumbalgien und Epikondylitis des Ellenbogens rechts dargelegt, die konservativ mit Massage und Physiotherapie behandelt werde. Die Herzuntersuchung bei Dr. M. vom 21. November 2013 hat bei ergometrischer Belastung bis 2 Minuten bei 100 Watt keinen Nachweis einer Ischämie ergeben. Der linke Ventrikel sei normal dimensioniert. Es imponierten eine deutliche Belastungsdyspnoe und muskuläre Schwäche. Die aufgrund eines Auffahrunfalls (Kläger als Gastwirt berufstätig) angefertigten Röntgenaufnahmen der Brust- und Halswirbelsäule beim St. J.-Krankenhaus in F. vom 17. Februar 2014 sind bei geringfügigen degenerativen Veränderungen ohne Befund gewesen.

Der Beklagte hat die Unterlagen versorgungsärztlich durch Dr. R. auswerten lassen, der zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Gesamt-GdB realistisch mit 30 bis 40 ohne Anerkennung von Merkzeichen bewertet werden müsse.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. März 2016 und den Bescheid vom 4. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 14. März 2011 den Grad der Behinderung mit 100 sowie die Merkzeichen G, B, aG und RF anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei bis aktuell kein höherer Gesamt-GdB als 40 gerechtfertigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung des GdB mit 100 sowie die Merkzeichen G, B, aG und RF verfolgt wurden. Der Kläger hat bis aktuell keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 50, wie ihn der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. März 2011 bereits seit 24. Juni 2009 zuerkannt hat, oder Anerkennung der begehrten Merkzeichen. Daher sind die angefochtene Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Gegenstand der Klage ist im Berufungsverfahren sowohl ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit mehr als 50 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 14. März 2011 zugrunde lag, wie die Anerkennung der Merkzeichen G, B, aG und RF. Diesem Begehren steht, was die Höhe des Gesamt-GdB anbelangt, der Bescheid vom 4. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2014 entgegen, da ihn das SG nicht zumindest teilweise aufhob. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl. 2014, § 54 Rz. 34).

Grundlage für den Klageanspruch ist insoweit § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 14. März 2011 über die Feststellung des GdB mit 50 seit 24. Juni 2009 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). Denn Anknüpfungspunkt eines Anspruchs aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X und auch Vergleichsmaßstab bleibt der Ausführungsbescheid, der den Vergleich vollzogen hat (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 20. Oktober 2016 - L 6 U 34/16 – juris, Rz. 46). Entgegen älterer Rechtsprechung (so noch Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.09.2003 - B 9 V 82/02 B -, juris, Rz. 6) kommt auch einem Ausführungsbescheid Regelungswirkung nach § 31 SGB X zu (Urteil des Senats vom 29. April 2014 – L 6 VK 934/12 –, juris, Rz. 21). Dafür spricht nicht nur der äußere Schein des Bescheids, der einen Regelungswillen der Behörde - nämlich zur Umsetzung des Vergleichs - dartut, sondern auch, dass nicht der Vergleich, sondern erst der Ausführungsbescheid Vollstreckungsgrundlage ist (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013 - L 6 SB 5459/11 -, juris, Rz. 26). Zum anderen ist ein Anspruch aus § 48 Abs. 1 SGB X auch gegen einen Ausführungsbescheid nicht ausgeschlossen, auch wenn diesem ein Vergleich zu Grunde liegt. Ein gerichtlicher Vergleich über Sozialleistungen, der - neben seiner prozessrechtlichen Bedeutung - einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne von § 54 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X (vgl. auch § 779 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) darstellt, schränkt nur eine spätere Rücknahme des Ausführungsbescheids zu Gunsten (§ 44 Abs. 1, Abs. 2 SGB X) oder zu Ungunsten (§ 45 SGB X) des Leistungsempfängers ein (vgl. LSG B.en-Württemberg, Urteil vom 9. Juni 2011 – L 10 R 3494/08 –, juris, Rz. 32). Soweit ein Vergleich in die Zukunft gerichtet ist, kann er zwar grundsätzlich auch eine Abänderung wegen späterer Veränderungen hindern. Diese Situation wird nämlich in den Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage in § 59 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB X (vgl. § 313 Abs. 1 und 3 BGB) erfasst, die nach § 61 Satz 1 SGB X auch dem § 48 Abs. 1 SGB X vorgehen müssten. Eine solche Auslegung eines Vergleichs würde jedoch unter Umständen bedeuten, dass der Leistungsempfänger auf eine (höhere) Sozialleistung für die Zukunft verzichtet. Einen solchen Verzicht könnte er nach § 46 Abs. 1 Halbsatz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) jederzeit widerrufen. Aus diesem Grunde steht einer Auslegung, wonach auch künftige Abänderungen nicht mehr nach § 48 Abs. 1 SGB X, sondern nur nach § 59 Abs. 1 SGB X erfolgen können, auch die Vorschrift des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X entgegen, wonach eine Behörde in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht mehr regeln kann, als ihr an Verwaltungsaktbefugnis zukommt. Durch Verwaltungsakt kann sie aber nicht die Anwendbarkeit des § 48 SGB X ausschließen (Urteil des Senats vom 29. April 2014 – L 6 VK 934/12 –, juris, Rz. 20). Jedenfalls kann ein Ausschluss des § 48 Abs. 1 SGB X durch Vergleich aus diesen Gründen allenfalls dann angenommen werden, wenn die Vertragsparteien eine entsprechende, eindeutige Klausel aufnehmen, wonach auch nach einer zukünftigen Änderung der Verhältnisse eine Anpassung nur nach § 59 Abs. 1 SGB X möglich sein solle, wobei dann weiter zu prüfen wäre, ob die Vertragsparteien überhaupt gesetzliche Pflichten in einem Vergleich abbedingen können (Urteil des Senats, a.a.O.). Ohne eine solche ausdrückliche Absprache ist der Vergleich so nicht auszulegen. Dies entspricht auch der jahrzehntelangen Auslegung gerichtlicher Vergleiche in der Sozialgerichtsbarkeit (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2013 - L 6 SB 5459/11 -, juris, Rz. 26). Dies heißt insbesondere, dass eine Abänderung nach einer wesentlichen Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht erst dann verlangt werden kann, wenn ein Festhalten an dem Vergleich und dem Ausführungsbescheid unzumutbar erscheint.

Ausgehend hiervon ist indes weder in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bedingen auch weiterhin keinen höheren Gesamt-GdB als 50.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der aktuellen Fassung durch Art. 2 Ziff. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bis aktuell jedenfalls keinen höheren als den bereits mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 festgestellten GdB von 50 begründen. Ob dieser noch aktuell gerechtfertigt ist, ist hingegen nicht Gegenstand der Entscheidung. Die Abänderung des GdB ist dem Gericht wegen des im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG) verankerten Grundsatzes der reformatio in peius, wonach eine Rechtsmittelführenden gegenüber ergangene Verwaltungsentscheidung auch im Berufungsverfahren nicht zu ihren Ungunsten abgeändert werden darf (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 1956 - 10 RV 75/55 -, BSGE 2, 225 (228 f.)), indes verwehrt.

Der nach übereinstimmender ärztlicher Einschätzung im Vordergrund der Funktionseinschränkungen stehende Diabetes mellitus Typ 2 ist von dem Beklagten mit einem Teil GdB von 30 ausreichend berücksichtigt worden. Das Leiden des Klägers betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 2 geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der VMG vom 14. Juli 2010 gilt nach Teil B, Nr. 15.1:"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40. Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50. Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen." Durch die Neufassung der VMG zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich muss es – sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand, die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) – zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - B 9 SB 2/12 R -, juris, Rz. 37). Die Formulierung in Teil B, Nr. 15.1 VMG "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschnitte in der Lebensführung erleiden. Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der VMG für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein (vgl. hierzu zuletzt LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. August 2016 - L 7 SB 52/15 -, juris, Rz. 31 ff.). Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den VMG außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können. Ein GdB von 50 setzt also mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbstständiges Anpassen der Insulindosis und durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung voraus.

Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht der Kläger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht, es sind noch nicht einmal die ursprünglich angenommenen 40 weiter zu begründen. Dabei hat der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R - , juris, Rz. 21) eine Gesamtbetrachtung aller Lebensbereiche angestellt.

Aus der aktuellen Auskunft des Dr. W., der im Übrigen den GdB seitens des Diabetes ebenfalls nur mit 30 bis 40 bewertet sehen will, ergibt sich zwar, dass die Erkrankung mit zwei Medikamenten behandelt wird, eines standardisiert als Insulin; die Insulingabe findet aber einmal pro Tag ohne Anpassung der Insulindosis statt. Der vom Herzzentrum B. K. mitgeteilte aktuelle Wert vom 29. Juni 2016 mit HbA 1c 7,3 % belegt zwar, dass der Diabetes nach wie vor nicht optimal zwischen 6,5 und 7,0 %, aber auch nicht schlecht über 7,5 % eingestellt ist. Nach den Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft liegt der Kläger damit in dem eine grenzwertige Einstellung des Blutzuckers kennzeichnenden Bereich zwischen 6,5 und 7,5 % (vgl. http://www.diabetes-news.de/info/hba was ist das.htm). Diese Einschätzung wird bestätigt durch die von Dr. W. mitgeteilten Behandlungsdaten, wonach dieser seit März 2011 nur ein einziges Mal vom Kläger wegen hypoglykämischer Blutzuckerwerte aufgesucht wurde, nämlich am 14. März 2012. Das dokumentiert, dass die Befürchtung des Klägers, er könne wegen Unterzuckerung in eine gefährliche Situation gelangen, im Gegensatz zu der Einschätzung bei der ersten Berufungsverhandlung jeglicher Grundlage entbehrt. Vielmehr spricht alles dafür, dass der Kläger mittlerweile mit seiner Diabeteserkrankung gut umgehen kann, so dass insoweit eine erfreuliche Verbesserung zu konstatieren ist. Insbesondere sind keine schweren Hypoglykämien oder extrem hohen Blutzuckerwerte aufgetreten, es besteht also keine ausgeprägte Instabilität der Stoffwechsellage. Die erforderlichen konkreten Teilhabeeinschränkungen werden deswegen folgerichtig auch nicht mehr beschrieben, vielmehr kann der Kläger noch allein die Praxis aufsuchen, war auch zumindest bis 2014 weiter berufstätig, wie er in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2017 dargetan aber in der damaligen Senatssitzung noch anders dargestellt hat. Somit ist der Diabetes aktuell mit 30 zu bewerten, die damalige Feststellung eines höheren Teil-GdB erwächst – wie oben dargestellt - in keine Bestandskraft.

Das Funktionssystem "Herz-Kreislauf" erreicht allenfalls einen Teil-GdB von 20. Nach der VorbeM.ung zu den VG, Teil B, Nr. 9 ist für die Bemessung des GdB weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Der Kläger leidet weiterhin an der bereits bei der vorangegangenen Begutachtung beim SG (S 3 SB 3069/05) durch Prof. Dr. Z. und Dr. H. bekannten, gut eingestellten arteriellen Hypertonie. Nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 beträgt für einen Bluthochdruck in leichter Form (keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung; höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) der GdB 0 bis 10, in mittelschwerer Form (mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades; Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I bis II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie, diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung) je nach Leistungsbeeinträchtigung beträgt der GdB 20 bis 40 sowie in schwerer Form (mit Beteiligung mehrerer Organe; schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung beträgt der GdB 50 bis 100. Vorliegend resultieren aus dem Bluthochdruck des Klägers weder wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen noch gravierende Auswirkungen auf andere Organe. Die aktuelle Augenuntersuchung von Dr. Sch. vom 14. Oktober 2015 hat zwar leichte Augenhintergrundveränderungen ergeben, die aber schon bei der Begutachtung des Prof. Dr. Z. als lediglich geringgradige Netzhautgefäßveränderungen vorlagen. Ebenso kann nach der aktuellen Auskunft eine Rubeosis iridis, also eine mögliche Folgeerkrankung des Diabetes, ausgeschlossen werden. Der Bluthochdruck hat weiter zu keiner markanten Belastung des Herzmuskels geführt, so dass die körperliche Belastbarkeit des Klägers (ergometrischer Belastung bis 2 Minuten bei 100 Watt bei Dr. M.) hierdurch nicht beeinträchtigt ist. Es imponierte lediglich eine deutliche Belastungsdyspnoe und eine muskuläre Schwäche, der linke Ventrikel war auch normal dimensioniert, eine relevante Herzschädigung besteht somit nicht. Einen höheren GdB als 10 bedingende Organbeteiligungen in Form von mehr als leichten Augenhintergrundveränderungen, einer Linkshypertrophie des Herzens oder einer Proteinurie, diastolische Blutdruckwerte von mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung oder bluthochdruckverursachte Leistungsbeeinträchtigungen sind nicht dokumentiert. Der Senat folgt daher der versorgungsärztlichen Einschätzung des Dr. R. für den Bluthochdruck mit einem Teil-GdB von 10. Die im Herzzentrums B. K. festgestellte periphere arterielle Verschlusskrankheit bei fokaler hochgradig verkalkter Stenose schließlich vermag den Teil-GdB von 10 nicht zu erhöhen, da eine ausreichende Restdurchblutung besteht. Die dafür nach den VG, Teil B Nr. 9.2.1 erforderliche Claudicatio intermittens wurde nicht diagnostiziert, was der Senat dem ausführlichen Befundbericht entnimmt. Nur im Hinblick auf die beidseitigen Wadenschmerzen mit Krämpfen ist es überhaupt gerechtfertigt, von einem Teil-GdB von 20 auszugehen, wie es im Übrigen auch der behandelnde Arzt Dr. W. so beurteilt.

Auch für das Funktionssystem "Beine" beträgt der Teil-GdB des Klägers 10. Hinsichtlich der im ersten Verfahren berichteten Schmerzen im Bereich der Hüft- und Kniegelenke ist eine richtungsweisende Verschlimmerung nicht belegt, insoweit werden sie auch von Dr. W. zutreffenderweise nicht mehr als Gesundheitsstörungen aufgeführt. Bei der Untersuchung in der Praxisklinik Z. im Juni 2015 waren denn auch die Hüften frei, also ohne Befund, weshalb diese den Teil-GdB von 10 für das Funktionssystem "Beine" nicht erhöhen, wobei Funktionsstörungen wegen der Hüftgelenke richtigerweise beim Funktionssystem "Rumpf" zu verorten sind (zuletzt Urteil des Senats vom 12. Januar 2017 – L 6 SB 2591/14 –, nicht veröffentlicht). Seitens beider Hüftgelenke ist keine Verschlechterung dokumentiert, sodass der zugrunde gelegte Teil-GdB von 10 weiterhin ausreichend ist.

Der Kläger leidet weiterhin an einer Parästhesien verursachenden Polyneuropathie der unteren Extremitäten, die von Dr. H. in seinem Gutachten noch als leichtgradig bewertet wurde. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.11 ergeben sich bei den Polyneuropathien die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden und ist der GdB motorischer Ausfälle in Analogie zu den peripheren Nervenschäden einzuschätzen. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen - zum Beispiel bei Feinbewegungen - führen können. Motorische Ausfälle oder funktionsbeeinträchtigende sensible Störungen sind beim Kläger aber nicht gegeben, vielmehr können alle Gangarten problemlos durchgeführt werden. Bereits das Gutachten von Prof. Dr. G. hat 2011 nur eine leichte Atrophie der kleinen Fußmuskeln sowie elektrophysiologisch eine eher gering messbare Schädigung der sensiblen Nervenbahnen dargelegt und die Schmerzen in Anbetracht der Grunderkrankung als Small fiber Neuropathie eingeordnet, auch wenn der "klassische" Untersuchungsbefund keine Minderung der Berührungsempfindlichkeit oder motorische Auffälligkeiten gezeigt hat, auch eine Aggravationsneigung die Untersuchung erschwerte, so dass die Small fiber Neuropathie zur Überzeugung des Senats nicht im Vollbeweis vorliegt. Eine weitere Verschlechterung diese Krankheitsbilds ist nicht zu verzeichnen. So hat das Herzzentrum B. K. festgestellt, dass die Polyneuropathie keine wesentliche Beeinträchtigung verursacht, anhaltende hierdurch verursachte Beschwerden im Sinne einer Sensibilitätsstörung vom Kläger nicht geschildert worden sind und eine Störung der Motorik der unteren Extremitäten bislang nicht aufgetreten ist. Insoweit findet auch überhaupt keine Behandlung statt (so zuletzt Schreiben vom 17. Juni 2016).

Im Funktionssystem "Harnorgane" ist aufgrund der Entleerungsstörung der Harnblase wie der erektilen Dysfunktion, die nach den aktuellen Befunden unverändert weiter besteht, weiterhin nur ein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt. Die Beurteilung des GdB bei Schäden der Harnorgane richtet sich gemäß der VorbeM.ung zu den VG, Teil B, Nr. 12 nach dem Ausmaß der Störungen der inkretorischen und exkretorischen Nierenfunktion und/oder des Harntransportes, das durch spezielle Untersuchungen zu erfassen ist. Daneben sind die Beteiligung anderer Organe (z. B. Herz/Kreislauf, Zentralnervensystem, Skelettsystem), die Aktivität eines Entzündungsprozesses, die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die notwendige Beschränkung in der Lebensführung zu berücksichtigen. Nach den VG, Teil B, Nr. 12.2.2 ist bei Entleerungsstörungen der Blase leichten Grades (zum Beispiel geringe Restharnbildung, längeres Nachträufeln) ein GdB von 10 begründet. Nach den VG, Teil B, Nr. 12.4 beträgt bei Harninkontinenz mit relativ leichtem Harnabgang bei Belastung (zum Beispiel Stressinkontinenz Grad I) der GdB 0 bis 10. In Anwendung dieser Grundsätze können die diesbezüglichen Funktionsstörungen unverändert nur einen Teil-GdB von 10 stützen. Bei der Begutachtung durch Dr. H. lag beim Kläger nur eine leichtgradige Harninkontinenz vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 12.2.2 beträgt bei Entleerungsstörungen der Blase leichten Grades (zum Beispiel geringe Restharnbildung, längeres Nachträufeln) der GdB 10. Nach den VG, Teil B, Nr. 12.4 beträgt bei Harninkontinenz mit relativ leichtem Harnabgang bei Belastung (zum Beispiel Stressinkontinenz Grad I) der GdB 0 bis 10. Der Kläger hat zwar insoweit eine Verschlechterung behauptet, die Harnentleerungsstörung sogar in den Vordergrund gestellt. Indessen hat keine ärztliche Behandlung einen entsprechenden Befund dokumentiert, der Kläger befindet sich auch seit November 2010 nicht mehr in richtungsweisender fachärztlicher Behandlung bei einem Urologen (Auskunft Urologen Dr. G./Dr. K.), was angesichts der behaupteten Beschwerden bei einem entsprechenden Leidensdruck zu erwarten gewesen wäre.

Die erektile Dysfunktion begründet für das Funktionssystem Geschlechtsapparat einen Teil-GdB von 0. Nach den VG, Teil B, Nr. 13.2 beträgt bei Verlust oder beim vollständigen Schwund beider Nebenhoden und/oder bei Zeugungsunfähigkeit (Impotentia generandi) der GdB 0, in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch der GdB 20 sowie bei einer Impotentia coeundi bei nachgewiesener erfolgloser Behandlung der GdB 20. Weder befindet sich der inzwischen 59jährige Kläger in einem jüngeren Lebensalter im Sinne der VG noch ist eine Behandlung der erektilen Dysfunktion nachgewiesen, so dass die Voraussetzungen für einen Teil-GdB von mindestens 20 nicht gegeben sind. Für die gegenteilige GdB-Einschätzung durch Dr. H. mit der Begründung, der Kläger habe die erektile Dysfunktion wegen seiner sizilianischen Abstammung bisher eher nicht erwähnen wollen, bleibt vor dem Hintergrund der dargelegten Kriterien der VG kein Raum.

Im Bereich des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" liegt kein GdB-relevantes Leiden vor. Für die Schmerzsymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie der Hüft- und Kniegelenke ist kein eigenständiger GdB zu vergeben, insbesondere nicht wegen eines Schmerzsyndroms. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.4 sind die Fibromyalgie und ähnliche Somatisierungs-Syndrome (zum Beispiel CFS/MCS) jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen. Mithin ist das Schmerzsyndrom vorliegend entsprechend der GdB-Maßstäbe für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" zu bemessen und geht daher in der hierfür maßgeblichen GdB-Beurteilung auf. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20 sowie bei stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40. Zwar hat Dr. W. über eine Neigung zu Schwermut berichtet. Anhaltspunkte für ein GdB-relevantes seelisches Dauerleiden ergeben sich hieraus jedoch nicht, zumal sich der Kläger diesbezüglich nicht in fachpsychiatrischer Behandlung befindet.

Für das Funktionssystem "Rumpf" beträgt der Teil-GdB des Klägers 10. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Ausgehend hiervon ist die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ausreichend mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Der Kläger leidet nur an Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich. Bei ihm liegen weder mittelgradige noch schwere Auswirkungen in einem oder gar zwei Wirbelsäulenabschnitt/en vor. Auch die 2014 anlässlich des Verkehrsunfalls gefertigten Röntgenaufnahmen der Brust- und Halswirbelsäule haben nur geringgradige Funktionseinschränkungen erbracht, die keine Verschlechterung dokumentieren. Ferner findet weder eine regelmäßige fachärztliche orthopädische noch eine physiotherapeutische Behandlung der geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden statt (so zuletzt Schreiben vom 17. Juni 2016). Mithin beträgt für das Funktionssystem Rumpf der GdB nicht mehr als 10.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle des Klägers der Gesamt-GdB aus dem Teil-GdB von 30 für das Funktionssystem "innere Sekretion und Stoffwechsel", dem Teil-GdB 20 für das Funktionssystem "Herz-Kreislauf", dem Teil-GdB 10 für das Funktionssystem "Rumpf" und dem Teil-GdB 10 für das Funktionssystem "Beine" sowie dem Teil-GdB 10 für das Funktionssystem "Harnorgane" zu bilden. Er beträgt nach Überzeugung des Senats jedenfalls nicht mehr 50. Denn es ist allenfalls vertretbar, den GdB wegen der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) und der Polyneuropathie (PNP) mit jeweils einem Teil-GdB von 20 auf dann die bereits festgestellten 50 zu erhöhen, d.h. ansonsten ist, worauf Dr. R. zu Recht hinweist, nur ein Gesamt-GdB von 30 bis 40 angemessen.

Beim Kläger sind auch keine Merkzeichen anzuerkennen, was der Beklagte und ihm folgend das SG daher zutreffend abgelehnt haben. Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich ebenfalls nach den Vorschriften des SGB IX, insoweit und bezogen auf die vorliegende Konstellation zuletzt geändert durch Art. 1a des am 15. Januar 2015 in Kraft getretenen Gesetzes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates über einen Dreigliedrigen Sozialgipfel für Wachstum und Beschäftigung und zur Aufhebung des Beschlusses 2003/174/EG vom 7. Januar 2015 (BGBl II S. 15). Auf Antrag des Menschen mit Behinderung treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen ebenfalls im Verfahren nach § 69 Abs. 1 SGB IX (§ 69 Abs. 4 SGB IX) und stellen in diesem Falle einen Ausweis über weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in der fortgeltenden Ursprungsfassung des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) ist in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahr für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Das Gesetz fordert in § 145 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX eine doppelte Kausalität: Ursache der beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit muss eine Behinderung des schwerbehinderten Menschen sein und diese Behinderung muss sein Gehvermögen einschränken (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 2008 - B 9/9a SB 7/06 R -, SozR 4-3250 § 146 Nr. 1, Rz. 12).

Die nähere Präzisierung des Personenkreises schwerbehinderter Menschen mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr ergibt sich aus dem in § 69 Abs. 1 S 5 SGB IX a.F. in Bezug genommenen versorgungsrechtlichen Bewertungssystem, dessen Kern ursprünglich die aus den Erfahrungen der Versorgungsverwaltung und den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft gewonnenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) waren. Diese sind seit dem 1. Januar 2009 abgelöst durch die auf der Grundlage des § 30 Abs. 17 (bzw. Abs. 16) BVG erlassenen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (VG), der Anlage zur Versorgungsmedizin-VO vom 10. Dezember 2008 (VersMedV, BGBl. I S. 2412). Zwischenzeitlichen Bedenken an dieser Ermächtigung des Verordnungsgebers insbesondere zum Erlass von Vorgaben für die Beurteilung von Nachteilsausgleichen (vgl. Dau, jurisPR-SozR 24/2009 Anm. 4) hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15) Rechnung getragen durch Schaffung einer nunmehr eigenständig in § 70 Abs. 2 SGB IX angesiedelten Ermächtigungsgrundlage. Durch diese wird das BMAS ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Für eine Übergangszeit bis zum Erlass einer neuen Rechtsverordnung verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage (vgl. § 159 Abs. 7 SGB IX; hierzu BT-Drucks. 18/3190 S. 5).

Gemäß den Grundsätzen für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche (Teil D Nr. 1 Buchstabe b Satz 1 VG) ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (zur Anwendbarkeit der Grundsätze und zu normähnlichen Wirkungen wie untergesetzliche Normen vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, Juris, Rz. 10). Für die Bewegungseinschränkung ist nicht die Dauerhaftigkeit entscheidend (Loytved, in: jurisPR-SozR 12/2015 Anm. 3; anders bei dem Nachteilsausgleich "aG", vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11. August 2015, B 9 SB 2/14 R, Juris, Rz. 16 f.). Bei der Prüfung der Frage, ob die weiteren Voraussetzungen vorliegen, kommt es zudem nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - also altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden (Teil D Nr. 1 Buchstabe b Satz 2 VG). Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird (Teil D Nr. 1 Buchstabe b Sätze 3 und 4 VG). Nähere Umschreibungen für einzelne Krankheitsbilder und Behinderungen enthalten darüber hinaus Teil D Nr. 1 Buchstaben d, e und f VG. Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind danach unter anderem als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen (Teil D Nr. 1 Buchstabe d Satz 1). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen (Teil D Nr. 1 Buchstabe d Satz 3 VG), die ebenfalls mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten sind. Besonderheiten gelten für hirnorganische Anfälle (Teil D Nr. 1 Buchstabe e VG) und Orientierungsstörungen infolge von Sehstörungen, Hörstörungen oder geistiger Behinderung (Teil D Nr. 1 Buchstabe f VG), die grundsätzlich nur ab einem Behinderungsgrad von wenigsten 70 Merkzeichenrelevanz entfalten.

Auf dieser Rechtslage, wie sie sich unmittelbar aus den VG ergibt, ist dem Kläger das Merkzeichen "G" nicht zuzuerkennen. Bei ihm fehlt es bereits an sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Weiter leidet er weder an einem Herzschaden noch einer Atemwegserkrankung. Auch im Übrigen liegen Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr in diesem Sinne nicht vor. Er ist vielmehr nach Aussage seine Ärzte frei beweglich, alle Gangproben sind frei, er sucht die Ärzte wie seinen Arbeitsplatz allein auf, wenngleich er über Schmerzen beim Gehen berichtet, und nach 100 m eine Verschnaufpause einlegen muss. Der Umstand, dass sich der Kläger möglicherweise das Zurücklegen von Wegen nicht zutraut, begründet noch keine psychogene Gangstörung. Vor diesem Hintergrund besteht allenfalls eine Möglichkeit, dass der Kläger an der geltend gemachten Gangstörung leidet. Aber von einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dafür, die für eine Verurteilung des Beklagten notwendig ist, konnte sich der Senat nicht überzeugen (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Deswegen besteht erst recht kein Anspruch auf die Zuerkennung des Merkzeichens aG - außergewöhnliche Gehbehinderung -, denn dies setzt nach § 69 Abs. 4 SGB IX i. V. m. §§ 6 Abs. 1 Nr. 14 StVG, 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO voraus, dass sich der Behinderte wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann.

Zu den Nachteilsausgleichen gehört auch die Berechtigung für eine ständige Begleitung, also das Merkzeichen "B". Gemäß § 146 Abs. 2 Satz 1 SGB IX sind zur Mitnahme einer Begleitperson Menschen mit Schwerbehinderung berechtigt, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf Hilfe angewiesen sind. Die Feststellung bedeutet nach § 146 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nicht, dass die Person mit Schwerbehinderung, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt. Nach den VG, Teil D, Nr. 2 (i. V. m. dem Gesetz vom 7. Januar 2015 i. V. m. § 70 Abs. 2 SGB IX, s. oben) gilt, dass für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson nach dem SGB IX die Berechtigung für eine ständige Begleitung zu beurteilen ist (Buchst. a). Eine solche ist bei Menschen mit Schwerbehinderung, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen "G", "Gl" oder "H" vorliegen, gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung oder geistiger Behinderung) erforderlich sind (Buchst. b). Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei Querschnittgelähmten, Ohnhändern, Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, Menschen mit geistiger Behinderung sowie Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist (Buchst. c). Diese Anforderungen decken sich mit denjenigen, die nach der Rechtslage vor dem 15. Januar 2015 galten (vgl. Urteil des Senats vom 22. September 2016- L 6 SB 5073/15 -, juris, Rz. 77).

Auch die Zuerkennung des Merkzeichens "B" scheidet beim Kläger aus, denn das setzt zusätzlich zu den – vorliegend fehlenden - kumulativ erforderlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G", "Gl" oder "H" voraus, dass der Betreffende bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist, §§ 145 Abs. 1 S. 1, 146 Abs. 2 SGB IX. Ist ein Fortbewegen im Straßenverkehr ohne fremde Hilfe möglich, ebenso wie das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel ohne Begleitung, so ist eine Zuerkennung des Merkzeichens B ausgeschlossen (vgl. zu den Voraussetzungen jüngst (LSG Hamburg, Urteil vom 21. Juli 2016 - L 3 SB 20/15 – juris, Rz. 9). Der Kläger ist nicht regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen, wie dies zuletzt Dr. W. bestätigt hat.

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" besteht, ist in § 69 Abs. 5 SGB IX i.V.m. der nach wie vor geltenden Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 5 Schwerbehindertenausweis-Verordnung (SchwbAwV) bestimmt. Hiernach ist auf das jeweilige Landesrecht über die "Befreiung" von der Rundfunkgebührenpflicht abzustellen, wobei mit diesem Verweis auch die heute geltenden rundfunkrechtlichen Regelungen erfasst sind, die insoweit nur noch eine Ermäßigung des Rundfunkbeitrags vorsehen. Dies ist in Baden-Württemberg für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) vom 15. bis 21. Dezember 2010, der in Baden-Württemberg durch das Gesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Än-derung medienrechtlicher Vorschriften vom 18. Oktober 2011 (GBl S. 477 ff.) zum 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt worden ist (vgl. zu allem Urteil vom 19. Dezember 2013 – L 6 SB 1436/13 –, juris, Rz. 34). Da der Kläger seinen Antrag erst im Jahre 2013 gestellt hat, ist allein auf das neue Rundfunkbeitragsrecht abzustellen.

Nach § 4 Abs. 2 RBStV wird bei gesundheitlichen Einschränkungen keine Befreiung mehr gewährt, es werden lediglich die Rundfunkbeiträge auf ein Drittel ermäßigt. Die medizinischen Voraussetzungen haben sich im Vergleich zu den Regelungen des früher geltenden Rundfunkgebührenstaatsvertrags (§ 6 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 RGebStV) jedoch nicht geändert. So besteht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 RBStV ein Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens "RF" für blinde oder nicht nur vorübergehend wesentlich sehbehinderte Menschen mit einem GdB von (wenigstens) 60 allein wegen der Sehbehinderung, nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 RBStV für hörgeschädigte Menschen, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist und nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBStV für behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.

Der Kläger ist nicht blind und die anerkannte Hörbehinderung (Teil-GdB 20) stellt keine Gehörlosigkeit dar. Entsprechend sind die Merkzeichen "Bl" oder "Gl" nicht anerkannt. Auch die Voraussetzungen aus § 4 Abs. 2 Nr. 3 RBstV liegen zur Überzeugung des Senats bei ihm nicht vor. Es ist kein GdB von wenigstens 80 anerkannt und er war und ist nicht wegen seiner Leiden ständig nicht in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des BSG erfordert dies, dass der behinderte Mensch wegen seines Leidens allgemein und umfassend vom Besuch solcher, länger als 30 min andauernder Veranstaltungen ausgeschlossen ist; er muss praktisch ans Haus gebunden sein. Solange er mit technischen Mitteln oder mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise auch nur einzelne öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist er an einer Teilnahme am öffentlichen Geschehen nicht gehindert (BSG, Urteil vom 11. Januar 1991 - 9a/9 RVs 15/89 -, juris, Rz. 12; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Mai 2011 - L 8 SB 2294/10 -, juris, Rz. 35 ff.). Dies ist auch dann der Fall, wenn der behinderte Mensch nur noch Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern besuchen kann und lediglich größere Menschenansammlungen meiden muss, weil es eine nennenswerte Anzahl öffentlicher Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern gibt (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Februar 2014 – L 3 SB 266/11 –, juris, Rz. 34, zu Fußballspielen in unteren Ligen). Allerdings schließt es die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nicht aus, wenn ein Antragsteller noch Ärzte aufsuchen, Einkäufe erledigen und an einer Gesprächstherapie teilnehmen kann (Urteil des Senats vom 19. Dezember 2013 – L 6 SB 1436/13 –, juris, Rz. 38). Hierbei handelt es sich nicht um öffentliche Veranstaltungen wie Kundgebungen, Gottesdienste, Informationsveranstaltungen, die üblicherweise unter anderem dadurch gekennzeichnet sind, dass viele und auch dem Einzelnen unbekannte Besucher erscheinen. Veranstaltungen mit einem zuvor bekannten, ggfs. kleineren Teilnehmerkreis, sind keine öffentlichen, sondern allenfalls private Veranstaltungen.

Die zur Begründung angeführte Harninkontinenz kann die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" nach der Rechtsprechung nicht rechtfertigen, weil es dem behinderten Menschen zumutbar ist, Einmalwindeln bzw. Windelhosen zu benutzen (BSG, Urteil vom 9. August 1995 - 9 RVs 3/95 -, juris, Rz. 11 f.).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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