L 6 SB 3654/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 9 SB 3241/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3654/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. August 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Wege der Neufeststellung der Grad der Behinderung (GdB) sowie die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "außergewöhnliche Gehbehinderung" ("aG") nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.

Der 1941 geborene Kläger ist seit 1994 nicht mehr berufstätig. Er leidet an Adipositas und an Herzrhythmusstörungen, einer Dyspnoe sowie Beinödemen, seit längerer Zeit ist ein myostatisches Wirbelsäulen-Syndrom bekannt. 2005 erlitt er einen Schlaganfall, jedoch ohne Lähmungserscheinungen, kurzzeitig war eine Vergesslichkeit zu beobachten. Bei ihm ist seit August 2014 die Pflegestufe I anerkannt. Er lebt noch alleine und wird von seiner Schwester versorgt. Er ist zuletzt mit den Hilfsmitteln einer Rückenorthese, einem Rollator sowie einer Toilettensitz-Erhöhung ausgestattet worden.

Seit 20 Jahren betreibt der Kläger Verfahren zur Feststellung des GdB, der erstmalig mit Bescheid vom 11. Juli 1996 mit 30 anerkannt wurde. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 24. Januar 2012 der GdB mit 80 festgestellt und die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt. Bereits seinen Neufeststellungsantrag vom 3. September 2014 begründete er mit einer außergewöhnlichen Gehbehinderung sowie schwersten Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparats. Er legte hierzu das Pflegegutachten vom 30. Mai 2014 vor, wonach er alleine lebe, sich eigenständig kleine Gerichte koche, zu allen Qualitäten orientiert sei, eine kognitive Einschränkung bestehe nicht. Im Vordergrund stünden die Adipositas (Körpergröße: 166 cm, Körpergewicht: 145 kg). Bücken sei ihm aufgrund der Leibesfülle nicht möglich, er verwende eine Greifzange. Das Gehen auf der Wohnebene erfolge mit zwei Handgehstöcken und sei ausreichend sicher, wobei die Atmung beim Gehen angestrengt sei. Eine Blaseninkontinenz sei bekannt, er benutze kleine Vorlagen, diese würden drei- bis viermal pro Tag gewechselt, der Stuhldrang werde beherrscht. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (Einzel-GdB 60 für die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit chronischem Schmerzsyndrom; Einzel-GdB 20 für die Krampfadern; Einzel-GdB 20 für die Schwerhörigkeit, Einzel-GdB 20 für die Bewegungsstörung/essentieller Tremor; Einzel-GdB 20 für die Herzleistungsminderung/Bluthochdruck; Einzel-GdB 10 für die Sehminderung und die Hauterkrankung) stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 den GdB mit 90 seit 3. September 2014 fest, die Merzeichen G und B blieben anerkannt.

Bereits am 9. Dezember 2014 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung des GdB sowie die Feststellung des Merkzeichens "aG", wobei er nunmehr auf Splitter am Rückgrat, Diabetes, Gehbehinderung und Übergewicht verwies. Auf Nachfrage teilte Allgemeinmediziner B. mit, ihm sei ein Diabetes nicht bekannt, sondern nur ein erheblich eingeschränktes Gehvermögen, der Kläger könne sich außerhalb des Hauses und in der Wohnung ausschließlich mit dem Rollator bewegen. Die Gehstrecke betrage ca. 50 Meter. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (Diabetes mellitus nicht nachgewiesen, eine Gleichstellung mit dem erfassten Personenkreis für das begehrte Merkzeichen sei nicht erfüllt) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 2015 den Neufeststellungsantrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB lägen nicht vor, auch das Merkzeichen aG könne nicht festgestellt werden. Der nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 24. September 2015 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, die Vielzahl schwerster gesundheitlicher Beeinträchtigungen lasse keine andere Bewertung als den Behinderungsgrad 100 zu. Auch sein sonstiges Anliegen (Merkzeichen "aG") sei begründet.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen befragt und ihn anschließend orthopädisch begutachten lassen. Der Facharzt für Augenheilkunde Dr. N. hat telefonisch mitgeteilt, dass er ihm als Patient nicht bekannt sei. Die Fachärztin für Psychiatrie und Psychologie Dr. Sch. hat über ihre Behandlungen vom 2. Mai bis 3. August 2012 berichtet. Es handle sich um eine leichte bis mittelgradige depressive Entwicklung, die medikamentös mit Citalopram 200 mg behandelt worden sei. Der Kläger sei in Begleitung seiner Schwester, die ihn betreue, erschienen und habe angegeben, dass er ein schweres Leben gehabt habe. Er sei 1994 aus dem Betrieb wegen Minderleistung ausgeschieden, seine Ehefrau habe ihn um die Abfindung gebracht. Diese sei alkohol- und tablettensüchtig und lebe jetzt in einem Pflegeheim, was ihn sehr belaste. Die depressive Entwicklung sei mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten. Zu der Gehstrecke könne sie nur sagen, dass er eine Einschränkung bis maximal 2 Kilometer angegeben habe. Der Allgemeinmediziner B., bei dem der Kläger seit August 2010 in monatlichen Intervallen behandelt wird, hat ein permanentes Vorhofflimmern, eine Mobilitätseinschränkung wegen degenerativer Wirbelsäulen- mit Bandscheibenschäden und Gelenkerkrankungen, eine Adipositas, ein chronisches Schmerzsyndrom, eine hyperaktive Blase und eine Urin-Inkontinenz, eine arterielle Hypertonie und einen Tremor angeführt. Die Erkrankungen schränkten die Mobilität erheblich ein, wegen der fehlenden Aussicht auf dauerhafte Besserung komme es zu depressiven Phasen. Die Gehstrecke sei nach Berichten des Klägers, seiner Schwester und eigener Beobachtung auf 30 bis 50 Meter limitiert, wobei Pausen regelmäßig eingehalten werden müssten. Der HNO-Arzt Dr. G., bei dem der Kläger im Mai 2011 und zuletzt im November 2015 in Behandlung gewesen ist, hat den GdB auf seinem Fachgebiet bestätigt. Der Orthopäde Dr. Sch. hat über eine einmalige Vorstellung am 27. November 2015 berichtet, es bestehe eine erhebliche Gehbehinderung von unter 50 Meter aufgrund der Adipositas permagna und der Bandscheibendegeneration. Die Befunde seien als schwergradig zu benennen. Es lägen Parästhesien beider Beine ohne segmentale Zuordnung vor.

Der Sachverständige, der Orthopäde Dr. L., hat aufgrund der Untersuchung vom 1. Juni 2016 über einen guten Allgemeinzustand bei Adipositas permagna mit ausgeprägter Fettschürze bis zu den distalen Oberschenkeln beidseits und eine diskrete Belastungs-Dyspnoe berichtet. Der Kläger habe keine Unterhose getragen, da er ständig seine Windeln wechseln müsse. Das Gangbild sei hinkfrei. Die Hüftgelenke seien seitengleich mit einem Bewegungsmaß 0-0-100 Grad beidseits ebenso frei beweglich wie die Kniegelenke (beidseits 0/0/120 Grad), die in den Konturen regelrecht seien. Im Bereich der oberen Gliedmaßen seien die Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar, es lägen keine sensomotorischen Paresen vor. Er hat die Diagnosen einer Wirbelsäulenfehlstatik mit thorako-lumbaler Kyphoskoliose ohne neurologische Ausfälle sowie einer Adipositas permagna mit ausgeprägter Fettschürzenbildung gestellt. Der Kläger, der das Untersuchungszimmer vornüber geneigt an zwei Gehstützen betreten habe, habe die Frage nach der verbliebenen möglichen Gehstrecke dahingehend beantwortet, dass diese eingeschränkt sei, da er häufig Wasserlassen müsse. Eine Einschränkung der Gehleistung im außergewöhnlichen Sinne bestehe nicht. Der GdB betrage 60 und unter Berücksichtigung der weiteren, nicht auf seinem Fachgebiet vorliegenden Funktionsbehinderungen insgesamt 90, das Merkzeichen sei nicht begründet.

Mit angekündigtem Gerichtsbescheid vom 30. August 2016 hat das SG daraufhin die Klage als unbegründet abgewiesen und sich hierzu insbesondere auf das Gutachten von Dr. L. gestützt. Eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse sei nicht eingetreten. Der für die Wirbelsäulenbeschwerden angesetzte hohe Gesamt-GdB von 60 sei nach wie vor sowohl vom behandelnden Orthopäden wie auch vom Gerichtsgutachter bestätigt worden. Die weiteren GdB-Werte für die Schwerhörigkeit, den Tremor, die Krampfadern, die Herzleistungsminderung, die Hauterkrankung und die Sehminderung seien nach Überzeugung des Gerichts zutreffend bzw. sogar zu hoch. Eine kardiologische Behandlung finde nicht statt. Insbesondere sei auch die Depression nicht GdB-relevant, da der Kläger seit vier Jahren keine fachärztliche Behandlung mehr durchführe und diese auch 2012 nur kurzzeitig stattgefunden habe. Für eine hyperaktive Blase mit Inkontinenz sei kein GdB festzusetzen, da der Kläger auch insoweit keine fachärztliche Hilfe in Anspruch nehme. Die Gewährung des Nachteilsausgleichs "aG" komme ebenfalls nicht in Betracht. Der Kläger sei zwar unstreitig in seiner Gehfähigkeit limitiert und könne schwerlich allein öffentliche Verkehrsmittel besteigen. Diesem Umstand trügen jedoch die bereits seit Jahren festgesetzten Nachteilsausgleiche "G" und "B" Rechnung. Die Befunde stützten jedoch nicht das Vorliegen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung.

Hiergegen hat der Kläger am 30. September Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat, das nicht objektive SG habe pauschal die ärztlichen Bescheinigungen negiert und sich auf entfernte "Gutachter" gestützt, es sich dadurch bequem gemacht. Der Wunsch, die Akte möglichst rasch zu schließen, habe im Vordergrund gestanden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 30. August 2016 sowie den Bescheid vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm unter Abänderung des Bescheides vom 17. Oktober 2014 den Grad der Behinderung mit 100 sowie die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "aG" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, dass auch das fachorthopädische Gutachten von Dr. L. wie die eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte das Antragsbegehren nicht stützten. Der Kläger könne sich innerhalb der Wohnung mit Gehstöcken fortbewegen und sei außerhalb der Wohnung mit einem Rollator ausreichend mobil. Eine Rollstuhlpflichtigkeit bestehe nicht. Eine Einschränkung des Gehvermögens auf das Schwerste vom ersten Schritt an könne nicht nachvollzogen werden. Auch der Gesamt-GdB mit 90 sei keinesfalls zu niedrig bemessen.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat der Senat den behandelnden Allgemeinmediziner B. sowie den Urologen Dr. Z. als sachverständige Zeugen gehört. Allgemeinmediziner B. hat ausgeführt, die degenerativen Veränderung am Skelett begründeten ausreichend die Schmerzmedikation, zumal der Kläger damit zurechtkomme. Eine Überwachung, ob die Schmerzen möglicherweise auch schmerzmittelinduziert seien, finde nicht statt. Er habe ihm eine Rückenorthese, einen Rollator und eine Toilettensitzerhöhung verordnet. Eine spezielle Schmerztherapie führe er nicht durch, zumal der Kläger solchen Therapien eher zurückhaltend gegenüberstehe. Eine Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln erfolge regelmäßig. Dr. Z. hat über eine einmalige Behandlung vom 31. Januar 2017 berichtet. Er habe die Diagnosen einer Drang-Inkontinenz sowie einer benignen Prostata-Hyperplasie gestellt. Die Harndrang-Inkontinenz sei zweitgradig mit einem Einlagenverbrauch von 4 Einlagen pro 24 Stunden. Der Harnabgang finde auch nachts mit wechselnder Frequenz statt. Eine Urodynamik im Klinikum L. habe nicht durchgeführt werden können.

Der Beklagte hat hierzu eine versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. R. vorgelegt, wonach im Vordergrund der Funktionseinschränkungen eine massive Fettleibigkeit entsprechend einer Adipositas Grad III, d. h. ein BMI von 53, stehe. Eine tatsächliche Gebrauchseinschränkung beider Beine liege nicht vor, so dass der Gesamt-GdB überhöht erscheine. Die Verordnung der Hilfsmittel durch Allgemeinmediziner B. weder einen höheren GdB noch die Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" stütze. Selbst wenn die hyperaktive Blase einen Teil-GdB von 20 begründe, so könne diese einen höheren Gesamt-GdB nicht rechtfertigen.

Der anberaumte Erörterungstermin vom 6. Juli 2017 ist nicht durchführbar gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von dem Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m. w. N.) zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zu den Feststellungen des GdB mit 100 und der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "Außergewöhnliche Gehbehinderung", welche im Schwerbehindertenausweis durch die Eintragung des Merkzeichen "aG" dokumentiert wird, verfolgt wurden. Der Kläger hat bis aktuell keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 90, wie ihn der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Oktober 2014 bereits seit September 2014 zuerkannt hat oder den Nachteilsausgleich "aG". Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

Gegenstand der Klage ist im Berufungsverfahren zum einen ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB mit 100 aufgrund einer geltend gemachten Verschlimmerung desjenigen Gesundheitszustandes, der dem bestandskräftigen Bescheid vom 17. Oktober 2014 zugrunde lag. Diesem Begehren steht der Bescheid vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 entgegen, da ihn das SG nicht zumindest teilweise aufhob. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34); mangels Durchführung einer solchen ist indes derjenige der Entscheidung maßgebend.

Grundlage für den Klageanspruch hinsichtlich der Höhe des GdB ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung ist im vorliegenden Zusammenhang bei einer Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt - teilweise - aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 - 9a RVs 55/85 -, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des - teilweise - aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 - B 9 V 2/10 R -, juris, Rz. 38 m. w. N.; Schütze, in von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rz. 4).

Bei dem Bescheid vom 17. Oktober 2014 über die Feststellung des GdB mit 90 seit September 2014 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 31 m. w. N.). Weder in den tatsächlichen noch in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass dieser Verwaltungsentscheidung vorlagen, ist indes eine wesentliche Änderung eingetreten. Die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bedingen auch weiterhin keinen höheren Gesamt-GdB als 90.

Der Anspruch des Klägers wegen des GdB richtet sich nach § 69 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der aktuellen Fassung durch Art. 2 Ziff. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl I S. 3234). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Schwerbehindert sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 70 Abs. 2 SGB IX). Von dieser Ermächtigung hat das BMAS Gebrauch gemacht und die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412) erlassen, um unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).

Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzel-fall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.

In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers bis aktuell keinen höheren als den bereits mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 festgestellten GdB von 90 begründen. Dies hat das SG in Auswertung insbesondere des auch für den Senat schlüssigen Gutachtens von Dr. L. zutreffend begründet dargelegt. Der Senat schließt sich den Ausführungen nach eigener Würdigung an und verweist insoweit auf die Entscheidungsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG. Auch die Ermittlungen im Berufungsverfahren rechtfertigen keine andere Einschätzung.

Die beim Kläger wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen bedingen in Bezug auf die Funktionssysteme "Rumpf", einen Teil-GdB von 60.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.1 wird der GdB für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung und Minderbelastbarkeit) sowie die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicherweise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt. Außergewöhnliche Schmerzen sind gegebenenfalls zusätzlich zu werten (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 j). Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein. Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen. Mit bildgebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdB. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdB begründen. Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen.

Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ergibt sich der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem so genannten "Postdiskotomiesyndrom") primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte. Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. So genannte "Wirbelsäulensyndrome" (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten. Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein. Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität haben einen GdB von 0 zur Folge. Gehen diese mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einher, ist ein GdB von 10 gerechtfertigt. Ein GdB von 20 ist bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen. Liegen schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vor (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Teil-GdB von 30 angemessen. Ein GdB-Rahmen von 30 bis 40 ist bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorgesehen. Besonders schwere Auswirkungen (etwa Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z.B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) eröffnen einen GdB-Rahmen von 50 bis 70. Schließlich ist bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit ein GdB-Rahmen zwischen 80 und 100 vorgesehen. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (etwa Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdB über 30 in Betracht kommen.

Die degenerativen Veränderungen stehen beim Kläger im Vordergrund der Funktionseinschränkungen. Hier liegen bei ausgeprägter Rundrückenbildung (Kyphosierung) im thoracolumbalen Bereich ohne sensomotorische Paresen, neurologische Ausfälle oder aktuelle Wurzelreizsymptomatik in Übereinstimmung des Gerichtssachverständigen mit dem behandelnden Orthopäden, was der Kläger übersieht, nur Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, die angesichts der Bewegungsmaße, wobei sich hier die ausgeprägte Fettschürze bei einem BMI von 53 nachteilig auswirkt, maximal einen GdB von 60, aber auch nicht mehr, rechtfertigen, worauf zuletzt Dr. R. zutreffend verwiesen hat.

Nachdem sowohl die Knie- (0-0-120°) wie auch Hüftgelenke (0-0-100°) bei der orientierenden Untersuchung durch Dr. L. frei beweglich waren, begründen die Bewegungsorgane (VG, Teil B, Nr. 18.12) keinen weiteren Teil-GdB. Gleiches gilt für die nur geringfügig eingeschränkten Schultergelenke (VG, Teil B, Nr. 18.13) ohne Druckempfindlichkeit bei symmetrischen Schulterkonturen.

Weitere Teil-GdB von 20 werden durch den Tremor, die Krampfadern, die allerdings vom Allgemeinmediziner nicht bestätigt werden, die Herzleistungsminderung/Bluthochdruck, ohne kardiale Behandlung, bzw. die Schwerhörigkeit begründet. Insofern haben die umfangreichen Ermittlungen des SG keine richtungsweisende Verschlimmerung dokumentiert. Der behauptete Diabetes wurde ärztlich nicht bestätigt. Die Psyche ist, auch wenn der Kläger depressive Phasen aufweist, nicht nennenswert beeinträchtigt, vielmehr führt der Kläger seit 2012 keine richtungsweisende Therapie mehr durch.

Das Funktionssystem "Harnorgane" hat keinen messbaren Teil-GdB zur Folge. Die aufgrund einer gutartigen Vergrößerung der Prostata instabile Blase führt nur zu deutlich vermehrtem Wasserlassen, auch nachts, ohne dass eine Restharnbildung oder ein längeres Nachträufeln, wie dies nach den VG, Teil B, Nr. 12.2.2 für die Annahme einer Entleerungsstörung leichterer Art, die allein einen Teil-GdB von 10 rechtfertigt, von dem Urologen Dr. Z. beschrieben wird.

Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle des Klägers der Gesamt-GdB aus dem Teil-GdB von 60 für das Funktionssystem "Rumpf" und den Einzel-GdB von jeweils 20 für den Tremor, die Krampfadern, die Herzleistungsminderung/Bluthochdruck bzw. die Schwerhörigkeit zu bilden und erreicht daher bis aktuell allenfalls 90, so dass der zuerkannte GdB in dieser Höhe jedenfalls nicht zu niedrig ist.

Gegenstand der Klage ist weiter ein Anspruch des Klägers auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichen "aG" ab Antragstellung (§ 69 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX). Diesem Begehren steht der Bescheid vom 28. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2015 entgegen, da ihn das SG in Bezug auf die damit getroffene negative Feststellung nicht aufgehoben hat.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "aG".

Der geltend gemachte Anspruch des Klägers kann sich allein aus § 69 Abs. 4 SGB IX ergeben (vgl. hierzu bereits Urteil des Senats vom 1. Juni 2017 - L 6 SB 2884/16). Hiernach stellen die zuständigen Behörden neben einer Behinderung auch gesundheitliche Merkmale fest, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört das im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften in den Schwerbehindertenausweis einzutragende Merkzeichen "aG" (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehindertenausweisverordnung). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 Straßenverkehrsordnung (StVO) nach sich, insbesondere die Nutzung von gesondert ausgewiesenen "Behindertenparkplätzen" und die Befreiung von verschiedenen Parkbeschränkungen. Darüber hinaus führt sie unter anderem zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer (§ 3a Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz) bei gleichzeitiger Möglichkeit der unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 Abs. 1 SGB IX) und ggf. zur Ausnahme von allgemeinen Fahrverboten nach § 40 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).

Der Senat konstatiert, dass sich die näheren Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "aG" im Laufe des anhängigen Verfahrens geändert haben: Seit dem 30. Dezember 2016 regelt § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. das Merkzeichen "aG". Diese Vorschrift wurde durch Art. 2 Nr. 13 BTHG neu geschaffen und nimmt die am 1. Januar 2018 in Kraft tretende Regelung des § 229 Abs. 3 SGB IX n.F. mit Wirkung ab 30. Dezember 2016 vorweg (Art. 26 Abs. 2 BTHG). Mangels jeglicher Übergangsregelung im BTHG gilt diese neue Norm für alle Ansprüche, über die am Tag ihres Inkrafttretens noch nicht bestandskräftig entschieden ist. Daher hat der Senat auf der Basis dieser Neuregelung zu entscheiden. Dies entspricht dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach im Rahmen einer Verpflichtungsklage die Entscheidung den Sach- und Rechtsstand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz zu Grunde zu legen hat.

Vor diesem Hintergrund besteht für den Kläger seit der Neuregelung der Voraussetzungen des Merkzeichens "aG" ab dem 30. Dezember 2016 schon aus Rechtsgründen kein Anspruch.

Nach § 146 Abs. 3 Satz 1 SGB IX n.F. sind schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung Personen mit einer erheblichen mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigung, die einem GdB von mindestens 80 entspricht. Eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung liegt nach der Legaldefinition des § 146 Abs. 3 Satz 2 SGB IX vor, wenn sich die schwerbehinderten Menschen wegen der Schwere ihrer Beeinträchtigung dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Diese Neuregelung führt zu folgender Überprüfung des Merkzeichens "aG" (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 20). Zunächst ist – auf materieller Ebene – zu entscheiden, ob die fragliche Teilhabebeeinträchtigung mobilitätsbezogen ist. Der Gesetzgeber wollte sich mit diesem Merkmal zwar von einer rein orthopädischen Betrachtung lösen (BT-Drs. 18/9522, S. 317 f.). Gleichwohl ist nicht jede Behinderung erfasst. Die genannten Voraussetzungen können erfüllt sein bei zentralnervösen, peripher-neurologischen oder neuromuskulär bedingten Gangstörungen mit der Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder wenn eine dauerhafte Rollstuhlbenutzung erforderlich ist (insbesondere bei Querschnittlähmung, Multipler Sklerose, Amyotropher Lateralsklerose (ALS), Parkinsonerkrankung, Para- oder Tetraspastik in schwerer Ausprägung), einem Funktionsverlust beider Beine ab Oberschenkelhöhe oder einem Funktionsverlust eines Beines ab Oberschenkelhöhe ohne Möglichkeit der prothetischen oder orthetischen Versorgung (insbesondere bei Doppeloberschenkelamputierten und Hüftexartikulierten), schwerster Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit (insbesondere bei Linksherzschwäche Stadium NYHA IV), schwersten Gefäßerkrankungen (insbesondere bei arterieller Verschlusskrankheit Stadium IV), Krankheiten der Atmungsorgane mit nicht ausgleichbarer Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades und einer schwersten Beeinträchtigung bei metastasierendem Tumorleiden (mit starker Auszehrung und fortschreitendem Kräfteverfall). Sodann ist zu überprüfen, ob diese mobilitätsbezogenen Behinderungen einen GdB (Teil-GdB) von wenigstens 80 erreichen. Mit dieser zusätzlichen, formellen Voraussetzung eines relativ hohen GdB auf dem Gebiet der Mobilität wollte der Gesetzgeber des BTHG dem Umstand Rechnung tragen, dass Parkraum in den Innenstädten nicht beliebig vermehrbar ist und dass das Verkehrsrecht den Grundsatz der "Privilegienfeindlichkeit" kennt, sodass mit Mitteln des Straßenverkehrsrechts nur ein Nachteilsausgleich ausschließlich unter dem Aspekt eines sicheren und geordneten Verkehrsablaufs eingeräumt wird. Der Gesetzgeber hat aber auch auf behinderungspolitische Erwägungen hingewiesen und ausgeführt, Behindertenparkplätze müssten denjenigen schwerbehinderten Menschen vorbehalten bleiben, die sich dauernd nur mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen könnten, und dies seien nur Menschen, die für ihre mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung einen GdB von mindestens 80 hätten. Eine breite Ausweitung des Berechtigtenkreises würde dazu führen, dass die eigentliche Zielgruppe längere Wege zurücklegen müsste, weil dann Parkplätze belegt wären, die heute frei seien (vgl. BT-Drs. 18/9522, S. 318).

Diese Voraussetzung des neuen § 146 Abs. 3 SGB IX, ein mobilitätsbezogener GdB oder Teil-GdB von 80, knüpft an den tatsächlich zuerkannten GdB an (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2017 – L 8 SB 943/16 –, juris, Rz. 49). Bei dem Kläger besteht bereits keine mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung, die nur für sich einen Teil-GdB von 80 bedingen würde. Zwar ist ihm zurzeit bestandskräftig ein Gesamt-GdB von 90 zuerkannt, aber inhaltlich bedingen diejenigen Behinderungen, die bei ihm vorliegen und die sich im Sinne von § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. auf die Mobilität auswirken, keinen GdB von 80. Mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigungen folgen bei ihm nur aus den orthopädisch zu fassenden Schädigungen an der Brust- und Lendenwirbelsäule. Von den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule (Funktionssystem Rumpf), die einen Teil-GdB von 60 begründen, entfällt nur ein Teil auf die Lendenwirbelsäule. Insofern kann bei dem Kläger von mobilitätsbezogenen Teilhabebeeinträchtigungen mit einem GdB von allenfalls 30 ausgegangen werden.

Da der Gesetzgeber, wie ausgeführt, § 146 Abs. 3 SGB IX ohne jede Übergangsregelung in Kraft gesetzt hat, ist zu entscheiden, welche rechtlichen Regelungen dem Anspruch des Klägers vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts am 30. Dezember 2016 zu Grunde zu legen sind.

Den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts folgend geht das BSG in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass ein Rechtssatz, der ohne Übergangsregelung in Kraft gesetzt wird, nur auf solche Sachverhalte anwendbar ist, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Hierbei handelt es sich um den "Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung neuen Rechts, den Grundsatz "tempus regit actum" (BSG, Urteil vom 4. September 2013 – B 10 EG 6/12 R –, juris, Rz. 37). Sofern in dem gerichtlichen Verfahren ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Streit steht, führt dies in der Regel dazu, dass der Anspruch des Klägers bzw. die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungsentscheidung der Verwaltung zeitabschnittsweise beurteilt werden müssen: Insoweit wendet das BSG das so genannte Geltungszeitraumprinzip an, wonach neues Recht immer schon (aber auch noch) einen Sachverhalt erfasst, wenn die maßgeblichen Rechtsfolgen in den zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts fallen (BSG, a.a.O., Rz. 38 m.w.N.).

Ein weiterer verfahrensrechtlicher Grundsatz ist aber auch, dass die Gerichte zumindest im Rahmen einer Verpflichtungsklage ihrer Entscheidung nur jene Sachlage und jenes Recht zu Grunde zu legen haben, das zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung (vor einer Tatsacheninstanz) gilt. In diesem Rahmen hat - konkret bezogen auf die Neufassung des § 146 Abs. 3 SGB IX - z.B. das LSG Berlin-Brandenburg nur das neue Recht angewandt, auch wenn der fragliche Antrag des dortigen Klägers vor dem Inkrafttreten des neuen Rechts gestellt worden war. Allerdings handelte es sich dort um ein Eilverfahren, in dem sich das LSG Berlin-Brandenburg auf die weitere Erwägung gestützt hat, dass die dort begehrte einstweilige Anordnung zukunftsgerichtet ist und nicht dazu dient, die Rechtmäßigkeit der noch auf der Grundlage des alten Rechts ergangenen Entscheidungen festzustellen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. April 2017 – L 13 SB 13/17 B ER –, juris, Rz. 17).

Auch das BSG hat - ebenfalls in Verfahren über die Zuerkennung von Sozialleistungen für einen längeren Zeitraum - die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob nach einer Gesetzesänderung ohne Übergangsregelungen ausschließlich das neue Recht anzuwenden ist (BSG, Urteil vom 12. August 2010 – B 3 P 3/09 R –, juris, Rz. 12). Und in anderem Zusammenhang, bei der Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit während eines streitbefangenen Leistungszeitraums, hat es sogar ausdrücklich nur das zur Zeit der letzten Gerichtsentscheidung geltende Recht herangezogen und entschieden, dass das nunmehr zuständige Gericht auch über solche Zeiträume entscheiden muss, die vor dem Beginn seiner Zuständigkeit lagen (BSG, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – B 9b SF 4/05 R –, juris, Rz. 12).

Der Senat lässt diese Frage, ob für die Zeit bis zum 30. Dezember 2016 bei einer Entscheidung danach ebenfalls nur § 146 Abs. 3 SGB IX n.F. anzuwenden ist, offen. Selbst auf der Basis des bisher geltenden Rechts, also ggfs. bis zum 30. Dezember 2016, stand dem Kläger kein Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens "aG" zu:

Die bisherige Rechtslage zu diesem Merkzeichen ergab sich im Wesentlichen aus Abschnitt 2 Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) vom 26. Januar 2001 (BAnz S. 1419, berichtigt S. 5206). Ergänzende Vorschriften enthielt bzw. enthält weiterhin die Teil D Nr. 3 c Satz 1 der Anlage zu § 2 VersMedV.

Hiernach waren als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können. Hierzu zählten bzw. zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem zuvor genannten Personenkreis gleichzustellen sind Die Versorgungsmedizinische Grundsätze (VG) enthielten – und enthalten auch nach In-Kraft-Treten des § 146 Abs. 3 SGB IX – weitere Anforderungen. Diese Regelung war allerdings zunächst nichtig, da die notwendige Ermächtigungsgrundlage in § 70 Abs. 2 SGB IX nach Art. 2 des Änderungsgesetzes vom 7. Januar 2015 (BGBl. II S. 15) erst später in Kraft trat (vgl. zu allem LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rz. 19). Soweit sie anwendbar ist, sieht sie vor, dass die Annahme einer außergewöhnlichen Gehbehinderung nur auf eine Einschränkung der Gehfähigkeit und nicht auf Bewegungsbehinderungen anderer Art bezogen werden darf (VG Teil D Nr. 3 c Satz 1, S. 142), ist bei der Frage der Gleichstellung von behinderten Menschen mit Schäden an den unteren Gliedmaßen zu beachten, dass das Gehvermögen auf das Schwerste eingeschränkt sein muss und ist deshalb als Vergleichsmaßstab am ehesten das Gehvermögen eines Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 2, S. 142) und sind als Erkrankungen der inneren Organe, die eine solche Gleichstellung rechtfertigten, beispielsweise Herzschäden mit schweren Dekompensationserscheinungen oder Ruheinsuffizienz sowie Krankheiten der Atmungsorgane mit Einschränkung der Lungenfunktion schweren Grades anzusehen (VG Teil D Nr. 3 c Satz 5, S. 142, vgl. im Einzelnen auch Urteil des Senats vom 20. Juni 2013 – L 6 SB 5053/12 –, juris, Rz. 23).

Bei dem Kläger hat keine solche Einschränkung vorgelegen. Die Einschränkungen des Gehvermögens bei ihm sind nicht denjenigen gleichzustellen, die etwa bei Doppeloberschenkelamputierten vorliegen. Er ist nicht vom ersten Schritt außerhalb seines Fahrzeugs an auf fremde Hilfe angewiesen und das Gehen ist nicht vom ersten Schritt an mit unzumutbaren Schmerzen oder anderen Einbußen verbunden. Es ist bereits nicht nachgewiesen, dass sein Gehvermögen auf das schwerste eingeschränkt ist, wobei hierfür am ehesten dasjenige der Doppeloberschenkelamputierten heranzuziehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 - B 9 SB 2/14 R -, juris, Rz. 24). Denn er konnte sich bei der Untersuchung bei Dr. L. hinkfrei auf zwei Gehstöcken bewegen, die Knie- und Hüftgelenke waren seitengleich frei beweglich, so dass eine tatsächliche Gebrauchseinschränkung beider Beine nicht vorliegt, worauf zuletzt Dr. R. zutreffend verwiesen hat. Außerhalb der Wohnung ist er ist dem verordneten Rollator ausreichend mobil. Dies wird nicht zuletzt durch das Pflegegutachten bestätigt, wonach sich der Kläger in der Wohnung mit den Hilfsmittel einigermaßen bewegen und deshalb noch allein leben und sich vor allem bekochen kann. Dem unbestritten eingeschränkten Gehvermögen wird auch zur Überzeugung des Senats daher ausreichend durch das Merkzeichen "G" Rechnung getragen.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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