Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 472/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 52/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 27/18 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 4 Abs 4 Satz 2 der Qualitätsprüfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses verstieß im Jahre 2011 gegen § 299 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2, Abs 2 SGB 5
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 und der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. November 2011 aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 2) im erstinstanzlichen Verfahren; im Übrigen tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Maßnahme der Beklagten im Rahmen der Qualitätssicherung.
Der Kläger nimmt seit 1994 in B-R an der vertragsärztlichen Versorgung (hausärztlicher Bereich) teil und ist aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 24. Juni 1996 berechtigt, Substitutionsbehandlungen durchzuführen. Mit Schreiben vom 24. November 2010 teilte ihm die Beklagte mit, dass im Rahmen der Qualitätsprüfung für das Quartal I/10 er sowie 12 seiner Patienten nach dem Zufallsprinzip zur Prüfung ausgewählt worden seien. Er möge daher für diese 12 (namentlich benannten) Patienten bis zum 28. Dezember 2010 Unterlagen vorlegen, bestehend aus: - einer ausführlichen Anamnese (Suchtanamnese, durchgeführte Suchttherapien, ggf. konsiliarische Behandlungen), - der körperlichen Untersuchung (einschl. Urinanalyse) zur Sicherung der Diagnose der manifesten Opiatabhängigkeit und zur Diagnostik des Beigebrauchs, - Abklärung ggf. vorliegender Suchtbegleit- und Suchtfolgeerkrankungen, - der sorgfältigen Abwägung zwischen drogenfreier oder substitutionsgestützter Behandlung, - der Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der psychosozialen Betreuung durch eine psychosoziale Drogenberatungsstelle (schriftliche Bescheinigung der psychosozialen Drogenberatungsstelle, auch über eine evtl. Beendigung der psychosozialen Betreuung des Patienten), - der Erstellung eines individuellen Therapieplanes, der Folgendes enthält • zeitliche und qualitative Festlegung der Therapieziele, • Auswahl, Dosierung und Dosierungsschema (ggf. auch Art der Reduktion) des Substitutionsmittel, • die im Einzelfall ggf. erforderlichen psychosozialen Betreuungs- und/oder Behandlungsmaßnahmen, - der Verlaufs- und Ergebniskontrollen einschließlich unangekündigter Beigebrauchskontrollen, Urinkontrollen (wenn möglich mit EDDP-Bestimmung – Methadonmetaboliten), - der Behandlungsvereinbarung mit dem Patienten.
Nachdem der Kläger am 22. Dezember 2010 die von ihm beantragte Akteneinsicht bei der Beklagten genommen und "Aussetzung des Fristablaufs bis zum Ablauf von einer Woche nach der hier beantragten Akteneinsichtnahme" begehrt hatte, forderte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 auf, die o.g. Unterlagen bis zum 31. Januar 2011 vollständig einzureichen. Der Kläger bat daraufhin "um die umgehende Spezifizierung des informationstechnisch gesteuerten und statistisch gesicherten Verfahrens" sowie die "Überlassung der entsprechenden EDV-Auszüge der zum Auswahlverfahren zu [seiner] Person und [seinen] Patienten festgehaltenen Daten"; erst nach Eingang dieser Informationen beginne die in der Qualitätsprüfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) genannte Frist. Die Beklagte übersandte ihm entsprechende EDV-Auszüge, wies aber zugleich auf die am 31. Januar 2011 endende Frist zur Vorlage der Patientendokumentation hin (Schreiben vom 18. Januar 2011). Der Kläger hielt die ihm übersandten EDV-Auszüge für unzureichend und forderte weitere Informationen (zugrunde liegende DIN-Norm, Protokoll des Auswahlverfahrens, Nachweis, nach welchen Kriterien er bzw. die betroffenen Patienten ausgewählt worden seien) an (Schreiben vom 26. Januar 2011). In der Folgezeit stritten die Beteiligten um die Frage, ob dem Akteneinsichtsgesuch des Klägers vollständig entsprochen worden sei. Die Beklagte verlängerte die o.g. Einreichungsfrist bis zum 7. März 2011 (Schreiben vom 4. Februar 2011). Gegen dieses Schreiben legte der Kläger Widerspruch ein, weil vereinbarungsgemäß die erste Bearbeitungsfrist nach § 5 Abs. 2 Qualitätsprüfungs-Richtlinie erst nach Übermittlung der o.g. Auskünfte beginnen solle und er wegen der fehlenden Auskünfte und Nachweise zur Weitergabe der erbetenen Informationen datenschutzrechtlich nicht befugt sei. Unter dem 24. Februar 2011 übersandte die Beklagte dem Kläger das von einem Mitarbeiter ihrer IT-Abteilung entwickelte zufallsgesteuerte Auswahlprogramm EFPNG.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 stellte die Beklagte fest, dass die Überprüfung der qualitätsgesicherten Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger im Rahmen einer Stichprobenprüfung im Einzelfall für das Quartal I/10 nicht die Erfüllung der Qualitätsanforderungen anhand vorgelegter Dokumentationen habe belegen können. Der Vorstand habe daher beschlossen, die Rückforderung der bereits geleisteten Vergütung für die zu überprüfende Substitutionsbehandlung bei den zufallsgesteuert ausgewählten 12 Patienten in I/10 auf dem Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu veranlassen und aus dem Folgequartal II/10 erneut Dokumentationen zu 12 zufallsgesteuert ausgewählten Patienten anzufordern und auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung zu überprüfen. Zur Begründung dieser auf § 5 der vom GBA erlassenen Richtlinie zu Auswahl, Umfang und Verfahren bei Qualitätsprüfungen im Einzelfall nach § 136 Abs. 2 SGB V ("Qualitätsprüfung-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung" - QP-RL) gestützten Entscheidungen führte die Beklagte aus, dass das Nichtvorliegen der Patientendokumentation nur dann nicht vom Kläger zu vertreten gewesen wäre, wenn er die Herausgabe der angeforderten Patientendokumentation berechtigterweise aus Datenschutzgründen hätte verweigern können. Entgegen der vom Kläger behaupteten Auffassung sei die Stichprobenauswahl sowohl in Bezug auf die Auswahl des Arztes als auch der Patienten zufallsgesteuert und ordnungsgemäß erfolgt. Für die darüber hinausgehenden Mitteilungen einer bestimmten DIN-Norm gebe es keine Rechtsgrundlage. Da der Kläger die von ihr – der Beklagten – berechtigt angeforderten arzt- und versichertenbezogenen Daten trotz mehrfacher Erinnerung nicht übermittelt habe, sei die fehlende Vorlage der angeforderten Unterlagen vom Kläger zu vertreten. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Leistungen der Substitutionsbehandlung bei 12 namentlich benannten Patienten des Klägers in nennenswertem Umfang nicht den Anforderungen entsprächen und daher nicht abrechnungs- und vergütungsfähig seien. Die bereits geleistete Vergütung für diese Substitutionsbehandlungen im Quartal I/10 werde im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zurückgefordert. Hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages erhalte der Kläger von der Abteilung Abrechnung/Honorarverteilung gesondert Bescheid. Gesichtspunkte für eine abweichende Maßnahme seien nicht erkennbar.
Während des Widerspruchsverfahrens wies der Senat die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 zurück, mit dem dieses den Antrag des Klägers abgelehnt hatte, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das ihn betreffende Qualitätsprüfungsverfahren für den Leistungsbereich Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger im Quartal I/2010 auszusetzen, bis sie ihm gegen Kostenerstattung Unterlagen vorgelegt hatte, aus denen sich seine Heranziehung nach einem statistisch gesicherten Verfahren ergebe (Beschluss vom 28. Juni 2011, L 7 KA 50/11 B ER).
Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger darauf, dass die Beklagte entgegen § 299 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) die Patientendaten nicht in pseudonymisierter Form von ihm angefordert habe. Ferner nahm er Bezug auf Schreiben des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (Beigeladener zu 2) an die Beklagte vom 3. August 2011, in denen dieser dieselbe Auffassung wie der Kläger vertrat. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. Mai 2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe die Gründe für das Nichteinreichen der Dokumentationen im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 QP-RL zu vertreten, denn er sei zur Übersendung der Dokumentationen im angeforderten Umfang berechtigt und verpflichtet gewesen. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Vorgabe des § 299 Abs. 1 SGB V in den datenschutzrechtlichen Regelungen der QP-RL nicht umgesetzt worden sei, obwohl diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut auch auf die Richtlinie nach § 136 Abs. 2 SGG Anwendung fänden. Nach Auffassung der Kammer habe die Beklagte vor dem Hintergrund der aktuellen Normgestaltung in nicht zu bestandender Weise die Daten vom Kläger angefordert. Die Beklagte sei bei der Durchführung der Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V wegen § 91 Abs. 6 SGB V an die QP-RL gebunden. Eine Verwerfungskompetenz stehe ihr nicht zu. Gehe man mit dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2 davon aus, dass die datenschutz-rechtlichen Regelungen der QP-RL aufgrund der fehlenden Anpassung an § 299 SGB V rechtswidrig und damit nicht anzuwenden seien, müsste sich die geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten (zumindest) aus dem Gesetz ergeben. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage sei jedoch mit § 299 SGB V nicht gegeben, weil sich diese Vorschrift in Abs. 1 Satz 4 ausdrücklich und ausschließlich an den Beigeladenen zu 3 (GBA) wende. Ob sich aus der gesetzlichen Regelung des § 299 SGB V ohne Festlegung in einer Richtlinie eine Verpflichtung oder Berechtigung des Klägers zur Übersendung pseudonymisierter Daten ergebe, sei vorliegend nicht zu klären. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten ergebe sich auch nicht aus der Auslegung von § 1 Abs. 5 Satz 4 QP-RL. Der Vorschlag des Beigeladenen zu 2, die Beklagte könne selbst Empfehlungen zur Pseudonymisierung erteilen, sei in zweierlei Hinsicht nicht durchsetzbar. Zum einen stelle er einen klaren Verstoß gegen die gesetzlich vorgegebene Aufgabenverteilung in § 299 SGB V dar, wonach nicht die Beklagte, sondern der Beigeladene zu 3 das Verfahren zur Pseudonymisierung zu bestimmen habe. Zum anderen gebe § 299 Abs. 2 Satz 1 SGB V vor, dass das Verfahren zur Pseudonymisierung der Daten durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte anzuwenden sei. Gebe die Beklagte den Schlüssel für die Pseudonymisierung vor, sei deren Zweck – die Bestimmung der betroffenen Patienten durch die Beklagte auszuschließen – nicht erreichbar. Im Rahmen einer Pseudonymisierung könnte die Beklagte nicht überprüfen, ob der geprüfte Arzt auch die Dokumentationen der 12 per Zufallsgenerator ausgewählten Patienten übersende. Dass der Beigeladene zu 3 die Pseudonymisierungsvorgaben in der Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse (QS-RL Dialyse) umgesetzt habe, entspreche seiner Rechtsansicht, dass diese Vorgaben nur auf "Längsschnitt-Qualitätsprüfungen" passten. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass über den Bereich der Qualitätsprüfung bei Substitutionsbehandlungen hinaus auch in anderen Qualitätsprüfungen nach § 136 Abs. 2 SGB V die Individualisierung der Patientendaten nahezu unumgänglich sei. Der Gesetzgeber habe nicht klargestellt, wie mit pseudonymisierten Daten eine umfassende Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V durchzuführen sei. Ungeachtet dessen führe eine Abweichung vom gesetzgeberischen Normauftrag nicht zwingend zur Rechtswidrigkeit der untergesetzlichen Norm, wie das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt zur fehlenden Berücksichtigung des Kriteriums "Geschlecht" durch den Bewertungsausschuss bei der Ermittlung der mobilitätsorientierten Gesamtvergütung (§ 87 b Abs. 3 Satz 6 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung – alte Fassung (aF)) entschieden habe. Selbst wenn man die QP-RL mit dem Kläger für rechtswidrig halte, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Da sich aus § 299 SGB V selbst keine Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten ergebe, müsste sie – dies wäre die einzige denkbare Alternative – bis zu einer Anpassung der Richtlinie von einer Qualitätsprüfung vollständig Abstand nehmen. Dem stehe jedoch der Sicherstellungsauftrag der Beklagten entgegen, der auch Maßnahmen der Qualitätssicherung umfasse. Daneben diene diese auch gerade in sensiblen Bereichen der ärztlichen Versorgung – wie der vorliegenden – dem Wohl der Versicherten und der Vermeidung und der Verschlechterung der vertragsärztlichen Versorgung. Im Übrigen habe die Beklagte bei der Anforderung der Unterlagen auch in inhaltlicher Hinsicht nicht den Rahmen des Erforderlichen überschritten.
Gegen dieses ihm am 20. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. Juni 2014, zu deren Begründung er vorträgt: Das Sozialgericht habe die entscheidende Rechtsfrage nicht beantwortet. Es gehe darum, ob er die Patientendaten kenntlich geblieben herauszugeben habe oder nicht, jedoch nicht darum, in welcher Form die Beklagte sie anzufordern habe. Die angeforderten Daten wiesen eine Qualität und Präsenz auf, die in den persönlichen und höchstpersönlichen Bereich der betroffenen Patienten und dritter Person, auch Bezugsperson hineingingen.
Der Beigeladene zu 2 bringt vor, es gebe keine belegbaren Gründe für die Behauptung, eine Qualitätssicherung sei mit pseudonymisierten Daten nicht durchzuführen. Die vom Sozialgericht angenommene Bindung der Beklagten an die Richtlinie gemäß § 91 Abs. 6 SGB V könne nur so weit gehen, dass dieser gesetzeskonform im Sinne des § 299 SGB V ausgelegt werde. Die Pseudonymisierung der Patientendaten durch den übermittelnden Arzt schränke das Qualitätssicherungsverfahren nicht in seinem Zweck ein. Es würden der Name sowie andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck ersetzt, die Bestimmungen der Betroffenen auszuschließen oder zumindest wesentlich zu erschweren. Eine Vollständigkeitskontrolle im Hinblick auf die zu übermittelnden Daten bleibe jedoch weiterhin bestehen. Es bestehe bei einer Übermittlung pseudonymisierter Daten auch keine gesteigerte Gefahr, dass die übermittelnde Ärztin oder der übermittelnde Arzt die Daten manipulierten. Eine solche Manipulation sei, soweit gewollt, auch bei einer Übermittlung von Klardaten möglich. Zudem diene die Qualitätssicherung nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht der Aufdeckung von vorsätzlichem rechtswidrigen Handeln des jeweiligen Arztes. Soweit Rechtsverstöße eines Arztes aufgeklärt werden sollten, sei zu deren Aufklärung und Verfolgung nicht die Beklagte, sondern die Staatsanwaltschaft oder gegebenenfalls die Ärztekammer im Rahmen eines berufsrechtlichen Verfahrens berufen. Ohne weiteres wäre es z.B. für einen Arzt möglich, den Patientennamen oder andere Identifikationsmerkmale durch eine von der jeweiligen Arztpraxis vorgegebene und nur von dieser zu entschlüsselnde Patientennummer zu ersetzen. Durch die klar zuordenbare Patientennummer auf den Dokumenten sei zudem eine versehentliche Übersendung falscher Unterlagen weitestgehend ausgeschlossen. Die Beklagte müsste bereits ein Auswahlverfahren wählen, welches von vornherein darauf ausgelegt sei, dass der Kläger pseudonymisierte Daten übersenden könne. Die Auswahl der Stichproben sollte insofern bereits auf der Grundlage von Pseudonymen erfolgen, um die Bestimmung der Betroffenen durch die Beklagte auszuschließen oder zu erschweren. Der Wortlaut von § 299 SGB V mache deutlich, dass auch der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Leistungserbringer selbst eine Pseudonymisierung durchführten. Eine Pseudonymisierung durch die Beklagte werde nicht erwähnt. Neben dem Auswahlverfahren entscheide auch die gewählte Speichermethode über die Möglichkeit der späteren Pseudonymisierung. Sie sei stets vergleichsweise einfach durchführbar, wenn es sich um digitale Daten handele, und relativ schwierig, wenn es Daten in Papierakten oder anderen anlagen Medien seien. Der Aufwand für das Auswahl- und Übermittlungsverfahren sei entsprechend für digital vorliegende Daten gering, hoch dagegen für Papierunterlagen. Das einfachste Verfahren zur Auswahl der für die Qualitätsprüfung zu ermittelnden Unterlagen bestehe in der Bereitstellung einer Liste der (im Vorhinein zu bildenden) Pseudonyme durch den Kläger, aus welcher die Beklagte zufällig eine Stichprobe ziehe. Bei elektronisch vorliegenden Daten sei eine Auswahl anhand einer Prüfsumme möglich, für deren Berechnung Software frei und kostenlos verfügbar sei. In digitalisierten, also digitale Abbilder von Papierunterlagen darstellenden Daten sei eine Schwärzung identifizierender Angaben manuell und mithilfe geeigneter Software-Werkzeuge auch teilautomatisiert möglich. Alternativ könne die Schwärzung auch im Papierdokument vor dem Einscannen vorgenommen werden. Die Werkzeuge erlaubten ferner die Kennzeichnung der Dokumente mit dem Pseudonym des Patienten wahlweise in den Bild- oder den Metadaten der Dateien. Bei der Heranziehung von Papierunterlagen sei eine Auswahl ohne Rückgriff auf klare patientenidentifizierende Daten oder Pseudonyme möglich, erfordere jedoch die Anwesenheit der auswählenden Person in der zu prüfenden Praxis. Dort könnten die Unterlagen in Ordnern mit abgedeckten Schildern oder in Umschlägen bereitgelegt und durch den Prüfer ausgewählt werden. Diese Akten würden dann vor Ort paginiert, geschwärzt und kopiert. Mit diesem Verfahren werde sichergestellt, dass die Beklagte selbst die Auswahl treffe. Die Möglichkeit des Betrugs sei bei diesem Verfahren im Vergleich zu üblichen Verfahren äußerst gering bzw. nicht vorhanden. Zur Erleichterung der Pseudonymisierung von Aufzeichnungen auf Papier könnte die Beklagte dem Kläger mit eindeutigen Kennungen zu versehende Vordrucke für die Durchführung der Dokumentation nach § 7 der Anlage 2 der Richtlinie des GBA zur Untersuchungs- und Behandlungsmethode der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen, in deren oberen, abtrennbaren Teil die Angaben nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 SGB V durch den Kläger einzutragen seien. Oberer und unterer Teil würden bereits durch die Beklagte mit der gleichen eindeutigen Kennung versehen, so dass dem Arzt auch nach Abtrennung stets eine Zuordnung möglich wäre, der Beklagten, die nur den unteren Teil erhielte, nicht. Eine Pseudonymisierung bei einer namentlichen Vorauswahl der Patienten durch die Beklagte sei nur mit verhältnismäßig hohem Aufwand möglich, weil die Pseudonymisierung darauf ausgelegt sei, dass die verantwortliche Stelle die Betroffenen nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand identifizieren könne. Um nachprüfen zu können, ob alle vorgelegten Dokumente sich auf Patienten aus einer vorab von der Beklagten gewählten Stichprobe bezögen, käme nur folgendes Verfahren in Betracht: Mitarbeiter der Beklagten müssten die Praxis des Klägers aufsuchen, wo die Akten der 12 ausgewählten Patienten vorzulegen wären, unter Aufsicht kopiert würden und im Nachhinein geschwärzt. Bei diesem Verfahren erscheine es aber fast unwirklich, die Akten so zu schwärzen, dass im weiteren Verfahren keine Re-Identifizierung möglich wäre. Statt der Schwärzung käme der Ausschnitt der Angaben aus Kopien der Dokumente unter Aufsicht in Frage, wobei die ausgeschnittenen Textfelder auf Bezug zu einer der Personen in der Stichprobe kontrolliert werden könnten, aber noch in der Praxis zu vernichten wären. Dieses Verfahren sei sehr aufwändig. Den Aufwand müsse sich die Beklagte jedoch anrechnen lassen, da sie im Vorfeld keine Maßnahmen getroffen habe, um die Pseudonymisierung zu gewährleisten. Grundsätzlich könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass eine Qualitätsprüfung mit pseudonymen Daten unmöglich und auf einen gesetzgeberischen Fehler zurückzuführen sei. Vielmehr habe die Beklagte durch die Wahl ihres Auswahlverfahrens und die Ausgestaltung der Überprüfung die Ursache dafür gesetzt, dass eine Pseudonymisierung nunmehr nur mit erheblichem Aufwand möglich sei. Eine gesetzeskonforme Auslegung der QP-RL sei nicht möglich.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus: Eine ähnliche Problematik wie im hiesigen Rechtsstreit bestehe in anderen KV-Bezirken – wie eine Umfrage ergeben habe – nicht. Eine Pseudonymisierungspflicht würde auch nicht im Einklang mit § 1 Abs. 5 Satz 3 der QP-RL stehen. Die Berechtigung des Klägers zur Übersendung der angeforderten Patientendaten ergebe sich aus § 298 SGB V.
Der Beigeladene zu 1 schließt sich dem Standpunkt der Beklagten an und stellt keinen Antrag.
Der Beigeladene zu 3 äußert sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in eigenen Rechten. Die Beklagte hätte nur pseudonymisierte Daten vom Kläger anfordern dürfen. Zumindest aber beruht es nicht auf vom Kläger zu vertretenden Gründen, dass die angeforderten Dokumentationen nicht vorgelegt wurden.
A. Der Zulässigkeit des klägerischen Begehrens steht nicht entgegen, dass ein die Rückforderung der Höhe nach beziffernder Bescheid der Beklagten innerhalb der für sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 106a SGB V geltenden Ausschlussfrist von vier Jahren nach Bekanntgabe des Honorarbescheids für das Quartal I/10 noch nicht ergangen ist. Denn die Ausschlussfrist wurde durch den Bescheid vom 11. Mai 2011 unterbrochen, auch wenn dieser eine Honorarrückforderung nur dem Grunde nach verfügt hat.
B. Die Bescheide vom 11. Mai 2011 und 15. November 2011 verstoßen gegen höherrangiges Recht.
I. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung) i.V.m. § 5 QP-RL. Nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall stützt die Beklagte ihren Honorarberichtigungsanspruch ferner auf § 5 Abs. 2 Satz 2 der zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen, seither unverändert fortgeltenden QP-RL und dem Kläger vorgehaltene Verstöße im Zusammenhang mit einer Stichprobenprüfung. Hierzu regelt § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 Satz 1 QP-RL:
(1) Die Stichprobenprüfung erfolgt auf der Grundlage der Dokumentationen, die die Kassenärztliche Vereinigung von dem Arzt anfordert, und bezieht insbesondere folgende Aspekte ein: 1. schriftliche Dokumentation (inklusive Indikationsstellung und Befund, ggf. Beratung und Aufklärung des Patienten), 2. bildliche Dokumentation (z. B. Röntgenbild), soweit sie erstellt wurde.
(2) Kommt der Arzt seiner Verpflichtung zur Einreichung der Dokumentationen innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen nach Zugang der Anforderung nicht nach, erfolgt eine Erinnerung. Werden die Dokumentationen aus Gründen, die der Arzt zu vertreten hat, innerhalb einer Frist von weiteren vier Wochen nach Zugang der Erinnerung erneut nicht eingereicht, wird vermutet, dass alle im betreffenden Prüfquartal abgerechneten Leistungen des zu überprüfenden Leistungsbereichs nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen. In diesem Falle kann die Kassenärztliche Vereinigung entscheiden, diese Leistungen nicht zu vergüten oder die geleisteten Vergütungen zurückzufordern.
(3) Im Fall des Absatzes 2 Satz 2 werden beim betreffenden Arzt im Folgequartal nochmals Dokumentationen nach Absatz 1 angefordert.
Im Rahmen der Stichprobenprüfung sind pro Jahr in der Regel mindestens vier Prozent der den betreffenden Leistungsbereich abrechnenden Ärzte zu überprüfen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 QP-RL). Bei jedem zu überprüfenden Arzt werden bezogen auf das zu überprüfende Abrechnungsquartal (Prüfquartal) und den betreffenden Leistungsbereich per Zufallsgenerator zwölf Patienten ausgewählt und dem Arzt zusammen mit dem jeweiligen Untersuchungsdatum und den jeweiligen Abrechnungsziffern schriftlich mitgeteilt sowie die im Rahmen der Behandlung dieser Patienten erstellten Dokumentationen im Sinne von § 5 angefordert (§ 4 Abs. 4 Satz 1 QP-RL).
Ein Rückforderung von Honorar nach § 5 Abs. 2 Satz 3 QP-RL scheitert im Falle des Klägers daran, dass schon die Dokumentationsanforderung durch die Beklagte wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig war und nur eine rechtmäßige Anforderung eine Einreichungspflicht des zu prüfenden Arztes nach sich ziehen kann (hierzu II.). Selbst wenn die Anforderung nicht gegen höherrangiges Recht verstieße, käme eine Honorarrückforderung nicht in Betracht, weil der Kläger die Gründe für die unterlassene Einreichung der Dokumentationen nicht zu vertreten hat (hierzu III.).
II. Soweit nach § 4 Abs. 4 Satz 2 QP-RL dem zu prüfenden Arzt die zwölf ausgewählten Patienten (d.h. deren Namen) mitzuteilen sind und die diesbezüglichen Dokumentatio-nen angefordert werden, verstieß diese Vorschrift zumindest bis zum 22. Juli 2015 gegen § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung; bis zum 22. Juli 2015 inhaltsgleich als § 299 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V).
1. Danach galt:
(Abs. 1)
Werden für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Abs. 2 oder § 136 Abs. 2 Sozialdaten von Versicherten erhoben, verarbeitet und genutzt, so haben die Richtlinien und Beschlüsse nach § 136 Abs. 2 Satz 2 und § 137 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie die Vereinbarungen nach § 137d sicherzustellen, dass 1. in der Regel die Datenerhebung auf eine Stichprobe der betroffenen Patienten begrenzt wird und die versichertenbezogenen Daten pseudonymisiert werden, 2. die Auswertung der Daten, soweit sie nicht im Rahmen der Qualitätsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgt, von einer unabhängigen Stelle vorgenommen wird [ ].
(Abs. 2)
Das Verfahren zur Pseudonymisierung der Daten wird durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und übrigen Leistungserbringer angewendet. Es ist in den Richtlinien und Beschlüssen sowie den Vereinbarungen nach Absatz 1 Satz 1 unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik festzulegen. 3Abweichend von Satz 1 hat die Pseudonymisierung bei einer Vollerhebung nach Absatz 1 Satz 2 durch eine von den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen oder deren jeweiligen Verbänden räumlich organisatorisch und personell getrennten Vertrauensstelle zu erfolgen.
Maßgebliche Bezugsnorm für den vorliegenden Fall ist § 136 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V (in der vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2011 geltenden, hier maßgeblichen Fassung), wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen einschließlich der belegärztlichen Leistungen im Einzelfall durch Stichproben prüfen; in Ausnahmefällen sind auch Vollerhebungen zulässig. Der GBA entwickelt in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung sowie nach Maßgabe des § 299 Abs. 1 und 2 SGB V Vorgaben zu Auswahl, Umfang und Verfahren der Qualitätsprüfungen nach Satz 1; dabei sind die Ergebnisse nach § 137a Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V zu berücksichtigen.
Zur Begründung der durch das GKV-WSG m.W.z. 1. April 2007 eingeführten Regelungen des § 299 SGB V heißt es (GKV-WSG-Entwurf, BT-Drs. 16/3100): "Mit dieser Regelung werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Sozialdaten in dem erforderlichen Umfang auch ohne Einwilligung der betroffenen Patienten erhoben, verarbeitet und genutzt werden können.
Zu Absatz 1
In Satz 1 werden die datenschutzrechtlichen Anforderungen der Qualitätssicherungsverfahren, für die durch Richtlinien und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der entsprechenden Leistungserbringer das Nähere geregelt wird, festgelegt. Diese Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen müssen nunmehr vorsehen, dass die Datenerhebung für Zwecke der Qualitätssicherung in der Regel auf eine Patientenstichprobe begrenzt und die patientenidentifizierende Information pseudonymisiert wird. Darüber hinaus ist die Auswertung der Daten nur durch eine Stelle zulässig, die von den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und deren jeweiligen Verbänden unabhängig ist, da es sich bei den zu erhebenden Daten vor allem um medizinische Informationen über die Patienten handelt."
Erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 16/4200, S. 135f; Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 16/4247, S. 82) wurde die Neuregelung auch auf Qualitätsprüfungen im Rahmen der Qualitätssicherung (§ 136 Abs. 2 SGB V aF) erstreckt und in Nr. 2 die schon nach bisherigem Recht zulässige Datenauswertung durch die KV vorgesehen.
2. Die gesetzliche Neuregelung verdeutlicht ("müssen nunmehr vorsehen"), dass der Gesetzgeber eine Anpassung schon bestehender Richtlinien erwartete, soweit sie den neuen Anforderungen noch nicht genügten. Eine Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V, bei der im Rahmen einer Stichprobenprüfung versichertenbezogene Daten nicht pseudonymisiert wurden, sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Einführung von § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF nicht mehr geben. Dass der Gesetzgeber mit dem GKV-WSG auch § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB V durch einen Verweis auf § 299 SGB V neu fasste (BT-Drs. 16/4200, S. 83), stützt diesen Befund. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass das einschränkende "in der Regel" (§ 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF) sich nur auf die in der ersten Satzhälfte erwähnte Stichprobenprüfung, nicht aber auf die Pseudonymisierung bezieht. Denn Bestimmungen zur Datenvollerhebung als Ausnahme zu dieser Regel findet sich nur für die Stichprobenprüfung (§ 299 Abs. 1 Satz 2 (später Satz 5) SGB V aF; § 136 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. SGB V aF), nicht aber für die Pseudonymisierung.
Die vom Beigeladenen zu 3 gewünschte "Anpassung" von § 299 SGB V nahm der Gesetzgeber durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz m.W.z. 23. Juli 2015 vor. Hierdurch erhielt § 299 Abs. 1 Satz 5 SGB V folgende Fassung:
"Abweichend von Satz 4 Nummer 1 können die Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen 1. auch eine Vollerhebung der Daten aller betroffenen Patienten vorsehen, sofern dies aus gewichtigen medizinisch fachlichen oder gewichtigen methodischen Gründen, die als Bestandteil der Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen dargelegt werden müssen, erforderlich ist; 2. auch vorsehen, dass von einer Pseudonymisierung der versichertenbezogenen Daten abgesehen werden kann, wenn für die Qualitätssicherung die Überprüfung der ärztlichen Behandlungsdokumentation fachlich oder methodisch erforderlich ist und die technische Beschaffenheit des die versichertenbezogenen Daten speichernden Datenträgers eine Pseudonymisierung nicht zulässt und die Anfertigung einer Kopie des speichernden Datenträgers, um auf dieser die versichertenbezogenen Daten zu pseudonymisieren, mit für die Qualitätssicherung nicht hinnehmbaren Qualitätsverlusten verbunden wäre; die Gründe sind in den Richtlinien, Beschlüssen und Vereinbarungen darzulegen.
Mit dieser Änderung würden – so der Gesetzgeber (GKV-VSG-Entwurf, BT-Drs. 18/40952, S. 134f) – "dem Gemeinsamen Bundesausschuss Möglichkeiten eröffnet, Qualitätssicherungsverfahren und Durchführung der Qualitätsprüfungen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu erleichtern" und "Ausnahmen von der Pflicht zur Pseudonymisierung der versichertenbezogenen Daten zuzulassen". Dies belegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bis zu dieser Gesetzesänderung Ausnahmen von der Pseudonymisierungspflicht im Bereich der Qualitätsprüfung nicht zulässig waren.
3. Die Auffassung des Beigeladenen zu 3, § 299 SGB V erfasse nicht die QP-RL, sondern nur sog. Längsschnittprüfungen, teilt der Senat nicht. Hierfür finden sich weder im Gesetzeswortlaut noch in der -begründung irgendwelche Anhaltspunkte. Berücksichtigt man im vorliegenden Fall den Gegenstand der Qualitätsprüfung – die Substitutionsbehandlung –, zeigt sich vielmehr, dass gerade bei der hiervon betroffenen Patientengruppe wegen des mit der Suchterkrankung verbundenen, weitverbreiteten sozialen Makels ein besonders behutsamer Umgang mit deren Sozialdaten geboten ist.
4. Auch die weiteren Einwände der Beklagten bzw. des Beigeladenen zu 3 überzeugen nicht.
Dass Qualitätsprüfungen auf der Grundlage pseudonymisierter Daten ausgeschlossen seien, widerlegt zum einen die vom Beigeladenen zu 3 angesprochene QS-RL Dialyse, welche schon in ihrer ursprünglichen, seit 2006 geltenden Fassung vorsah, dass das Verarbeiten und Nutzen von Sozialdaten der Patienten nur in anonymisierter Form erfolgt und die patientenidentifizierenden Daten – d.h. Vor- und Nachname und Nummer der Krankenversichertenkarte – in der Dialyse-Einrichtung verbleiben (§ 4 Abs. 1 QS-RL Dialyse). Zum anderen hat der Beigeladene zu 2 Verfahren zur Pseudonymisierung aufgezeigt. Diese wären zwar zweifellos mit einem gravierenden Mehraufwand für die Beklagte, aber auch die zu prüfenden Vertragsärzte verbunden, stünden dafür – wären sie Bestandteil der QP-RL geworden – mit § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF in Einklang.
Dass nach dem vom Senat gefundenen Ergebnis eine Qualitätsprüfung nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar war, ist für den vorliegenden Fall hinzunehmen. Der Senat verkennt nicht, dass dies den grundsätzlich auch die Qualitätssicherung umfassenden Sicherstellungsauftrag der Beklagten tangieren kann. Der Gesetzgeber des GKV-WSG hat indes gerade mit der Einführung von § 299 SGB V aF und der gleichzeitigen Änderung von § 136 Abs. 2 SGB V aF einen Ausgleich zwischen dieser Kernaufgabe jeder KV und dem verfassungsrechtlich verbürgten Sozialdatenschutz geschaffen. Die Rechtsauffassung der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 würde somit nicht nur dazu führen, dass dieser einem parlamentsgesetzlichen Auftrag ohne jegliche Folgen nicht nachkommen könnte. Sie hätte auch zur Konsequenz, dass der o.g. Ausgleich einseitig zu Lasten des Sozialdatenschutzes beseitigt würde.
III. Doch selbst dann, wenn die o.g. Aufforderung der Beklagten zur Einreichung der 12 Patientendokumentationen rechtmäßig wäre – weil man mit der Beklagten und dem Beigeladenen zu 3 davon ausginge, im Quartal I/10 sei eine Qualitätsprüfung des Klägers im Bereich der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger auch ohne die Pseudonymisierung versichertenbezogener Daten zulässig –, wären die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Denn das Ausbleiben der vom Kläger angeforderten Dokumentationen erfolgte nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen.
1. Weder die QP-RL im besonderen noch das sonstige Vertragsarztrecht im allgemeinen regeln allerdings, was ein Vertragsarzt im Verhältnis zu seiner KV zu vertreten hat. Es liegt daher nahe, auf den allgemein und bei lebensnaher Betrachtung auch dem GBA bei Erlass der QP-RL bekannten Vertretensmaßstab in § 276 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzugreifen. Danach hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Sind für das Vertretenmüssen auch Rechtsfragen von Bedeutung, ist Fahrlässigkeit nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Betroffene die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft ihn das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt fahrlässig, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist aber anzunehmen, wenn die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat (BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – XI ZR 418/13 –, juris, m.w.N.).
2. Hieran gemessen hat es der Kläger nicht zu vertreten, dass er die angeforderten Dokumentationen trotz wiederholter Aufforderung nicht einreichte. Denn er durfte unverschuldet davon ausgehen, dass er im Hinblick auf § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF hierzu nicht verpflichtet war. Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn untergesetzliches Recht höherrangigem Recht nicht entspricht, lässt sich nicht allgemein bestimmen.
So ist einerseits anerkannt, dass die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm nicht per se deren Rechtswirksamkeit berührt (BVerfGE 14, 245; 78, 179 (zum nachträglichen Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung); BSG, Urteil vom 01. März 2011 – B 1 KR 10/10 R –, juris). Auch verstößt ein untergesetzlicher Normgeber nicht gegen höherrangiges Recht, wenn er eine Vorgabe in der Ermächtigungsgrundlage nicht umsetzt, weil sich eine vom Parlamentsgesetzgeber angenommene Differenzierung in der Praxis nicht belegen lässt (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 4/13 R –, juris (zur entgegen § 87b Abs. 3 Satz 6 SGB V aF unterlassenen Berücksichtigung des Kriteriums "Geschlecht" bei der Ermittlung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütungen durch den Bewertungsausschuss)). Andererseits hat die Rechtsprechung vom GBA (bzw. seinem Vorgänger, dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) erlassene Richtlinien wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam gehalten (BSG, Urteile vom 30. September 1999 – B 8 KN 9/98 KR R – und vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 25/03 R – "Viagra"; Senat, Urteil vom 27. Mai 2015 – L 9 KR 309/12 KL – "Raucherentwöhnung"; jeweils juris).
Angesichts dessen durfte sich der Kläger auf den Standpunkt stellen, die auf § 4 Abs. 4 QP-RL gestützte Aufforderung der Beklagten zur Einreichung 12 namentlich benannter Patientendokumentationen verstoße gegen § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat die Rechtssache nicht, weil die streitentscheiden Regelungen – § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung bzw. § 299 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung – ausgelaufenes Recht darstellen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen eine Maßnahme der Beklagten im Rahmen der Qualitätssicherung.
Der Kläger nimmt seit 1994 in B-R an der vertragsärztlichen Versorgung (hausärztlicher Bereich) teil und ist aufgrund des Bescheids der Beklagten vom 24. Juni 1996 berechtigt, Substitutionsbehandlungen durchzuführen. Mit Schreiben vom 24. November 2010 teilte ihm die Beklagte mit, dass im Rahmen der Qualitätsprüfung für das Quartal I/10 er sowie 12 seiner Patienten nach dem Zufallsprinzip zur Prüfung ausgewählt worden seien. Er möge daher für diese 12 (namentlich benannten) Patienten bis zum 28. Dezember 2010 Unterlagen vorlegen, bestehend aus: - einer ausführlichen Anamnese (Suchtanamnese, durchgeführte Suchttherapien, ggf. konsiliarische Behandlungen), - der körperlichen Untersuchung (einschl. Urinanalyse) zur Sicherung der Diagnose der manifesten Opiatabhängigkeit und zur Diagnostik des Beigebrauchs, - Abklärung ggf. vorliegender Suchtbegleit- und Suchtfolgeerkrankungen, - der sorgfältigen Abwägung zwischen drogenfreier oder substitutionsgestützter Behandlung, - der Ermittlung des Hilfebedarfs im Rahmen der psychosozialen Betreuung durch eine psychosoziale Drogenberatungsstelle (schriftliche Bescheinigung der psychosozialen Drogenberatungsstelle, auch über eine evtl. Beendigung der psychosozialen Betreuung des Patienten), - der Erstellung eines individuellen Therapieplanes, der Folgendes enthält • zeitliche und qualitative Festlegung der Therapieziele, • Auswahl, Dosierung und Dosierungsschema (ggf. auch Art der Reduktion) des Substitutionsmittel, • die im Einzelfall ggf. erforderlichen psychosozialen Betreuungs- und/oder Behandlungsmaßnahmen, - der Verlaufs- und Ergebniskontrollen einschließlich unangekündigter Beigebrauchskontrollen, Urinkontrollen (wenn möglich mit EDDP-Bestimmung – Methadonmetaboliten), - der Behandlungsvereinbarung mit dem Patienten.
Nachdem der Kläger am 22. Dezember 2010 die von ihm beantragte Akteneinsicht bei der Beklagten genommen und "Aussetzung des Fristablaufs bis zum Ablauf von einer Woche nach der hier beantragten Akteneinsichtnahme" begehrt hatte, forderte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 2010 auf, die o.g. Unterlagen bis zum 31. Januar 2011 vollständig einzureichen. Der Kläger bat daraufhin "um die umgehende Spezifizierung des informationstechnisch gesteuerten und statistisch gesicherten Verfahrens" sowie die "Überlassung der entsprechenden EDV-Auszüge der zum Auswahlverfahren zu [seiner] Person und [seinen] Patienten festgehaltenen Daten"; erst nach Eingang dieser Informationen beginne die in der Qualitätsprüfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) genannte Frist. Die Beklagte übersandte ihm entsprechende EDV-Auszüge, wies aber zugleich auf die am 31. Januar 2011 endende Frist zur Vorlage der Patientendokumentation hin (Schreiben vom 18. Januar 2011). Der Kläger hielt die ihm übersandten EDV-Auszüge für unzureichend und forderte weitere Informationen (zugrunde liegende DIN-Norm, Protokoll des Auswahlverfahrens, Nachweis, nach welchen Kriterien er bzw. die betroffenen Patienten ausgewählt worden seien) an (Schreiben vom 26. Januar 2011). In der Folgezeit stritten die Beteiligten um die Frage, ob dem Akteneinsichtsgesuch des Klägers vollständig entsprochen worden sei. Die Beklagte verlängerte die o.g. Einreichungsfrist bis zum 7. März 2011 (Schreiben vom 4. Februar 2011). Gegen dieses Schreiben legte der Kläger Widerspruch ein, weil vereinbarungsgemäß die erste Bearbeitungsfrist nach § 5 Abs. 2 Qualitätsprüfungs-Richtlinie erst nach Übermittlung der o.g. Auskünfte beginnen solle und er wegen der fehlenden Auskünfte und Nachweise zur Weitergabe der erbetenen Informationen datenschutzrechtlich nicht befugt sei. Unter dem 24. Februar 2011 übersandte die Beklagte dem Kläger das von einem Mitarbeiter ihrer IT-Abteilung entwickelte zufallsgesteuerte Auswahlprogramm EFPNG.
Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 stellte die Beklagte fest, dass die Überprüfung der qualitätsgesicherten Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger im Rahmen einer Stichprobenprüfung im Einzelfall für das Quartal I/10 nicht die Erfüllung der Qualitätsanforderungen anhand vorgelegter Dokumentationen habe belegen können. Der Vorstand habe daher beschlossen, die Rückforderung der bereits geleisteten Vergütung für die zu überprüfende Substitutionsbehandlung bei den zufallsgesteuert ausgewählten 12 Patienten in I/10 auf dem Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zu veranlassen und aus dem Folgequartal II/10 erneut Dokumentationen zu 12 zufallsgesteuert ausgewählten Patienten anzufordern und auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen bei der Leistungserbringung zu überprüfen. Zur Begründung dieser auf § 5 der vom GBA erlassenen Richtlinie zu Auswahl, Umfang und Verfahren bei Qualitätsprüfungen im Einzelfall nach § 136 Abs. 2 SGB V ("Qualitätsprüfung-Richtlinie vertragsärztliche Versorgung" - QP-RL) gestützten Entscheidungen führte die Beklagte aus, dass das Nichtvorliegen der Patientendokumentation nur dann nicht vom Kläger zu vertreten gewesen wäre, wenn er die Herausgabe der angeforderten Patientendokumentation berechtigterweise aus Datenschutzgründen hätte verweigern können. Entgegen der vom Kläger behaupteten Auffassung sei die Stichprobenauswahl sowohl in Bezug auf die Auswahl des Arztes als auch der Patienten zufallsgesteuert und ordnungsgemäß erfolgt. Für die darüber hinausgehenden Mitteilungen einer bestimmten DIN-Norm gebe es keine Rechtsgrundlage. Da der Kläger die von ihr – der Beklagten – berechtigt angeforderten arzt- und versichertenbezogenen Daten trotz mehrfacher Erinnerung nicht übermittelt habe, sei die fehlende Vorlage der angeforderten Unterlagen vom Kläger zu vertreten. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Leistungen der Substitutionsbehandlung bei 12 namentlich benannten Patienten des Klägers in nennenswertem Umfang nicht den Anforderungen entsprächen und daher nicht abrechnungs- und vergütungsfähig seien. Die bereits geleistete Vergütung für diese Substitutionsbehandlungen im Quartal I/10 werde im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung zurückgefordert. Hinsichtlich der Höhe des Rückforderungsbetrages erhalte der Kläger von der Abteilung Abrechnung/Honorarverteilung gesondert Bescheid. Gesichtspunkte für eine abweichende Maßnahme seien nicht erkennbar.
Während des Widerspruchsverfahrens wies der Senat die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 zurück, mit dem dieses den Antrag des Klägers abgelehnt hatte, die Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, das ihn betreffende Qualitätsprüfungsverfahren für den Leistungsbereich Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger im Quartal I/2010 auszusetzen, bis sie ihm gegen Kostenerstattung Unterlagen vorgelegt hatte, aus denen sich seine Heranziehung nach einem statistisch gesicherten Verfahren ergebe (Beschluss vom 28. Juni 2011, L 7 KA 50/11 B ER).
Im Widerspruchsverfahren berief sich der Kläger darauf, dass die Beklagte entgegen § 299 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V) die Patientendaten nicht in pseudonymisierter Form von ihm angefordert habe. Ferner nahm er Bezug auf Schreiben des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (Beigeladener zu 2) an die Beklagte vom 3. August 2011, in denen dieser dieselbe Auffassung wie der Kläger vertrat. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. Mai 2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Kläger habe die Gründe für das Nichteinreichen der Dokumentationen im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 QP-RL zu vertreten, denn er sei zur Übersendung der Dokumentationen im angeforderten Umfang berechtigt und verpflichtet gewesen. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Vorgabe des § 299 Abs. 1 SGB V in den datenschutzrechtlichen Regelungen der QP-RL nicht umgesetzt worden sei, obwohl diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut auch auf die Richtlinie nach § 136 Abs. 2 SGG Anwendung fänden. Nach Auffassung der Kammer habe die Beklagte vor dem Hintergrund der aktuellen Normgestaltung in nicht zu bestandender Weise die Daten vom Kläger angefordert. Die Beklagte sei bei der Durchführung der Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V wegen § 91 Abs. 6 SGB V an die QP-RL gebunden. Eine Verwerfungskompetenz stehe ihr nicht zu. Gehe man mit dem Kläger und dem Beigeladenen zu 2 davon aus, dass die datenschutz-rechtlichen Regelungen der QP-RL aufgrund der fehlenden Anpassung an § 299 SGB V rechtswidrig und damit nicht anzuwenden seien, müsste sich die geltend gemachte Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten (zumindest) aus dem Gesetz ergeben. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage sei jedoch mit § 299 SGB V nicht gegeben, weil sich diese Vorschrift in Abs. 1 Satz 4 ausdrücklich und ausschließlich an den Beigeladenen zu 3 (GBA) wende. Ob sich aus der gesetzlichen Regelung des § 299 SGB V ohne Festlegung in einer Richtlinie eine Verpflichtung oder Berechtigung des Klägers zur Übersendung pseudonymisierter Daten ergebe, sei vorliegend nicht zu klären. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten ergebe sich auch nicht aus der Auslegung von § 1 Abs. 5 Satz 4 QP-RL. Der Vorschlag des Beigeladenen zu 2, die Beklagte könne selbst Empfehlungen zur Pseudonymisierung erteilen, sei in zweierlei Hinsicht nicht durchsetzbar. Zum einen stelle er einen klaren Verstoß gegen die gesetzlich vorgegebene Aufgabenverteilung in § 299 SGB V dar, wonach nicht die Beklagte, sondern der Beigeladene zu 3 das Verfahren zur Pseudonymisierung zu bestimmen habe. Zum anderen gebe § 299 Abs. 2 Satz 1 SGB V vor, dass das Verfahren zur Pseudonymisierung der Daten durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte anzuwenden sei. Gebe die Beklagte den Schlüssel für die Pseudonymisierung vor, sei deren Zweck – die Bestimmung der betroffenen Patienten durch die Beklagte auszuschließen – nicht erreichbar. Im Rahmen einer Pseudonymisierung könnte die Beklagte nicht überprüfen, ob der geprüfte Arzt auch die Dokumentationen der 12 per Zufallsgenerator ausgewählten Patienten übersende. Dass der Beigeladene zu 3 die Pseudonymisierungsvorgaben in der Qualitätssicherungs-Richtlinie Dialyse (QS-RL Dialyse) umgesetzt habe, entspreche seiner Rechtsansicht, dass diese Vorgaben nur auf "Längsschnitt-Qualitätsprüfungen" passten. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass über den Bereich der Qualitätsprüfung bei Substitutionsbehandlungen hinaus auch in anderen Qualitätsprüfungen nach § 136 Abs. 2 SGB V die Individualisierung der Patientendaten nahezu unumgänglich sei. Der Gesetzgeber habe nicht klargestellt, wie mit pseudonymisierten Daten eine umfassende Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V durchzuführen sei. Ungeachtet dessen führe eine Abweichung vom gesetzgeberischen Normauftrag nicht zwingend zur Rechtswidrigkeit der untergesetzlichen Norm, wie das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt zur fehlenden Berücksichtigung des Kriteriums "Geschlecht" durch den Bewertungsausschuss bei der Ermittlung der mobilitätsorientierten Gesamtvergütung (§ 87 b Abs. 3 Satz 6 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung – alte Fassung (aF)) entschieden habe. Selbst wenn man die QP-RL mit dem Kläger für rechtswidrig halte, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Da sich aus § 299 SGB V selbst keine Verpflichtung der Beklagten zur Anforderung pseudonymisierter Daten ergebe, müsste sie – dies wäre die einzige denkbare Alternative – bis zu einer Anpassung der Richtlinie von einer Qualitätsprüfung vollständig Abstand nehmen. Dem stehe jedoch der Sicherstellungsauftrag der Beklagten entgegen, der auch Maßnahmen der Qualitätssicherung umfasse. Daneben diene diese auch gerade in sensiblen Bereichen der ärztlichen Versorgung – wie der vorliegenden – dem Wohl der Versicherten und der Vermeidung und der Verschlechterung der vertragsärztlichen Versorgung. Im Übrigen habe die Beklagte bei der Anforderung der Unterlagen auch in inhaltlicher Hinsicht nicht den Rahmen des Erforderlichen überschritten.
Gegen dieses ihm am 20. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 30. Juni 2014, zu deren Begründung er vorträgt: Das Sozialgericht habe die entscheidende Rechtsfrage nicht beantwortet. Es gehe darum, ob er die Patientendaten kenntlich geblieben herauszugeben habe oder nicht, jedoch nicht darum, in welcher Form die Beklagte sie anzufordern habe. Die angeforderten Daten wiesen eine Qualität und Präsenz auf, die in den persönlichen und höchstpersönlichen Bereich der betroffenen Patienten und dritter Person, auch Bezugsperson hineingingen.
Der Beigeladene zu 2 bringt vor, es gebe keine belegbaren Gründe für die Behauptung, eine Qualitätssicherung sei mit pseudonymisierten Daten nicht durchzuführen. Die vom Sozialgericht angenommene Bindung der Beklagten an die Richtlinie gemäß § 91 Abs. 6 SGB V könne nur so weit gehen, dass dieser gesetzeskonform im Sinne des § 299 SGB V ausgelegt werde. Die Pseudonymisierung der Patientendaten durch den übermittelnden Arzt schränke das Qualitätssicherungsverfahren nicht in seinem Zweck ein. Es würden der Name sowie andere Identifikationsmerkmale durch ein Kennzeichen zu dem Zweck ersetzt, die Bestimmungen der Betroffenen auszuschließen oder zumindest wesentlich zu erschweren. Eine Vollständigkeitskontrolle im Hinblick auf die zu übermittelnden Daten bleibe jedoch weiterhin bestehen. Es bestehe bei einer Übermittlung pseudonymisierter Daten auch keine gesteigerte Gefahr, dass die übermittelnde Ärztin oder der übermittelnde Arzt die Daten manipulierten. Eine solche Manipulation sei, soweit gewollt, auch bei einer Übermittlung von Klardaten möglich. Zudem diene die Qualitätssicherung nach § 136 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht der Aufdeckung von vorsätzlichem rechtswidrigen Handeln des jeweiligen Arztes. Soweit Rechtsverstöße eines Arztes aufgeklärt werden sollten, sei zu deren Aufklärung und Verfolgung nicht die Beklagte, sondern die Staatsanwaltschaft oder gegebenenfalls die Ärztekammer im Rahmen eines berufsrechtlichen Verfahrens berufen. Ohne weiteres wäre es z.B. für einen Arzt möglich, den Patientennamen oder andere Identifikationsmerkmale durch eine von der jeweiligen Arztpraxis vorgegebene und nur von dieser zu entschlüsselnde Patientennummer zu ersetzen. Durch die klar zuordenbare Patientennummer auf den Dokumenten sei zudem eine versehentliche Übersendung falscher Unterlagen weitestgehend ausgeschlossen. Die Beklagte müsste bereits ein Auswahlverfahren wählen, welches von vornherein darauf ausgelegt sei, dass der Kläger pseudonymisierte Daten übersenden könne. Die Auswahl der Stichproben sollte insofern bereits auf der Grundlage von Pseudonymen erfolgen, um die Bestimmung der Betroffenen durch die Beklagte auszuschließen oder zu erschweren. Der Wortlaut von § 299 SGB V mache deutlich, dass auch der Gesetzgeber davon ausgehe, dass die Leistungserbringer selbst eine Pseudonymisierung durchführten. Eine Pseudonymisierung durch die Beklagte werde nicht erwähnt. Neben dem Auswahlverfahren entscheide auch die gewählte Speichermethode über die Möglichkeit der späteren Pseudonymisierung. Sie sei stets vergleichsweise einfach durchführbar, wenn es sich um digitale Daten handele, und relativ schwierig, wenn es Daten in Papierakten oder anderen anlagen Medien seien. Der Aufwand für das Auswahl- und Übermittlungsverfahren sei entsprechend für digital vorliegende Daten gering, hoch dagegen für Papierunterlagen. Das einfachste Verfahren zur Auswahl der für die Qualitätsprüfung zu ermittelnden Unterlagen bestehe in der Bereitstellung einer Liste der (im Vorhinein zu bildenden) Pseudonyme durch den Kläger, aus welcher die Beklagte zufällig eine Stichprobe ziehe. Bei elektronisch vorliegenden Daten sei eine Auswahl anhand einer Prüfsumme möglich, für deren Berechnung Software frei und kostenlos verfügbar sei. In digitalisierten, also digitale Abbilder von Papierunterlagen darstellenden Daten sei eine Schwärzung identifizierender Angaben manuell und mithilfe geeigneter Software-Werkzeuge auch teilautomatisiert möglich. Alternativ könne die Schwärzung auch im Papierdokument vor dem Einscannen vorgenommen werden. Die Werkzeuge erlaubten ferner die Kennzeichnung der Dokumente mit dem Pseudonym des Patienten wahlweise in den Bild- oder den Metadaten der Dateien. Bei der Heranziehung von Papierunterlagen sei eine Auswahl ohne Rückgriff auf klare patientenidentifizierende Daten oder Pseudonyme möglich, erfordere jedoch die Anwesenheit der auswählenden Person in der zu prüfenden Praxis. Dort könnten die Unterlagen in Ordnern mit abgedeckten Schildern oder in Umschlägen bereitgelegt und durch den Prüfer ausgewählt werden. Diese Akten würden dann vor Ort paginiert, geschwärzt und kopiert. Mit diesem Verfahren werde sichergestellt, dass die Beklagte selbst die Auswahl treffe. Die Möglichkeit des Betrugs sei bei diesem Verfahren im Vergleich zu üblichen Verfahren äußerst gering bzw. nicht vorhanden. Zur Erleichterung der Pseudonymisierung von Aufzeichnungen auf Papier könnte die Beklagte dem Kläger mit eindeutigen Kennungen zu versehende Vordrucke für die Durchführung der Dokumentation nach § 7 der Anlage 2 der Richtlinie des GBA zur Untersuchungs- und Behandlungsmethode der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stellen, in deren oberen, abtrennbaren Teil die Angaben nach § 291 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 SGB V durch den Kläger einzutragen seien. Oberer und unterer Teil würden bereits durch die Beklagte mit der gleichen eindeutigen Kennung versehen, so dass dem Arzt auch nach Abtrennung stets eine Zuordnung möglich wäre, der Beklagten, die nur den unteren Teil erhielte, nicht. Eine Pseudonymisierung bei einer namentlichen Vorauswahl der Patienten durch die Beklagte sei nur mit verhältnismäßig hohem Aufwand möglich, weil die Pseudonymisierung darauf ausgelegt sei, dass die verantwortliche Stelle die Betroffenen nicht oder nur unter sehr hohem Aufwand identifizieren könne. Um nachprüfen zu können, ob alle vorgelegten Dokumente sich auf Patienten aus einer vorab von der Beklagten gewählten Stichprobe bezögen, käme nur folgendes Verfahren in Betracht: Mitarbeiter der Beklagten müssten die Praxis des Klägers aufsuchen, wo die Akten der 12 ausgewählten Patienten vorzulegen wären, unter Aufsicht kopiert würden und im Nachhinein geschwärzt. Bei diesem Verfahren erscheine es aber fast unwirklich, die Akten so zu schwärzen, dass im weiteren Verfahren keine Re-Identifizierung möglich wäre. Statt der Schwärzung käme der Ausschnitt der Angaben aus Kopien der Dokumente unter Aufsicht in Frage, wobei die ausgeschnittenen Textfelder auf Bezug zu einer der Personen in der Stichprobe kontrolliert werden könnten, aber noch in der Praxis zu vernichten wären. Dieses Verfahren sei sehr aufwändig. Den Aufwand müsse sich die Beklagte jedoch anrechnen lassen, da sie im Vorfeld keine Maßnahmen getroffen habe, um die Pseudonymisierung zu gewährleisten. Grundsätzlich könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass eine Qualitätsprüfung mit pseudonymen Daten unmöglich und auf einen gesetzgeberischen Fehler zurückzuführen sei. Vielmehr habe die Beklagte durch die Wahl ihres Auswahlverfahrens und die Ausgestaltung der Überprüfung die Ursache dafür gesetzt, dass eine Pseudonymisierung nunmehr nur mit erheblichem Aufwand möglich sei. Eine gesetzeskonforme Auslegung der QP-RL sei nicht möglich.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 28. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt ergänzend aus: Eine ähnliche Problematik wie im hiesigen Rechtsstreit bestehe in anderen KV-Bezirken – wie eine Umfrage ergeben habe – nicht. Eine Pseudonymisierungspflicht würde auch nicht im Einklang mit § 1 Abs. 5 Satz 3 der QP-RL stehen. Die Berechtigung des Klägers zur Übersendung der angeforderten Patientendaten ergebe sich aus § 298 SGB V.
Der Beigeladene zu 1 schließt sich dem Standpunkt der Beklagten an und stellt keinen Antrag.
Der Beigeladene zu 3 äußert sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in eigenen Rechten. Die Beklagte hätte nur pseudonymisierte Daten vom Kläger anfordern dürfen. Zumindest aber beruht es nicht auf vom Kläger zu vertretenden Gründen, dass die angeforderten Dokumentationen nicht vorgelegt wurden.
A. Der Zulässigkeit des klägerischen Begehrens steht nicht entgegen, dass ein die Rückforderung der Höhe nach beziffernder Bescheid der Beklagten innerhalb der für sachlich-rechnerische Richtigstellungen nach § 106a SGB V geltenden Ausschlussfrist von vier Jahren nach Bekanntgabe des Honorarbescheids für das Quartal I/10 noch nicht ergangen ist. Denn die Ausschlussfrist wurde durch den Bescheid vom 11. Mai 2011 unterbrochen, auch wenn dieser eine Honorarrückforderung nur dem Grunde nach verfügt hat.
B. Die Bescheide vom 11. Mai 2011 und 15. November 2011 verstoßen gegen höherrangiges Recht.
I. Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung und Rückforderung ist § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V (in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden, hier anzuwendenden Fassung) i.V.m. § 5 QP-RL. Nach § 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V stellt die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. Die Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen des Vertragsarztes zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts – mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots –, erbracht und abgerechnet worden sind. Die Befugnis zu Richtigstellungen besteht auch für bereits erlassene Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung). Sie bedeutet dann im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids. Die genannten Bestimmungen stellen Sonderregelungen dar, die gemäß § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) in ihrem Anwendungsbereich die Regelungen des § 45 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch (SGB X) verdrängen. Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Rücknahme des Honorarbescheids mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (BSG, Urteil vom 28. August 2013 – B 6 KA 50/12 R –, juris, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall stützt die Beklagte ihren Honorarberichtigungsanspruch ferner auf § 5 Abs. 2 Satz 2 der zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen, seither unverändert fortgeltenden QP-RL und dem Kläger vorgehaltene Verstöße im Zusammenhang mit einer Stichprobenprüfung. Hierzu regelt § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 Satz 1 QP-RL:
(1) Die Stichprobenprüfung erfolgt auf der Grundlage der Dokumentationen, die die Kassenärztliche Vereinigung von dem Arzt anfordert, und bezieht insbesondere folgende Aspekte ein: 1. schriftliche Dokumentation (inklusive Indikationsstellung und Befund, ggf. Beratung und Aufklärung des Patienten), 2. bildliche Dokumentation (z. B. Röntgenbild), soweit sie erstellt wurde.
(2) Kommt der Arzt seiner Verpflichtung zur Einreichung der Dokumentationen innerhalb eines Zeitraumes von vier Wochen nach Zugang der Anforderung nicht nach, erfolgt eine Erinnerung. Werden die Dokumentationen aus Gründen, die der Arzt zu vertreten hat, innerhalb einer Frist von weiteren vier Wochen nach Zugang der Erinnerung erneut nicht eingereicht, wird vermutet, dass alle im betreffenden Prüfquartal abgerechneten Leistungen des zu überprüfenden Leistungsbereichs nicht den Qualitätsanforderungen entsprechen. In diesem Falle kann die Kassenärztliche Vereinigung entscheiden, diese Leistungen nicht zu vergüten oder die geleisteten Vergütungen zurückzufordern.
(3) Im Fall des Absatzes 2 Satz 2 werden beim betreffenden Arzt im Folgequartal nochmals Dokumentationen nach Absatz 1 angefordert.
Im Rahmen der Stichprobenprüfung sind pro Jahr in der Regel mindestens vier Prozent der den betreffenden Leistungsbereich abrechnenden Ärzte zu überprüfen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 QP-RL). Bei jedem zu überprüfenden Arzt werden bezogen auf das zu überprüfende Abrechnungsquartal (Prüfquartal) und den betreffenden Leistungsbereich per Zufallsgenerator zwölf Patienten ausgewählt und dem Arzt zusammen mit dem jeweiligen Untersuchungsdatum und den jeweiligen Abrechnungsziffern schriftlich mitgeteilt sowie die im Rahmen der Behandlung dieser Patienten erstellten Dokumentationen im Sinne von § 5 angefordert (§ 4 Abs. 4 Satz 1 QP-RL).
Ein Rückforderung von Honorar nach § 5 Abs. 2 Satz 3 QP-RL scheitert im Falle des Klägers daran, dass schon die Dokumentationsanforderung durch die Beklagte wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig war und nur eine rechtmäßige Anforderung eine Einreichungspflicht des zu prüfenden Arztes nach sich ziehen kann (hierzu II.). Selbst wenn die Anforderung nicht gegen höherrangiges Recht verstieße, käme eine Honorarrückforderung nicht in Betracht, weil der Kläger die Gründe für die unterlassene Einreichung der Dokumentationen nicht zu vertreten hat (hierzu III.).
II. Soweit nach § 4 Abs. 4 Satz 2 QP-RL dem zu prüfenden Arzt die zwölf ausgewählten Patienten (d.h. deren Namen) mitzuteilen sind und die diesbezüglichen Dokumentatio-nen angefordert werden, verstieß diese Vorschrift zumindest bis zum 22. Juli 2015 gegen § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung; bis zum 22. Juli 2015 inhaltsgleich als § 299 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V).
1. Danach galt:
(Abs. 1)
Werden für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Abs. 2 oder § 136 Abs. 2 Sozialdaten von Versicherten erhoben, verarbeitet und genutzt, so haben die Richtlinien und Beschlüsse nach § 136 Abs. 2 Satz 2 und § 137 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie die Vereinbarungen nach § 137d sicherzustellen, dass 1. in der Regel die Datenerhebung auf eine Stichprobe der betroffenen Patienten begrenzt wird und die versichertenbezogenen Daten pseudonymisiert werden, 2. die Auswertung der Daten, soweit sie nicht im Rahmen der Qualitätsprüfungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen erfolgt, von einer unabhängigen Stelle vorgenommen wird [ ].
(Abs. 2)
Das Verfahren zur Pseudonymisierung der Daten wird durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und übrigen Leistungserbringer angewendet. Es ist in den Richtlinien und Beschlüssen sowie den Vereinbarungen nach Absatz 1 Satz 1 unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik festzulegen. 3Abweichend von Satz 1 hat die Pseudonymisierung bei einer Vollerhebung nach Absatz 1 Satz 2 durch eine von den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen oder deren jeweiligen Verbänden räumlich organisatorisch und personell getrennten Vertrauensstelle zu erfolgen.
Maßgebliche Bezugsnorm für den vorliegenden Fall ist § 136 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB V (in der vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2011 geltenden, hier maßgeblichen Fassung), wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen die Qualität der in der vertragsärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen einschließlich der belegärztlichen Leistungen im Einzelfall durch Stichproben prüfen; in Ausnahmefällen sind auch Vollerhebungen zulässig. Der GBA entwickelt in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 SGB V Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung sowie nach Maßgabe des § 299 Abs. 1 und 2 SGB V Vorgaben zu Auswahl, Umfang und Verfahren der Qualitätsprüfungen nach Satz 1; dabei sind die Ergebnisse nach § 137a Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V zu berücksichtigen.
Zur Begründung der durch das GKV-WSG m.W.z. 1. April 2007 eingeführten Regelungen des § 299 SGB V heißt es (GKV-WSG-Entwurf, BT-Drs. 16/3100): "Mit dieser Regelung werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass für Zwecke der Qualitätssicherung nach § 135a Sozialdaten in dem erforderlichen Umfang auch ohne Einwilligung der betroffenen Patienten erhoben, verarbeitet und genutzt werden können.
Zu Absatz 1
In Satz 1 werden die datenschutzrechtlichen Anforderungen der Qualitätssicherungsverfahren, für die durch Richtlinien und Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie Vereinbarungen zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und den maßgeblichen Spitzenorganisationen der entsprechenden Leistungserbringer das Nähere geregelt wird, festgelegt. Diese Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen müssen nunmehr vorsehen, dass die Datenerhebung für Zwecke der Qualitätssicherung in der Regel auf eine Patientenstichprobe begrenzt und die patientenidentifizierende Information pseudonymisiert wird. Darüber hinaus ist die Auswertung der Daten nur durch eine Stelle zulässig, die von den Krankenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen und deren jeweiligen Verbänden unabhängig ist, da es sich bei den zu erhebenden Daten vor allem um medizinische Informationen über die Patienten handelt."
Erst im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens (Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 16/4200, S. 135f; Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 16/4247, S. 82) wurde die Neuregelung auch auf Qualitätsprüfungen im Rahmen der Qualitätssicherung (§ 136 Abs. 2 SGB V aF) erstreckt und in Nr. 2 die schon nach bisherigem Recht zulässige Datenauswertung durch die KV vorgesehen.
2. Die gesetzliche Neuregelung verdeutlicht ("müssen nunmehr vorsehen"), dass der Gesetzgeber eine Anpassung schon bestehender Richtlinien erwartete, soweit sie den neuen Anforderungen noch nicht genügten. Eine Qualitätsprüfung nach § 136 Abs. 2 SGB V, bei der im Rahmen einer Stichprobenprüfung versichertenbezogene Daten nicht pseudonymisiert wurden, sollte es nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Einführung von § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF nicht mehr geben. Dass der Gesetzgeber mit dem GKV-WSG auch § 136 Abs. 2 Satz 2 SGB V durch einen Verweis auf § 299 SGB V neu fasste (BT-Drs. 16/4200, S. 83), stützt diesen Befund. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass das einschränkende "in der Regel" (§ 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF) sich nur auf die in der ersten Satzhälfte erwähnte Stichprobenprüfung, nicht aber auf die Pseudonymisierung bezieht. Denn Bestimmungen zur Datenvollerhebung als Ausnahme zu dieser Regel findet sich nur für die Stichprobenprüfung (§ 299 Abs. 1 Satz 2 (später Satz 5) SGB V aF; § 136 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. SGB V aF), nicht aber für die Pseudonymisierung.
Die vom Beigeladenen zu 3 gewünschte "Anpassung" von § 299 SGB V nahm der Gesetzgeber durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz m.W.z. 23. Juli 2015 vor. Hierdurch erhielt § 299 Abs. 1 Satz 5 SGB V folgende Fassung:
"Abweichend von Satz 4 Nummer 1 können die Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen 1. auch eine Vollerhebung der Daten aller betroffenen Patienten vorsehen, sofern dies aus gewichtigen medizinisch fachlichen oder gewichtigen methodischen Gründen, die als Bestandteil der Richtlinien, Beschlüsse und Vereinbarungen dargelegt werden müssen, erforderlich ist; 2. auch vorsehen, dass von einer Pseudonymisierung der versichertenbezogenen Daten abgesehen werden kann, wenn für die Qualitätssicherung die Überprüfung der ärztlichen Behandlungsdokumentation fachlich oder methodisch erforderlich ist und die technische Beschaffenheit des die versichertenbezogenen Daten speichernden Datenträgers eine Pseudonymisierung nicht zulässt und die Anfertigung einer Kopie des speichernden Datenträgers, um auf dieser die versichertenbezogenen Daten zu pseudonymisieren, mit für die Qualitätssicherung nicht hinnehmbaren Qualitätsverlusten verbunden wäre; die Gründe sind in den Richtlinien, Beschlüssen und Vereinbarungen darzulegen.
Mit dieser Änderung würden – so der Gesetzgeber (GKV-VSG-Entwurf, BT-Drs. 18/40952, S. 134f) – "dem Gemeinsamen Bundesausschuss Möglichkeiten eröffnet, Qualitätssicherungsverfahren und Durchführung der Qualitätsprüfungen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zu erleichtern" und "Ausnahmen von der Pflicht zur Pseudonymisierung der versichertenbezogenen Daten zuzulassen". Dies belegt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bis zu dieser Gesetzesänderung Ausnahmen von der Pseudonymisierungspflicht im Bereich der Qualitätsprüfung nicht zulässig waren.
3. Die Auffassung des Beigeladenen zu 3, § 299 SGB V erfasse nicht die QP-RL, sondern nur sog. Längsschnittprüfungen, teilt der Senat nicht. Hierfür finden sich weder im Gesetzeswortlaut noch in der -begründung irgendwelche Anhaltspunkte. Berücksichtigt man im vorliegenden Fall den Gegenstand der Qualitätsprüfung – die Substitutionsbehandlung –, zeigt sich vielmehr, dass gerade bei der hiervon betroffenen Patientengruppe wegen des mit der Suchterkrankung verbundenen, weitverbreiteten sozialen Makels ein besonders behutsamer Umgang mit deren Sozialdaten geboten ist.
4. Auch die weiteren Einwände der Beklagten bzw. des Beigeladenen zu 3 überzeugen nicht.
Dass Qualitätsprüfungen auf der Grundlage pseudonymisierter Daten ausgeschlossen seien, widerlegt zum einen die vom Beigeladenen zu 3 angesprochene QS-RL Dialyse, welche schon in ihrer ursprünglichen, seit 2006 geltenden Fassung vorsah, dass das Verarbeiten und Nutzen von Sozialdaten der Patienten nur in anonymisierter Form erfolgt und die patientenidentifizierenden Daten – d.h. Vor- und Nachname und Nummer der Krankenversichertenkarte – in der Dialyse-Einrichtung verbleiben (§ 4 Abs. 1 QS-RL Dialyse). Zum anderen hat der Beigeladene zu 2 Verfahren zur Pseudonymisierung aufgezeigt. Diese wären zwar zweifellos mit einem gravierenden Mehraufwand für die Beklagte, aber auch die zu prüfenden Vertragsärzte verbunden, stünden dafür – wären sie Bestandteil der QP-RL geworden – mit § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF in Einklang.
Dass nach dem vom Senat gefundenen Ergebnis eine Qualitätsprüfung nur unter erschwerten Bedingungen durchführbar war, ist für den vorliegenden Fall hinzunehmen. Der Senat verkennt nicht, dass dies den grundsätzlich auch die Qualitätssicherung umfassenden Sicherstellungsauftrag der Beklagten tangieren kann. Der Gesetzgeber des GKV-WSG hat indes gerade mit der Einführung von § 299 SGB V aF und der gleichzeitigen Änderung von § 136 Abs. 2 SGB V aF einen Ausgleich zwischen dieser Kernaufgabe jeder KV und dem verfassungsrechtlich verbürgten Sozialdatenschutz geschaffen. Die Rechtsauffassung der Beklagten und des Beigeladenen zu 3 würde somit nicht nur dazu führen, dass dieser einem parlamentsgesetzlichen Auftrag ohne jegliche Folgen nicht nachkommen könnte. Sie hätte auch zur Konsequenz, dass der o.g. Ausgleich einseitig zu Lasten des Sozialdatenschutzes beseitigt würde.
III. Doch selbst dann, wenn die o.g. Aufforderung der Beklagten zur Einreichung der 12 Patientendokumentationen rechtmäßig wäre – weil man mit der Beklagten und dem Beigeladenen zu 3 davon ausginge, im Quartal I/10 sei eine Qualitätsprüfung des Klägers im Bereich der Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger auch ohne die Pseudonymisierung versichertenbezogener Daten zulässig –, wären die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Denn das Ausbleiben der vom Kläger angeforderten Dokumentationen erfolgte nicht aus von ihm zu vertretenden Gründen.
1. Weder die QP-RL im besonderen noch das sonstige Vertragsarztrecht im allgemeinen regeln allerdings, was ein Vertragsarzt im Verhältnis zu seiner KV zu vertreten hat. Es liegt daher nahe, auf den allgemein und bei lebensnaher Betrachtung auch dem GBA bei Erlass der QP-RL bekannten Vertretensmaßstab in § 276 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzugreifen. Danach hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Sind für das Vertretenmüssen auch Rechtsfragen von Bedeutung, ist Fahrlässigkeit nur bei einem unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen. An das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind grundsätzlich strenge Maßstäbe anzulegen, wobei der Betroffene die Rechtslage sorgfältig prüfen, soweit erforderlich, Rechtsrat einholen und die höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachten muss. Grundsätzlich trifft ihn das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Er handelt fahrlässig, wenn er mit der Möglichkeit rechnen muss, dass das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnehmen wird. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum ist aber anzunehmen, wenn die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat (BGH, Urteil vom 15. Juli 2014 – XI ZR 418/13 –, juris, m.w.N.).
2. Hieran gemessen hat es der Kläger nicht zu vertreten, dass er die angeforderten Dokumentationen trotz wiederholter Aufforderung nicht einreichte. Denn er durfte unverschuldet davon ausgehen, dass er im Hinblick auf § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF hierzu nicht verpflichtet war. Wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn untergesetzliches Recht höherrangigem Recht nicht entspricht, lässt sich nicht allgemein bestimmen.
So ist einerseits anerkannt, dass die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm nicht per se deren Rechtswirksamkeit berührt (BVerfGE 14, 245; 78, 179 (zum nachträglichen Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer ordnungsgemäß erlassenen Rechtsverordnung); BSG, Urteil vom 01. März 2011 – B 1 KR 10/10 R –, juris). Auch verstößt ein untergesetzlicher Normgeber nicht gegen höherrangiges Recht, wenn er eine Vorgabe in der Ermächtigungsgrundlage nicht umsetzt, weil sich eine vom Parlamentsgesetzgeber angenommene Differenzierung in der Praxis nicht belegen lässt (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 4/13 R –, juris (zur entgegen § 87b Abs. 3 Satz 6 SGB V aF unterlassenen Berücksichtigung des Kriteriums "Geschlecht" bei der Ermittlung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütungen durch den Bewertungsausschuss)). Andererseits hat die Rechtsprechung vom GBA (bzw. seinem Vorgänger, dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen) erlassene Richtlinien wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht für unwirksam gehalten (BSG, Urteile vom 30. September 1999 – B 8 KN 9/98 KR R – und vom 10. Mai 2005 – B 1 KR 25/03 R – "Viagra"; Senat, Urteil vom 27. Mai 2015 – L 9 KR 309/12 KL – "Raucherentwöhnung"; jeweils juris).
Angesichts dessen durfte sich der Kläger auf den Standpunkt stellen, die auf § 4 Abs. 4 QP-RL gestützte Aufforderung der Beklagten zur Einreichung 12 namentlich benannter Patientendokumentationen verstoße gegen § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aF.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen. Grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat die Rechtssache nicht, weil die streitentscheiden Regelungen – § 299 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung bzw. § 299 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 1 und 2, Abs. 2 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 geltenden Fassung – ausgelaufenes Recht darstellen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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