L 1 U 1036/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 712/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 1036/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Februar 2006 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe der Kläger Anspruch auf Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31. Mai 2001 hat.

Der 1942 geborene Kläger stürzte am 31. Mai 2001, als er mit dem Fahrrad auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus war der Kläger wach und ansprechbar, aber stark verwirrt. Der Durchgangsarzt Dr. B. diagnostizierte neben Platzwunden, multiplen Schürfungen und Prellungen zunächst eine Commotio cerebri (Durchgangsarztbericht vom 31. Mai 2001), nach Abschluss der bis 22. Juni 2001 dauernden stationären Behandlung eine Contusio cerebri mit Durchgangsyndrom (Bericht vom 28. Juni 2001). Die am 1. Juni 2001 durchgeführte Schädel-Computertomographie zeigte eine linkshemisphärische temporale Kontusionsläsion bei ansonsten unauffälliger Hirnmorphologie, die Kontrolluntersuchung am 7. Juni 2001 eine noch immer deutliche contusionelle Schädigung, jedoch ohne Druckwirkung auf die umgebenden Hirnstrukturen und ohne jegliche Größenzunahme. Die weiteren Kontrolluntersuchungen am 13. Juni 2001 und 21. Juni 2001 ergaben eine vollständige Resorption der Blutungen (Berichte des Neurologen und Psychiater Dr. M. vom 1., 7., 13. und 21. Juni 2001). Dr. B. berichtete weiter, der Kläger habe im Verlauf des stationären Aufenthaltes Angstneurosen mit zwischenzeitlichen Weinkrämpfen entwickelt und über einen gestörten Denkablauf geklagt. Die neurologische Untersuchung habe ein hirnorganisches Durchgangsyndrom ergeben. Von der Ehefrau des Klägers sei retrospektiv zu erfahren gewesen, dass der Kläger bereits vor seinem Unfall leichte Wesensveränderungen im Sinne einer ängstlichen Psychose gezeigt gehabt habe. Nach Ende der stationären Behandlung klagte der Kläger über Beschwerden im Bereich der rechten Schulter. Die Kernspintomographie zeigte ein ausgeprägtes Impingement bei erheblicher Läsion im Schultereckgelenk mit Erguss und Verdickung (Bericht des Radiologen Dr. S. vom 5. Oktober 2001).

Auf Anforderung der Beklagten übersandte die Krankenkasse des Klägers eine Aufstellung über Zeiten der Arbeitsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeit bestand u.a. während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 12. April 2000 bis 9. Mai 2000 (Diagnose: andere neurotische Störungen, Neurasthenie, nichtorganische Schlafstörungen), vom 26. Juni 2000 bis 10. September 2000 (Diagnose: Erkrankung der Harnorgane und rezidivierende depressive Störung, nicht näher bezeichnet) sowie vom 28. November 2000 bis 8. Dezember 2000 (Diagnose: andere neurotische Störungen). Der Hausarzt des Klägers Dr. K. berichtete der Beklagten, seit Beginn seiner Betreuung im Jahre 1993 sei es wiederholt zu depressiven Episoden, zu psycho-vegetativen Erschöpfungszuständen, zu mehrfachen Arbeitsunfähigkeiten sowie zu einer positiv verlaufenen stationären Rehabilitationsmaßnahme vom 12. April 2000 bis 9. Mai 2000 gekommen. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der Dr. W. vom 22. Mai 2000 bei. Sie stellte als Diagnosen ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom, rezidivierende Zystitiden, eine benigne Prostatahyperplasie, Spannungskopfschmerzen, ein cervikobrachiales Syndrom sowie einen Tinnitus und führte weiter aus, die Therapien hätten zu einer deutlichen Reduzierung des psychovegetativen Erschöpfungszustands geführt. Kopfschmerzen seien während des stationären Aufenthalts nicht aufgetreten. Die Beschwerden von Seiten der Schulter hätten etwas gelindert werden können. Auch die Häufigkeit und Intensität des Tinnitus habe abgenommen. Es habe sich gezeigt, dass noch starke Beeinträchtigungen im Bereich der psychosozialen Zusammenhänge bestünden.

Der Neurologe und Psychiater Dr. M. teilte der Beklagten auf Anfrage mit, die Schmerzsymptomatik im rechten Schultergelenk habe sich sehr gut zurückgebildet. Von Seiten der Neurologie sei der Hirnnervenstatus wie der zentrale Neurostatus in allen Teilen regelgerecht. Von Seiten der Psychopathologie sei der Kläger bewusstseinsklar, formal geordnet, entsprechend auch ohne Hinweise für ein hirnorganisches Abbau- und Durchgangsyndrom. Auffällig sei eine deutlich depressive Verstimmung, jetzt auch massiv angstbesetzt. Zwischenzeitlich sei eine Zyste im Kehlkopf diagnostiziert und für operationsbedürftig erklärt worden. Er habe die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung am 4. Dezember 2001 beendet (Bericht vom 11. Dezember 2001).

Im Bericht vom 21. Dezember 2001 über eine ambulante Rehabilitationsmaßnahmen vom 16. Oktober 2001 bis 15. Dezember 2001 führte Dr. R. aus, bei Beendigung der Maßnahme sei der Kläger noch insgesamt mental belastbarkeitsgemindert gewesen, es hätten aber eine verbesserte Leistungsbereitschaft und bessere subjektive Zukunftsaspekte bestanden, ebenso keine Schulterschmerzen mehr und nur noch gelegentliche Durchschlafstörungen. Im Abschlussbericht vom 28. Januar 2002 berichtete Dr. R. über eine Verbesserung der formellen Leistungen und einen mental wesentlich stabileren Zustand, jedoch eine nach wie vor problematische erhebliche Versagensangst des Klägers.

Ab 7. Januar 2002 nahm der Kläger eine Belastungserprobung an seinem bisherigen Arbeitsplatz auf, die am 25. Januar 2001 wegen starker Erschöpfung abgebrochen wurde. Nach Untersuchung berichtete Dr. M. der Beklagten, bei unauffälligen neurologischen Befunden ließen sich noch psychiatrische Auffälligkeiten im Sinne eines pseudoneurasthenischen Syndroms beschreiben, das sicher Folge des Schädel-Hirn-Traumas sei. Zusätzlich bestehe eine die Altersnorm doch überschreitende Vergröberung der Rindenstruktur, deren eindeutige Zuordnung schwierig sei, er gehe jedoch von unfallunabhängigen primär degenerativen Veränderungen aus, zumal er schon in der ersten Bilddiagnostik fronto-parietale Rindenvergröberungen mit Aufweitung des vorderen Interhemisphärenspalts beschrieben habe (Bericht vom 23. Januar 2002). Nach Abbruch der Eingliederungsmaßnahme befinde sich der Kläger in einem psychisch desolaten Allgemeinzustand. Es sei schwierig bis unmöglich auseinander zu halten, was prämorbid (unfallunabhängig) sei und was sich im Sinne eines pseudoneurasthenischen Durchgangsyndroms durch die Hirnverletzung erkläre (Bericht vom 19. Februar 2002). Unter eingeleiteter antidepressiver Therapie, flankiert durch einige Gespräche, habe sich eine deutliche Besserung und Stabilisierung auf erfreulichem Niveau der depressiven Symptomatik eingestellt (Bericht vom 12. März 2002).

Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Prof. Dr. Dr. M. und Privatdozent Dr. St. unter Berücksichtigung des psychologischen Gutachtens des Diplompsychologen N. vom 18. April 2002 das neurologische Gutachten vom 22. April 2002. Auf das Unfallereignis zurückzuführen sei eine substanzielle Hirngewebeschädigung mit leichtgradigem hirnorganischem Psychosyndrom mit Reaktionsverlangsamung, rascher Ermüdbarkeit und Störung des räumlichen Orientierungsvermögens. Unfallunabhängige Erkrankungen seien ein hirnorganischer Abbauprozess mit computertomographisch bereits bei den ersten Untersuchungen nachweisbarer bifronto-parietaler Hirnsubstanzminderung, eine rezidivierende depressive Erkrankung, die ausweislich des Leistungsverzeichnisses der Krankenkasse bereits zu mehrfachen Arbeitsunfähigkeitszeiten und auch stationären psychotherapeutischen Behandlungen geführt habe, die vom Kläger geklagte Wesensänderung, die bereits Anlass für die stationäre Behandlung im April 2000 gewesen sei, sowie die geklagte Schwindelsymptomatik, die Folge des cerebralen Abbauprozesses sei. Vom Kläger geklagte Kopfschmerzen seien ein Jahr nach dem Unfallereignis und bei Fehlen knöcherner Schädelverletzungen nicht mehr als Narbenkopfschmerzen nachvollziehbar. Ähnliche Beschwerden habe er bereits im Jahr 2000 beklagt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei derzeit mit 30 vH einzuschätzen. Arbeitsfähigkeit seitens der Unfallfolgen sei ab der durchgeführten Untersuchung (16. April 2002) wieder gegeben, nicht jedoch auf Grund der unfallunabhängig bestehenden depressiven Symptomatik.

Die Beklagte erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte dem Kläger eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 vH ab 17. April 2002 und erkannte die im Gutachten von Prof. Dr. Dr. M. und Privatdozent Dr. St. genannten Gesundheitsstörungen als Folgen des Arbeitsunfalls an (Bescheid vom 24. Juni 2002). Den - vom Kläger nicht begründeten - Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten zurück (Widerspruchsbescheid vom 12. März 2003).

Zur Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit erstattete Dr. Sch. unter Berücksichtigung des radiologischen Zusatzgutachtens der Dr. R. vom 28. April 2003 und seines neurophysiologischen Zusatzgutachtens vom 5. Juni 2003 das neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 4. Juni 2003. Auf den Versicherungsfall zurückzuführen sei das aus dem Schädelhirntrauma mit links-temporaler Kontusionsblutung resultierende hirnorganische Psychosyndrom mit neurokognitiven Defiziten und erheblicher Depressivität, weiterhin die organische Persönlichkeitsstörung, die REM-Schlaf-Verhaltensstörung sowie die chronische Insomnie und die Reizung der Rotatorenmanschette und des Acromion-Gelenks der rechten Schulter. Die gegenwärtig vorhandene ausgeprägte depressive Symptomatik mit latenter Suizidalität könne mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls als Folge (des Versicherungsfalls) aufgefasst werden. Die MdE betrage 70 vH. In der auf Rückfrage der Beklagten abgegebenen Stellungnahme vom 10. Juli 2003 zu dem Gutachten schätzte Dr. Sch. die MdE mit 50 vH unter Berücksichtigung der bereits vor dem Unfallereignis vorgelegenen psychischen Erkrankung ein und führte aus, nach Rücksprache mit dem Hausarzt des Klägers Dr. K. sei es bei dem Kläger wiederholt nach Belastung (Arbeitsplatzsituation) zu Erschöpfungszuständen mit depressiver Verstimmung gekommen, die innerhalb kurzer Zeit ohne Durchführung einer spezifischen Therapie (lediglich Krankschreibung) vollständig remittierten. Die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung sei (früher) fälschlich gestellt worden. Auch die aufgeführte Diagnose der nichtorganischen Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus treffe nicht zu. Nach der für das Gutachten durchgeführten Computertomografie habe das Schädelhirntrauma sowohl im Bereich des Kleinhirns als auch des Großhirns zu nachhaltigen Verletzungen geführt und sei außerdem mit einer Schrumpfung des Gehirns im Hirnrindenbereich einhergegangen.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Privatdozent Dr. R. das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage vom 6. November 2003. Die Bewertung der Unfallfolgen durch das Gutachten des Dr. Sch. sei nicht schlüssig, weil er von einem Ausmaß der Hirnschädigung ausgehe, die durch die Ergebnisse der Schnittbilduntersuchungen nicht gedeckt sei und Einschätzung der unfallbedingten MdE nicht mit den in seinem Gutachten beschriebenen Leistungsbeeinträchtigungen zu rechtfertigen sei. Während die Strukturveränderung linkstemporal zweifellos als Ausdruck und Folge der erlittenen substanziellen Hirnschädigung anzusehen sei, sei die Vergröberung des Windnungsreliefs, die im Gutachten als deutliche kortikale Atrophie beschrieben werde, eindeutig unfallunabhängig. Den zusammenfassenden Ausführungen im Gutachten sei zu entnehmen, dass sich keine Hinweise auf eine sekundäre, d.h. unfallbedingte Beeinträchtigung der allgemeinen intellektuellen Leistungsfähigkeit habe nachweisen lassen. Vergleiche man die ermittelten Veränderungen mit den anlässlich der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. M. erhobenen Befunde sei ein wesentlicher Unterschied nicht aufzuzeigen. Da durch die unfallunabhängige Neigung zu depressiven Störungen Leistungsminderungen bzw. Leistungsschwankungen bedingt sein könnten, erscheine die im Gutachten von Prof. Dr. Dr. M. vorgenommene Bewertung der durch die eindeutig und zweifelsfrei auf den Unfall zurückzuführenden pathologischen Auffälligkeiten bedingten MdE mit 30 vH angemessen.

Die Beklagte stellte anstelle der Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 vH fest (Bescheid vom 27. November 2003).

Der Kläger hat am 11. April 2003 Klage beim Sozialgericht Konstanz erhoben und unter Bezugnahme auf das Gutachten des Dr. Sch. vom 4. Juni 2003 Rente nach einer MdE von 70 vH begehrt.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts hat Prof. Dr. St. das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten vom 20. Juli 2004 erstattet. Als Folge des Unfalls bestehe ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma mit Merkfähigkeits-, Konzentrations- und Orientierungsstörungen, Antriebslosigkeit, affektive Veränderungen, Kopfschmerzen und Schwindelgefühle sowie eine gewisse gereizt-ängstlich-depressive Verstimmung sowie eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Arms. Das jetzt zu beobachtende klinische Bild sei wohl eher als früher Reinform des hirnorganischen Psychosyndroms, kaum überlagert durch eine gegebenenfalls zu vermutende zusätzlich bestehende depressive Störung, eher mit einigen depressiven Symptomen, welche Folge bzw. Ausdrucksform des hirnorganischen Psychosyndroms selbst sei. Der gesamte beschriebene psychopathologische und neurologische Befund passe ganz typisch zu einem hirnorganischen Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma. Wirklich fundierte Hinweise auf eine eigentliche psychische Erkrankung vor dem Unfallereignis lägen nicht vor und die vorliegenden ärztlichen Befunde sprächen eher dagegen. Die Veränderungen im Schläfenlappen, wo unfallbedingt eine Einblutung stattgefunden habe, seien Unfallfolge. Die Atrophie im vorderen Bereich des Gehirns sei schon auf der ersten Aufnahme vom 1. Juni 2001 und in vergleichbarem Ausmaß auf allen folgenden sichtbar, habe seitdem nicht zugenommen und könne nicht Unfallfolge sein. Angemessen sei eine MdE von 50 vH.

Die Beklagte hat die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. St. vom 8. Dezember 2004 und 7. Juli 2005 vorgelegt. Dem Gutachten des Prof. Dr. St. könne hinsichtlich der erhobenen Befunde gefolgt werden, nicht aber hinsichtlich der Ursachenzuschreibung und der Beurteilung der MdE. Als Folge des Unfalls bestehe eine lokale Hirngewebeschädigung, die an Folgen ein leichtgradiges hirnorganisches Psychosyndrom mit Reaktionsverlangsamung, wahrscheinlich und Störung des räumlichen Orientierungssinns hinterlassen habe. Nach den üblichen Bewertungsmaßstäben rechtfertige dies eine MdE von 20 bis 30 vH. Für die Beurteilung komme es darauf an, dass bereits vor dem Unfallereignis wesentliche affektive Verstimmungszustände mit Suizidhandlungen aufgetreten und (stationär) behandlungsbedürftig geworden seien.

In den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 7. Oktober 2004 und vom 6. April 2005 ist Prof. Dr. St. bei seiner Auffassung geblieben. Die Annahme, der Kläger habe schon vor dem Unfall an einem leichten hirnorganischen Psychosyndrom leiden können, welche sich durch den Unfall nur verschlimmert habe, sei nicht begründbar. Deswegen komme er auch zu einer höheren Einschätzung der MdE.

Das Sozialgericht hat die Bescheide der Beklagten vom 24. Juni 2002 und 27. November 2003 sowie den Widerspruchsbescheid vom 12. März 2003 abgeändert, die Beklagte verpflichtet, dem Kläger wegen des anerkannten Arbeitsunfalls Rente nach einer MdE von 50 vH ab 17. April 2002 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8. Februar 2006). Die mit 50 vH festzusetzende MdE ergebe sich aus dem überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. St. und seiner ergänzenden Stellungnahmen.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 10. Februar 2006 zugestellte Urteil am 9. März 2006, die Beklagte hat gegen das ihr am 17. Februar 2006 zugestellte Urteil am 1. März 2006 Berufung eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, es sei der Tatsache nicht ausreichend Rechnung getragen, dass jedenfalls bis zur Begutachtung durch Prof. Dr. St. entsprechend dem Gutachten des Dr. Sch. eine MdE von 70 vH anzunehmen sei. Psychische Auffälligkeiten vor dem Unfallereignis leugneten weder Prof. Dr. St. noch der Gerichtsbescheid.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Februar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2003 und den Bescheid vom 27. November 2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 17. April 2002 bis 30. Juni 2004 Rente nach einer MdE von 70 vH zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Februar 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, der Gerichtsbescheid und das ihm zu Grunde liegende Gutachten des Prof. Dr. St. berücksichtige nicht in ausreichendem Maße, dass beim Kläger bereits vor dem Unfall Schlafstörungen, Aggressivität und Kopfschmerzen sowie depressive Phasen dokumentiert seien. Das Ausmaß des Psychosyndroms und das Leistungsvermögen des Klägers sei nicht erneut festgestellt worden.

In der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Juli 2006 hat Prof. Dr. St. ausgeführt, es handele es sich um ein mindestens mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom, weshalb bei den mittelgradig ausgeprägten organischen-psychischen Störungen der obere Bereich (der MdE) mit 50 vH sicher angemessen sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des Sozialgerichts sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Gegenstand des Rechtsstreits sind der Bescheid vom 24. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2003 und - in entsprechender Anwendung des § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - der Bescheid vom 27. November 2003, soweit Rente lediglich nach einer MdE in Höhe von 30 vH statt 70 vH für die Zeit vom 17. April 2002 bis 30. Juni 2004 bzw. 50 vH ab 1. Juli 2004 festgestellt wurde.

II.

Auf Grund der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 31. August 2006 (Blatt 30 der LSG-Akte) zu dem Hinweis des Senats, dass die Berufung unzulässig ist, soweit der Kläger mit dem in der Berufungsbegründung vom 10. April 2006 (Blatt 10 der LSG-Akte) eine Rente nach einer Änderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vH ab 1. Juli 2004 begehrt, geht der Senat davon aus (§ 123 SGG), dass der Kläger mit seiner Berufung den Gerichtsbescheid nur bezüglich des Zeitraums vom 17. April 2002 bis 30. Juni 2004 anficht und für diesen Zeitraum eine höhere Rente nach einer MdE von 70 vH begehrt.

Die form- und fristgerechten Berufungen des Klägers und der Beklagten sind zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 31. Mai 2001 Anspruch auf eine Rente nach einer MdE von 50 vH ab 17. April 2002 hat.

III.

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid lagen nicht vor, sodass der angefochtenen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts an einem Verfahrensfehler leidet. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Bereits die erste Voraussetzung ist nicht gegeben. Im gerichtlichen Verfahren sind zu dem Gutachten und den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen des gerichtlichen Sachverständigen beratungsärztliche Stellungnahmen von der Beklagten vorgelegt worden, die teilweise eine abweichende Auffassung vertreten und auch teilweise eine andere Auffassung als das von der Beklagten zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit veranlasste Gutachten des Dr. Sch ...

Der Rechtsstreit ist gleichwohl nicht an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG steht die Entscheidung, ob die Sache bei wesentlichen Mängeln des sozialgerichtlichen Verfahrens an das Sozialgericht zurückverwiesen wird, im Ermessen des Landessozialgerichts. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das berufungsgerichtliche Ermessen auch bei Verfahrensfehlern des Sozialgerichts von erheblichem Gewicht nicht eingeschränkt ist. Bei der Ausübung des Ermessens kommt prozessökonomischen Gesichtspunkten eine erhebliche Bedeutung zu. Im Zweifel ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, den Rechtsstreit selbst zu entscheiden, im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens vorzugswürdig (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 57). Die Zurückverweisung würde lediglich zu einer Verzögerung des Verfahrens führen, was dem Interesse der Beteiligten an einem zügigen Abschluss des Verfahrens widerspricht.

IV.

Nach § 56 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeiten sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Das Unfallereignis am 31. Mai 2001 war ein Arbeitsunfall. Denn der Kläger war auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle, was zwischen den Beteiligten nicht umstritten und auch mit dem Bescheid vom 24. Juni 2002) bestandskräftig anerkannt ist.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der eingetretenen bzw. bestehenden Gesundheitsstörung (haftungsausfüllende Kausalität). Für die Beurteilung der haftungsausfüllenden Kausalität gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie ("conditio sine qua non") nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden. Haben mehrere Bedingungen zu einem Erfolg beigetragen, so sind nur solche Bedingungen wesentlich, die gegenüber anderen von überragender Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung, vgl. zum Ganzen: z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R -; Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.). Was den anzuwendenden Beweismaßstab anbelangt, gelten für das Vorliegen des Ursachenzusammenhangs verminderte Anforderungen. Während die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Einwirkung, Erkrankung - mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein müssen, genügt für den Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung aufgrund der mit der zumeist medizinischen Beurteilung dieses Zusammenhangs bestehenden tatsächlichen Schwierigkeiten eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände, die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R - m.w.N.).

Der Kläger erlitt bei dem Arbeitsunfall ein Schädelhirntrauma. Folge dieses Schädelhirntraumas ist ein hirnorganisches Psychosyndrom. Die Beklagte erkannte als Unfallfolge im Bescheid vom 27. November 2003 an: "Substanzielle Hirnschädigung mit leichtgradigem hirnorganischen Psychosyndrom, Reaktionsverlangsamung, rascher Ermüdbarkeit und Störung des räumlichen Orientierungsvermögens". Streitig ist das Ausmaß des hirnorganischen Psychosyndroms und welche MdE sich hieraus ergibt.

Das Ausmaß des hirnorganischen Psychosyndroms ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur leichtgradig sondern mittelgradig. Es lässt sich nicht feststellen, dass bereits vor dem streitigen Arbeitsunfall ein hirnorganisches Psychosyndrom beim Kläger bestand und es deshalb auf Grund des streitigen Arbeitsunfalls lediglich zu einer Verschlimmerung kam. Der Senat stützt sich - wie auch das Sozialgericht - auf das Gutachten und die ergänzenden Stellungnahmen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. St ... Er hat in für den Senat überzeugender Weise ausgeführt, dass das jetzt zu beobachtende klinische Bild wohl eher als früher Reinform des hirnorganischen Psychosyndroms ist, kaum überlagert durch eine gegebenenfalls zu vermutende zusätzliche bestehende depressive Störung, sondern eher mit einigen depressiven Symptomen, welche Folge bzw. Ausdrucksform des hirnorganischen Psychosyndroms sind. Auf Grund des Unfallereignisses und der durch die radiologische Diagnostik festgestellten Unfallfolgen im Gehirn lässt sich das klinische Bild vollständig erklären. Prof. Dr. St. hat sich im Gutachten (S. 34/36) und in seiner vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 7. Oktober 2004 nach den entsprechenden Einwänden der Beklagten auch mit der psychischen Verfassung des Klägers vor dem Unfall eingehend auseinandergesetzt und ist in für den Senat überzeugender Weise zum Ergebnis gekommen, dass zwar psychische Auffälligkeiten leichterer Art vorhanden waren, wirklich fundierte Hinweise auf eine eigentliche psychische Erkrankung vor dem Unfallereignis nicht vorliegen und die vorliegenden ärztlichen Befunde eher dagegen sprechen sowie nicht den Schluss zulassen, der Kläger habe bereits vor dem Unfall an irgendeiner hirnorganischen Schädigung gelitten. Dies ist unter Berücksichtigung der aktenkundigen Befunde aus der Zeit vor dem streitigen Arbeitsunfall schlüssig. Der Hausarzt des Klägers Dr. K. berichtete gegenüber der Beklagten nur von depressiven Episoden, die sich jeweils ohne fachärztliche psychiatrische Behandlung besserten. Auf diesen Umstand hat neben Prof. Dr. St. auch Dr. Sch. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 7. Juli 2003 nach Rücksprache mit Dr. K. abgehoben mit dem weiteren Hinweis, dass es sich bei den in dem Vorerkrankungsverzeichnis angegebenen Diagnosen nach dem ICD-10 um unspezifische Diagnosen handelt. Auch die stationäre Rehabilitationsmaßnahme im April/Mai 2000 erfolgte nicht unter einer spezifischen psychiatrischen bzw. psychosomatischen Diagnose und in einem psychiatrischen oder psychosomatischen Krankenhaus bzw. einer entsprechenden Abteilung eines Krankenhauses. Auch trat aufgrund dieser stationären Behandlung eine Besserung des psychischen Zustandes ein. Dies bestätigt die von Dr. K. berichtete Besserung der depressiven Episoden. Schließlich konnten auch nach dem Arbeitsunfall aufgetretene psychische Probleme durch die durchgeführte Behandlung wesentlich stabilisiert werden (Berichte des Dr. R. vom 28. Januar 2002 und des Dr. M. vom 12. März 2002).

Daraus ergibt sich auch, dass sich Prof. Dr. St. entgegen der Auffassung der Beklagten (z.B. zuletzt im Schriftsatz vom 22. September 2006) eingehend mit der Abgrenzung von Gesundheitsstörungen, die Unfallfolgen sind, und Gesundheitsstörungen, die nicht Unfallfolgen sind, auseinander gesetzt hat. Er kommt letztlich zu einer anderen Bewertung als die Beklagte gestützt auf das Gutachten und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. Dr. M. und des Prof. Dr. St ... Ihrer Bewertung folgt der Senat nicht. Prof. Dr. Dr. M. und Prof. Dr. St. gehen von einer dauerhaften psychiatrischen Erkrankung aus. Obgleich sie von einer dauerhaften psychiatrischen Erkrankung ausgehe, erklären sie nicht, weshalb dann eine fachärztliche psychiatrische Behandlungsbedürftigkeit nicht bestand. Im Rahmen des stationären Rehabilitationsverfahrens erfolgten zwar psychotherapeutische Gespräche. Diese waren aber - wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat - nur ein Teil der Behandlungsmaßnahmen und standen nicht im Vordergrund der Behandlung, zumal diese nicht in einer psychiatrischen oder psychosomatischen Klinik erfolgte. Schließlich lägen Prof. Dr. Dr. M. und Prof. Dr. St. auch nicht dar, welche behandlungsbedürftigen Folgen der nach den bildgebenden Verfahren bestehenden Hirnatrophie vor dem Unfall vorgelegen haben sollen. Auch insoweit hat Prof. Dr. St. überzeugend dargelegt, dass eine demenzielle Erkrankung nicht vorlag.

Die gutachterliche Beurteilung des Prof. Dr. St. verliert nicht deshalb an Überzeugungskraft, weil er mit Ausnahme des Benton-Tests keine neurophysiologischen Untersuchungen durchführte. Er hat sich insoweit auf die zuvor durchgeführten zahlreichen testpsychologischen Untersuchungen bezogen und ist ersichtlich davon ausgegangen, dass erneute Untersuchungen keine weiterführenden Erkenntnisse ergeben (S. 32 des Gutachtens; S. 3 der ergänzenden Stellungnahme vom 5. April 2005).

Die MdE für die Unfallfolgen beträgt 50 vH. Die MdE richtet sich nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE hängt von zwei Faktoren ab, den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten (BSG SozR Nr. 25 zu § 128 SGG; SozR 2200 § 581 Nr. 6). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 22, 23; SozR 3-2200 § 581 Nr. 5 mwN). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG aaO; zum Ganzen: SozR 4-2700 § 56 Nr. 1 mwN).

Nach den Erfahrungswerten beträgt die MdE bei Hirnschäden mit Leistungsbeeinträchtigung geringen Grades 10 bis 20 vH, mittelschweren Grades 30 bis 50 vH, schweren bis schwersten Grades 60 bis 100 vH bzw. bei Hirnschädigung mit organisch-psychischen Störungen (Hirnleistungsschwäche und organische Wesensänderung) leicht 20 bis 40 vH, mittelgradige 40 bis 50 vH, schwer 60 bis 100 vH (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, S. 275; Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 146 f). Wie sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. St. ergibt, bestehen deutliche Gleichgewichtsstörungen, eine leichte Verlangsamung, eine ausgeprägter Antriebslosigkeit, eine reduzierte Affektivität und Störungen der Merkfähigkeit sowie des Langzeitgedächtnisses. Dies rechtfertigt die die Einschätzung des Prof. Dr. St., dass ein mittelgradiges hirnorganisches Psychosyndrom besteht. Damit ist die Bewertung der MdE mit 50 vH angemessen. Der höheren Bewertung der MdE durch Dr. Sch. mit 70 vH folgt der Senat nicht, weil Dr. Sch. in diese Bewertung ein depressives Syndrom mit einbezieht. Ein depressives Syndrom hatte sich nach den Ausführungen des Prof. Dr. St., die der Senat seiner Entscheidung zu Grunde legt, zum Zeitpunkt der Untersuchung durch ihn deutlich gebessert.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Da beide Beteiligte mit ihren Berufungen nicht erfolgreich waren, ist es angemessen, dass die ihnen entstandenen außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten sind.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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