L 12 KA 677/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 43 KA 167/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 677/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 8/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten wird unter der Maßgabe zurückgewiesen, über den klägerischen Antrag gemäß der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts erneut zu entscheiden.
II. Die Kosten beider Rechtszüge hat der Kläger zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5 zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Verpflichtung des Klägers, am allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst teilzu- nehmen.

Der Kläger ist als Arzt für Neurologie und Psychiatrie ver- tragsärztlich in C. in Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehegattin - einer Ärztin/Psychotherapie - zugelassen.

Mit seinem am 17. Juni 2002 eingegangenen Schreiben beantragte er die Befreiung vom ärztlichen Notfalldienst, da er nahezu ausschließlich verbalmedizinisch und nicht organmedizinisch tä- tig sei.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass er als Nervenarzt verpflichtet sei, am allgemeinen Notfalldienst teilzunehmen. Die Befreiungen bestimmter Fachgruppen gemäß § 1 Abs.2 Satz 2 der Bereitschaftsdienstordnung erfasse nicht die Arztgruppe der Nervenärzte, auch wenn der Nervenarzt den Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit in einem bestimmten Bereich habe.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass eine Heranziehung von an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten nach der Gliederung der ambulanten Versorgung in einen haus- und einen fachärztlichen Versorgungsbereich unzulässig sei, wenn eine Heranziehung zum allgemeinen ärztlichen Bereitschaftsdienst erfolge. Fachärzte könnten den hausärztlichen Notdienst nicht in der erforderlichen Qualität erbringen. Zudem sei die Vorhaltung fachfremder Notdienstartikel und die Be- stückung des Notdienstkoffers, insbesondere mit verfallbedrohten Medikamenten, hochgradig unwirtschaftlich. Unwirtschaftlich sei auch die erhöhte Krankenhauseinweisungsquote der Fachärzte im kassenärztlichen Notfalldienst im Vergleich zu den Diensten der Hausärzte. Aus zeitlichen Gründen sei ihm eine Fortbildung in der Notfallmedizin, insbesondere durch den Erwerb allgemeinmedizinischer Kenntnisse, nicht möglich.

Im Übrigen begründeten auch individuelle Umstände einen Befreiungsanspruch. Er sei seit 1988 niedergelassen und habe seither keinen allgemeinärztlichen Notfalldienst deshalb verrichtet, da er die Dienste auf einen qualifizierten Vertreter delegieren habe können. Nunmehr sei er nicht mehr in der Lage, den ärztlichen Notfalldienst zu erbringen, da er die hierfür erforderlichen Kenntnisse nicht mehr besitze, zumal er in seiner Praxistätigkeit fast ausschließlich psychiatrisch und psychotherapeutisch arbeite. Im Übrigen sei der allgemeinärztliche Notfalldienst geeignet, ihn wegen seines maßlos überfordernden Charakters psychisch und physisch bzw. psychosomatisch zu schädigen. Die Grenze der eigenen psychischen Belastbarkeit werde durch die berufsspezifischen Belastungen im Rahmen der Versorgung psychisch Kranker mit einem täglich ca. zehn- bis zwölfstündigen persönlichen Patientenkontakt in vollem Umfang ausgeschöpft bzw. bereits überschritten. Für zusätzliche Belastungen besitze er keine Ressourcen mehr. Seine Praxisbesonderheit einer fast ausschließlich gerontopsychiatrischen und psychiatrischen Praxis sei im Rahmen eines Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens 3/97 festgestellt worden. Psychiater seien aber vom allgemeinärztlichen Notfalldienst in der KVB freigestellt. Er sei daher nach der Bereitschaftsdienstordnung mangels Eignung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst auszuschließen.

Die Bereitschaftsdienstgruppe 301 des Rettungsdienstbereiches C. umfasste im Jahre 2004 mit dem Kläger 77 Ärzte. Neben hausärztlichen Internisten und Allgemeinärzten nahmen daran im Jahre 2004 auch Radiologen, Neurologen, fachärztliche Internisten, ärztliche Psychotherapeuten, Hautärzte und ein MKG-Chirurg teil.

Der Dienstplan des Jahres 2004 enthält diverse Notfalldienst- einteilungen des Klägers, den dieser durch einen anderen Arzt wahrnehmen ließ.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 21. Januar 2004 zu- rückgewiesen. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass eine strikte Trennung zwischen haus- und fachärztlichem Bereit- schaftsdienst aus Sicherstellungsgründen nicht überall möglich sei. Gemäß § 1 Abschnitt 1 der seit 1. Januar 2003 geltenden neuen Bereitschaftsdienstordnung (i. f. BDO 2003) müsse für die Einrichtung von fachärztlichen Bereitschaftsdiensten ein Versorgungsbedarf bestehen. Die Arztgruppe der Nervenärzte sei auch nicht gemäß § 1 Abs.4 BDO 2003 durch Vorstandsbeschluss von der Teilnahme am Bereitschaftsdienst befreit. Ein Befreiungsgrund gemäß § 13 Abs.1 der BDO 2003 liege nicht vor, da ein schwerwiegender Grund für eine vorübergehende oder dauerhafte, totale oder teilweise Befreiung nicht bestehe. Im Übrigen sei der Arzt gemäß § 26 Abs.4 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns verpflichtet, sich für den Bereitschaftsdienst fortzubilden, wenn er nicht auf Dauer von der Teilnahme befreit sei. Auch unter Berücksichtigung des ausführlichen Widerspruchs- schreibens könne eine Ausnahmegenehmigung nicht erteilt werden, da die Gefahr bestünde, dass vielfach Ausnahmegenehmigungen be- antragt würden, so dass ein ordnungsgemäßer Bereitschaftsdienst nicht mehr gewährleistet wäre. Daher könne hier nicht von der generellen Regelung abgewichen werden, auch unter dem Gesichts- punkt, dass durch eine Befreiung im Verhältnis zu anderen Ärzten gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen würde. Es stehe dem Arzt aber frei, weiterhin von der zugelassenen Delegationsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Im Übrigen bestehe nach § 13 Abs.2 der BDO 2003 die Möglichkeit der widerruflichen Befreiung, wenn gegenüber der Bezirksstelle ein qualifizierter Nichtvertragsarzt benannt werde, der die Voraussetzungen für eine Ermächtigung nach § 31 Abs.2 Ärzte-ZV und § 11 Abs.1 BDO 2003 erfülle.

Dagegen hat der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Wider- spruchsvorbringens Klage zum Sozialgericht München erhoben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung sind die Abrechnungsstatistiken 1/01, 2/01, 3/03 und 4/03 vorgelegt worden. Aus denen geht hervor, dass der Kläger die EBM-Nrn.800 bis 818 abrechnete. Ausweislich der Sitzungsniederschrift hat der Kläger eingeräumt, neurologische Leistungen in Einzelfällen zu erbringen, jedoch keine neuen Patienten auf neurologischem Fachgebiet mehr aufzunehmen. Er sehe sich in Einzelfällen noch zur Erbringung dieser speziellen Leistungen in der Lage, aber nicht zur Er- bringung der allgemeinmedizinischen Leistungen an Patienten. Durch die Entscheidung der Beklagten drohten ihm haftungs- rechtliche und strafrechtliche Folgen.

Aus dem vorgelegten Bescheid des Prüfungsausschusses Ärzte Oberfranken vom 20. Januar 1999 betreffend Wirtschaftlichkeitsprüfung der Verordnungstätigkeit 3/97 geht die Feststellung des Gremiums hervor, dass es sich um eine fast ausschließlich gerontopsychiatrische und psychiatrische Praxis handele. Eine unwirtschaftliche Verordnungsweise sei nicht zu erkennen (Durchschnittswertprüfung).

Das in der Verwaltungsakte enthaltene Schreiben der KVB-Hauptstelle an die Bezirksstellen vom 18. Dezember 2000 nennt die gemäß § 1 Abs.2 Satz 2 BDO 2003 von der Teilnahme am allgemeinen Bereitschaftsdienst befreiten Arztgruppen. Zu denen gehören Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für psychotherapeutische Medizin und psychotherapeutisch tätige Ärzte, jedoch nicht Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie.

Mit Urteil vom 22. Juni 2004 hob das Sozialgericht München den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf und verurteilte die Beklagte, über den Antrag des Klägers auf Befreiung vom ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass der Kläger verlan- gen könne, von der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst dauerhaft befreit zu werden. Es lägen schwerwiegende Gründe vor, die die Grenze der Zumutbarkeit überschritten und eine Befreiung des Klägers geböten. Zwar verstoße die Heranziehung von fachärztlich versorgenden Vertragsärzten zum allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienst grundsätzlich nicht gegen höherrangiges Recht. Es bestünden aber im Ergebnis schwerwiegende individuelle Gründe, die die Beklagte nicht ausreichend berücksichtigt habe. Denn es handle sich um eine fast ausschließlich gerontopsychiatrische und psychiatrische Praxis. Der Kläger habe seit 1988 selber keinen einzigen Notfalldienst mehr erbracht, weil er immer auf die Möglichkeit zurückgegriffen habe, sich vertreten zu lassen. Diese Besonderheiten seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Auch wenn der Vorstand die Fachgruppe der Nervenärzte grundsätzlich als geeignet ansehe, am Notfalldienst teilzunehmen, so habe die Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung bei der Entscheidung über den Antrag auf Befreiung immer noch die besonderen individuellen Umstände zu berücksichtigen. Hier lägen solche besonderen Umstände vor, die die Darstellung des Klägers stützten. Er sei nicht geeignet, in praxisbezogener Fachkunde den typischen Notfallsituationen des Praxisdienstes in der Regel wenigstens mit Sofortmaßnahmen bis zum Einsetzen der normalen ärztlichen Versorgung gerecht zu werden.

Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialge- richt eingelegt. Zur Begründung wird darauf hingewiesen, dass, wenn auch die Beklagte die Arztgruppen der Psychiater und Psy- chotherapeuten, der psychotherapeutischen Mediziner sowie die ausschließlich und überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärz- te von der Teilnahme am hausärztlichen Bereitschaftsdienst be- freit habe, der Kläger keiner dieser Fachgruppen angehöre. Die Arztgruppe der Neurologen sei eben nicht befreit worden. Der Kläger sei auch nicht überwiegend oder ausschließlich psycho- therapeutisch tätig. Die in der Praxis des Klägers im Zeitraum 4/03 bis 3/04 erbrachten psychotherapeutischen Leistungen lägen gerade einmal bei 5,72 %. Sofern dann festgestellt werde, dass der Kläger nicht geeignet sei, mit praxisbezogener Fachkunde den typischen Notfallsituationen gerecht zu werden, verstoße der Kläger damit gegen seine nach § 26 Abs.2 der Berufsordnung bestehende Fortbildungspflicht. Im Übrigen widerspreche die klägerische Argumentation zur fachlichen Ungeeignetheit den Ausführungen im früheren Verfahren des Klägers S 6 KA 9/03 bzw. L 12 KA 269/04. Dort habe er beantragt, neben seiner fachärzt- lichen Zulassung auch an der hausärztlichen Versorgung teilneh- men zu dürfen. Der Kläger habe dort argumentiert, dass die Durchführung der in § 73 Abs.1 SGB V aufgelisteten hausärztli- chen Tätigkeiten unabdingbar sei, um eine adäquate nervenärzt- liche Versorgung der Patienten gewährleisten zu können. Die hausärztliche Tätigkeit sei aus medizinischen Gründen erforder- lich, um die Tätigkeit als Nervenarzt überhaupt ausüben zu kön- nen. Damit stelle sich die Frage, warum er sich nicht in der Lage sehe, typischen Notfallsituationen gerecht zu werden.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialge- richts München vom 22. Juni 2004 zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für im Ergebnis und in den Gründen für zutreffend. Richtig sei, dass er einen Antrag auf gleichzeitige Zulassung auch an der hausärztlichen Versor- gung gestellt habe. Bei den in § 73 Abs.1 SGB V aufgelisteten Tätigkeiten handele es sich um rein verwaltungstechnisch forma- le Tätigkeitsbeschreibungen, die nichts über das medizinische Können bzw. die medizinische Tätigkeit aussagten.

Der Senat hat die Abrechnungsstatistiken der Quartale 2/05 bis 4/05 angefordert. Daraus ergibt sich eine Fallzahl der Ge- meinschaftspraxis von 810 kurativen Patienten sowie die Abrech- nungen der Sonderleistungen nach GOP 35130, 35140, 35150, 35200, 35201 und 35300.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezo- genen Beklagtenakte, der beigezogenen Streitakte des Sozialge- richts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozi- algerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich als überwiegend begründet.

Die Heranziehung des Klägers zum Bereitschaftsdienst kann sich auf eine ausreichende und wirksame Ermächtigungsgrundlage stützen. Insbesondere ist ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht in Gestalt von Art.12 GG nicht erkennbar. Insoweit vertritt auch das Sozialgericht keine abweichende Meinung.

Indes bestehen, im Gegensatz zu der im Urteil des Sozialgerichts München vom 22. Juni 2004 niedergelegten Auffassung, - allein abgesehen von der Notwendigkeit der Einräumung einer Schonfrist zur Auffrischung der eigenen, nach den insoweit unwiderlegten klägerischen Angaben verblassten bereitschaftsdienstmedizinischen Kenntnisse - keinerlei individuellen Gründe, die eine Belastung des Klägers mit der Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst vor Art.12 GG als unzumutbar erscheinen lassen. Auch liegen eine dauerhafte Befreiung tragende Gründe im Sinne des § 5 der Bereitschaftsdienstordnung der KÄV Bayern vom 11. März 2006 (i. f. BDO 2006), die am 1. April 2006 in Kraft getreten ist und die die seit dem 1. Januar 2003 geltende Bereitschaftsdienstordnung außer Kraft gesetzt hat, welche wiederum die Bereitschaftsdienstordnung vom 1. Juli 1999 abgelöst hatte, nicht vor.

Aus diesem Grund war die im angefochtenen Urteil vorgenommene Aufhebung des Bescheids vom 21. Oktober 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2004 formal zu bestätigen. Das angefochtene Urteil war jedoch abzuändern, als darin zur Neuentscheidung nach Maßgabe der mitgeteilten Urteilsgründe des Sozialgerichts verpflichtet wurde. Vielmehr hat die Beklagte die Neuentscheidung nur nach Maßgabe der für sie günstigeren Rechtsauffassung des Senats zu treffen, die ausschließlich von einem kurzeitigen und befristeten Befreiungsanspruch zur Auffrischung bereitschaftsdienstärztlicher Kenntnisse ausgeht. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist kraft seiner Zulassung als Nervenarzt zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst gesetzlich verpflichtet.

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zum hausärztlichen (frühere Terminologie: allgemeinen) Bereitschaftsdienst ist §§ 95 Abs.3, 75 Abs.1 Sätze 1 und 2, 79 Abs.3 Ziffer 1, 81 Abs.1 Ziffer 4 SGB V i.V.m. § 1 ff. BDO 2006. Nach § 75 Abs.1 Satz 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Als Fortsetzung dessen bestimmt Absatz 2, dass die Sicherstellung auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten umfasst. Kraft seiner Zulassung ist nach § 95 Abs.3 SGB V jeder Vertragsarzt zur Teilnahme am durch die KÄV organisierten Bereitschaftsdienst nach Maßgabe der satzungsrechtlichen Regelungen verpflichtet. Aus dem in § 75 Abs.1 SGB V formulierten Sicherstellungsauftrag und den dazu ergangenen Bereitschaftsdienstordnungen ergibt sich eine ausreichende Rechtsgrundlage sowohl für die Einrichtung eines besonderen kassenärztlichen Notfalldienstes als auch für die Verpflichtung der Kassenärzte zur Teilnahme hieran (BSG v. 12. Oktober 1994-6 RKA 29/93; BSG v. 28. Oktober 1992-SozR 3-2500 § 75 Nr.2).

Zur Regelung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat die Be- klagte durch ihre Bereitschaftsdienstordnung vom 11. März 2006, in Kraft seit 1. April 2006, die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte satzungsrechtlich geregelt. Danach stellt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns mit ihren Mitgliedern den ärztlichen Bereitschaftsdienst als Notdienst im Sinne von § 75 Abs.1 Satz 2 SGB V sicher (§ 1 Abs.1 BDO 2006). Der ärztliche Bereitschaftsdienst soll in Erfüllung des § 73 Abs.1 SGB V regional in hausärztliche und in fachärztliche Bereitschaftsdienste gegliedert werden, sofern und solange örtlich ein Versorgungsbedarf für die Einrichtung fachärztlicher Bereitschaftsdienste besteht und die Organisation des hausärztlichen Bereitschaftsdienstes hierdurch nicht gefährdet wird (§ 8 Abs.1 - 3 BDO 2006). Am hausärztlichen Bereitschaftsdienst nehmen prak- tische Ärzte, Allgemeinärzte und hausärztlich tätige Internisten nebst den Kinder- und Jugendärzten teil. Ärzte anderer Fachgruppen nehmen am hausärztlichen Bereitschaftsdienst teil, sofern sie keinen eigenen fachärztlichen Bereitschaftsdienst vorhalten (§ 1 Abs.4 BDO 2006). Nach § 1 Abs.5 BDO 2006 sind bestimmte Arztgruppen, darunter Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, für Psychiatrie und Psychotherapie, für psychotherapeutische Medizin, überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, von der Teilnahme am hausärztlichen Bereitschaftsdienst befreit. Die Arztgruppen der Nervenärzte bzw. der Neurologen sind dagegen nicht befreit.

Die bis zum 31. März 2006 geltende Bereitschaftsdienstordnung hatte im wesentlichen inhaltsgleiche Regelungen enthalten (vgl. § 1 BDO 2003). Allein die Befreiung bestimmter Arztgruppen war nicht in der Satzung selbst geregelt worden, sondern war der Beschlussfassung des Vorstands überlassen (vgl. § 1 Abs.4 BDO 2003). Auf dieser Grundlage hatte der Vorstand der KVB bereits zuvor die Arztgruppen der Psychiater und Psychotherapeuten sowie der psychotherapeutischen Mediziner von der Teilnahme allgemein befreit.

Im Gegensatz zu der früheren satzungsrechtlichen Ausgestaltung in der BDO 1999 ist eine allgemeine und unkonditionierte Delegationsmöglichkeit des Dienstes nicht mehr gegeben. Abgesehen von der Möglichkeit der Dienstwahrnehmung durch einen Vertreter bei Vorliegen der Vertretungsgründe des § 32 Abs.1 Ärzte-ZV muss der Dienst persönlich wahrgenommen werden (§ 2 Abs.2 BDO 2006). Die neue Regelung sieht auch gegenüber der BDO 2003 eine Verschärfung vor. Dort war gem. § 10 Abs.2 BDO 2003 eine Vertretung auch "in besonderen Fällen" sowie gem. § 13 Abs.2 BDO 2003 ein Befreiungsanspruch bei Benennung eines leistungsbereiten und qualifizierten Nichtvertragsarztes vorgesehen gewesen. Dieser war nach Ermächtigung dienstverpflichtetes Mitglied der Bereitschaftsdienstgruppe geworden.

Im Sinne einer parallelen berufsrechtlichen Regelung enthalten die Heilberufs- und Kammergesetze der Länder ebenfalls eine Verpflichtung der Ärztekammern zur Organisation eines allgemeinen Notdienstes nebst einer berufsrechtlichen Verpflichtung aller approbierten Ärzte zur Teilnahme hieran, die über die Landesberufsordnungen konkretisiert wird. Dies ergibt sich aus Art.18 Abs.1 Ziffer 1 BayHKaG in der Fassung vom 24. Dezember 2005 (GVBl.2002 S.42; GVBl.2005 S.565) und aus § 26 Abs.1 der darauf beruhenden Berufsordnung für die Ärzte Bayerns. Diese parallelen Verpflichtungen zur Teilnahme an den Bereitschaftsdiensten sind im Gebiet der Beklagten dadurch aufgelöst, dass die Sicherstellung des Bereitschaftsdienstes allein durch diese für die Gesamtbevölkerung auf der Grundlage der eigenen Notfall- und Bereitschaftsdienstsatzung erfolgt. Die Rechtsprechung hat eine solche Kooperation von Landesärztekammern und örtlicher KÄV zum Zwecke der Aufgabenerfüllung für zulässig erachtet (BSG v. 28. Oktober 1992 - 6 RKA 2/92- SozR 3-2500 § 75 Nr.2).

Die Heranziehung von Ärzten, die dem fachärztlichen Versor- gungsbereich angehören, zum allgemeinen/hausärztlichen Bereit- schaftsdienst im Falle des Fehlens eines entsprechenden fach- ärztlichen Bereitschaftsdienstes verstößt auch nicht gegen hö- herrangiges Recht (siehe bereits BayLSG v. 8. Juni 2005 - L 12 KA 369/04, Rev. anh.: B 6 KA 43/05). Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 73 Abs.1 bzw. 1 a SGB V vor, der eine Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in einen hausärztli- chen und einen fachärztlichen Versorgungsbereich enthält, wobei Neurologen kraft Gesetzes dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugerechnet werden (jüngst: BSG v. 6. September 2006 - B 6 KA 43/05 R). Wie der Katalog des § 73 Abs.1 Satz 2 SGB V zeigt, umfasst die hausärztliche Versorgung u.a. die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfelds sowie die Koordination diagnostischer therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen. Die Versorgung im ärztlichen Bereitschaftsdienst umfasst dagegen die unaufschiebbaren Untersuchungen, Behandlungen und Beratungen aller Patienten, soweit diese bis zur regulären ambulanten Behandlung außerhalb der Kern- zeiten des ärztlichen Bereitschaftsdienstes oder bis zur stationären Behandlung notwendig, zweckmäßig und ausreichend ist (vgl. Präambel der BDO 2006; vgl. zur früheren Rechtslage inhaltsgleich: § 9 Abs.1 BDO 2006).

Der Bereitschaftsdienst ist somit nicht die zusätzliche Versor- gung in sprechstundenfreien Zeiten, sondern beinhaltet nur die Versorgung von Notfällen (vgl. 73 Abs.1 Satz 2 SGB V). Ein Notfall liegt vor, wenn eine dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein teilnahmeberechtigter Behandler mangels Erreichbarkeit, Umfang des Teilnahmerechtes, Qualifikation oder eigener Bereitschaft zur Behandlungsübernahme nicht rechtzeitig zur Verfügung steht. Dringende Behandlungsbedürftigkeit liegt dabei vor, wenn bei ex-ante - Betrachtung ohne sofortige Behandlung Gefahren für Leib und Leben bestehen oder Schmerzen unzumutbar lange dauern würden. Der bereitschaftsdienstärztliche Aufgabenkreis deckt sich mit der hausärztlichen Versorgung im Sinne des § 73 Abs.1 SGB V und stellt einen Versorgungssonderfall dar, der von Fach- und Hausärzten gleichermaßen kraft ihrer medizinischen Grundausbildung zu beherrschen ist.

Auch verstößt die Heranziehung nicht gegen Art.12 GG. Denn der Vertragsarzt ist gemäß § 95 Abs.3 SGB V bereits aufgrund seiner Zulassung kraft Gesetzes zur Teilnahme an der vertragsärztli- chen Versorgung in dem durch den Sicherstellungsauftrag festge- legten Umfang, mithin einschließlich des Bereitschaftsdienstes verpflichtet. Mit der Heranziehung zum Bereitschaftsdienst werden den Vertragsärzten daher keine neuen im Gesetz nicht vorgesehenen Berufspflichten auferlegt. Vielmehr wird lediglich eine der vertragsärztlichen Tätigkeit von vornherein immanente Ein- schränkung der Berufsfreiheit näher konkretisiert (BSG v. 12. Oktober 1994 a.a.O., auch zur Gesetzgebungszuständigkeit).

Nichts anderes ergibt sich für die Arztgruppe der Nervenärzte. Wie ausgeführt, sind grundsätzlich Ärzte sämtlicher Weiterbildungsgebiete verpflichtet, an einem allgemeinen bzw. hausärztlichen Bereitschaftsdienst teilzunehmen, wenn ihr Gebiet nicht durch einen besonderen fachärztlichen Notdienst repräsentiert wird. Dies erscheint für diese nicht im Lichte des Art.12 GG unzumutbar. Denn kraft ihrer medizinischen Grundausbildung und der Ablegung des ärztlichen Staatsexamens erscheinen im Grundsatz sämtliche Vertragsärzte aller Gebiete gleichermaßen, darunter auch sämtliche Nervenärzte, für eine Dienstteilnahme geeignet (BSG vom 15. September 1977 - SozR 2200 § 368 n Nr.12).

Dies schließt die Befreiung einzelner Arztgruppen nach Maßgabe der Bereitschaftsdienstsatzungen nicht aus, solange nicht in sachwidriger Weise differenziert wird (Art.12 GG, Art.3 GG). Die Befreiung rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass trotz Erwerb entsprechender Kenntnisse in der Ausbildung bestimmten Arztgruppen die Bereitschaftsdienstteilnahme kraft ihres an die Facharztbezeichnung anknüpfenden Zulassungsstatusses unzumutbar sein kann, weil sie ihre erworbenen Kenntnisse aufgrund der Art ihrer täglichen Versorgungsarbeit nicht erhalten und pflegen können.

Die Nichtbefreiung der Arztgruppe der Nervenärzte lässt einen Grundrechtsverstoß nicht erkennen. Ein ausreichendes Differenzierungskriterium der Gruppen der Ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, der Ärzte für psychotherapeutische Medizin und der ausschließlich und überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärzte einerseits sowie der Arztgruppe der Nervenärzte Ärzte für Neurologie und Psychiatrie) andererseits ergibt sich bereits aus den Definitionen und den Beschreibungen der Weiterbildungsinhalte der Bayer. Weiterbildungsordnung (i. f. WBO Bayern; in Kraft getreten am 1. August 2004). Das Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie umfasst die Vorbeugung, Erkennung und Behandlung primär psychischer, psychotherapeutischer und psychosomatischer Erkrankungen und Störungen. Der Weiterbildungsinhalt des Nervenarztes bzw. des Neurologen und Psychiaters (eine entsprechende Facharztqualifikation ist nach der WBO 2004 nicht mehr erwerbbar) beinhaltete dagegen auch die Diagnostik, Prävention und nicht operative Therapie bei Erkrankungen des zentralen peripheren und vegetativen Nervensystems und damit einen wesentlich stärker ausgeprägten somatischen Bezug (vgl. WBO Bayern i.d.F.v. 13. Oktober 1996). Kraft seines Teilnahmerechts trifft den Nervenarzt grundsätzlich eine Sachleistungserbringungspflicht hinsichtlich somatischer Leistungen. Damit bestehen zwischen den Arztgruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die unterschiedliche Behandlung in diesem Teilaspekt der Berufsausübung rechtfertigen (BVerfGE 55, 72/78; 99, 129/139).

Soweit der Kläger eine besondere Praxisausrichtung in Gestalt der überwiegenden psychiatrischen Tätigkeit geltend macht, ist dies im Rahmen der Prüfung individueller Gründe für eine Befreiung zu prüfen. Der Satzungsgeber kann nicht verpflichtet werden, auf dieser Stufe Befreiungsregelungen für besondere Praxisausrichtungen eines Gebietes zu schaffen. Dies muss der Einzelfallprüfung vorbehalten werden.

Auch soweit vorgetragen wird, der fachfremd tätige Arzt müsse eine Notfallausrüstung vorhalten, ist zu entgegnen, dass Ärzte aller Gebietsgruppen kraft ihrer medizinischen Ausbildung bis zur Approbation befähigt und verpflichtet sind, einen Notfall, der sich in ihrer Praxis ereignet, entsprechend zu versorgen und eine entsprechende sachliche und arzneiliche Ausstattung vorzuhalten.

Da ein örtlicher fachärztlicher Bereitschaftsdienst nicht gebildet ist und sich zudem diese Entscheidung als nicht ermessensfehlerhaft darstellt (§§ 1 Abs.4 Buchst. c, 2 BDO 2006), ergibt sich somit die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Klägers zum hausärztlichen Bereitschaftsdienst.

Auch ist dem Kläger weder die Teilnahme aus individuellen Grün- den vor Art.12 GG unzumutbar, noch bestehen schwerwiegende Gründe im Sinne des § 5 BDO 2006.

Eine Verletzung des Art.12 GG aufgrund einer Unzumutbarkeit der zusätzlichen Belastung lässt sich nur dann begründen, wenn die persönlichen Gründe, die für eine Befreiung sprechen, bei Abwägung mit den überragenden Gemeinwohlbelangen der Versorgungssicherstellung bei grundsätzlicher Geeignetheit aller Vertragsärzte derart überwiegen, dass die Heranziehung als unverhältnismäßig erscheint (BSG v. 4. Mai 1994 - 6 RKA 7/93 - USK 94134). Nur dann, wenn besondere, über das übliche Maß hinausgehende Belastungen, sogenannte "schwerwiegende Gründe", vorliegen, ist die Grenze überschritten und eine Befreiung geboten.

Daran anknüpfend bestimmt § 5 Abs.1 S. 1 BDO 2006 (vgl. zur früheren Rechtslage: § 13 BDO 2003) die Möglichkeit einer vorübergehenden, dauerhaften, totalen oder teilweisen Befreiung bei Vorliegen solcher schwerwiegenden Gründe. Satz 2 zählt in einer "Insbesondere-Verknüpfung" mehrere Gründe auf, die sich letztlich mit der berufsrechtlichen Regelung zur Befreiung in § 26 Abs.1 BO Bayern decken und darüber hinausgehen. Auch dort wird auf das Vorliegen schwerwiegender Gründe abgestellt. In einer "Insbesondere-Verknüpfung" werden ebenfalls Einzelgründe genannt. Das Vorliegen der in § 5 Abs.1 Satz 2 Nrn. a bis g BDO gelisteten Befreiungsgründe wurden vom Kläger weder behauptet noch sind insoweit Anhaltspunkte erkennbar. Der Kläger hat vielmehr auf die Belastungen aus seiner Praxistätigkeit und seine gesunkene Eignung aufgrund Nichtwahrnehmung des Notdienstes in eigener Person und auf seine langjährige psychiatrische und psychotherapeutische Tätigkeit abgestellt. Insbesondere wurde das Vorliegen diensthindernder Gesundheitsstörungen nicht behauptet.

Soweit der Kläger auf höhere Belastungen aufgrund seiner Praxistätigkeit in Gestalt einer übergroßen Praxis und eine umfangreiche Beanspruchung verweist, erscheint dieser Einwand zur Begründung schwerwiegender Gründe irrelevant (BSG v. 11. Juni 1986 - 6 RKA 5/85 - MedR 1987, 122; LSG Baden-Württemberg v. 29. Januar 1997 - L 5 KA 1664/96). Die gemeinsame Aufgabe aller Kassenärzte erfordert eine Heranziehung aller Mitglieder in gleichbelastender Weise. Solange der Vertragsarzt seiner beruflichen Tätigkeit uneingeschränkt nachgeht, somit die wirtschaftlichen Möglichkeiten des freien Berufes voll nutzt, kann er unter Berufung darauf keine Freistellung auf Kosten Anderer begehren, die möglicherweise diese wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht derart umfänglich nutzen.

Dagegen mag zutreffen, dass die bereitschaftsdienst-/allgemeinmedizinischen Kenntnisse des Klägers durch die Nichtwahrnehmung des Bereitschaftsdienstes in den letzten zehn Jahren und durch seine vorwiegend psychiatrisch ausgerichtete Praxistätigkeit verblassten und er sich allein deshalb als derzeit ungeeignet darstellt. In der Tat vermag der Einwand mangelnder Eignung aufgrund Verflachung entsprechender allgemeinmedizinischer Kenntnisse durch eine spezielle fachärztliche Tätigkeit in langen Jahren nach der Approbation die Teilnahmeverpflichtung als unzumutbar erscheinen zu lassen, sofern dem Betroffenen innerhalb einer angemessenen Schonfrist nicht zuzumuten ist, sich medizinisch fortzubilden. Die Feststellungslast hierfür trägt der Arzt (BSG v. 15. September 1977 - 6 RKA 8/77 - BSGE 44, 252 ff.; LSG Niedersachsen v. 25. Oktober 2001 - L 3/5 KA 67/69).

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, in den letzten zehn Jahren keinen Notdienst in eigener Person wahrgenommen zu haben, weil er von der früher vorgesehenen, unkonditionierten Dienstdelegationsmöglichkeit Gebrauch gemacht hatte. Bei Würdigung seiner Praxisausrichtung sieht der Senat den klägerischen Einwand der derzeitigen und bis zu einer Auffrischung fehlendener Eignung als glaubhaft an.

Geht man von einer derzeitigen mangelnden Eignung aus, erscheint es dem Kläger aber nicht unzumutbar, sich raschest möglich entsprechend fortzubilden. Hinzuweisen ist darauf, dass der Kläger keineswegs in der Vergangenheit von der Teilnahme am allgemeinärztlichen Bereitschaftsdienst befreit war. Vielmehr hat er seinen Dienst nach damaligem Satzungsrecht zulässigerweise permanent delegiert. Auch angesichts des Alters des Klägers erscheint die Fortbildung nicht unzumutbar. Ferner war er in der Vergangenheit trotz Delegation zur Aufrechterhaltung seiner Kenntnisse und ggf. Wahrnehmung von Fortbildungsmöglichkeiten verpflichtet. Dies ergibt sich bereits aus § 26 Abs.4 BO. Danach besteht eine Fortbildungspflicht bezüglich des Notfalldienstes, sofern der Arzt von der Dienstteilnahme nicht dauerhaft befreit gewesen ist. I.Ü. hat eine entsprechende Pflicht auch gemäß § 12 Abs.2 BDO 2003 bestanden. Sie besteht heute aufgrund von § 4 Abs.2 BDO 2006 fort. Berufsrechtliche Pflichten werden durch die vertragsärztliche Zulassung nicht eliminiert.

Daher ist dem Kläger lediglich eine Schonfrist einzuräumen, bis zu deren Ablauf er durch eigene Fortbildung seine Eignung wieder herzustellen hat. Allein in diesem engen Rahmen besteht ein Anspruch auf vorübergehende und kurzzeitige Befreiung, zumal die Beklagte bisher mit einer entsprechenden Fortbildungsaufforderung nicht an den Kläger herangetreten ist. Die Beklagte kann einen Arzt, der sich zur Mitwirkung am Bereitschaftsdienst für nicht (mehr) geeignet hält und (auch) deshalb seine Befreiung beantragt und nach Ablehnung Rechtsmittel ergreift, "beim Wort nehmen" und schon während des Rechtsstreits zu Fortbildungsmaßnahmen auffordern, die der Auffrischung und Wiedererlangung der verblassten Kenntnisse dienen (BSG v. 15. September 1977 - 6 RKa 8/77 - BSGE 44, 252, 258 unten). Seine erfolgreiche Fortbildung muss der Vertragsarzt selbst organisieren. Er kann nicht auf die Nichtexistenz von Fortbildungsangeboten der KÄV verweisen. Lässt der Kläger die Frist nutzlos verstreichen oder stellt er sich danach gleichwohl als ungeeignet dar, wäre an seiner Eignung zur Teilnahme an der ambulanten Versorgung insgesamt zu zweifeln.

Da jedoch eine entsprechende Fristsetzung nicht erfolgte, musste es bei der Aufhebung der angefochtenen Bescheide verbleiben. Im Rahmen der Neubescheidungsverpflichtung hat die Beklagte allerdings nur über die Dauer der Schonfrist im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden. Im Übrigen war die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen.

In Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung waren die Kosten beider Rechtszüge gem. § 197 a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 VwGO wie geschehen zu quoteln.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar.
Rechtskraft
Aus
Saved