L 6 U 419/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 720/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 419/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. November 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Kompressionsfraktur eines Brustwirbelkörpers (BWK) als weitere Unfallfolge und die Weitergewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung über den 4. August 2002 hinaus streitig.

Der am 1961 geborene Kläger erlitt am 20. März 2002 gegen Mittag einen Unfall, indem er während seiner beruflichen Tätigkeit als Hausmeister beim Reinigen einer Treppe ausrutschte und mit dem Rücken auf die Treppe stürzte. Der Kläger arbeitete noch bis gegen 16:00 Uhr weiter und begab sich am folgenden Tag zu seinem Hausarzt Dr. K., der Schürfungen und Prellungen an der rechten Brustkorbhälfte, paravertebrale Muskelverspannungen und Bewegungseinschränkungen in beiden Schultern, vor allem rechts feststellte und Analgetika verordnete. Wegen fortbestehender Beschwerden stellte sich der Kläger am 3. April 2002 bei dem Facharzt für Orthopädie Dr. F. vor, der ausweislich seines Durchgangsarztberichts vom 11. April 2002 aufgrund einer Röntgenuntersuchung den Verdacht auf eine Kompressionsfraktur des 7. BWK bei Zustand nach Brustwirbelsäulen(BWS)-/Schulter-Prellung diagnostizierte und zum Ausschluss der Verdachtsdiagnose eine Knochenszintigraphie veranlasste, die am 10. April 2002 durch den Arzt für Nuklearmedizin Dr. W. durchgeführt wurde (Beurteilung: frische Fraktur BWK 7, degenerative Veränderungen linkslateral BWK 8/9 sowie Mittelfuß rechts). Der Kläger klagte in der Folgezeit über anhaltende Beschwerden im BWS-Bereich (Zwischenberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 29. April, 13. Juni und 24. Juni 2002), weshalb Dr. F. eine Vorstellung bei dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B. veranlasste, die am 16. Juli 2002 erfolgte. Dr. B. sah ausweislich seines Arztbriefs vom 18. Juli 2002 weder eine Intercostal-Neuralgie nach BWK-7 Fraktur, noch sichere Zeichen einer Myelonkompression. Am 26. Juli 2002 stellte der Kläger sich erneut bei Dr. F. vor und klagte über weiterhin bestehende Bewegungsschmerzen in der mittleren BWS. Dr. F. bescheinigte das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit bis 4. August 2002. Der Kläger trat hiernach einen 5-wöchigen Heimaturlaub an und stellte sich nach seiner Rückkehr am 10. September 2002 bei dem Arzt für Orthopädie Dr. K. vor, der nach Anfertigung von Röntgenaufnahmen der BWS einen Zustand nach BWK-VI-Fraktur diagnostizierte und wegen persistierenden Beschwerden ein Kernspintomogramm veranlasste, das am 20. September 2002 gefertigt wurde (Durchgangsarztbericht vom 14. Oktober 2002). In seinem entsprechenden Bericht vom selben Tag diagnostizierte der Facharzt für Nuklearmedizin Dr. H. ein residuales Knochenmarködem bei traumatischer Keilwirbelsinterung des 6. BWK und geringer Fischwirbelsinterung des 8. BWK im Sinne eines noch aktiven Knochenumbaus. Auf Veranlassung des Dr. K. stellte sich der Kläger dann am 15. Oktober 2002 im Universitätsklinikum F. vor, wobei die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 31. Oktober 2002 verlängert wurde (Nachschaubericht vom 16. Oktober 2002).

Zur Frage der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit sowie der Kausalität zwischen dem Sturz und den beschriebenen Gesundheitsstörungen holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Arztes für Orthopädie Dr. S. vom 21. Oktober 2002 ein, der bei Bestätigung der Frakturdiagnose die bis 4. August 2002 attestierte Arbeitsunfähigkeit zwar als relativ lang, jedoch noch akzeptabel ansah. Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. W. sodann das orthopädische Gutachten vom 10. Januar 2003. Dieser wies auf die im September 2002 kernspintomographisch festgestellte Deformierung des 6. BWK hin sowie auf den Umstand, dass es nach dem 20. März 2002 ohne Trauma zur Verformung eines weiteren BWK gekommen sei. Er zog eine eigenständige Knochenerkrankung in Betracht, zumal der Kläger anamnestisch auch das Bestehen von Rückenschmerzen vor dem Unfall vom 20. März 2002 angegeben habe. Auf die Anregung des Prof Dr. W. zog die Beklagte weitere medizinische Unterlagen sowie insbesondere bei der Innungskrankenkasse F. das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei. Ausweislich seiner Ausführungen vom 20. Februar 2003 sah sich Prof. Dr. W. wegen Fehlen der Röntgenbilder vom 03. April 2002 weiterhin nicht in der Lage, den Vorschaden an der Wirbelsäule gegenüber den Unfallfolgen abzugrenzen und die Ursache der Verformungen am 6. und 8. BWK zu klären. Mit Bescheid vom 20. März 2003 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 20. März 2002 als entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall im Sinne einer Prellung der BWS und der rechten Schulter. Gleichzeitig lehnte sie die Anerkennung einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit ab 20. Mai 2002 ab. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend, es bestehe zumindest die Möglichkeit, dass der Arbeitsunfall für die eingetretene Erkrankung teilursächlich sei. Da Prof. Dr. W. wegen Fehlens der Röntgenbilder vom 3. April 2002, die an die Beklagte versandt worden seien, keine eindeutige Abgrenzung eines eventuellen Vorschadens gegenüber den Unfallfolgen habe vornehmen können, könne der angefochtene Bescheid keinen Bestand haben. Die Beklagte holte die weitere beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. S. vom 20. Oktober 2003 ein, der es als unwahrscheinlich erachtete, dass die Formveränderungen im Bereich des 6. (oder seines Erachtens 7.) BWK unfallbedingt seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2004 wurde der Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, beim Kläger habe eine Spontanfraktur infolge einer eigenständigen Knochenerkrankung vorgelegen, die nicht wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 20. März 2003 zurückzuführen sei.

Dagegen erhob der Kläger am 1. März 2004 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage und machte geltend, aus den aktenkundigen medizinischen Tatsachen ergebe sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Sturz vom 20. März 2002 auch ursächlich für die über den 19. Mai 2002 hinaus bestehenden Beschwerden sei. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass der Sturz nicht geeignet gewesen sei, einen normalen BWK zu zerbrechen, sei dieser Schluss unzutreffend. Wenn bereits am 3. April 2002 eine Fraktur des BWK vorgelegen habe, beweise dies, dass nicht eine später eingetretene Spontanfraktur, sondern allein das Unfallereignis Ursache für die Beschwerden auch über den 19. Mai 2002 hinaus seien. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte den Bescheid vom 4. November 2004 vor, mit dem sie den Bescheid vom 20. März 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2004 teilweise zurückgenommen und die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit nunmehr lediglich noch für den Zeitraum ab 5. August 2002 abgelehnt hatte. Das SG hörte den Kläger im Rahmen des Erörterungstermins vom 23. September 2004 zum Unfallhergang an und vernahm den am 20. März 2002 am Unfallort anwesenden Kollegen des Klägers K. als Zeugen. Es hörte ferner Dr. K. unter dem 14. April 2005 schriftlich als sachverständigen Zeugen und erhob das orthopädisch-chirurgische Gutachten des Prof. Dr. H. vom 12. Juli 2005. Dieser führte zusammenfassend aus, es spreche mehr dafür als dagegen, dass die Veränderungen am 6. Brustwirbel bereits vor dem 20. März 2002 bestanden hätten und über den 19. Mai 2005 (richtig: 2002) hinaus unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bzw. Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestanden habe. Mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2005 wies das SG die Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid ab. Wegen der Einzelheiten der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten des Klägers am 18. November 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 12. Dezember 2005 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt, mit der er im Wesentlichen geltend macht, der Sachverständige Prof. Dr. H., auf dessen Gutachten das SG seine Entscheidung mit gestützt habe, habe lediglich unsubstantiiert einen ursächlichen Zusammenhang zum Unfall vom 20. März 2002 verneint, weil der Unfallmechanismus biomechanisch nicht vorstellbar und nicht geeignet sei, einen Stauchungsbruch an der Wirbelsäule hervorzurufen. Tatsächlich leide er seit dem besagten Unfall jedoch an permanenten Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule. Wegen dieser unfallbedingten Beschwerden befinde er sich auch weiterhin in ärztlicher Behandlung, weshalb er Anspruch auf die gesetzlichen Leistungen habe. Es habe bei ihm keine Vorerkrankung oder eine sonstige Krankheitsanlage bestanden, aufgrund dessen der Arbeitsunfall lediglich als Gelegenheitsursache in den Hintergrund treten würde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 3. November 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2004 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 4. November 2004 zu verurteilen, als weitere Unfallfolge Kompressionsfraktur im mittleren Brustwirbelkörperanteil anzuerkennen und Verletztengeld über den 4. August 2002 hinaus sowie Unfallrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und verweist darauf, dass sich eine unfallbedingte strukturelle Verletzung im Bereich der BWS unter Beachtung der geltenden Beweisregeln und der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung nicht feststellen lasse.

Der Senat hat auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Prof. Dr. B. vom 20. Januar 2007 eingeholt. Der Sachverständige sah eine Verursachung oder Verschlimmerung der Deformierung des 6. BWK als nicht hinreichend wahrscheinlich durch den Arbeitsunfall vom 20. März 2002 bedingt. Wesentlich wahrscheinlicher seien unfallunabhängige Ursachen, wie die Erkrankung an einem Morbus Scheuermann oder an einem Wirbelhämangiom. Seines Erachtens habe über die 12. Unfallwoche hinaus unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestanden.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2004 und diese wiederum in Gestalt des Bescheids vom 4. November 2004, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klagevefahrens geworden ist, sind nicht zum Nachteil des Klägers rechtswidrig und verletzen diesen daher auch nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, als weitere Unfallfolge eine Kompressionsfraktur im Bereich der BWS festzustellen und wegen fortbestehender Beschwerden auch noch über den 4. August 2002 hinaus Leistungen zu gewähren. Im Hinblick auf den im Laufe des Klageverfahrens erteilten Bescheid vom 04. November 2004 kann der Senat dahin gestellt sein lassen, ob der Kläger über die Feststellungen im Bescheid vom 20. März 2003 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Januar 2004 hinaus auch noch bis zum 4. August 2002 unfallbedingt behandlungsbedürftig und arbeitsunfähig war. Denn die entsprechende, mit Bescheid vom 4. November 2004 getroffene Feststellung ist nicht zum Nachteil des Klägers rechtswidrig und daher nicht Berufungsgegenstand.

Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Deformierung des 6. BWK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den Sturz des Klägers vom 20. März 2002 zurückzuführen. Dabei lässt der Senat offen, wie der Kläger nach dem Ausrutschen auf der Treppe konkret gestürzt ist, ob er insbesondere, wie im Durchgangsarztbericht des Dr. F. vom 11. April 2002 angegeben, auf den Rücken gestürzt und dann mit der rechten Schulter gegen die Hauswand geprallt ist, oder ob er, wie von ihm selbst anlässlich des Erörterungstermins vor dem SG am 23. September 2004 dargelegt, mit dem Rücken nach hinten die Treppe hinab gestürzt ist. Denn die radiologisch zu objektivierenden Veränderungen im Bereich des 6. BWK sprechen eher gegen eine traumatische Ursache, sodass ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Sturz nicht hinreichend wahrscheinlich gemacht werden kann. Insoweit stützt sich der Senat auf die in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 12. Juli 2005, der nachvollziehbar dargelegt hat, dass die konkrete Art der Deformierung eher auf eine innere Ursache hinweist, als auf ein von außen einwirkendes Geschehen, wie sie als Folge eines Sturzes in Betracht gezogen werden könnte. Demnach geht der Senat davon aus, dass beim Kläger eine röntgenologisch zu objektivierende leichte bis mittelgradige Verformung des 6. BWK (Höhenminderung, geringe kyphotische Deformität) mit einem kleinen Anteil einer mäßigen Beugeverformung der BWS zu objektivieren ist, wobei die Keilform durchaus auch auf eine Fraktur hindeuten könnte. Dagegen spricht allerdings, dass bei einem Kompressionsbruch mit keilförmiger Deformierung der stärkste komprimierende Druck vorne wirkt und der Wirbelkörper dort deshalb regelmäßig am meisten eingedrückt ist, während beim Kläger die mittleren Anteile der Grundplatte eingedellt und mit dem geringsten Höhendurchmesser des Wirbelkörpers in der medianen konvexförmig verformt sind. Solche Verformungen sind für traumatische Einwirkungen absolut untypisch, demgegenüber jedoch geradezu typisch für Wirbelkörper-Sinterungen aus innerer Ursache, wie beispielsweise bei Osteoporosen, Scheuermann’sche Erkrankungen oder Hämangiom-Wirbel. Für eine innere Ursache spricht beim Kläger darüber hinaus, dass der durch die konkave Eindellung entstandene Raum vollständig durch unauffällig erscheinendes Bandscheibengewebe ausgefüllt ist, sodass die Bandscheibe T6/7 die Verkleinerung des Wirbelkörpers völlig und gut kompensiert. Dass die Wirbel 6 und 7 auch an ihren vorderen und hinteren Ecken einander nicht näher gekommen sind, deutet auf einen lange zurückliegenden und bereits während des Wachstums entstandenen Prozess hin, da das Bandscheibengewebe während dieser Phase noch wachsen kann. Bei späteren Prozessen, insbesondere traumatischen Ereignissen, würde durch die plötzliche konkave Eindellung demgegenüber Bandscheibengewebe in diesen Raum verlagert und zwar auf Kosten der ursprünglichen Position des Gallertkerns der Bandscheibe, sodass der eigentliche Bandscheibenraum schmäler werden müsste, was beim Kläger gerade nicht der Fall ist. In nachvollziehbarerer Weise aufschlussreich hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang auch die MRT-Untersuchungen des Klägers von September 2002 und Februar 2004 erachtet, die eine Mehrdurchblutung des Knochengewebes aufzeigen. Insoweit ist zwar plausibel, dass zum Zeitpunkt der Untersuchung im September 2002 auch bei stattgehabtem Bruch noch eine erhebliche Mehrdurchblutung vorgelegen hat, jedoch ist dies für den Zeitpunkt Februar 2004, zu dem eine solche weiterhin dokumentiert ist, nicht mehr zu erwarten, so dass auch dieser Umstand für das Vorliegen eines inneren Leidens spricht. Schließlich spricht auch das vom Kläger nach dem Unfall gezeigte Verhalten, nämlich der Umstand, dass er nach dem Sturz noch weitergearbeitet hat, gegen eine Fraktur. Denn nach Brüchen erweisen sich die Schmerzen anfangs am stärksten und klingen mit dem Heilungsprozess allmählich mehr oder weniger ab. Auch die Tatsache, dass die vom Kläger geklagten Schmerzen über Jahre hinweg anhalten, spricht daher gegen eine traumatische Ursache. Diese Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. H. hat im Übrigen auch der mit einer Begutachtung gemäß § 109 SGG beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B. geteilt. Auch dieser Sachverständige wies auf die Art der Deformierung des 6. BWK hin, die für einen Kompressionsbruch nicht typisch sei, weil abgesehen von der ventralen Höhenminderung auch eine stark konkave Eindellung der Deck- und vor allem auch der Schlussplatte im Sinne einer Diaboloform vorliege. Derartige Deformierungen sind auch seiner Einschätzung nach eher Ausdruck einer so genannten Wirbelsinterung, wobei er ebenso wie der Sachverständige Prof. Dr. H. differenzialdiagnostisch einem Morbus Scheuermann sowie auch ein Hämangiom in Betracht zog, zumal auch die Brustwirbel 5 und 8 Deckplattenmuldungen aufwiesen. Auch der Umstand, dass der Kläger nach dem Unfall noch hat weiter arbeiten können, spricht nach Auffassung des Prof. Dr. B. gegen eine traumatische Ursache. Denn entsprechendes sei bei einer Brustwirbelfraktur mit einer derartigen Verformung erfahrungsgemäß nicht mehr möglich.

Da die Deformierung des 6. BWK somit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf den Sturz vom 20. März 2002 zurückzuführen ist, dieser Veränderung vielmehr eher eine innere Ursache zugrunde liegt, hat es die Beklagte zu Recht abgelehnt, die in Rede stehende Fraktur als weitere Unfallfolge anzuerkennen. Entsprechend ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte wegen der Folgen dieser Gesundheitsstörung über den mit Bescheid vom 4. November 2004 festgelegten Endzeitpunkt hinaus unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit verneint hat. Daher kam auch ein Anspruch auf Verletztengeld in der Zeit ab 5. August 2002 oder Verletztenrente nicht in Betracht.

Danach konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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