L 17 U 177/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 21 U 71/95
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 177/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist der Anspruch auf Verletztenrente.

Der 1953 geborene, aus Jugoslawien stammende und seinerzeit als Waldarbeiter beschäftigte Kläger, erlitt nach der Unfallanzeige der Firma F ...-S ... in I ... vom 14.12.1992 am 10.12.1992 einen Arbeitsunfall, als ihm ein zurückrollender Holzstamm gegen das rechte Schienbein prallte. Dr. G ..., Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des St. E ...-Hospitals in I ..., diagnostizierte im Durchgangsarztbericht vom 11.12.1992 eine Prellung des rechten Fußes. Die Untersuchung ergab eine leichte Schwellneigung im Mittelfußbereich ohne Hämatomverfärbung bei regelrechter Sensibilität, Motorik und Durchblutung. Im Nachschaubericht vom 04.01.1993 wurde von Dr. G ... der Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombose im rechten Unterschenkel geäußert und es erfolgte eine stationäre Behandlung bis zum 11.01.1993, bei der eine tiefe Beinvenenthrombose ausgeschlossen wurde. Wegen fortbestehender Beschwerden veranlaßte Dr. G ... eine Szintigraphie durch den Röntgenologen Dr. K ..., der im Bericht vom 29.01.1993 eine deutliche Anreicherung im Bereich des Os naviculare als Hinweis auf eine Fraktur beschrieb, jedoch zusätzliche Zielaufnahmen für erforderlich hielt. Der Befund konnte - wie Dr. G ... unter dem 01.02.1993 berichtete - nicht bestätigt werden. Zum 01.03.1993 bescheinigte der Durchgangsarzt Arbeitsfähigkeit. Wegen erneut auftretender Beschwerden wurde von Dr. G ... für die Zeit vom 29. bis 31.03. erneut Arbeitsunfähigkeit angenommen. Im Durchgangsarztbericht vom 29.03.1993 wurde sodann von ihm die Diagnose Zustand nach schwergradiger Quetschung des rechten Vorfußes mit verbleibender Bewegungseinschränkung im Großzehengrundgelenk rechts und dadurch bedingter Gang- und Funktionsstörung beschrieben. Eine von ihm veranlaßte Untersuchung durch die Neurologin und Psychiaterin Dr. H ... ergab nach dem Bericht vom 27.04.1993 keinen Hinweis auf neurologische Unfallfolgen. Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden ließen sich nervenärztlicherseits nicht erklären. Mit Bericht vom 05.05.1993 stellte Dr. G ... fest, daß nunmehr Arbeitsfähigkeit ab 03.05.1993 bestehe und die berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung beendet sei. Eine unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nahm er nicht an.

Nachdem der Kläger, der inzwischen seinen Arbeitsplatz verloren hatte und seinen Lebensunterhalt derzeit durch Sozialhilfe bestreitet, über fortbestehende Beschwerden geklagt hatte, veranlaßte die Beklagte eine Untersuchung und Begutachtung durch Dr. G ... Dieser kam im Gutachten vom 29.08.1993 zusammenfassend zu dem Ergebnis, es bestehe als Unfallfolge ein Zustand nach Quetschung des rechten Fußes mit mittelgradiger Einschränkung der aktiven und passiven Streckfähigkeit im Großzehengrundgelenk rechts, eine endgradige Einschränkung der Streckfähigkeit im oberen Sprunggelenk rechts und der Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk rechts sowie Sensibilitätsstörungen im Bereich des rechten Fußrückens. Die unfallbedingte MdE schätzte er auf unter 10 v.H. ein. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.11.1993 die Gewährung einer Verletztenrente ab.

Dagegen erhob der Kläger am 15.11.1993 Widerspruch. Der Chirurg Dr. C ... beschrieb in Berichten vom 12.10. und 29.11.1993 eine schmerzhafte Blutumlaufstörung und den Verdacht auf ein Tarsaltunnelsyndrom im rechten Fuß. Im Bericht vom 25.04.1994 gab Dr. C ... an, der Kläger berichte nun über eine übermäßige Schmerzsymptomatik am ganzen Körper. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. L ..., Direktor der Unfallklinik der Städtischen Kliniken D ..., ein. Dieser führte darin am 12.12.1994 zusammenfassend aus, die Einschätzung der Unfallfolgen durch Dr. G ... sei zutreffend. Weder liege ein Tarsaltunnelsyndrom, noch eine Blutumlaufstörung oder eine knöcherne Verletzung des rechten Fußes vor. - Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch am 16.02.1995 zurück.

Dagegen hat der Kläger am 13.03.1995 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Er hat darauf hingewiesen, daß die behandelnden Ärzte zu einer anderen Beurteilung der Unfallfolgen und der damit einhergehenden MdE gelangt seien und hat eine weitere medizinische Sachaufklärung für erforderlich gehalten.

Das SG hat nach Beiziehung von Behandlungs- und Befundberichten Beweis erhoben durch die Einholung medizinischer Sachverständigen gutachten. Dr. B ..., Oberarzt der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik des Knappschaftskrankenhauses D ..., hat im Gutachten vom 25.01.1996 auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen feststellen können. Dr. S ..., Leitender Oberarzt der Chirurgischen Klinik des vorgenannten Krankenhauses, ist im Gutachten vom 16.04.1996 zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe bei dem Unfall eine Quetschung des rechten Fußes erlitten, wobei knöcherne Verletzungen nicht sicher festgestellt worden seien; möglicherweise habe eine Infraktion im Bereich des Kahnbeines des rechten Fußes vorgelegen. Die in der Folgezeit vom Kläger vorgebrachten Beschwerden seien weder neurologisch noch chirurgisch zu erklären. Eine Beinvenenthrombose habe ebensowenig vorgelegen wie ein Morbus Sudeck. In der Beurteilung der Unfallfolgen und der Einschätzung der damit einhergehenden MdE bestehe Übereinstimmung mit den Vorgutachten von Dr. G ... und Prof. Dr. L ...

Gemäß § 109 SGG hat Dr. B ..., Leitender Oberarzt der Orthopädischen Klinik V ... in W ..., am 31.10.1996 ein Gutachten erstattet. Er ist darin zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe als Unfallfolge eine radiologisch und klinisch blande kleine knöcherne Absprengung am Os naviculare rechts als Zustand nach Mittelfußprellung ohne höhergradiger Weichteiltraumatisierung. Die MdE sei mit unter 10 v.H. einzuschätzen. Den Vorgutachten der Sachverständigen (SV en) Dr. S ... und Dr. B ... werde voll inhaltlich zugestimmt. Das SG hat ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG von dem Chirurgen und Gefäßchirurgen Priv.-Doz. Dr. E ... in H ... eingeholt. Dieser ist darin am 19.07.1998 zu dem Ergebnis gelangt, der Unfall habe weder zu sicheren knöchernen Verletzungen noch zu einem postthrombotischen Syndrom geführt. Es fänden sich jetzt Hinweise auf eine generalisierte Tendomyopathie, wobei die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Ätiologie und Pathogenese dieser weichteilrheumatischen Erkrankung bisher gering seien. Im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang der vom Kläger vorgebrachten Beschwerden und dem Unfallereignis sei anzunehmen, daß der Unfall Auslöser der jetzigen rheumatischen Erkrankung i.S. einer Fibromyalgie sei. Die Einschätzung der MdE sei insoweit schwierig, jedoch müsse vom Vorliegen einer MdE von zur Zeit mehr als 20 v.H. ausgegangen werden. - Die Beklagte ist diesem Gutachten durch Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B ... vom 24.09.1998 entgegengetreten.

Das SG hat daraufhin von Amts wegen ein weiteres Gutachten von Dr. B ..., Oberarzt der Orthopädischen Abteilung am Rehabilitationszentrum Bad W ... in L ... eingeholt. Dieser SV hat darin am 23.03.1999 ausgeführt, als Folge des Arbeitsunfalles bestehe eine Druckschmerzhaftigkeit im rechten Fußrücken bei endgradiger Bewegungseinschränkung des rechten Fußgelenkes. Die unfallbedingte MdE sei mit weniger als 10 v.H. zu bewerten. Insoweit bestehe Übereinstimmung mit den Vorgutachtern. Das Vorliegen einer Fibromyalgie sei nicht hinreichend gesichert. Gehe man von einer solchen generalisierten Tendomyopathie aus, sei jedenfalls der Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall nicht wahrscheinlich zu machen.

Mit Urteil vom 14.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 18.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.07.1999 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, aufgrund des Gutachtens von Dr. E ... müsse davon ausgegangen werden, daß die Unfallfolgen eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingten. Die Beurteilung dieses SV sei durch das danach eingeholte Gutachten von Dr. B ... nicht widerlegt. Eine eingehende Auseinandersetzung mit der Auffassung von Dr. E ... sei nicht erfolgt. Insoweit sei eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung - ggf. nach § 109 SGG - erforderlich.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.05.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.11.1993 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.02.1995 zu verurteilen, für die Folgen des Arbeitsunfalles vom 10.12.1992 ab 03.05.1993 Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise, gemäß § 109 SGG ein Gutachten von Prof. Dr. R ... einzuholen.

Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die Verwaltungsakten lagen vor und waren Gegenstand der Beratung.

II.

Die Berufsrichter sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Berufung offensichtlich unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Sie haben sie daher - nachdem die Beteiligten unter dem 26.10. und 22.11.1999 auf diese Verfahrensweise hingewiesen worden sind - gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückgewiesen.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente, denn der Arbeitsunfall vom 10.12.1992 hat keine bleibenden Gesundheitsstörungen hinterlassen, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers in rentenberechtigendem Grade mindern.

Der Anspruch des Klägers beurteilt sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der Arbeitsunfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) zum 01.01.1997 eingetreten ist (Art. 36 Unfallversicherungs- Einordnungsgesetz [UVEG], § 212 SGB VII).

Gemäß § 580 Abs. 1 RVO erhält der Verletzte eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert. Verletztenrente wird nach § 581 RVO gewährt, so lange infolge des Arbeitsunfalles die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel (20 v.H.) gemindert ist.

Diese Voraussetzungen sind nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nicht erfüllt. Der Senat stützt sich - wie das SG - auf die im Wege des Urkundsbeweises zu verwertenden Gutachten von Dr. G ... und Dr. L ..., sowie auf die im Gerichtsverfahren eingeholten SV-Gutachten von Dr. S ..., Dr. B ... und Dr. B ... Diese haben übereinstimmend dargelegt, daß wesentliche Funktionseinbußen am rechten Fuß nicht bestehen. Wenn auch zwischen den SV umstritten ist, ob es bei dem Unfall zu einer knöchernen Verletzung des Os naviculare gekommen ist, so ist entscheidend, daß wesentliche Funktionseinbußen, die für die Beurteilung der MdE entscheidend sind (vgl. BSG SozR 2200 § 581 Nr. 27; SozR 2200 § 551 Nr. 21; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung - Handkommentar - § 581 RVO Rdn. 3.1) nicht bestehen. Die Funktionseinbußen bestehen im wesentlichen in einer endgradigen Beweglichkeit der Zehen des rechten Fußes und einer endgradigen Bewegungseinschränkung im Sprunggelenksbereich. Daß diese Befunde eine MdE nicht bedingen, folgt auch daraus, daß nach den MdE-Erfahrungswerten, die bei der Rentenfeststellung regelmäßig zu berücksichtigen sind, da sie eine Grundlage für eine gerechte und gleiche Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen des täglichen Lebens bilden (BSG SozR 2200 § 581 Nrn. 23, 27, 28; Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, a.a.O. Rdn. 3.2) eine völlige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes eine MdE von 20 v.H. bedingt, eine Versteifung des unteren Sprunggelenkes eine MdE um 10 v.H. nach sich zieht (vgl. Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, a.a.O. Anhang 12 J 030). Funktionsstörungen entsprechenden Ausmaßes sind aber bei dem Kläger von keinem der SV en - auch nicht von den nach § 109 SGG gehörten Dr. B ... und Dr. E ... - für das chirurgisch-orthopädische Fachgebiet beschrieben worden. Daß der Unfall nicht zu einem posttraumatischen Syndrom geführt hat, hatte schon Dr. G ... nachgewiesen. Seine Beurteilung wird insoweit von den im Gerichtsverfahren gehörten SV geteilt. Auch hat ein Morbus Sudeck nicht vorgelegen. Auf nervenärztlichem Fach gebiet konnten weder Dr. H ... noch der SV Dr. B ... Folgen des Arbeitsunfalles feststellen. Der neurologische Befund war, bezogen auf den rechten Fuß, regelrecht. Ein Tarsaltunnelsyndrom liegt nicht vor. Auch insoweit kommt Dr. E ... zu keinem anderen Ergebnis.

Soweit dieser SV in seinem Gutachten zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt ist, man müsse davon ausgehen, daß eine generalisierte Tendomyopathie (Fibromyalgie) vorliege und ursächlich auf den Unfall zu beziehen sei, folgt der Senat dieser Beurteilung nicht. Dafür sind folgende Erwägungen maßgebend:

Die Diagnose dieser Erkrankung ist allein von Dr. E ... im Anschluß an die von ihm veranlaßte Untersuchung bei dem Internisten und Rheumatologen Dr. I ...gestellt worden. Die Beschwerdeangaben des Klägers, der auch schon bei den früheren Begutachtungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren über diffuse Schmerzen im gesamten Körperbereich gesprochen hatte, gab den dazu gehörten Gutachtern keinen Anlaß, vom Vorliegen eines eigenständigen rheumatischen Krankheitsbild auszugehen oder dieses gar ursächlich auf den Unfall zu beziehen. Zu Recht weist Dr. E ... darauf hin, daß es sich bei der von ihm insoweit angenommenen Gesundheitsstörung um ein neues Krankheitsbild handelt, dessen Ätiologie und Pathogenese weitgehend offen sind, wobei in vielen Fällen eine psychogene Ursache angenommen wird. Er verweist darauf, daß nach seinen Erkenntnissen in der Hälfte der Fälle von den Patienten als auslösende Ursache Traumen, Infekte, emotionale Traumen oder das Abbrechen einer bestehenden Corticoid-Medikation angegeben (!) werde. Wenn er dann bei der Beweisfrage 1) nach den Unfallfolgen diese generalisierte Tendomyopathie nicht anführt, gleichwohl bei der Beantwortung der Frage 3) nach der Befundübereinstimmung mit denen der Vorgutachter einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis sehen will, so begründet er dies letztlich allein damit, daß diese Beschwerden erstmals nach dem Unfall aufgetreten und in der Folgezeit nicht zurückgegangen seien. Diese Begründung kann indes nicht überzeugen. So hat Dr. B ... bei seiner späteren Untersuchung eine gesteigerte Druckempfindlichkeit der Triggerpunkte, die beweisend für das Vorliegen einer Fibromyalgie sein sollen, bei digitaler Palpation nicht nachweisen können. Er hat weiter zutreffend darauf hingewiesen, daß nicht nur die Diagnose der Fibromyalgie schwierig sei, sondern von einer Reihe von Autoren das Vorhandensein einer derartigen Erkrankung insgesamt bestritten werde. Auch würden völlig verschiedene Entstehungsmechanismen für dieses Krankheitsbild erörtert. In der Literatur werde zwischen primärer und sekundärer Fibromyalgie unterschieden, wobei erstere ohne auslösende Vorerkrankung auftreten könne, die sekundäre dagegen Folge anderer Erkrankung, z.B. eines vorbestehenden Wirbelsäulenleidens, in Form einer schweren Skoliose, einer Viruserkrankung oder einer hormonellen Störung sei. In den meisten Fällen könne jedoch ein solcher Zusammenhang weder bewiesen noch ausgeschlossen werden. Insbesondere sei umstritten, ob eine Fibromyalgie als Folge traumatischer Einwirkungen entstehen könne. Soweit von einigen Autoren eine Induktion dieser Erkrankung durch Traumen angenommen werde, werde diese Auffassung nicht hinreichend begründet. Ausreichend sichere Erkenntnisse über eine posttraumtische Fibromyalgie, bei der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit naturwissenschaftlich der Zusammenhang begründet werden könne, lägen nicht vor. Damit lasse sich hier - wie auch in den meisten Fällen - ein ursächlicher Zusammen hang weder beweisen noch sicher ausschließen.

Diese durch entsprechende Schrifttumsnachweise belegten Darlegungen stehen in Übereinstimmung mit der herrschenden medizinischen Auffassung (vgl. dazu Rompe/ Erlenkämper, Die Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane 3. Aufl. S. 299, 382 ff.). Eine Entstehung der Erkrankung durch ein (banales) Trauma wird - auch bei Fritze, Ärztliche Begutachtung 5. Aufl. 1996 S. 657 - nicht behauptet. In der 1998 herausgenommenen 6. Aufl. des für die Unfallbegutachtung maßgebenden Standardwerkes "Arbeitsunfall und Berufskrankheit" von Schönberger/ Mehrtens/ Valentin wird die Fibromyalgie überhaupt nicht erwähnt.

Wenn insoweit für den Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Arbeitsunfall und Gesundheitsschaden - auch als haftungsausfüllende (Schadens-)Kausalität bezeichnet - die hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; § 551 Nr. 1), so ist der Zusammenhang aber erst dann gegeben, wenn beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, daß darauf eine Entscheidung gestützt werden kann (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; vgl. zum folgenden ferner Bereiter-Hahn/ Schieke/ Mehrtens, a.a.O. § 548 RVO Rdn. 3.4 m.w.N.). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich- wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (BSG Breithaupt 1963, 60, 61). Dabei müssen die für den Kausalzusammenhang sprechenden Gründe die gegenteiligen deutlich überwiegen; nicht ausreichend ist es, wenn die Schlußfolgerung lediglich durchaus möglich ist (so BSG, Urteil vom 14.05.1968 = MESO B 320/11).

Hiervon ausgehend läßt sich unter Berücksichtigung des Gesamter gebnisses der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren schon nicht nachweisen, daß tatsächlich eine Fibromyalgie besteht. Selbst wenn man von ihrem Vorliegen ausgehen würde, ist jedenfalls nicht i.S.d. vorgenannten Rechtsprechung wahrscheinlich gemacht, daß diese wesentlich ursächlich auf den Arbeitsunfall vom 10.12.1992 zurückzuführen ist. Das Gutachten von Dr. E ... ist danach zum Nachweis von Unfallfolgen mit einer rentenberechtigenden MdE nicht geeignet.

Der Senat hat keinen Anlaß für weitere medizinische Ermittlungen gesehen. Schon im Verwaltungsverfahren ist eine umfangreiche und gründliche medizinische Ermittlung u.a. zur Beurteilung der Zusammenhangsfrage durch das Gutachten des besonders erfahrenen Unfallchirurgen Prof. Dr. L ... erfolgt. Im Klageverfahren hat das SG - trotz des in medizinischer Hinsicht einfach gelagerten Sachverhalts - nicht weniger als fünf Gutachten, davon zwei nach § 109 SGG, eingeholt und ist damit seinen Ermittlungspflichten mehr als gerecht geworden. Der Sachverhalt ist in medizinischer Hinsicht als hinreichend geklärt anzusehen.

Die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens nach § 109 SGG kam nicht in Betracht, da insoweit das Antragsrecht durch die im ersten Rechtszug eingeholten Gutachten von Dr. B ... und Priv.-Doz. Dr. E ... erschöpft ist (vgl. Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 6. Aufl. § 109 Rdn. 5). Dem Hilfsantrag war daher nicht zu entsprechen.

Die Berufung mußte nach alledem mit der Kostenfolge des § 193 SGG erfolglos bleiben.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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