L 10 AL 243/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 Al 569/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 243/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Umfang der Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten eines Rentenberaters.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.06.1997 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte den Kläger zu Recht als Verfahrensbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren zurückweisen durfte.

Dem Kläger wurde durch Bescheid des Präsidenten des Landgerichts Würzburg vom 28.05.1982 die Erlaubnis zur geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung, - beschränkt auf das Gebiet der Rentenberatung - gem. Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) erteilt.

Eine vom Kläger betreute Arbeitnehmerin bezog ab 02.01.1995 Arbeitslosengeld. Weil sie im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation ab 02.06.1995 zur Steuerfachgehilfin umgeschult werden sollte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 19.06.1995 die Arbeitslosengeld-Bewilligung ab 02.06.1995 auf und forderte mit Bescheid vom 19.06.1995 die Erstattung des überzahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 76,50 DM für die Zeit vom 02.06.1995 bis 07.06.1995.

Der Kläger erhob am 22.06.1995 (Schreiben vom 21.06.1995) gegen den Erstattungsbescheid vom 19.06.1995 Widerspruch. Dabei bezog er sich auf eine bereits vorgelegte Vollmacht. Mit Schreiben vom 08.08.1995 erinnerte er an den Widerspruch.

Der Widerspruch war im wesentlichen erfolgreich. Denn die Mandantin des Klägers hatte nur an einem Tag (02.06.1995) an der Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und deshalb nur für diesen Tag den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren.

Mit Bescheid der Beklagten vom 26.09.1995 wurde der Kläger als Verfahrensbevollmächtigter im oben bezeichneten Widerspruchsverfahren zurückgewiesen. Er habe den Widerspruch im Rahmen seiner Tätigkeit als Rentenberater eingelegt. Die erlaubte Tätigkeit als Rentenberater umfasse nicht die Vertretung eines Beteiligten in Verfahren, die der Bundesanstalt für Arbeit zugewiesene Aufgabengebiete betreffen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, der erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 20.10.1995).

In seiner Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger die Meinung vertreten, daß zum erlaubten Geschäftsbereich eines Rentenberaters auch das Sachgebiet des Arbeitsförderungsgesetzes in seinem versicherungsrechtlichen Bereich (Beiträge und Leistungen) gehöre, zumindest ergebe sich eine Erlaubnis im vorliegenden Fall aus der Annexkompetenz als Rentenberater. Er habe seine Mandantin in einem Verfahren um Anerkennung einer Berufskrankheit bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vertreten. Dabei sei es auch um Rehabilitations-Maßnahmen gegangen. Die Beklagte sei als angegangene Rehabilitationsträgerin verpflichtet gewesen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Im Zuge dieser Reha-Leistungen seien auch unrichtige Bescheide über Arbeitslosengeld ergangen, denen aufgrund seines Widerspruches im Widerspruchsverfahren abgeholfen wurde.

Das SG hat den Antrag des Klägers, die Bescheide der Beklagten vom 26.09.1995 und 20.10.1995 aufzuheben und seine Befugnis zur Vertretung seiner Mandantin bei der Beklagten anzuerkennen, mit Urteil vom 17.06.1997 abgewiesen. Der Kläger sei gem. § 13 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) als Verfahrensbevollmächtigter von der Beklagten begründet zurückgewiesen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 06.03.1997 - 7 RAr 20/96) umfasse die dem Kläger erteilte Erlaubnis, als "Rentenberater" fremde Rechtsangelegenheiten zu besorgen, nicht das vom Kläger beanspruchte Tätigwerden auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung. Eine solche Befugnis ergebe sich auch nicht über eine Annexkompetenz. Denn zwischen dem Tätigwerden für seine Mandantin wegen der Anerkennung einer Berufskrankheit und dem Tätigwerden in dem Verfahren um die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang, der so eng sei, daß die Wahrnehmung der eigentlichen Berufstätigkeit als Rentenberater ohne die Annextätigkeit unmöglich oder doch unangemessen erschwert gewesen wäre.

Im Berufungsverfahren trägt der Kläger ergänzend vor: Seine Annexkompetenz als Rentenberater ergebe sich im vorliegenden Fall auch daraus, daß er seine Mandantin in einem Rentenkontenklärungsverfahren bei der Landesversicherungsanstalt Unterfranken (Antrag vom 14.09.1995) in dieser Zeit vertreten habe. Dabei seien auch Zeiten des Bezuges von Alg und Unterhaltsgeld zu klären gewesen. Dabei wäre es zur raschen Klärung sachdienlich gewesen, gegen den unrichtigen Alg-Erstattungsbescheid den entsprechenden Rechtsbehelf einzulegen.

Der Kläger begehrt die Aussetzung des Verfahrens, weil gegen das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.03.1997 (Az: 7 RAr 20/96) Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt worden sei. Die Beklagte lehnt die Aussetzung des Verfahrens ab.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 26.09.1995 und 20.10.1995 und des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 17.06.1997 festzustellen, daß die Zurückweisung als Bevollmächtigter rechtswidrig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanaz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Auch wenn sich das Hauptverfahren, in dem der Kläger als Bevollmächtigter aufgetreten ist, in der Hauptsache zwischenzeitlich erledigt hat, ist ein Rechtsschutzinteresse des Klägers gegeben. Die zunächst wegen seiner Zurückweisung erhobene Anfechtungsklage hat der Kläger zulässig als Feststellungsklage fortgesetzt. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung seiner Vertretungsberechtigung, weil eine Wiederholungsgefahr besteht und weil sein Gebührenanspruch davon abhängt (BSG SozR 3-1300 § 13 Nr 2).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Kläger als Bevollmächtigten zurückgewiesen. Die Entscheidung des SG ist nicht zu beanstanden.

Nach § 13 Abs. 1 SGB X kann sich jeder Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens in Angelegenheiten des SGB (§ 37 Satz 1 SGB I), wozu auch das Arbeitsförderungsrecht gehört (SGB III, bzw. Art. 2 § 1 Nr 2 SGB I a.F.), durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

Ein Bevollmächtigter ist jedoch nach § 13 Abs. 5 Satz 1 SGB X dann zurückzuweisen, wenn er unbefugt geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt.

Der Kläger war als zugelassener Rentenberater nicht befugt, gegen den Bescheid der Beklagten vom 19.06.1995 Widerspruch einzulegen. Denn die Vertretungsbefugnis des Klägers als zugelassener Rentenberater umfaßte nicht die Vertretungsbefugnis in der hier offensichtlich gegebenen Streitsache der Arbeitslosenversicherung.

Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG bedarf die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten der Erlaubnis. Dem Kläger ist eine solche Erlaubnis nur für den Bereich des Rentenberaters (Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RBerG) erteilt. Diese Erlaubnis umfaßt nicht die Tätigkeit auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung. Das hat das BSG mit Urteil vom 06.03.1997 klargestellt (SozR 3-1300 § 13 Nr 4). Wortsinn, Sinn und Zweck des RBerG sprechen für diese vom BSG gewählte Auslegung (BSG aaO S 14, 15). Zum einen fällt das Gebiet der Arbeitsförderung nicht in den Bereich des Rentenberaters, zum anderen verlangen Sinn und Zweck des RBerG wegen der erteilten Teilerlaubnisse eine enge Auslegung.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine sog. Annexkompetenz als Rentenberater für seine streitrelevante Verfahrenstätigkeit bei der Beklagten berufen. Das BSG (aaO S 16) hat eine solche Annexkompetenz in Fortführung der Rechtsprechung des 10. Senats des BSG in einem vergleichbaren Fall eines Steuerberaters (SozR 3-1300 § 13 Nr 3 mwN) nur dann für gegeben erachtet, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Tätigkeit eines Rentenberaters gegeben ist, der so eng ist, daß die Wahrnehmung der Berufsaufgabe des Rentenberaters ohne die Annextätigkeit unmöglich gemacht oder zumindest unangemessen erschwert würde und es sich bei der Annextätigkeit um eine dem Zwecke des Hauptgeschäftes dienende Nebentätigkeit handelt.

Entgegen der Ansicht des Klägers war eine solche Annexkompetenz im vorliegenden Fall nicht gegeben. Ein Erstattungsstreit wegen überzahltem Alg hat keinen unmittelbaren Bezug zu der von ihm vertretenen beruflichen Rehabilitationssache oder zu der von ihm vertretenen Rentenkontenklärungssache. Es ist nicht ersichtlich, welches Rentenkontenklärungsinteresse dadurch - wie der Kläger meint - unmittelbar hätte berührt werden können. Das vom Kläger vorgetragene Argument, daß es sachdienlich gewesen sei, seine Mandantin auch in dem Erstattungsverfahren zu vertreten, ist wirtschaftlich gesehen zwar einleuchtend, gibt aber für das Vorliegen der oben aufgezeigten strengen Voraussetzungen einer Annexkompetenz keine Stütze. Der Kläger konnte die Rehabilitations- und Kontenklärungsinteressen seiner Mandantin umfassend vertreten, ohne daß er seine Mandantin auch in dem Widerspruchsverfahren um die Erstattung von sechs Tagen überzahltem Alg vertrat.

Dem Antrag des Klägers, das Verfahren auszusetzen, war nicht stattzugeben. Denn ein Aussetzungstatbestand (§ 114 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist nicht gegeben. Soweit in dem klägerischen Begehren auf Aussetzung ein Antrag, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, zu sehen ist (§ 202 SGG i.V.m. § 251 Zivilprozeßordnung - ZPO -), steht dem die Ablehnung des Antrags durch die Beklagte entgegen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Komm., 6. Aufl., vor § 114 RdNr. 4).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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