Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Rostock (MVP)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 16/00 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Februar 2000 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab 1. Januar 1998 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht.
Die im Jahre 1946 geborene Klägerin bezog vom 1. Juli 1992 bis zum 28. April 1994 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend bis zum 2. Januar 1995 (Anschluß-)Alhi. Ab 3. Januar 1995 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten ab, um ihre pflegebedürftige Schwiegermutter zu betreuen. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Alhi ab dem 3. Januar 1995 auf (Bescheid vom 8. Februar 1995). In der Zeit vom 3. Januar 1995 bis zum Tode der Schwiegermutter am 31. Januar 1997 übernahm die Klägerin deren Pflege. Ihre Schwiegermutter erhielt zunächst bis zum 31. März 1995 Pflegegeld von der AOK Rostock gemäß § 53 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie Hilfe zur Pflege gemäß den §§ 68, 69 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Hansestadt Rostock. Ab dem 1. April 1995 erhielt die Schwiegermutter der Klägerin sodann Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Am 3. Februar 1997 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die Klägerin in keiner die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigung gestanden habe. Ihr früherer Anspruch auf Alhi vom 29. April 1994 sei gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen, weil seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi (2. Januar 1995) mehr als ein Jahr vergangen sei (Bescheid vom 21. Februar 1997; Widerspruchsbescheid vom 9. April 1997).
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens lehnte die Beklagte einen weiteren Antrag der Klägerin auf Alhi ab (Bescheid vom 21. Januar 1998; Widerspruchsbescheid vom 9. März 1998). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin erfülle auch nicht für den Zeitraum ab 1. Januar 1998 die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alhi gemäß §§ 190, 192 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Ihr (früherer) Anspruch auf Alhi sei auch gemäß § 196 SGB III erloschen. Die Klägerin habe am 9. Januar 1998 erneut die Gewährung von Leistungen beantragt. Die Frist nach § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III (8. Januar 1998 bis 9. Januar 1997) verlängere sich nach § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um die Zeiten der Pflegetätigkeit, für die Leistungen der Pflegeversicherung erbracht worden seien (1. April 1995 bis 31. Januar 1997), also um 672 Kalendertage. In dieser verlängerten Frist vom 8. Januar 1998 bis 9. März 1995 habe die Klägerin keine Alhi bezogen mit der Folge, daß der alte Anspruch auf Alhi erloschen sei.
Die hiergegen im März 1998 erhobene Klage wurde mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden. Mit Urteil vom 26. Mai 1999 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zu gewähren. Für den vorangehenden Zeitraum hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat die Auffassung vertreten, auch die vor dem 1. April 1995 (Inkrafttreten des Leistungsrechts der gesetzlichen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) liegenden Zeiten der Pflegetätigkeit seien bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren einzubeziehen. Die Erlöschensfrist sei daher erst mit dem 2. Januar 1998 abgelaufen. Da die Klägerin sich bereits im Dezember 1997 beim Arbeitsamt gemeldet und erneut mit Wirkung zum 1. Januar 1998 die Gewährung von Leistungen beantragt habe, sei der Alhi-Anspruch nicht erloschen gewesen und der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zu gewähren. Für die Zeit davor habe jedoch nach der alten Rechtslage des AFG kein Alhi-Anspruch mehr bestanden.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die vor dem 1. April 1995 liegenden Zeiten der Pflege eines Angehörigen nicht als Verlängerungstatbestand im Rahmen der Erlöschensfrist beim Alhi-Anspruch berücksichtigt werden könnten. Nach den Regelungen des AFG hätten bis Ende 1997 Pflegezeiten keine Berücksichtigung gefunden. Der Gesetzgeber habe im SGB III im Rahmen der Berechnung der erweiterten Erlöschensfrist auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung als neue Sozialleistung abgestellt. Insofern sei die Anwendung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III von dem Stichtag der Einführung der Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung am 1. April 1995 abhängig, so daß vorhergehende Pflegezeiten keine Berücksichtigung finden könnten. Nur soweit Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung wegen fehlender Vorversicherungszeiten nicht gewährt werden könnten und deshalb Leistungen nach dem BSHG bezogen würden, führten auch solche Zeiten ab 1. April 1995 zur Verlängerung der Erlöschensfrist. Da lediglich Pflegezeiten vom 1. April 1995 bis 31. Januar 1997 bei der Verlängerung der Jahresfrist berücksichtigt werden könnten, könnten nur 672 Kalendertage zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Folglich könne auch dahinstehen, ob seitens der Klägerin im Dezember 1997 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 oder aber erst am 9. Januar 1998 ein neuer Antrag auf Bewilligung von Alhi gestellt worden sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III. Es sei durch nichts ersichtlich, weshalb in dieser Norm auf die für die gesetzliche Pflegeversicherung maßgebenden Stichtage 1. Januar oder 1. April 1995 abgestellt worden sein sollte. Dafür gäben Wortlaut, Kontext, Sinn und Ziel des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III keinerlei Anhaltspunkte. Ihre Schwiegermutter habe bereits vor dem 1. April 1995 Leistungen nach dem BSHG bzw SGB V erhalten. Hierbei handele es sich um "gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften" iS des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III. Deshalb seien auch diese vor dem 1. April 1995 liegenden Pflegezeiträume in die Verlängerung der Erlöschensfrist mit einzubeziehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Februar 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Rostock vom 26. Mai 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wie auch der Gesetzesbegründung zu § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III zu entnehmen sei, habe der Gesetzgeber des SGB III ausdrücklich einen Bezug zwischen den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und den Neuregelungen des SGB III herstellen wollen. Der Stichtag 1. April 1995 für die Einführung der neuen Leistungen nach dem SGB XI sei daher für die arbeitsförderungsrechtliche Berücksichtigung solcher Pflegezeiten maßgeblich. Dies gelte auch dann, wenn der pflegebedürftige Angehörige zuvor Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder andere gleichartige Leistungen bezogen habe.
II
Die Sache war gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz an das LSG zurückzuverweisen. Denn es läßt sich mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zusteht. Das klageabweisende Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung der Regelung über die Verlängerung der Erlöschensfrist in § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III (idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes (1.SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970). Das LSG hat zu Unrecht die vor dem 1. April 1995 liegenden Pflegezeiten (bei der Klägerin ab 3. Januar 1995) bei der Frage der Verlängerung der Erlöschensfrist nicht berücksichtigt. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das LSG zu Recht die erforderlichen Feststellungen zum zeitlichen Umfang der Pflegeleistungen (14 Stunden wöchentlich) und zur Bedürftigkeit der Klägerin nicht getroffen.
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Anschluß-Alhi ab 1. Januar 1998 wieder aufgelebt ist. Hinsichtlich der davorliegenden Leistungszeiträume ist das klageabweisende Urteil des SG in Rechtskraft erwachsen. Für den geltend gemachten Leistungsanspruch ab 1. Januar 1998 ist grundsätzlich auf die Rechtslage nach dem SGB III abzustellen. Dies ergibt sich aus dem einschlägigen Übergangsrecht des SGB III (§ 427 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG), dem der Grundsatz zu entnehmen ist, daß das neue Recht des SGB III möglichst bereits mit seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 1998 maßgebend sein und die Anwendbarkeit der früheren AFG-Regelungen nur in Ausnahmefällen erfolgen soll (so bereits der 11. Senat des Bundessozialgerichts, BSG SozR 3-4300 § 420 Nr 1 S 2). Hierfür spricht insbesondere die Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen CDU/CSU/F.D.P. zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 18. Juli 1996 zu § 427 SGB III (BT-Drucks 13/4941, S 227). Danach sollen im Interesse der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität auf Ansprüche auf Alg und Alhi die Regelungen des SGB III grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn diese bereits vor dem 1. Januar 1998 entstanden sind. Eine Regelung, nach der zum Teil altes, zum Teil neues Recht anzuwenden wäre, würde die Arbeitsämter im Massenverwaltungsverfahren überfordern. Eine ausschließliche Anwendung des alten Rechts würde für einzelne Arbeitslose insoweit zu einer Benachteiligung führen, als sich das neue Recht zu ihren Gunsten auswirkt (BT-Drucks 13/4941, aaO). Da hinsichtlich der durch das SGB III neu eingeführten Vergünstigungen für Arbeitslose, die Angehörige gepflegt haben, in der Übergangsregelung des § 427 SGB III keine Ausnahme von der Anwendung des neuen Rechts vorgesehen ist (vgl hierzu auch Schlegel in Hennig, SGB III, RdNrn 31 ff zu § 427 SGB III), findet im vorliegenden Fall neues Recht, insbesondere auch § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III, Anwendung. Eine andere Frage ist es, ob die Anwendung neuen Rechts - darüber hinaus - auch dazu führen kann, daß ein vor dem 1. Januar 1998 erloschener Anspruch auf Alhi (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF) wieder aufleben kann (s hierzu weiter unten).
Zu Unrecht hat das LSG die Berücksichtigung von Pflegezeiten vor dem 1. April 1995 im Rahmen des Verlängerungstatbestands des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III verneint. Nach § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III erlischt der Anspruch auf Alhi zwar, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Alhi ein Jahr vergangen ist. Diese Frist verlängert sich jedoch gemäß § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Alhi als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III iS des SGB XI zugeordneten Angehörigen, der Leistungen aus der sozialen oder privaten Pflegeversicherung nach dem SGB XI oder Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat, ... längstens jedoch um zwei Jahre. Angehöriger im Sinne dieser Regelung ist auf jeden Fall die Schwiegermutter (vgl § 16 Abs 5 Satz 1 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, § 1590 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch).
Der Senat geht davon aus, daß weder dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien des § 196 SGB III iVm § 124 SGB III ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers entnommen werden kann, den Tag des Inkrafttretens des Leistungsrechts des SGB XI bei häuslicher Pflege (1. April 1995; vgl Art 68 Abs 2 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014; vgl auch § 1 Abs 5 SGB XI) als Stichtag festzusetzen, von dem an lediglich mit Wirkung für die Zukunft eine Berücksichtigung von Pflegezeiten zugunsten des Arbeitslosen in Betracht käme. Vielmehr spricht die Rechtsentwicklung eher für eine Privilegierung auch vor dem 1. April 1995 liegender Pflegezeiten durch das SGB III.
Die Verlängerung der Erlöschensfrist in § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um Pflegezeiten ist in einem inneren Zusammenhang mit der Erweiterung der Rahmenfrist in § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB III (ebenfalls idF des 1. SGB III-ÄndG) zu sehen. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem besonderen Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer, die ihre Berufsausübung zur Pflege von Angehörigen unterbrochen haben, in einem weiten Maße - auch für die Vergangenheit - Rechnung tragen wollen. Dies zeigt insbesondere der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu § 124 SGB III. In dem bereits zitierten Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU/F.D.P. zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 18. Juni 1996 (BT-Drucks 13/4941, S 40 und S 177) war in § 124 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III (aF) zunächst noch vorgesehen, die Verlängerung der Rahmenfrist auch bei der Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen auf längstens sechs Jahre zu begrenzen. Diese Begrenzung der Verlängerung der Rahmenfrist ist auf Anregung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) später gestrichen worden (vgl BT-Drucks 13/5936 vom 5. November 1996, insbesondere S 28). Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Verlängerung der Rahmenfrist auf längstens sechs Jahre könne zu erheblichen Härten führen, da sie der Pflegewirklichkeit nicht entspreche. Die Pflege dauere in einer nicht unerheblichen Anzahl der Fälle mehr als ein Jahrzehnt. Deshalb erschien es dem 11. Ausschuß (aaO) geboten, entsprechend der Regelung bei der Vorbeschäftigungszeit im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung bei Berufsrückkehrern, die einen pflegebedürftigen Angehörigen pflegen (§ 78 Satz 2 SGB III), auf eine Begrenzung der Rahmenfrist vollständig zu verzichten. Diese sozialpolitische Motivation des Gesetzgebers des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III legt es deshalb nahe, daß die Ausweitung der Rahmenfrist auch Pflegenden zugute kommen soll, die bereits vor dem Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 - unter Umständen schon seit längerer Zeit - einen Angehörigen gepflegt haben. Entsprechend verlängert sich auch nach § 192 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III die Vorfrist für den Alhi-Anspruch (§ 190 Abs 1 Nr 4 SGB III) ab 1. Januar 1998 mit der Wirkung, daß auch vor dem 1. Januar 1998 liegende Pflegezeiten nunmehr für die Verlängerung der Vorfrist berücksichtigt werden können. Den Besonderheiten der Alhi gegenüber dem Anspruch auf Alg wird im übrigen insoweit Rechnung getragen, als § 192 Abs 1 Satz 2 SGB III und § 196 Abs 1 Satz 2 SGB III die Verlängerung der einjährigen Vorfrist und Erlöschensfrist (auch) um Pflegezeiten jeweils längstens für zwei Jahre vorsehen.
196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG stellt insofern lediglich eine Folgeänderung zur Änderung des § 124 SGB III dar. § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des AFRG vom 24. März 1997 (BGBl I 594) hatte zunächst bestimmt, daß in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden "Zeiten der Pflege eines Angehörigen, der Anspruch auf Leistungen der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat". Die durch das 1. SGB III-ÄndG vorgenommene Erweiterung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III um Zeiten, in denen der Angehörige Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, war - so die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 12. November 1997 (BT-Drucks 13/8994, S 61) - sozialpolitisch motiviert. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß es sozialpolitisch geboten sei, die einen Anspruch auf Alg wahrende Regelung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III auch auf Pflegepersonen zu erstrecken, die Angehörige pflegen, die keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, zB weil sie die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllen, aber wegen gleicher Pflegebedürftigkeit Leistungen nach den Vorschriften der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG beziehen. In diese Regelung sollten auch Pflegepersonen einbezogen werden, die Angehörige pflegen, die bei gleicher Pflegebedürftigkeit allein aufgrund gesetzlicher Konkurrenzregelungen gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften beziehen (aaO). Die Neufassung der §§ 192 und 196 durch das 1. SGB III-ÄndG wurde sodann lediglich als Folgeänderung bzw Anpassung an die beim Alg geltende Neuregelung bezeichnet (BT-Drucks 13/8994, S 63).
Mithin sind hier zwei gesetzgeberische Entscheidungen zu beachten, die beide zum 1. Januar 1998 wirksam geworden sind. Zum einen die zeitlich unbegrenzte Verlängerung der Rahmenfrist in § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III (hierzu BT-Drucks 13/5936, S 28), zum anderen die durch das 1. SGB III-ÄndG erfolgte sozialpolitisch motivierte Ausdehnung des Pflegetatbestands auf die Betreuung auch solcher Angehöriger, die Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder nach anderen Vorschriften beziehen (hierzu BT-Drucks 13/8994, S 61). Bei beiden legislatorischen Schritten fehlt in den Gesetzesmaterialien ebenso wie im Wortlaut der Normen ein eindeutiger Bezug zu dem von der Beklagten angenommenen Stichtag 1. April 1995. Ein sicherer Anhalt dafür, daß Pflegezeiten nur ab 1. April 1995 berücksichtigt werden sollten, ist jedenfalls dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen. Es trifft zwar zu, daß das SGB III in der ursprünglichen Fassung des AFRG im wesentlichen an den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ausgerichtet war, so daß nur die ab 1. April 1995 eingeführten Leistungen des SGB XI erfaßt wurden. Jedoch spricht die Erweiterung der Rahmenfrist eher dafür, daß die enge Bindung an das SGB XI gelöst werden sollte und nunmehr auch gleichartige Leistungen nach anderen Gesetzen berücksichtigt werden sollten, unabhängig davon, wann sie begonnen hatten. Hinsichtlich bestehender Zweifel ist § 2 Abs 2 Halbs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu beachten, wonach alle mit der Sozialrechtsgewährung befaßten Institutionen gehalten sind sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. § 2 Abs 2 SGB I stellt als Ausprägung des Sozialstaatsgebots eine Auslegungsregel dar, die bei der Rechtsfindung zu beachten ist (vgl BSGE 64, 89, 93 = SozR 2200 § 545 Nr 8; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 2). Dabei kann dahinstehen, ob § 2 Abs 2 SGB I als eigenständige Rechtsgrundlage für weitergehende Rechtsfolgenaussprüche dienen kann (hierzu kritisch BSGE 86, 107, 110 f; vgl zu § 2 Abs 2 SGB I auch BSGE 81, 231, 238), denn jedenfalls bei der Auslegung von Rechtsnormen, die wie hier § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in ihrem Regelungsgehalt nicht völlig eindeutig sind, kann der in § 2 Abs 2 SGB I enthaltene Grundsatz einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte als zusätzliches Argument für eine "versichertenfreundliche" Auslegung den letzten Ausschlag geben.
Dem LSG ist allerdings einzuräumen, daß der Wortlaut des Verlängerungstatbestands des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III einen ausdrücklichen Bezug zu den Pflegestufen im Sinne des SGB XI aufweist. Eine Zuordnung zu einer der drei Pflegestufen iS des § 15 SGB XI war erst ab 1. April 1995 Voraussetzung für eine Leistung nach den §§ 36, 37 SGB XI, so daß mittelbar aus der Tatbestandsvoraussetzung, daß es sich bei der zu pflegenden Person um einen einer Pflegestufe "zugeordneten" Angehörigen handeln muß, geschlossen werden könnte, erst mit einer solchen Zuordnung iS des SGB XI komme auch der Verlängerungstatbestand des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in Betracht. Andererseits hat der Gesetzgeber - wie aufgezeigt - mit dem 1. SGB III-ÄndG eine weitere Ergänzung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III vorgenommen, indem gerade nicht mehr ausschließlich auf den Leistungsbezug des zu pflegenden Angehörigen nach dem SGB XI abgestellt wurde. Die Erlöschensfrist verlängert sich nach der Fassung, die § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten hat, nunmehr auch, wenn der Angehörige "Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht". Der Bezug solcher Leistungen (zB aus der Unfallversicherung, dem Bundesversorgungsgesetz) ist jedoch weder an den Stichtag 1. April 1995 gebunden noch setzten diese Leistungen eine Zuordnung des zu Pflegenden in eine Pflegestufe voraus. Dies gilt insbesondere für die Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach §§ 53 ff SGB V (idF des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477), die die Schwiegermutter der Klägerin hier bis zum 31. März 1995 bezogen hat. Die Geldleistung nach § 57 SGB V aF war ebensowenig wie die Hilfe zur Pflege nach §§ 68, 69 BSHG aF (vor der Neufassung der §§ 68, 69 BSHG zum 1. April 1995 durch Art 18 PflegeVG) von einer Einstufung des zu Pflegenden in ein Pflegestufensystem abhängig. Jedoch bestimmte Art 45 PflegeVG, daß alle pflegebedürftigen Versicherten, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V erhielten, mit dem 1. April 1995 ohne weitere Antragstellung in die Pflegestufe II nach § 15 SGB XI eingestuft wurden und Leistungen nach dem SGB XI erhielten, so daß hierin auch die von § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III geforderte Stufenzuordnung iS des SGB XI gesehen werden kann. Insofern kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Schwiegermutter der Klägerin bereits vor dem 1. April 1995 jedenfalls mit den Leistungen nach §§ 53 ff SGB V "gleichartige Leistungen" (iS des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III) bezog, wie sie später das SGB XI vorsah. Insofern hätte der Gesetzgeber bei der Erweiterung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III durch das 1. SGB XI-ÄndG Rechtsklarheit nur dadurch schaffen können, daß er den 1. April 1995 explizit als Stichtag in der Norm benennt. Unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB I sind deshalb § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III und § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III so auszulegen, daß vom Gesetzgeber zum 1. Januar 1998 eine Besserstellung der Pflegepersonen ohne Beschränkung auf die Zeit der Einstufung und des Leistungsbezugs nach dem SGB XI herbeigeführt werden sollte.
Der Senat geht dabei davon aus, daß die Anwendung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in Fällen der vorliegenden Art, in denen der frühere Alhi-Anspruch gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG bereits (am 3. Januar 1996) erloschen war, dazu führt, daß dieser Anspruch ab 1. Januar 1998 wieder auflebt. Ein allgemeiner Rechtsgedanke, der es dem Gesetzgeber verbietet, bereits erloschene Rechtsansprüche wieder aufleben zu lassen, wenn er dies sozialpolitisch für geboten hält, existiert nicht. Auch spricht die bereits zitierte Begründung zu § 427 SGB III dafür, daß der Gesetzgeber Arbeitslose auch insoweit an den Vergünstigungen des SGB III teilhaben lassen wollte (BT-Drucks 13/4941, S 227). Im übrigen würde im Rahmen der vom Senat vorgenommenen Auslegung der §§ 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1, 192 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III ein nicht unerheblicher Wertungswiderspruch auftreten, wollte man zu dem Ergebnis gelangen, der bereits erloschene Alhi-Anspruch könne nicht durch § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III ab 1. Januar 1998 - das Vorliegen der anderen Tatbestandsvoraussetzungen der Norm unterstellt - wieder aufleben. Die (zufällige) Inanspruchnahme von Alhi für nur einen Tag vor Beginn der Pflege - mit der Folge des Erlöschens des Alhi-Anspruchs ein Jahr nach dem Tage dieses Bezugs gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF - würde dann den Arbeitslosen völlig von den neuen Vergünstigungen des SGB III für die Pflege von Angehörigen ausschließen, während ohne Inanspruchnahme des Alhi-Anspruchs vor Pflegebeginn im Rahmen des § 192 Abs 1 Satz 2 SGB III eine rückwirkende Verlängerung der Vorfrist auf längstens drei Jahre möglich bliebe. Insofern wäre unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers des SGB III, die private Pflege Angehöriger leistungsrechtlich stärker zu honorieren, nicht nachvollziehbar, wieso lediglich die Arbeitslosen, deren Alhi-Anspruch gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF (zufällig) bereits erloschen war, von der Besserstellung nach §§ 124, 192, 196 SGB III hätten ausgenommen werden sollen.
Mithin sind grundsätzlich auch Pflegezeiten, die vor dem 1. April 1995 erbracht worden sind, als Verlängerungstatbestand im Rahmen des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III zu berücksichtigen, wenn Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen aufgrund anderer Vorschriften (wie §§ 53 ff SGB V) gewährt wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die der Leistungsgewährung zugrundeliegende Pflegebedürftigkeit nach dem 1. April 1995 zu einer Einstufung in eine der drei Pflegestufen im Sinne des SGB XI hätte führen können. Dies könnte bedeuten, daß der Anspruch der Klägerin auf Anschluß-Alhi ab 1. Januar 1998 als nicht erloschen anzusehen ist. Denn die Schwiegermutter der Klägerin hat nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG vom 3. Januar 1995 bis zum 31. März 1995 Pflegegeld von der AOK gemäß §§ 53, 57 SGB V aF sowie Hilfe zur Pflege gemäß §§ 68, 69 BSHG erhalten. Anschließend standen der zu pflegenden Person ab 1. April 1995 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung (SGB XI) zu, so daß - bei einem zu berücksichtigenden Leistungsbezug von mehr als zwei Jahren - die am 3. Januar 1996 endende Erlöschensfrist des § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III um längstens zwei Jahre - bis 3. Januar 1998 - zu verlängern wäre.
Entgegen der Auffassung des LSG kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin - am 9. Januar 1998 oder bereits Ende 1997 - einen erneuten Antrag auf Gewährung von Alhi gestellt hat. Denn wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, verliert der Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung (vgl BSG SozR 3-4100 § 139a Nr 1 S 3; BSG SozR 4100 § 134 Nr 29 S 79 zustimmend der 11. Senat im Urteil vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 99/99 R -; offengelassen und insoweit mißverständlich im Urteil des Senats vom 15. Juni 2000 - B 7 AL 64/99 R - BSGE 86, 182). Da der einmal gestellte Antrag auf Alhi für weitere Bewilligungszeiträume fortgilt, muß dies hier um so mehr gelten, als ein Bewilligungszeitraum bis 1. Januar 1998 überhaupt noch nicht abgelaufen war. Vielmehr hatte die Klägerin am 3. Februar 1997 die Gewährung von Alhi beantragt, was von der Beklagten abgelehnt worden war. Insofern konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, daß sie lediglich aufgrund des Inkrafttretens der Neuregelungen des SGB III ab 1. Januar 1998 erneut einen Alhi-Antrag im Hinblick auf diese Neuregelungen stellt.
Allerdings fehlen noch Feststellungen des LSG zum Umfang der Pflegetätigkeit und zur Bedürftigkeit der Klägerin (§ 193 SGB III). Der Verlängerungstatbestand des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III setzt insofern zusätzlich voraus, daß die Klägerin ihre Schwiegermutter tatsächlich wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat. Den tatsächlichen Umfang der Pflegetätigkeit ebenso wie die Bedürftigkeit der Klägerin für den geltend gemachten Leistungszeitraum wird das LSG folglich im einzelnen noch festzustellen haben.
Im übrigen wird das LSG abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu befinden haben.
Gründe:
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ab 1. Januar 1998 ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) zusteht.
Die im Jahre 1946 geborene Klägerin bezog vom 1. Juli 1992 bis zum 28. April 1994 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend bis zum 2. Januar 1995 (Anschluß-)Alhi. Ab 3. Januar 1995 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten ab, um ihre pflegebedürftige Schwiegermutter zu betreuen. Die Beklagte hob daraufhin die Bewilligung von Alhi ab dem 3. Januar 1995 auf (Bescheid vom 8. Februar 1995). In der Zeit vom 3. Januar 1995 bis zum Tode der Schwiegermutter am 31. Januar 1997 übernahm die Klägerin deren Pflege. Ihre Schwiegermutter erhielt zunächst bis zum 31. März 1995 Pflegegeld von der AOK Rostock gemäß § 53 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie Hilfe zur Pflege gemäß den §§ 68, 69 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) von der Hansestadt Rostock. Ab dem 1. April 1995 erhielt die Schwiegermutter der Klägerin sodann Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Am 3. Februar 1997 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alhi. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab, weil die Klägerin in keiner die Anwartschaftszeit begründenden Beschäftigung gestanden habe. Ihr früherer Anspruch auf Alhi vom 29. April 1994 sei gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erloschen, weil seit dem letzten Tage des Bezuges von Alhi (2. Januar 1995) mehr als ein Jahr vergangen sei (Bescheid vom 21. Februar 1997; Widerspruchsbescheid vom 9. April 1997).
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens lehnte die Beklagte einen weiteren Antrag der Klägerin auf Alhi ab (Bescheid vom 21. Januar 1998; Widerspruchsbescheid vom 9. März 1998). Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin erfülle auch nicht für den Zeitraum ab 1. Januar 1998 die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Alhi gemäß §§ 190, 192 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III). Ihr (früherer) Anspruch auf Alhi sei auch gemäß § 196 SGB III erloschen. Die Klägerin habe am 9. Januar 1998 erneut die Gewährung von Leistungen beantragt. Die Frist nach § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III (8. Januar 1998 bis 9. Januar 1997) verlängere sich nach § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um die Zeiten der Pflegetätigkeit, für die Leistungen der Pflegeversicherung erbracht worden seien (1. April 1995 bis 31. Januar 1997), also um 672 Kalendertage. In dieser verlängerten Frist vom 8. Januar 1998 bis 9. März 1995 habe die Klägerin keine Alhi bezogen mit der Folge, daß der alte Anspruch auf Alhi erloschen sei.
Die hiergegen im März 1998 erhobene Klage wurde mit dem bereits anhängigen Verfahren verbunden. Mit Urteil vom 26. Mai 1999 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zu gewähren. Für den vorangehenden Zeitraum hat es die Klage abgewiesen. Das SG hat die Auffassung vertreten, auch die vor dem 1. April 1995 (Inkrafttreten des Leistungsrechts der gesetzlichen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI)) liegenden Zeiten der Pflegetätigkeit seien bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren einzubeziehen. Die Erlöschensfrist sei daher erst mit dem 2. Januar 1998 abgelaufen. Da die Klägerin sich bereits im Dezember 1997 beim Arbeitsamt gemeldet und erneut mit Wirkung zum 1. Januar 1998 die Gewährung von Leistungen beantragt habe, sei der Alhi-Anspruch nicht erloschen gewesen und der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zu gewähren. Für die Zeit davor habe jedoch nach der alten Rechtslage des AFG kein Alhi-Anspruch mehr bestanden.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern das Urteil des SG abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Das LSG hat die Auffassung vertreten, daß die vor dem 1. April 1995 liegenden Zeiten der Pflege eines Angehörigen nicht als Verlängerungstatbestand im Rahmen der Erlöschensfrist beim Alhi-Anspruch berücksichtigt werden könnten. Nach den Regelungen des AFG hätten bis Ende 1997 Pflegezeiten keine Berücksichtigung gefunden. Der Gesetzgeber habe im SGB III im Rahmen der Berechnung der erweiterten Erlöschensfrist auf Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung als neue Sozialleistung abgestellt. Insofern sei die Anwendung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III von dem Stichtag der Einführung der Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung am 1. April 1995 abhängig, so daß vorhergehende Pflegezeiten keine Berücksichtigung finden könnten. Nur soweit Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung wegen fehlender Vorversicherungszeiten nicht gewährt werden könnten und deshalb Leistungen nach dem BSHG bezogen würden, führten auch solche Zeiten ab 1. April 1995 zur Verlängerung der Erlöschensfrist. Da lediglich Pflegezeiten vom 1. April 1995 bis 31. Januar 1997 bei der Verlängerung der Jahresfrist berücksichtigt werden könnten, könnten nur 672 Kalendertage zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden. Folglich könne auch dahinstehen, ob seitens der Klägerin im Dezember 1997 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 oder aber erst am 9. Januar 1998 ein neuer Antrag auf Bewilligung von Alhi gestellt worden sei.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III. Es sei durch nichts ersichtlich, weshalb in dieser Norm auf die für die gesetzliche Pflegeversicherung maßgebenden Stichtage 1. Januar oder 1. April 1995 abgestellt worden sein sollte. Dafür gäben Wortlaut, Kontext, Sinn und Ziel des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III keinerlei Anhaltspunkte. Ihre Schwiegermutter habe bereits vor dem 1. April 1995 Leistungen nach dem BSHG bzw SGB V erhalten. Hierbei handele es sich um "gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften" iS des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III. Deshalb seien auch diese vor dem 1. April 1995 liegenden Pflegezeiträume in die Verlängerung der Erlöschensfrist mit einzubeziehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 15. Februar 2000 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Rostock vom 26. Mai 1999 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Wie auch der Gesetzesbegründung zu § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III zu entnehmen sei, habe der Gesetzgeber des SGB III ausdrücklich einen Bezug zwischen den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und den Neuregelungen des SGB III herstellen wollen. Der Stichtag 1. April 1995 für die Einführung der neuen Leistungen nach dem SGB XI sei daher für die arbeitsförderungsrechtliche Berücksichtigung solcher Pflegezeiten maßgeblich. Dies gelte auch dann, wenn der pflegebedürftige Angehörige zuvor Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder andere gleichartige Leistungen bezogen habe.
II
Die Sache war gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz an das LSG zurückzuverweisen. Denn es läßt sich mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin ab 1. Januar 1998 Alhi zusteht. Das klageabweisende Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung der Regelung über die Verlängerung der Erlöschensfrist in § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III (idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes (1.SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970). Das LSG hat zu Unrecht die vor dem 1. April 1995 liegenden Pflegezeiten (bei der Klägerin ab 3. Januar 1995) bei der Frage der Verlängerung der Erlöschensfrist nicht berücksichtigt. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das LSG zu Recht die erforderlichen Feststellungen zum zeitlichen Umfang der Pflegeleistungen (14 Stunden wöchentlich) und zur Bedürftigkeit der Klägerin nicht getroffen.
Zwischen den Beteiligten ist noch streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf Anschluß-Alhi ab 1. Januar 1998 wieder aufgelebt ist. Hinsichtlich der davorliegenden Leistungszeiträume ist das klageabweisende Urteil des SG in Rechtskraft erwachsen. Für den geltend gemachten Leistungsanspruch ab 1. Januar 1998 ist grundsätzlich auf die Rechtslage nach dem SGB III abzustellen. Dies ergibt sich aus dem einschlägigen Übergangsrecht des SGB III (§ 427 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG), dem der Grundsatz zu entnehmen ist, daß das neue Recht des SGB III möglichst bereits mit seinem Inkrafttreten zum 1. Januar 1998 maßgebend sein und die Anwendbarkeit der früheren AFG-Regelungen nur in Ausnahmefällen erfolgen soll (so bereits der 11. Senat des Bundessozialgerichts, BSG SozR 3-4300 § 420 Nr 1 S 2). Hierfür spricht insbesondere die Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen CDU/CSU/F.D.P. zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 18. Juli 1996 zu § 427 SGB III (BT-Drucks 13/4941, S 227). Danach sollen im Interesse der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität auf Ansprüche auf Alg und Alhi die Regelungen des SGB III grundsätzlich auch dann Anwendung finden, wenn diese bereits vor dem 1. Januar 1998 entstanden sind. Eine Regelung, nach der zum Teil altes, zum Teil neues Recht anzuwenden wäre, würde die Arbeitsämter im Massenverwaltungsverfahren überfordern. Eine ausschließliche Anwendung des alten Rechts würde für einzelne Arbeitslose insoweit zu einer Benachteiligung führen, als sich das neue Recht zu ihren Gunsten auswirkt (BT-Drucks 13/4941, aaO). Da hinsichtlich der durch das SGB III neu eingeführten Vergünstigungen für Arbeitslose, die Angehörige gepflegt haben, in der Übergangsregelung des § 427 SGB III keine Ausnahme von der Anwendung des neuen Rechts vorgesehen ist (vgl hierzu auch Schlegel in Hennig, SGB III, RdNrn 31 ff zu § 427 SGB III), findet im vorliegenden Fall neues Recht, insbesondere auch § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III, Anwendung. Eine andere Frage ist es, ob die Anwendung neuen Rechts - darüber hinaus - auch dazu führen kann, daß ein vor dem 1. Januar 1998 erloschener Anspruch auf Alhi (§ 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF) wieder aufleben kann (s hierzu weiter unten).
Zu Unrecht hat das LSG die Berücksichtigung von Pflegezeiten vor dem 1. April 1995 im Rahmen des Verlängerungstatbestands des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III verneint. Nach § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III erlischt der Anspruch auf Alhi zwar, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Alhi ein Jahr vergangen ist. Diese Frist verlängert sich jedoch gemäß § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tag des Bezugs von Alhi als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III iS des SGB XI zugeordneten Angehörigen, der Leistungen aus der sozialen oder privaten Pflegeversicherung nach dem SGB XI oder Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat, ... längstens jedoch um zwei Jahre. Angehöriger im Sinne dieser Regelung ist auf jeden Fall die Schwiegermutter (vgl § 16 Abs 5 Satz 1 Nr 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, § 1590 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch).
Der Senat geht davon aus, daß weder dem Wortlaut noch den Gesetzesmaterialien des § 196 SGB III iVm § 124 SGB III ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers entnommen werden kann, den Tag des Inkrafttretens des Leistungsrechts des SGB XI bei häuslicher Pflege (1. April 1995; vgl Art 68 Abs 2 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG) vom 26. Mai 1994, BGBl I 1014; vgl auch § 1 Abs 5 SGB XI) als Stichtag festzusetzen, von dem an lediglich mit Wirkung für die Zukunft eine Berücksichtigung von Pflegezeiten zugunsten des Arbeitslosen in Betracht käme. Vielmehr spricht die Rechtsentwicklung eher für eine Privilegierung auch vor dem 1. April 1995 liegender Pflegezeiten durch das SGB III.
Die Verlängerung der Erlöschensfrist in § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III um Pflegezeiten ist in einem inneren Zusammenhang mit der Erweiterung der Rahmenfrist in § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB III (ebenfalls idF des 1. SGB III-ÄndG) zu sehen. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem besonderen Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer, die ihre Berufsausübung zur Pflege von Angehörigen unterbrochen haben, in einem weiten Maße - auch für die Vergangenheit - Rechnung tragen wollen. Dies zeigt insbesondere der Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu § 124 SGB III. In dem bereits zitierten Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU/F.D.P. zum Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) vom 18. Juni 1996 (BT-Drucks 13/4941, S 40 und S 177) war in § 124 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III (aF) zunächst noch vorgesehen, die Verlängerung der Rahmenfrist auch bei der Pflege eines pflegebedürftigen Angehörigen auf längstens sechs Jahre zu begrenzen. Diese Begrenzung der Verlängerung der Rahmenfrist ist auf Anregung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuß) später gestrichen worden (vgl BT-Drucks 13/5936 vom 5. November 1996, insbesondere S 28). Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Verlängerung der Rahmenfrist auf längstens sechs Jahre könne zu erheblichen Härten führen, da sie der Pflegewirklichkeit nicht entspreche. Die Pflege dauere in einer nicht unerheblichen Anzahl der Fälle mehr als ein Jahrzehnt. Deshalb erschien es dem 11. Ausschuß (aaO) geboten, entsprechend der Regelung bei der Vorbeschäftigungszeit im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung bei Berufsrückkehrern, die einen pflegebedürftigen Angehörigen pflegen (§ 78 Satz 2 SGB III), auf eine Begrenzung der Rahmenfrist vollständig zu verzichten. Diese sozialpolitische Motivation des Gesetzgebers des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III legt es deshalb nahe, daß die Ausweitung der Rahmenfrist auch Pflegenden zugute kommen soll, die bereits vor dem Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 - unter Umständen schon seit längerer Zeit - einen Angehörigen gepflegt haben. Entsprechend verlängert sich auch nach § 192 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III die Vorfrist für den Alhi-Anspruch (§ 190 Abs 1 Nr 4 SGB III) ab 1. Januar 1998 mit der Wirkung, daß auch vor dem 1. Januar 1998 liegende Pflegezeiten nunmehr für die Verlängerung der Vorfrist berücksichtigt werden können. Den Besonderheiten der Alhi gegenüber dem Anspruch auf Alg wird im übrigen insoweit Rechnung getragen, als § 192 Abs 1 Satz 2 SGB III und § 196 Abs 1 Satz 2 SGB III die Verlängerung der einjährigen Vorfrist und Erlöschensfrist (auch) um Pflegezeiten jeweils längstens für zwei Jahre vorsehen.
196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG stellt insofern lediglich eine Folgeänderung zur Änderung des § 124 SGB III dar. § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des AFRG vom 24. März 1997 (BGBl I 594) hatte zunächst bestimmt, daß in die Rahmenfrist nicht eingerechnet werden "Zeiten der Pflege eines Angehörigen, der Anspruch auf Leistungen der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat". Die durch das 1. SGB III-ÄndG vorgenommene Erweiterung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III um Zeiten, in denen der Angehörige Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, war - so die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 12. November 1997 (BT-Drucks 13/8994, S 61) - sozialpolitisch motiviert. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß es sozialpolitisch geboten sei, die einen Anspruch auf Alg wahrende Regelung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III auch auf Pflegepersonen zu erstrecken, die Angehörige pflegen, die keine Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, zB weil sie die erforderliche Vorversicherungszeit nicht erfüllen, aber wegen gleicher Pflegebedürftigkeit Leistungen nach den Vorschriften der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG beziehen. In diese Regelung sollten auch Pflegepersonen einbezogen werden, die Angehörige pflegen, die bei gleicher Pflegebedürftigkeit allein aufgrund gesetzlicher Konkurrenzregelungen gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften beziehen (aaO). Die Neufassung der §§ 192 und 196 durch das 1. SGB III-ÄndG wurde sodann lediglich als Folgeänderung bzw Anpassung an die beim Alg geltende Neuregelung bezeichnet (BT-Drucks 13/8994, S 63).
Mithin sind hier zwei gesetzgeberische Entscheidungen zu beachten, die beide zum 1. Januar 1998 wirksam geworden sind. Zum einen die zeitlich unbegrenzte Verlängerung der Rahmenfrist in § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III (hierzu BT-Drucks 13/5936, S 28), zum anderen die durch das 1. SGB III-ÄndG erfolgte sozialpolitisch motivierte Ausdehnung des Pflegetatbestands auf die Betreuung auch solcher Angehöriger, die Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder nach anderen Vorschriften beziehen (hierzu BT-Drucks 13/8994, S 61). Bei beiden legislatorischen Schritten fehlt in den Gesetzesmaterialien ebenso wie im Wortlaut der Normen ein eindeutiger Bezug zu dem von der Beklagten angenommenen Stichtag 1. April 1995. Ein sicherer Anhalt dafür, daß Pflegezeiten nur ab 1. April 1995 berücksichtigt werden sollten, ist jedenfalls dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen. Es trifft zwar zu, daß das SGB III in der ursprünglichen Fassung des AFRG im wesentlichen an den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung ausgerichtet war, so daß nur die ab 1. April 1995 eingeführten Leistungen des SGB XI erfaßt wurden. Jedoch spricht die Erweiterung der Rahmenfrist eher dafür, daß die enge Bindung an das SGB XI gelöst werden sollte und nunmehr auch gleichartige Leistungen nach anderen Gesetzen berücksichtigt werden sollten, unabhängig davon, wann sie begonnen hatten. Hinsichtlich bestehender Zweifel ist § 2 Abs 2 Halbs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu beachten, wonach alle mit der Sozialrechtsgewährung befaßten Institutionen gehalten sind sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. § 2 Abs 2 SGB I stellt als Ausprägung des Sozialstaatsgebots eine Auslegungsregel dar, die bei der Rechtsfindung zu beachten ist (vgl BSGE 64, 89, 93 = SozR 2200 § 545 Nr 8; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 2). Dabei kann dahinstehen, ob § 2 Abs 2 SGB I als eigenständige Rechtsgrundlage für weitergehende Rechtsfolgenaussprüche dienen kann (hierzu kritisch BSGE 86, 107, 110 f; vgl zu § 2 Abs 2 SGB I auch BSGE 81, 231, 238), denn jedenfalls bei der Auslegung von Rechtsnormen, die wie hier § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in ihrem Regelungsgehalt nicht völlig eindeutig sind, kann der in § 2 Abs 2 SGB I enthaltene Grundsatz einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte als zusätzliches Argument für eine "versichertenfreundliche" Auslegung den letzten Ausschlag geben.
Dem LSG ist allerdings einzuräumen, daß der Wortlaut des Verlängerungstatbestands des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III einen ausdrücklichen Bezug zu den Pflegestufen im Sinne des SGB XI aufweist. Eine Zuordnung zu einer der drei Pflegestufen iS des § 15 SGB XI war erst ab 1. April 1995 Voraussetzung für eine Leistung nach den §§ 36, 37 SGB XI, so daß mittelbar aus der Tatbestandsvoraussetzung, daß es sich bei der zu pflegenden Person um einen einer Pflegestufe "zugeordneten" Angehörigen handeln muß, geschlossen werden könnte, erst mit einer solchen Zuordnung iS des SGB XI komme auch der Verlängerungstatbestand des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in Betracht. Andererseits hat der Gesetzgeber - wie aufgezeigt - mit dem 1. SGB III-ÄndG eine weitere Ergänzung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III vorgenommen, indem gerade nicht mehr ausschließlich auf den Leistungsbezug des zu pflegenden Angehörigen nach dem SGB XI abgestellt wurde. Die Erlöschensfrist verlängert sich nach der Fassung, die § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten hat, nunmehr auch, wenn der Angehörige "Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht". Der Bezug solcher Leistungen (zB aus der Unfallversicherung, dem Bundesversorgungsgesetz) ist jedoch weder an den Stichtag 1. April 1995 gebunden noch setzten diese Leistungen eine Zuordnung des zu Pflegenden in eine Pflegestufe voraus. Dies gilt insbesondere für die Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach §§ 53 ff SGB V (idF des Gesundheitsreformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477), die die Schwiegermutter der Klägerin hier bis zum 31. März 1995 bezogen hat. Die Geldleistung nach § 57 SGB V aF war ebensowenig wie die Hilfe zur Pflege nach §§ 68, 69 BSHG aF (vor der Neufassung der §§ 68, 69 BSHG zum 1. April 1995 durch Art 18 PflegeVG) von einer Einstufung des zu Pflegenden in ein Pflegestufensystem abhängig. Jedoch bestimmte Art 45 PflegeVG, daß alle pflegebedürftigen Versicherten, die bis zum 31. März 1995 Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53 ff SGB V erhielten, mit dem 1. April 1995 ohne weitere Antragstellung in die Pflegestufe II nach § 15 SGB XI eingestuft wurden und Leistungen nach dem SGB XI erhielten, so daß hierin auch die von § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III geforderte Stufenzuordnung iS des SGB XI gesehen werden kann. Insofern kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Schwiegermutter der Klägerin bereits vor dem 1. April 1995 jedenfalls mit den Leistungen nach §§ 53 ff SGB V "gleichartige Leistungen" (iS des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III) bezog, wie sie später das SGB XI vorsah. Insofern hätte der Gesetzgeber bei der Erweiterung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III durch das 1. SGB XI-ÄndG Rechtsklarheit nur dadurch schaffen können, daß er den 1. April 1995 explizit als Stichtag in der Norm benennt. Unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB I sind deshalb § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III und § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III so auszulegen, daß vom Gesetzgeber zum 1. Januar 1998 eine Besserstellung der Pflegepersonen ohne Beschränkung auf die Zeit der Einstufung und des Leistungsbezugs nach dem SGB XI herbeigeführt werden sollte.
Der Senat geht dabei davon aus, daß die Anwendung des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in Fällen der vorliegenden Art, in denen der frühere Alhi-Anspruch gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG bereits (am 3. Januar 1996) erloschen war, dazu führt, daß dieser Anspruch ab 1. Januar 1998 wieder auflebt. Ein allgemeiner Rechtsgedanke, der es dem Gesetzgeber verbietet, bereits erloschene Rechtsansprüche wieder aufleben zu lassen, wenn er dies sozialpolitisch für geboten hält, existiert nicht. Auch spricht die bereits zitierte Begründung zu § 427 SGB III dafür, daß der Gesetzgeber Arbeitslose auch insoweit an den Vergünstigungen des SGB III teilhaben lassen wollte (BT-Drucks 13/4941, S 227). Im übrigen würde im Rahmen der vom Senat vorgenommenen Auslegung der §§ 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1, 192 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III ein nicht unerheblicher Wertungswiderspruch auftreten, wollte man zu dem Ergebnis gelangen, der bereits erloschene Alhi-Anspruch könne nicht durch § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III ab 1. Januar 1998 - das Vorliegen der anderen Tatbestandsvoraussetzungen der Norm unterstellt - wieder aufleben. Die (zufällige) Inanspruchnahme von Alhi für nur einen Tag vor Beginn der Pflege - mit der Folge des Erlöschens des Alhi-Anspruchs ein Jahr nach dem Tage dieses Bezugs gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF - würde dann den Arbeitslosen völlig von den neuen Vergünstigungen des SGB III für die Pflege von Angehörigen ausschließen, während ohne Inanspruchnahme des Alhi-Anspruchs vor Pflegebeginn im Rahmen des § 192 Abs 1 Satz 2 SGB III eine rückwirkende Verlängerung der Vorfrist auf längstens drei Jahre möglich bliebe. Insofern wäre unter Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers des SGB III, die private Pflege Angehöriger leistungsrechtlich stärker zu honorieren, nicht nachvollziehbar, wieso lediglich die Arbeitslosen, deren Alhi-Anspruch gemäß § 135 Abs 1 Nr 2 AFG aF (zufällig) bereits erloschen war, von der Besserstellung nach §§ 124, 192, 196 SGB III hätten ausgenommen werden sollen.
Mithin sind grundsätzlich auch Pflegezeiten, die vor dem 1. April 1995 erbracht worden sind, als Verlängerungstatbestand im Rahmen des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III zu berücksichtigen, wenn Hilfe zur Pflege nach dem BSHG oder gleichartige Leistungen aufgrund anderer Vorschriften (wie §§ 53 ff SGB V) gewährt wurden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die der Leistungsgewährung zugrundeliegende Pflegebedürftigkeit nach dem 1. April 1995 zu einer Einstufung in eine der drei Pflegestufen im Sinne des SGB XI hätte führen können. Dies könnte bedeuten, daß der Anspruch der Klägerin auf Anschluß-Alhi ab 1. Januar 1998 als nicht erloschen anzusehen ist. Denn die Schwiegermutter der Klägerin hat nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG vom 3. Januar 1995 bis zum 31. März 1995 Pflegegeld von der AOK gemäß §§ 53, 57 SGB V aF sowie Hilfe zur Pflege gemäß §§ 68, 69 BSHG erhalten. Anschließend standen der zu pflegenden Person ab 1. April 1995 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung (SGB XI) zu, so daß - bei einem zu berücksichtigenden Leistungsbezug von mehr als zwei Jahren - die am 3. Januar 1996 endende Erlöschensfrist des § 196 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III um längstens zwei Jahre - bis 3. Januar 1998 - zu verlängern wäre.
Entgegen der Auffassung des LSG kommt es nicht darauf an, wann die Klägerin - am 9. Januar 1998 oder bereits Ende 1997 - einen erneuten Antrag auf Gewährung von Alhi gestellt hat. Denn wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, verliert der Antrag auf Alhi nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums nicht seine Wirkung (vgl BSG SozR 3-4100 § 139a Nr 1 S 3; BSG SozR 4100 § 134 Nr 29 S 79 zustimmend der 11. Senat im Urteil vom 29. Juni 2000 - B 11 AL 99/99 R -; offengelassen und insoweit mißverständlich im Urteil des Senats vom 15. Juni 2000 - B 7 AL 64/99 R - BSGE 86, 182). Da der einmal gestellte Antrag auf Alhi für weitere Bewilligungszeiträume fortgilt, muß dies hier um so mehr gelten, als ein Bewilligungszeitraum bis 1. Januar 1998 überhaupt noch nicht abgelaufen war. Vielmehr hatte die Klägerin am 3. Februar 1997 die Gewährung von Alhi beantragt, was von der Beklagten abgelehnt worden war. Insofern konnte von der Klägerin nicht erwartet werden, daß sie lediglich aufgrund des Inkrafttretens der Neuregelungen des SGB III ab 1. Januar 1998 erneut einen Alhi-Antrag im Hinblick auf diese Neuregelungen stellt.
Allerdings fehlen noch Feststellungen des LSG zum Umfang der Pflegetätigkeit und zur Bedürftigkeit der Klägerin (§ 193 SGB III). Der Verlängerungstatbestand des § 196 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III setzt insofern zusätzlich voraus, daß die Klägerin ihre Schwiegermutter tatsächlich wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat. Den tatsächlichen Umfang der Pflegetätigkeit ebenso wie die Bedürftigkeit der Klägerin für den geltend gemachten Leistungszeitraum wird das LSG folglich im einzelnen noch festzustellen haben.
Im übrigen wird das LSG abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu befinden haben.
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