L 13 KN 6/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 KN 52/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 KN 6/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Spätaussiedlerstatus erstreckt sich nicht auf den Ehegatten einer Spätaussiedlerin i.S. des § 4 BVFG.
2. Der damit verbundene Ausschluss von Leistungsansprüchen auf der Grundlage des FRG ist nicht verfassungswidrig.
i. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
ii. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
iii. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung unter Berücksichtigung rumänischer Versicherungszeiten streitig.

Der am 1936 geborene Kläger ist am 23.10.1995 zusammen mit seiner Ehefrau aus Rumänien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (Aufnahmebescheid vom 07.08.1995). Aus Beschäftigungszeiten in Rumänien bezog er dort von 1990 bis zur Ausreise eine Rente. Am 08.01.1997 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Er gab dabei an, seit seiner Übersiedelung Sozialhilfe zu beziehen. Auf Anforderung, eine Spätaussiedlerbescheinigung vorzulegen, legte der Kläger eine Bestätigung des Landratsamtes Landshut vom 16.04.1997 vor, wonach seine Ehefrau als Spätaussiedlerin anerkannt wurde, er selbst als Ehegatte einer Spätaussiedlerin. Mit Bescheid vom 22.05.1997 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab, da die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt sei. Die in Rumänien zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten seien nicht anrechenbar, da der Kläger nicht als Spätaussiedler anerkannt sei und somit nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des Fremdrentengesetzes (FRG) gehöre. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.1998 als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht München und führte zu deren Begründung im Wesentlichen aus, er habe den Antrag für die Aufnahme in die Bundesrepublik im Februar 1992 gestellt und sei nicht schuld, dass die Untersuchung der Unterlagen zweieinhalb Jahre gedauert habe. Er habe in Rumänien 40 Jahre im Bergwerk gearbeitet und sei mit seiner Frau seit 39 Jahren verheiratet. Da ihm nunmehr die deutsche Staatsangehörigkeit anerkannt worden sei, habe er alle Rechte wie die anderen deutschen Staatsangehörigen. Diese seien nach dem Grundgesetz gleich vor dem Gesetz. In Deutschland selbst habe er keine Rentenbeiträge entrichten können, da er nach der Einreise krank geworden sei. Es sei ungerecht, wenn rumänische Aussiedler, die keine Volksdeutschen seien und zwei Jahre vor ihm nach Deutschland ausgesiedelt seien, Recht auf Rente hätten, obwohl sie nicht eine schwere Herzoperation hinter sich hätten. Diese Ungerechtigkeit verletze die Menschenrechte und auch die Carta der UN.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.05.1998 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte im Wesentlichen aus, da der Kläger am 23.10.1995 aus Rumänien übersiedelt sei, finde auf ihn die ab 01.01.1993 geltende Gesetzeslage Anwendung. Der Kläger falle nicht unter den Personenkreis des § 1 FRG, da er nicht als Spätaussiedler, sondern als Ehegatte eines Spätaussiedlers anerkannt sei. Anders als bisher erstrecke sich nunmehr die Rechtsstellung eines Spätaussiedlers nicht mehr auf dessen Ehegatten. Der Kläger falle auch nicht unter den Personenkreis des § 1 Buchst.b bis e FRG, weshalb ihm keine Versicherungszeiten angerechnet werden könnten und somit die Wartezeit für eine Rente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfüllt sei.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er im Wesentlichen seine bisherige Begründung wiederholt. Er bestärkt seine Argumentation, wonach das Gesetz, das die Spätaussiedler betreffe, gegen die Verfassung verstoße und nicht angewendet werden könne. Er sei deutscher Staatsbürger und habe daher alle Rechte, wie sie im Grundgesetz vorgesehen seien. In Rumänien habe er während der ganzen Zeit seiner Berufstätigkeit Rentenversicherungsbeiträge bezahlt, weshalb er nun auch jedenfalls ab dem 60. Lebensjahr Rente beanspruchen könne.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 6.05.1998 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.05.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.1998 zu verurteilen, ihm Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), jedoch sachlich unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43, 44, 45 Sozialgesetzbuch VI - SGB VI ) bzw. Altersrente für Berufs- oder Erwerbsunfähige, da die erforderliche Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs.1 Nr.2 SGB VI) bzw. 35 Jahren (§ 37 Nr.3 SGB VI) nicht erfüllt ist.

Der Kläger hat in der deutschen Rentenversicherung keine rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt. Die in Rumänien zurückgelegten Versicherungszeiten können nicht angerechnet werden, da der Kläger nicht zum Personenkreis des § 1 FRG in der Fassung ab 01.01.1993 gehört. Der Kläger, der am 23.10.1995 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, ist insbesondere nicht als Spätaussiedler im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannt und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des § 1 Buchst.a FRG, auch wenn er seit 04.06.1997 deutscher Staatsangehöriger ist. Der Kläger hat lediglich die Rechtsstellung eines Ehegatten einer Spätaussiedlerin (§ 7 Abs.2 BVFG). Anders als nach der bis 31.12.1992 geltenden Rechtslage erstreckt sich die Rechtsstellung eines Spätaussiedlers nicht mehr auf dessen Ehegatten. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgeführt und begründet, weshalb sich der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG diesen Ausführungen anschließt und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht.

Ergänzend ist unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung festzustellen, dass das Bundessozialgericht zwischenzeitlich mit Urteil vom 23.06.1999 (B 5 RJ 44/98 R) entschieden und ausführlich begründet hat, dass sich der Spätaussiedlerstatus nicht auf Ehegatten von Spätaussiedlern erstreckt und der damit verbundene Ausschluss von Leistungsansprüchen auf der Grundlage des Fremdrentengesetzes nicht verfassungswidrig ist.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG vermögen die vom Kläger vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht zu greifen.

Zunächst verletzt die Rechtsänderung nicht den Eigentumsschutz des Klägers nach Art.14 Abs.1 Grundgesetz (GG). Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung keine durch Art.14 GG geschützte Rechtsposition inne. Da die Leistungen nach dem FRG auf dem Eingliederungsgedanken beruhen, können Anwartschaften und Ansprüche auf diese Leistungen nicht vor der Aufenthaltsname im Bundesgebiet begründet werden. Diese erfolgte beim Kläger erst nach der Rechtsänderung.

Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip (Art.20 Abs.1 GG) liegt ebensowenig vor, wie ein Verstoß gegen das rechtsstaatsprinzip (Art.20 Abs.3 GG). Es liegt insbesondere keine unechte Rückwirkung der Gesetzesänderung vor. Diese ist nach der Rechtsprechung dadurch gekennzeichent, dass sich das für die Zukunft geltende Gesetz auf gegenwärtig noch nicht abgeschlossene Sachverhalte bezieht bzw. künftige Rechtsfolgen von tatsächlichen Gegebenheiten aus der Zeit vor seiner Verkündigung abhängig macht und damit auf vorrangig grundrechtlich geschützte Rechtspositionen einwirkt (vgl. z.B. BVerfGE 92, 277 ff.). Dass der Kläger die Aufnahme in die Bundesrepublik noch vor der Rechtsänderung beantragt hat, begründet noch keine Rechtsposition in diesem Sinne. Der Antrag verschafft dem Kläger lediglich die Aussicht, in die Bundesrepublik auszureisen und dort denselben Status wie seine Ehefrau erwerben zu können. Irgendwelche gesicherte Dispositionen ließen sich im Hinblick auf diese bloße Aussicht noch nicht treffen. Ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Statuserwerb unverändert bleiben würden, bestand somit bei Stellung des Aufnahmeantrages nicht.

Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG ist nicht verletzt. Der Kläger ist im Vergleich zu nichtdeutschen Ehegatten von Aussiedlern, die bereits vor dem 01.01.1993 eingereist sind bzw. einen Aufnahmebescheid schon vor diesem Zeitpunkt erhalten haben, schlechter gestellt, weil auf diesen Personenkreis das FRG noch Anwendung findet. Dies ist jedoch Folge einer verfassungsrechtlich zulässigen Stichtagsregelung. Die Stichtagsregelung orientiert sich in sachgerechter Weise am Zeitpunkt der Einreise und gewährleistet auch einen ausreichenden Vertrauensschutz im Hinblick auf einen zuvor erteilten Aufnahmebescheid (§ 100 Abs.1 in Verbindung mit Abs.4 und 5 BVFG). Ein solcher Aufnahmebescheid war dem Kläger jedoch vor 1993 noch nicht erteilt worden. Härten, die jeder Stichtagsregelung innewohnen, müssen hingenommen werden (vgl. z.B. BVerfGE 29, 245 ff.).

Schließlich verstößt der Wegfall von Leistungen nach dem FRG für nichtdeutsche Ehegatten von Spätaussiedlern nicht gegen das Grundrecht aus Art.6 Abs.1 GG. Der Gesetzgeber konnte im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit entscheiden, in welcher Weise er nichtdeutschen Ehegatten von Vertriebenen bzw. Spätaussiedlern zum Zwecke des Eheerhalts weiterhin Eingliederungshilfen gewährt. Hierfür sind im Bundesvertriebenengesetz eine Reihe von Hilfen vorgesehen. Der Auftrag aus Art.6 GG ist damit hinreichend erfüllt (vgl. im Einzelnen BSG vom 23.06.1999 - B 5 RJ 44/98 R).

Die Berufung des Klägers kann nach all dem keinen Erfolg haben, weshalb sie mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unbegründet zurückzuweisen ist.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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