S 22 EG 6/09

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
22
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 22 EG 6/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 EG 24/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2009 verurteilt, der Klägerin für ihre am 5. September 2008 geborene Tochter, C. A., Elterngeld für das erste Lebensjahr dem Grunde nach zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG).

Die 1977 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und lebte in eheähnlicher Gemeinschaft mit dem 1967 geborenen B. A ... Am 5. September 2008 gebar die Klägerin die gemeinsame Tochter, C. A.

Unter dem 19. November 2008 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Elterngeld für ihre Tochter. Ihrem Antrag fügte sie die Gehaltsabrechnungen ihres Arbeitgebers, der Europäischen Zentralbank (EZB), von September 2007 bis September 2008 bei. Gleiches galt für ein Schreiben ihres Arbeitgebers vom 6. Mai 2008 aus dem folgte, dass sich die Klägerin in der Zeit vom 13. August 2008 bis 30. Dezember 2008 in Mutterschutz befinde. Während dieser Zeit erhalte sie weiterhin ihre vollständigen monatlichen Bezüge. Aus dem weiterhin beigefügten Schreiben ihres Arbeitgebers vom 30. Juni 2008 folgte sodann, dass sie sich ab dem 31. Dezember 2008 bis 28. Februar 2009 in Elternzeit befinde. Ab dem 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 werde sie, ausweislich des weiteren Schreibens vom 29. Juli 2008, eine Teilzeittätigkeit im Umfang von 20 Wochenstunden ausüben. Ab dem 1. September 2009 sei wieder die Aufnahme der Vollzeittätigkeit vorgesehen.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Nach Artikel 15 des Abkommens zwischen der EZB und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland vom 18. September 1998 unterlägen die Beschäftigungsbedingungen der Bediensteten der EZB und die in ihrem Haushalt lebenden Familienangehörigen nicht dem materiellen und prozessualen Arbeits- und Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland. Bei der EZB handele es sich um eine europäische Organisation, so dass europäisches Recht zur Anwendung käme. Die Mitarbeiter und die in ihrem Haushalt lebenden Familienangehörigen müssten vorrangig ihren Anspruch im Heimatland geltend machen. Eine Gewährung von Elterngeld komme somit nicht in Betracht. Darüber hinaus unterläge die Tätigkeit der Klägerin nicht der Versicherungspflicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Sie sei weder steuer- noch sozialversicherungspflichtig in Deutschland.

Hiergegen erhob die Klägerin unter dem 21. Dezember 2008 Widerspruch. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG. Ihr Wohnsitz sei in Deutschland, sie lebe mit ihrer Tochter in einem Haushalt und betreue und erziehe dieses Kind. Letztlich übe sie bis einschließlich Februar 2009 auch keine Erwerbstätigkeit aus. In der Zeit von März bis August 2009 übe sie sodann keine volle Erwerbstätigkeit aus. Gemäß § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) könne sie von der Anwendung des BEEG nur dann ausgeschlossen sein, wenn dies durch spezialgesetzliches oder durch zwischen- und überstaatliches Recht angeordnet worden sei. Da § 1 BEEG den Anwendungsbereich jedoch abschließend regele, fehle es am Gesetzesvorbehalt, aufgrund dessen die Anwendung des BEEG auf die Klägerin verweigert werde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Sitzstaatsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der EZB. Hiernach könne das materielle und prozessuale Arbeits- und Sozialrecht der Bundesrepublik nicht auf die Beschäftigungsbedingungen der Direktoriumsmitglieder und Bediensteten der EZB Anwendung finden. Sinn dieser Regelung sei es u. a., Doppelleistungen zu verhindern. Dies sei jedoch faktisch unmöglich, da die EZB kein Elterngeld zahle. Darüber hinaus sei Artikel 15 des Sitzstaatsabkommens dahingehend zu verstehen, dass die Beschäftigten der EZB von sämtlichen Pflichtbeiträgen an deutsche Sozialversicherungsträger befreit sein sollten. Da das Elterngeld jedoch nicht aus Pflichtbeiträgen finanziert werde, sei Artikel 15 des Sitzstaatsabkommens nicht anwendbar. Im Übrigen seien die vom Bundessozialgericht zum Anwendungsbereich des Erziehungsgeldes entwickelten Grundsätze anzuwenden (BSG, Urteil vom 29 August 1991, Az: 4 Reg 8/91). Unabhängig hiervon ergebe sich der Anspruch auf Elterngeld letztlich auch aus § 1 Abs. 2 Nr. 3 BEEG. Die Klägerin sei deutsche Staatsangehörige und übe ihre Tätigkeit bei der EZB nur vorübergehend aus. Der Arbeitsvertrag sei bis zum 30. Juni 2010 befristet.

Mit Bescheid vom 8. Januar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen erneut auf Artikel 15 des Sitzstaatsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EZB.

Hiergegen richtet sich die unter dem 8. Februar 2009 bei dem hiesigen Gericht erhobene Klage, mit welcher die Klägerin weiterhin die Gewährung von Elterngeld für ihre Tochter begehrt. Zur Begründung wiederholt sie ihre Argumente aus dem Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass das Sitzstaatsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der EZB lange vor Inkrafttreten des BEEG geschlossen worden sei und somit den Anspruch auf Elterngeld nicht ausschließen könne. Darüber hinaus handele es sich bei der von dem Beklagten angeführten Entsenderichtlinie des Bundes um eine nicht abschließende Benennung möglicher Konstellationen. Auch diese Vorschrift greife zu Gunsten der Klägerin ein. Darüber hinaus ergebe sich ein Anspruch der Klägerin auch aus der gesetzgeberischen Zielsetzung des BEEG. Der Anteil von deutschen Staatsangehörigen, insbesondere Frauen, solle bei internationalen Organisationen erhöht werden. Auch aus dem Sinn und Zweck des Elterngeldes selbst ergebe sich der Anspruch. Dieses beabsichtige die wirtschaftliche Selbstständigkeit von Familien zu fördern. Die Ablehnung ihres Antrages stelle letztlich auch ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und Artikel 6 Abs. 1 und 2 GG dar und verletze gleichzeitig Europarecht. Die Gewährung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sei mit der Versagung von Elterngeld nicht vereinbar.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 4. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Elterngeld für ihre am 5. September 2008 geborener Tochter, C. A., für das erste Lebensjahr dem Grunde nach zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Insbesondere sei die Entscheidung sachgerecht und entspreche der Interessenlage. Die europäische Union habe eine eigene, an den Standards der EU-Mitgliedstaaten orientierten Sozialpolitik, die Ausdruck fände in Gehaltszahlungen und anderen Sozialleistungen (z. B. Kinderzulage, Entgeltfortzahlung bei Mutterschutz, Entgeltersatz bei Elternzeit etc.).

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere auch wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 30. September 2009 und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen sie in ihren Rechten. Sie hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Gewährung von Elterngeld für das erste Lebensjahr betreffend ihre Tochter, C. A.

Anspruch auf Elterngeld hat nach § 1 Abs. 1 BEEG, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, 2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt, 3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und 4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Die Klägerin erfüllt diese Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BEEG. Ihr Wohnsitz ist in Deutschland, sie lebt mit ihrer Tochter in einem Haushalt und betreut und erzieht diese. Bis einschließlich Februar 2009 übte sie auch keine Erwerbstätigkeit aus. In der Zeit von März bis August 2009 übte sie sodann keine volle Erwerbstätigkeit aus. Grundsätzlich hat sie damit Anspruch auf Elterngeld nach dem BEEG.

Dieser Anspruch ist im Fall der Klägerin auch nicht ausgeschlossen. Nach § 68 Nr. 15a SGB I handelt es sich bei dem hier streitigen Ersten Abschnitt des BEEG um materielles Sozialrecht. Die Vorschriften hierzu gelten gemäß § 30 Abs. 1 SGB I für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im entsprechenden Geltungsbereich haben. Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.

Ausweislich § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs sodann nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. § 31 SGB I dehnt den Vorbehalt des Gesetzes damit auch auf den Leistungsbereich aus ("Rechte"). Die im SGB geregelten Begünstigungen stehen nicht im freien Ermessen der öffentlichen Verwaltung, sondern sind dazu bestimmt, den sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen (BT-Drucks 7/868, Seite 27).

Da der persönliche Anwendungsbereich des BEEG durch § 1 BEEG grundsätzlich abschließend geregelt ist, kann es nur dann keine Anwendung finden, wenn dies in einer dem Gesetzesvorbehalt genügenden Spezialregelung vorgeschrieben wäre.

Bezüglich des von den Beteiligten angeführten § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BEEG bedarf dies keiner weiteren Darlegung. Es handelt sich bei dieser Regelung um keine Einschränkung des Anwendungsbereiches des BEEG. Hiernach hat auch derjenige Anspruch auf Elterngeld, der, ohne eine der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BEEG zu erfüllen, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BEEG bezweckt die Gewährung von Elterngeld – unter weiteren Voraussetzungen – für deutsche Staatsangehörige, die – anders als die Klägerin – ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben. Dies stellt eine Ausdehnung und keine Einschränkung des berechtigten Personenkreises dar (BT-Drucks. 16/1889 Seite 19). Inwieweit die Tätigkeit der Klägerin bei der EZB lediglich vorübergehend ist, kann somit dahinstehen.

Der Anspruch der Klägerin auf Elterngeld für ihre Tochter C. A. ist unter Zugrundelegung der vorgenannten Ausführungen insbesondere auch nicht durch Artikel 15 des Sitzstaatsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der EZB ausgeschlossen.

Ausweislich der Denkschrift zu diesem Abkommen (BR-Drucks. 784/98) genießt die EZB gemäß Artikel 40 des dem Vertrag von Amsterdam beigefügten Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB (ESZB) im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften. Durch das Sitzstaatsabkommen sollen hiernach u.a. den Mitgliedern des Direktoriums der EZB und deren Familienangehörigen diplomatische Vorrechte und Befreiungen gewährt, die Geltung der deutschen Sozialversicherungspflicht für Bedienstete und deren Familienangehörige der EZB geregelt und die erforderliche Befreiung von den steuer- und finanzmarktrechtlichen Regelungen eingeräumt werden.

In Artikel 36 dieses Abkommens wird demgemäß ausgeführt, dass die Beschäftigungsbedingungen der Bediensteten nicht dem materiellen und prozessualen Arbeits- und Sozialrecht der Bundesrepublik Deutschland unterliegen.

Die EZB stützt sodann ihre Kompetenz, ihr eigenes Arbeits- und Sozialrecht zu erlassen auf Artikel 36.1 der ESZB. Diese Rechtssetzungskompetenz wird ergänzt durch die Unabhängigkeit der EZB gemäß Art. 108 EG, die ihr sowohl funktionelle als auch institutionelle Unabhängigkeit garantiert. Die Ermächtigung, im Verordnungswege die für ihr Personal geltenden Bestimmungen festzulegen, ergibt sich nach der Rechtsprechung des EuGH ferner daraus, dass die EZB eine Gemeinschaftseinrichtung ist, die mit einer Aufgabe von Gemeinschaftsinteresse betraut ist. Als Rechtsinstrumente verwendet sie hierbei vor allem die Beschäftigungsbedingungen (Conditions of Employment) und die Dienstvorschriften (Staff Rules), auf die auch im Anstellungsschreiben (Letter of appointment) Bezug genommen wird, das der Arbeitnehmer gegenzeichnet. Das Arbeitsverhältnis zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern kommt somit durch übereinstimmende Willenserklärung zustande. Ferner erlässt die EZB Organisationsvorschriften in Form von Rundverfügungen (Administrative Circulars), die für die Mitarbeiter der EZB verbindlich sind. Darüber hinaus legt ein Verhaltenskodex (Code of Conduct) die Standesregeln der EZB-Bediensteten nieder.

Auf Grundlage des Abkommens über Vorrechte und Befreiungen sind die Mitarbeiter der EZB in concreto von der deutschen Lohnsteuer und den deutschen Sozialabgaben befreit. Ihre Lohnsteuer entrichten sie an die Europäische Gemeinschaft. Durch das Entfallen eines staatlichen Sicherungssystems ist die EZB jedoch nicht nur Arbeitgeberin, sondern zugleich auch Sozialversicherungsträgerin. In dieser Funktion bietet sie ihren Mitarbeitern eine private Betriebskranken- und Unfallversicherung. Sie gewährleistet Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz und Elternzeit, Arbeitslosengeld sowie eine Rente bei Berufsunfähigkeit. Darüber hinaus verfügt sie über eine eigene Pensionskasse.

Mit Artikel 1 des Gesetzes zu dem Abkommen vom 18. September 1998 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der EZB über den Sitz der EZB wird dem am 18. September 1998 unterzeichneten Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der EZB über den Sitz der EZB zugestimmt. Es handelt sich hierbei um die Ratifizierung dieses Abkommens. Durch das Vertragsgesetz werden die Voraussetzungen nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 GG für die völkerrechtliche Inkraftsetzung des Abkommens geschaffen.

Soweit die Klägerin im hier vorliegenden Kontext auf die Entscheidungen des BSG zum BErzGG (BSG, Urteil vom 29 August 1991, Az: 4 Reg 8/91) verweist, so sei lediglich kurz darauf hingewiesen, dass die dort streitige Regelung des Artikels 18 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Patentorganisation über den Sitz des Europäischen Patentamtes vom 7. Februar 1978 von der vorliegenden streitigen Regelung zur EZB bereits ihrem Wortlaut nach abweicht. Im den damals vom BSG zu entscheidenden Fallkonstellationen waren die Mitarbeiter des Europäischen Patentamtes von denjenigen Systemen der Sozialen Sicherheit ausgenommen, die durch Pflichtbeiträge finanziert wurden. Hierzu gehörte das Erziehungsgeld nach dem BErzGG nicht.

Der Wortlaut von Artikel 15 des Sitzstaatsabkommens zwischen der Bundesrepublik und der EZB ist anderslautend. Hiernach unterliegen die Beschäftigungsbedingungen der Direktoriumsmitglieder und Bediensteten der EZB nicht dem materiellen und prozessualen Arbeits- und Sozialrecht der Bundesrepublik.

Der Anspruch auf Elterngeld betrifft zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht die Beschäftigungsbedingungen der Klägerin. Hieraus folgt, dass § 15 des Sitzstaatsabkommens auch keine dem Gesetzesvorbehalt genügende Ausschlussregelung zu § 1 BEEG darstellt.

Die eigene Rechtssetzungskompetenz der EZB betrifft nur die – Beschäftigungsbedingungen – der Direktoriumsmitglieder und Bediensteten der EZB. Im Gegensatz hierzu ist gerade kein pauschaler Anwendungsausschluss des deutschen Arbeits- und Sozialrechts für die Direktoriumsmitglieder und Bediensteten der EZB geregelt. Wobei hierzu wohl auch kaum eine eigene Rechtssetzungsbefugnis gegeben sein dürfte. Der Bezug von Elterngeld stellt, anders als die Inanspruchnahme von Elternzeit, keine Beschäftigungsbedingung bei der EZB dar. Die Inanspruchnahme einer finanziellen Zuwendung des Heimatlandes hat keinerlei Einfluss auf die Beschäftigung der Klägerin bei der EZB.

Außerdem dürfte zu berücksichtigen sein, dass der Gesetzgeber bei der Regelung des Elterngeldes wohl keinen Ausschluss von Mitarbeitern der EZB beabsichtigte. Hierzu führt die Bundesregierung in der BT-Drucksache 16/1889 aus: "Das Elterngeld unterstützt Eltern in der Frühphase der Elternschaft und trägt dazu bei, dass sie in diesem Zeitraum selbst für ihr Kind sorgen können. Es eröffnet einen Schonraum, damit Familien ohne finanzielle Nöte in ihr Familienleben hineinfinden und sich vorrangig der Betreuung ihrer Kinder widmen können. Jeder betreuende Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, erhält einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie." Genau diese Ziel- und Zwecksetzung greift im Fall der Klägerin. Auch sie benötigt in der Frühphase der Elternschaft entsprechende Unterstützung und Ausgleich für den nicht erzielten Arbeitslohn.

Darüber hinaus erscheint ein Leistungsausschluss betreffend die Klägerin auch nicht angemessen. Die Klägerin erhält von der EZB als Arbeitgeberin bei Bedarf eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutz und Elternzeit, Arbeitslosengeld sowie eine Rente bei Berufsunfähigkeit. Die EZB bietet ihren Mitarbeitern darüber hinaus eine private Betriebskranken- und Unfallversicherung an. Auch werden Leistungen einer eigenen Pensionskasse gewährt. Von der deutschen Lohnsteuer und den deutschen Sozialabgaben sind sie dagegen befreit. Bei all diesen Leistungen handelt es sich entweder um Leistungen, die im Rahmen des deutschen Arbeits(-schutz) -rechts (Elternzeit, Mutterschutz) oder aber im Rahmen von beitragsfinanzierten Leistungen der deutschen Sozialversicherung (SGB III, SGB V, SGB VI, SGB VII, SGB XI) erbracht werden. Dagegen gewährt die EZB ihren Mitarbeitern keine Leistungen der sozialen Entschädigung oder der sozialen Hilfe und Förderung (siehe hierzu Systemeinteilung der Sozialleistungsbereiche nach Zacher), zu welchen das hier streitige Elterngeld zählt. Hierzu würde ihr auch schwerlich die Kompetenz zustehen. Für diese Bereiche trägt die Allgemeinheit eine besondere Verantwortung und es soll die soziale Chancengleichheit durch sie gewährleistet werden. Dies fällt dagegen nicht in den Aufgabenbereich der EZB.

Wie die Klägerin vorträgt, besteht hierdurch zwangsläufig auch nicht die Gefahr von Doppelleistungen. Leistungen des Elterngeldes werden durch die EZB nicht gewährt.

Im Ergebnis ist damit keine dem Gesetzesvorbehalt genügende Spezialregelung erkennbar, die die Anwendung des § 1 Abs. 1 BEEG für die Klägerin ausschließt. Dem Grunde nach hat sie daher Anspruch auf Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter gegen den Beklagten.

Betreffend die konkrete Höhe des Leistungsanspruchs ist lediglich vorsorglich auf § 3 Abs. 3 BEEG hinzuweisen. Hiernach werden dem Elterngeld vergleichbare Leistungen, auf die eine nach § 1 BEEG berechtigte Person außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch hat, auf das Elterngeld angerechnet, soweit sie für denselben Zeitraum zustehen und die auf der Grundlage des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Verordnungen nicht anzuwenden sind. Auch hierdurch werden Doppelzahlungen verhindert.

Im Ergebnis steht der Klägerin ein Anspruch auf Elterngeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter, C. A., dem Grunde nach zu. Die angefochtenen Bescheide sind aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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