L 5 KR 212/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 KR 118/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 212/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 21/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2002 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung krankengymnastischer Leistungen.

Die Klägerin betreibt eine krankengymnastische Praxis in C und ist als Leistungserbringerin zugelassen. Sie hat keine Preisvereinbarung mit gesetzlichen Krankenkassen getroffen und gehört auch keiner Vereinigung von Leistungserbringern an, mit denen entsprechende Verträge bestehen. Sie erbringt gleichwohl fortlaufend krankengymnastische Leistungen an Versicherte der Beklagten, die diese regelmäßig nach Maßgabe der Anlage 2 des Vertrages zwischen den Landesverbänden, dem Zentralverband der Krankengymnasten/Physiotherapeuten (ZVK) e.V., Köln, dem Bundesverband selbständiger Physiotherapeuten (IFK) e.V., Bochum, der Vereinigung der selbständigen Krankengymnasten (VSK) e.V., Berlin und den Landesvertretungen des Verbandes der Angestellten- Krankenkassen e.V., Siegburg und des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes e.V., Siegburg (im Folgenden ZVK-VdAK-Vertrag) vergütet.

Der Kinderarzt Dr. I, S, verordnete der bei der Beklagten krankenversicherten Beigeladenen unter dem 02.09.1998 "10 KG auf neurophysiologischer Basis als Doppelbehandlung" aufgrund der Diagnose "Zustand nach Plexusparese rechts". Die Klägerin erbrachte die einzelnen Behandlungseinheiten am 02.09.1998, 14.09.1998, 21.09.1998, 20.10.1998, 27.10.1998, 09.11.1998, 19.11.1998, 04.12.1998, 14.12.1998 und 23.12.1998. Die Kinderärzte L, Dr. H, C, verordneten der Beigeladenen unter dem 20.03.1998 "krankengymnastische Übungsbehandlung bei Plexusparese 10 x"; die Klägerin erbrachte diese Leistungen und stellte sie der Beklagten - entsprechend den Sätzen des ZVK-VdAK-Vertrages - in Rechnung.

Die Beklagte verweigerte die Bezahlung der geltend gemachten Forderungen in Höhe von 936,- DM und 468,- DM mit der Begründung, dass nicht bei allen Therapieeinheiten das Behandlungsintervall (10 Tage) eingehalten worden sei; bevor eine Teilabsetzung vorgenommen werde, gebe sie Gelegenheit, gegebenenfalls den Grund für die Überschreitung anzugeben.

Die Klägerin hat am 13.04.1999 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Während des laufenden Streitverfahrens hat die Klägerin die Zahlung einer Vergütung für die krankengymnastische Behandlung der Beigeladenen aufgrund der Verordnungen des Dr. I vom 04.02.1999 ( 10 Behandlungseinheiten als Doppelbehandlung) und vom 13.07.1999 ( 7 Behandlungseinheiten als Doppelbehandlung), insgesamt damit für 64 Behandlungseinheiten, verlangt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, die 64 Behandlungseinheiten nach Maßgabe ihrer eigenen Preisliste zu vergüten und ferner einen zehnprozentigen Verwaltungskostenzuschlag, Abrechnungsgebühren des von ihr beauftragten Abrechnungsdienstes in Höhe von 1 % der Rechnungssumme nebst Porto sowie Zinsen in Höhe von 10 % zu zahlen. Ferner hat die Klägerin eine Reihe von Feststellungsanträgen gestellt.

Das Sozialgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 10.06.2002 verurteilt, an die Klägerin 717,85 Euro zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe ein über 717,85 Euro hinausgehender Zahlungsanspruch nicht zu, denn sie habe lediglich 30 Behandlungseinheiten nach Maßgabe des ZVK- VdAK-Vertrages zu vergüten. Die Feststellungsanträge der Klägerin seien überwiegend unzulässig. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihr am 16.10.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 11.11.2002 Berufung eingelegt.

Zur Begründung macht sie geltend, die Beklagte sei verpflichtet, die von ihr gegenüber der Beigeladenen erbrachten krankengymnastischen Leistungen nach Maßgabe ihrer eigenen Preisliste zu vergüten; hiernach ergebe sich eine Forderung in Höhe von 2552,37,-Euro. Auf diese Forderung habe die Beklagte - entsprechend den Sätzen des ZVK-VdAK-Vertrages - 1.551,-Euro gezahlt; dabei sei hinsichtlich der Verordnung vom 02.09.1998 nur die am 02.09.1998 erbrachte Behandlung beglichen. Worden. Die Unterbrechung der Behandlung für mehr als 10 Tage sei aber unerheblich. Ihr stehe ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß §§ 315, 316 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu. Darüber hinaus sei die Beklagte auch zur Zahlung von Zinsen sowie einer Verwaltungskostenpauschale verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2002 zu verurteilen,

1. an sie 1.096,- Euro zu zahlen,

2. an sie Zinsen, Verwaltungskosten sowie Abrechnungsgebühren nach Maßgabe der Angaben der Abrechnungsliste Bl. 224 der Gerichtsakten zu zahlen,

3. festzustellen, dass zukünftiger Zahlungsverzug zwei Wochen nach Rechnungseingang zu einer BGB-üblichen Verzinsung führt und dass Verwaltungskosten je Einzelfall von 7,70 Euro unmittelbar an sie zu zahlen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1096,-Euro.

Es kann dahinstehen, ob sich die Vergütung für Behandlungen durch die Klägerin, die keine Preisvereinbarung mit Verbänden der Ersatzkassen (s. zur Vertragskompetenz § 125 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) auf Landesebene geschlossen hat, nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen richtet (so jetzt das BSG im Urteil vom 25.09.2001 - B 3 KR 15/00 R -) oder ob die im ZVK-VdAK-Vertrag vereinbarten Preise als üblich i.S.d. § 612 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusehen sind (so noch BSG SozR 3-2500 § 124 Nr. 3; anders jetzt wohl Beschluss vom 04.03.2002 - B 3 KR 12/01 B -) oder ob nicht - wofür nach Auffassung des Senats viel spricht - die Klägerin ungeachtet ihrer verbalen Vorbehalte faktisch durch die jahrelangen Abrechnungen nach den Sätzen des ZVK-VdAK-Vertrages die Geltung dieser vertraglichen Regelungen anerkannt hat. Hinsichtlich der aufgrund der Verordnung vom 02.09.1998 erbrachten Behandlungen (nach der Behandlung am 02.09.1998) wäre Voraussetzung eines Zahlungsanspruchs, dass die Klägerin die Behandlung der Versicherten im Einklang mit den hierfür geltenden Regeln erbracht hätte. Daran fehlt es hinsichtlich der nach dem 02.09.1998 durchgeführten Behandlungen, denn die Behandlungsserie, die am 02.09.1998 begonnen hatte, war (zwischen der Behandlung am 02.09.1998 und 14.09.1998) länger als 10 Tage unterbrochen. Nach den damals geltenden Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien vom 17.06.1992 (BAnz Nr. 183 b) war bei Unterbrechung einer Behandlungsserie von mehr als 10 Tagen grundsätzlich eine Neuverordnung erforderlich (A III Nr. 17 S. 3; ebenso jetzt Ziff. 29.2 der Heilmittel-Richtlinien vom 06.02.2001 (BAnz Beilage Nr. 118 a)). Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (grundlegend SozR 3-2500 § 92 Nr. 6; SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) handelt es sich bei den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V um untergesetzliche Rechtsnormen, die für Ärzte, Leistungserbringer und Versicherte gleichermaßen verbindlich den Umfang der Leistungsansprüche regeln (vgl. auch § 2 Abs. 4 SGB V). Wenn die Klägerin Versicherte innerhalb des Systems der GKV behandelt, hat sie somit auch die nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erlassenen Richtlinien zu beachten. Das BSG hat insoweit auch ausdrücklich entschieden, dass in den Richtlinien Regelungen für die Art und Weise der Leistungserbringung getroffen werden dürfen, z.B. auch Vorgaben bestimmter zeitlicher Abstände für die Behandlungen (SozR 3-2500 § 27 Nr. 12). Die Klägerin irrt, wenn sie meint, die genannten Richtlinien seien für sie nicht verbindlich. Deren Geltung folgt schon aus ihrem Charakter als (untergesetzliche) Rechtsnormen. Unabhängig davon zeigt die Vorschrift des § 125 Abs. 1 SGB V, wonach die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene unter Berücksichtigung der Richtlinien gemeinsam Rahmenempfehlungen über die einheitliche Versorgung mit Heilmitteln abgeben sollen, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die entsprechenden Regelungen nur im Rahmen der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ergehen können, mithin diese Richtlinien (vorrangig) für das Behandlungsgeschehen verbindlich sind (§ 125 Abs. 1 SGB V gilt übrigens entgegen der Behauptung der Klägerin nicht erst seit dem 01.01.2000, sondern schon seit dem 01.07.1997, s. Art. 1 Nr. 45, Art. 19 Abs. 6 2. GKV-NOG vom 23.06.1997, BGBl. I, 1520).

Mithin lag für die Behandlungen nach dem 02.09.1998 keine wirksame vertragsärztliche Verordnung mehr vor, die Voraussetzung für eine Abgabe durch die Klägerin ist. Wenn die Beklagte abweichend von der Regelung der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien es sogar akzeptiert, wenn ein sachlicher Grund für die Behandlungsunterbrechung angegeben wird, begünstigt dies die Klägerin. Sie hat aber insoweit gegenüber der Beklagten keinen konkreten Grund für die Unterbrechung genannt:

Die Beklagte ist auch nicht verpflichtet, für die im übrigen nach Maßgabe der Verordnungen erbrachten Behandlungen eine höhere Vergütung als die nach der Anlage des ZVK-VdAK-Vertrages zu zahlen. Es ist längst höchstrichterlich entschieden, dass bei Fehlen einer Preisvereinbarung die Klägerin nicht berechtigt ist, die Vergütung nach ihrer eigenen Preisliste festzusetzen (BSGE 66, 159, 162; Beschluss vom 27.10.1994 - 3 BK 4/93 -; Beschluss vom 04.03.2002 - B 3 KR 12/01 B -; s.a. OLG Düsseldorf SGb 1993, 429). Nach allen eingangs genannten Anspruchsgrundlagen für die Vergütungsansprüche der Klägerin kann die Klägerin nicht mehr als den Preis nach dem ZVK-VdAK-Vertrag verlangen, denn auch die bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte können nicht höher sein als die Höhe der von der Kasse an andere Leistungserbringer gezahlten Vergütungen (s.a. BSG, Urteil vom 25.09.2001, a.a.O.).

Zinsen für die Teilzahlung kann die Klägerin nicht beanspruchen. Ein derartiger Anspruch könnte sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens ergeben. Dies würde voraussetzen, dass die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften über den Schuldnerverzug (§§ 284ff BGB) auf den vorliegenden Fall Anwendung fänden. Dies ist nicht der Fall. Diese Vorschriften finden auf Forderungen aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag keine Anwendung (vergl. BSG SozR 1300 § 61 Nr.1). Dann verbietet sich aber auch eine (entsprechende) Anwendung auf den der Klägerin zustehenden Anspruch, weil ansonsten der Klägerin etwas zugesprochen würde, was sie bei Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit der Beklagten nicht verlangen könnte. Da der ZVK/VdAK-Vertrag eine Regelung zur Verzinsung nicht vorsieht, ist hier erst recht ein Anspruch auf Zinsen ausgeschlossen.

Für die gefordeten Verwaltungskosten und Abrechnungsgebühren ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; unter dem Gesichtspunkt eines Verzugsschadens kann die Klägerin diese Beträge jedenfalls nach den vorstehenden Ausführungen nicht verlangen.

Der Klageantrag zu 3.) ist unzulässig. Der Feststellungsantrag der Klägerin kleidet lediglich das mit den Klageanträgen zu 1.) und 2.) in diesem konkreten Fall verfolgte Begehren in eine allgemeine Form. Gerade weil angenommen werden kann, dass eine juristische Person wie die Beklagte bei einem Erfolg der Klageanträge zu 1.) und 2.) wegen ihrer in der Verfassung verankerten Bindung an Recht und Gesetz die Rechtslage auch in den weiteren gleichgelagerten Streitfällen beachten würde (vergl. dazu Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 7.Aufl. § 55 Rdnr.55 mit weiteren Nachweisen), bedarf es der von der Klägerin gestellten Feststellungsanträge nicht; diese sind unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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