L 11 AL 348/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 38/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 348/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.07.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) für die Zeit vom 01.07.1994 bis 15.09.1994.

Der am 1944 geborene Kläger war vom 01.07.1994 bis 15.09.1994 als Kfz-Meister im Autohaus G. in E. beschäftigt.

In dem am 08.09.1994 vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - geschlossenen Prozessvergleich (Gz: 3 Ca 1071/94 S) verpflichtete sich der frühere Arbeitgeber des Klägers, diesem für die Zeit vom 01.07.1994 bis 15.09.1994 Gehalt in Höhe von brutto 12.500,00 DM zu zahlen, wovon bereits 2.300,00 DM netto bezahlt worden seien. Ferner verpflichtete er sich zur Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur unverzüglichen Übersendung der ausgefüllten Arbeitspapiere des Klägers.

Infolge des Vergleiches zahlte das Autohaus G. an den Kläger vom 28.10.1994 bis 19.12.1994 in unterschiedlichen Raten einen Betrag von insgesamt 11.200,09 DM netto. Da sich die Herausgabe seiner Arbeitspapiere verzögerte, vereinbarte der Kläger mit Herrn F. G. am 04.11.1994 die persönliche Übergabe der Arbeitspapiere bis zum 11.11.1994. Die Vereinbarung enthielt ferner die Formulierung, dass der Verzugsschaden auf bisheriger Basis abgerechnet werde und den Klammerzusatz "für Verzug 5.000,00 DM brutto= netto p.M.".

Am 01.02.1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kaug.

Mit Beschluss vom 08.08.1995 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des F. G. mangels Masse abgewiesen.

Mit Bescheid vom 09.10.1995 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Kaug ab. Im maßgeblichen Kaug-Zeitraum vom 01.07.1994 bis 15.09.1994 habe er keine Arbeitsentgeltansprüche mehr gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber. Die Zahlungen, die der Kläger in der Zeit vom 26.09.1994 bis 19.12.1994 von seinem früheren Arbeitgeber erhalten habe, seien auf seine titulierte Arbeitsentgeltforderung angerechnet worden, so dass ein Anspruch auf Kaug nicht bestehe.

Der hiergegen am 10.10.1995 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 19.10.1995 führte die Beklagte aus, die Zahlungen, die der Kläger von der Fa.G. erhalten habe, seien von dieser gemäß § 366 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die titulierte Arbeitsentgeltforderung angerechnet worden. Der ehemalige Arbeitgeber habe sowohl der Konkursrichterin als auch dem Gerichtsvollzieher und dem Außendienst des Arbeitsamtes Schweinfurt erklärt, dass die Forderung des Klägers voll befriedigt sei.

Dagegen hat der Kläger am 23.10.1995 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.

Mit Urteil vom 27.07.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Gemäß § 141b Abs 1 Satz 1 iVm Abs 3 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse für die letzten, diesem Zeitpunkt vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt habe. Bei beendetem Arbeitsverhältnis vor dem Tag des Beschlusses über die Abweisung des Konkursantrages mangels Masse (hier der 08.08.1995) ende die Dreimonatsfrist mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses (hier dem 15.09.1994). Da der Arbeitnehmer nur für die Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber Kaug erhalten solle, die ihm in Folge der Insolvenz seines Arbeitgebers verloren gingen, bestehe ein solcher Anspruch nur für durchsetzbare, im Kaug-Zeitraum erarbeitete Entgeltansprüche des Klägers gegen das Autohaus G ... Im Vergleich vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 08.09.1994 hätten die Parteien vereinbart, dass nach Zahlung der noch offenen Gehaltsforderungen des Klägers in Höhe von 10.200,00 DM sowie eines Abfindungsbetrages von 1.000,00 DM alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass dessen Beendigung abgegolten und erledigt seien. Aus dem Sinn und Zweck der Arbeitspapiere folge, dass diese durch den Arbeitgeber erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (hier zum 15.09.1994) herauszugeben seien, so dass ein Verzugsschadensanspruch des Klägers auch unter Würdigung seines umfangreichen Sachvortrags im Konkursverfahren vor dem Amtsgericht Schweinfurt für den Kaug-Zeitraum vom 01.07.1994 bis 15.09.1994 nicht bestehe. Seitens des SG bestünden erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der am 04.11.1994 fixierten Vereinbarung zwischen dem Kläger und Herrn F. G ... Nach der Konkursordnung (KO) anfechtbare Rechtsgeschäfte könnten keinen Anspruch auf Kaug begründen, da der Arbeitnehmer hierdurch nicht mehr erhalten solle, als er redlicherweise ohne die Insolvenz verdient hätte. Es könne deshalb dahinstehen, ob Verzugszinsen im Falle, dass diese "für" den Kaug-Zeitraum angefallen seien, überhaupt Kaug-fähig wären. Von der höchstrichterlichen Rechtsprechung würde dies einheitlich abgelehnt.

Gegen das ihm am 05.10.1999 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 22.10.1999 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Er habe eine neue Stelle nicht antreten können, weil das Autohaus G. seine Papiere nicht herausgegeben habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.07.1994 bis 15.09.1994 Kaug zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Vom Kläger seien im Berufungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 12.11.2002 hat der Kläger Quittungen über die Zahlungen des Autohauses G. in der Zeit vom 26.09.1994 bis 19.12.1994 vorgelegt.

Auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet.

Wie das SG im angefochtenen Urteil vom 27.07.1999 zutreffend dargelegt hat, richtet sich der Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des AFG, da die Bestimmungen der §§ 130 ff Sozialgesetzbuch (SGB III) über die Gewährung von Insolvenzgeld erst mit Wirkung ab 01.01.1998 in Kraft getreten sind (Art 83 Abs 5 AFG, § 110 Abs 1 EGInsO vom 05.10.1994, BGBl I S 2911).

Gemäß § 141 b Abs 1 Satz 1 AFG hatte Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hatte. Der Eröffnung des Konkursverfahrens standen die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich des AFG gleich.

Im vorliegenden Fall umfassten die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses danach den Zeitraum vom 01.07.1994 bis 15.09.1994.

Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 27.07.1999 zutreffend dargelegt, dass der Kläger aufgrund seines Monatsgehaltes in Höhe von 5.000,00 DM brutto aus dem Kaug-Zeitraum noch Ansprüche gegen seinen Arbeitgeber in Höhe von 12.500,00 DM brutto hatte. Nach den Vereinbarungen im Vergleich vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 08.09.1994 (Az: 3 CA 1071/94 S) hatte der Arbeitgeber des Klägers einen Betrag in Höhe von 2.300,00 DM netto auf diese Summe bereits bezahlt. Weitere Zahlungen erfolgten nach den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Quittungen im Zeitraum vom 26.09.1994 bis 19.12.1994 ratenweise in Höhe von insgesamt 10.200,59 DM. Damit hatte der Kläger keine Forderungen mehr gegen die Fa. G. aus dem Arbeitsverhältnis vom 01.07.1994 bis 15.09.1994.

Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die von Herrn G. geleisteten Zahlungen Abschläge auf Verzugszinsen darstellten. Die Ausführungen des SG zur Gültigkeit der am 04.11.1994 - also nach dem Kaug-Zeitraum - fixierten Vereinbarung zwischen dem Kläger und Herrn F. G. sind rechtlich ebensowenig zu beanstanden wie der Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach es sich bei Verzugszinsen um keine Forderungen handelt, die "für" den Kaug-Zeitraum angefallen und nicht Kaug-fähig sind (vgl BSG SozR 4100 § 141 b NR 35; Röder in Niesel, Kommentar zum AFG, 2. Auflage, § 141 b RdNr 31). Der Auffassung des Klägers steht im Übrigen auch die Bestimmung des § 366 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegen. Ist ein Schuldner (wie Herr F. G.) dem Gläubiger (= dem Kläger) aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet und reicht das vom ihm Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden aus, so wird diejenige Schuld getilgt, welche der Schuldner bei der Leistung bestimmt. Der Kläger als Gläubiger konnte deshalb nicht von sich aus bestimmen, auf welche Schuld die von seinem letzten Arbeitgeber geleisteten Zahlungen anrechenbar sind. Die Verfügungsbefugnis dazu hatte allein Herr F. G ...

Auf die Gründe des Urteils des SG vom 27.07.1999 nimmt der Senat im Übrigen Bezug (§ 153 Abs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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