L 12 AL 60/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AL 107/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 60/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02. Februar 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob dem Kläger für die die Zeit vom 01.08. bis 21.09.1999 Arbeitslosengeld zu zahlen ist, gegebenenfalls wegen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder wegen eines Organisationsverschuldens der Beklagten.

Der am 1958 geborene Kläger war vom 13.02.1995 bis 30.09.1997 als Abteilungsleiter bei einer F. Aktiengesellschaft versicherungspflichtig beschäftigt. Zum 01.10.1997 wechselte er in den Vorstand dieser Aktiengesellschaft, die im Bereich der Vermögensberatung tätig war. Von diesem Zeitpunkt an war er nicht mehr versicherungspflichtig. Die Tätigkeit endete einvernehmlich zum 31.07.1999. Nachdem der Kläger etwa Ende Juli 1999 sich telefonisch an das Arbeitsamt F ... gewandt hatte, sprach er am 22.09.1999 erstmals persönlich beim Arbeitsamt in F ... vor. Später wurde diese Vorsprache als Antragstellung auf die Gewährung von Arbeitslosengeld angesehen.

Mit Bescheid vom 10.02.2000 wurde dem Kläger dann Arbeitslosengeld ab dem 22.09.1999 in Höhe von 111,87 DM pro Tag bewilligt.

Bereits mit Schreiben vom 20.12.1999, 26.01.2000 und zuletzt vom 16.02.2000 hatte der Kläger die Bewilligung von Arbeitslosengeld bereits für die Zeit ab dem 01.08.1999 begehrt und darauf hingewiesen, sich bereits Anfang August 1999 telefonisch mit dem Arbeitsamt F ... in Verbindung gesetzt zu haben und sich nach der Gewährung von Arbeitslosengeld erkundigt zu haben. Ihm sei die Auskunft erteilt worden, ein Anspruch bestehe nicht.

Mit Bescheid vom 22.02.2000 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger Arbeitslosengeld bereits für die Zeit ab 01.08.1999 zu gewähren, da eine persönliche Arbeitslosmeldung nicht früher vorgelegen habe. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch seien ebenfalls nicht gegeben.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Er sei zum 31.07.1999 aus dem Vorstand der Aktiengesellschaft ausgeschieden. Daraufhin habe er in der ersten Augustwoche mit allen in Betracht kommenden Ämtern, also auch mit dem Arbeitsamt F ..., Telefonate geführt, um persönliche Gesprächstermine zu vereinbaren bzw. telefonische Auskünfte zu seinem neuen Status und über sein evtl. erforderliches Verhalten zu erfragen. Von Seiten des Arbeitsamtes habe er die Auskunft erhalten, dass er ohne Einzahlung in die Renten- und Arbeitslosenversicherung keine Ansprüche habe und auch nicht persönlich vorbeikommen müsse. Erst am 21. September 1999 sei er in einem Telefonat mit dem Vesorgungswerk für Rechtsanwälte Nordrhein-Westfalen darüber informiert worden, dass er wegen möglicher Ausfallzeiten in der Rentenversicherung sehr wohl das Arbeitsamt hätte aufsuchen müssen, um sich dort arbeitslos zu melden. Der Arbeitslosmeldung müsse - ähnlich wie bei einer nicht bestehenden Dienstbreitschaft des Arbeitsamtes im Sinne des § 122 Abs. 3 des 3. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) - eine Rückwirkung zukommen, da seine verspätete Arbeitslosmeldung auf eine vom Arbeitsamt zu vertretende Ursache zurückzuführen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2000 mit der Begründung zurück, eine Rückdatierung der Arbeitslosmeldung sei nicht möglich, und zwar weder auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches noch nach § 122 Abs. 3 SGB III.

Der Kläger hat am 28.04.2000 vor dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben und zur Begründung seinen Vortrag aus dem Vorverfahren wiederholt.

Er hat beantragt,

den Bescheid vom 22.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08.1999 bis 21.09.1999 zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten und ergänzend darauf hingewiesen, dem Kläger sei von ihr keine falsche Auskunft erteilt worden.

Mit Urteil vom 02.02.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Dem Kläger stehe Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08. bis 21.09.1999 nicht zu, da es an einer persönlichen Arbeitslosmeldung vor dem 22.09.1999 fehle. Dies aber sei Voraussetzung für die Gewährung von Arbeitslosengeld bereits ab dem 01.08.1999. Eine Rückdatierung der persönlichen Arbeitslosmeldung sei weder im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches noch über § 122 Abs. 3 SGB III möglich. § 122 Abs. 3 SGB III betreffe nur Fälle in denen das Arbeitsamt tatsächlich nicht dienstbereit gewesen sei. Diese Vorschrift habe Ausnahmecharakter, sei eng auszulegen und auf andere Tatbestände nicht übertragbar. Dies gelte auch für den Fall, dass die verspätete Arbeitslosmeldung auf einem Organisationsverschulden oder auf einem Fehler, der dem Verantwortungsbereich der Arbeitsverwaltung zuzurechnen sei, beruhe über die Dienstbereitschaft des Arbeitsamtes sei der Kläger nicht unzutreffend informiert gewe sen. Sollte eine Fehlberatung der Beklagten tatsächlich vorgelegen haben, so sei es dem Kläger unbenommen, einen Schadensersatzanspruch im Wege der Amtshaftung geltend zu machen, wofür aber die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zuständig seien.

Gegen dieses ihm am 22.02.2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.03.2001 eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung trägt er vor: § 122Abs. 3 SGB III sei im Wege der Auslegung durchaus auf seinen Fall anwendbar. Aufgrund der ihm erteilten telefonischen Auskunft habe er subjektiv die Auffassung gewonnen, das Arbeitsamt sei für ihn nicht dienstbereit. Er habe sich bereits in der letzten Juliwoche und nicht - wie ursprünglich vorgetragen - in der ersten Augustwoche telefonisch an das Arbeitsamt F ... gewandt. Er habe dargestellt, dass er als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft beschäftigt gewesen sei und habe gefragt, ob er Ansprüche geltend machen könne. Dies sei von dem Gesprächspartner des Arbeitsamtes verneint worden. Er sei weder nach Vorversicherungszeiten gefragt worden noch habe man ihm nahegelegt, sich gleichwohl persönlich beim Arbeitsamt zu melden. Es liege ein Organisationsverschulden oder jedenfalls ein Beratungsfehler auf Seiten des Arbeitsamtes vor, wenn dieses auf einen Anruf - wie er ihn vorstehend geschildert habe - nicht ultimativ zur persönlichen Vorsprache auffordere und sich lediglich auf die Auskunft beschränke, ein Anspruch bestehe nicht, weil keine Beiträge entrichtet worden seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 02.02.2001 zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Im übrigen ist sie der Auffassung: Der Anruf des Klägers sei, wenn er - wie geschildert - stattgefunden habe, auch durchaus zutreffend beantwortet worden. Es bestehe keine Rechtspflicht dahingehend, bei einem telefonischen Anruf Rückfragen zu halten, ob gegebenen falls weitere nicht mitgeteilte Sachverhaltspunkte zu berücksichtigen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) könne eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung nicht korrigiert werden, und zwar, weder im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches noch auf sonstige Weise, wie z.B. durch eine Feststellung eines Organisationsverschuldens, was nachweislich nicht vorgelegen habe.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Bei einem täglichen Arbeitslosengeldanspruch von 111,87 DM und streitigen 52 Leistungstagen ergibt sich ein Streitwert von mehr als 1.000,-- DM, so dass die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen ist.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, der Kläger könne Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.08. bis 22.09.1999 nicht beanspruchen, weil es an einer persönlichen Arbeitslosmeldung fehle. Nach § 117 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer arbeitslos ist, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III hat der Arbeitslose sich persönlich beim zuständigen Arbeitsamt arbeitslos zu melden. Eine solche persönliche Arbeitslosmeldung ist unstreitig vor dem 22.09.1999 nicht erfolgt.

Eine Vorverlegung der Arbeitslosmeldung auf den 01.08.1999 ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt möglich. Dabei unterstellt der Senat den Vortrag des Klägers zu dem behaupteten Telefongespräch mit dem Arbeitsamt F ... als

zutreffend, so dass es der beantragten Beweiserhebung hierüber nicht bedurfte. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger in der letzten Juli- oder ersten Augustwoche beim Arbeitsamt angerufen und angegeben, er sei als Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft tätig gewesen und habe Beiträge nicht entrichtet. Darauf ist ihm die Antwort erteilt worden, wenn keine Beiträge entrichtet worden seien, bestehe auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine ergänzende Rückfrage oder ein Hinweis, er solle sich gleichwohl beim Arbeitsamt persönlich melden, ist danach nicht erfolgt. Wenn dieses Gespräch so - wie geschildert - stattgefunden hat, dann hat sich die Beklagte völlig korrekt verhalten. Es liegt weder ein Beratungsfehler noch ein Organisationsverschulden vor, so dass sich die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen ein Beratungsfehler oder ein Organisationsverschulden auf die Frage der verspäteten persönlichen Arbeitslosmeldung hat, nicht stellt. Wenn der Kläger telefonisch lediglich seine Vorstandstätigkeit angibt und auf die Antwort "wenn keine Beiträge entrichtet worden sind, dann besteht auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld" keine weiteren Angaben zu seiner ihm bekannten vorhergehenden beitragspflichtigen Tätigkeit macht, dann besteht zur Überzeugung des Senats keine Veranlassung für den Bediensteten der Beklagten, von sich aus weitere Nachfragen zu stellen und vorsorglich eine persönliche Vorsprache an zuraten. Es würde die Anforderungen an die Beratungspflicht überspannen, wenn man von der Beklagten verlangte, klar formulierte Fragen nicht nur klar und richtig zu beantworten, sondern von sich aus noch weitere Rückfragen nach evtl. denkbaren alternativen Sachverhalten zu stellen. Ebenso überspannt die Forderung des Klägers, die Beklagte solle dann telefonische Anfragen generell nicht beantworten und stets auf eine persönliche Vorsprache hinweisen, die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäß tätige Verwaltung zu stellen sind. Dies mag bei unklaren und mehrdeutigen Anfragen geboten sein, aber nicht bei einer - wie vorliegend - klar und eindeutig formulierten Frage. Der Nachteil des Klägers ist nicht auf einen Fehler der Beklagten, sondern auf seine Unkenntnis von § 122 Abs. 1 SGB III und die Bedeutung seiner vorausgegangenen beitragspflichtigen Beschäftigung im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Erfüllung der Anwartschaftszeit zurückzuführen. Hätte der Kläger auch die beitragspflichtige Tätigkeit erwähnt und hätte er die gleiche Antwort erhalten, wäre evtl. ein Beratungsfehler anzunehmen gewesen. Dies war jedoch nach der eigenen Schilderung des Klägers nicht der Fall.

Wenn aber bereits aus der eigenen Schilderung des Klägers folgt, dass der Beklagten kein Vorwurf zu machen ist, konnte die Berufung schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben. Lediglich hilfsweise weist der Senat darauf hin, dass er im übrigen auch die Ausführungen des Sozialgerichts zu § 122 Abs. 3 SGB III teilt und mit dem dort zitierten BSG-Urteil vom 19.03.1986 (SozR 4100 § 105 AFG Nr. 2) eine erweiterte Auslegung des § 122 Abs. 3 SGB III verneint.

Klage und Berufung konnten somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die hierfür in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Es war hier insbesondere keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, sondern lediglich im Einzelfall ein tatsächlicher Sachverhalt zu beurteilen.
Rechtskraft
Aus
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