L 11 AL 41/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 759/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 41/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.10.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug).

Der am 1962 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages, den er mit der türkischen Fa. Ö. (Fa. Ö. ) mit Sitz in Samsun/Türkei für die Zeit vom 26.06.1992 bis 26.06.1993 geschlossen hatte, war der Kläger im Rahmen von Werkverträgen, die sein Arbeitgeber mit deutschen Bauunternehmen geschlossen hatte, vom 29.06.1992 bis 15.01.1993 als Eisenbinder in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt.

Mit Versäumnisurteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt/Main vom 04.06.1993 (Az.: 12 Ca 785/93) wurde die Fa. Ö. verurteilt, an den Kläger 14.557,20 DM netto nebst 4 % Zinsen seit 16.04.1993 zu zahlen. Vollstreckungsversuche des Klägers aus dem Urteil schlugen fehl.

Am 29.06.1993 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Kaug und gab als Tag der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit den 15.01.1993 an.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14.12.1993 ab, da der Arbeitgeber des Klägers keine gewerbliche Niederlassung im Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) gehabt hätte.

Der hiergegen am 06.01.1993 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.03.1995).

Dagegen hat der Kläger am 05.04.1995 Klage zum Sozialgericht Frankfurt (SG) erhoben, die mit Beschluss vom 24.04.1995 an das SG Nürnberg verwiesen wurde.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.10.1998 abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers entfalle mangels inländischen Beschäftigungsverhältnisses. Die Voraussetzungen der Einstrahlung gemäß § 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), wonach die Vorschriften des AFG nicht für Personen gelten, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in dessen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist, lägen hier vor. Der Schwerpunkt der Beschäftigung des Klägers habe nicht in der Bundesrepublik Deutschland gelegen, sondern es habe sich um einen typischen Fall der Einstrahlung einer Auslandsbeschäftigung gehandelt. Der Werkvertrag, in dessen Rahmen der Kläger in der Bundesrepublik beschäftigt gewesen sei, habe für das Beschäftigungsverhältnis prägende Bedeutung gehabt. Ohne diesen Werkvertrag hätte er für die von ihm in Deutschland ausgeübte Tätigkeit keine Arbeitserlaubnis erhalten. Er sei somit lediglich zur Erfüllung seines Arbeitsvertrages nach Deutschland eingereist und hier tätig geworden, die Entsendezeit sei im Arbeitsvertrag genau festgelegt worden und mithin das Beschäftigungsverhältnis des Klägers im Wesentlichen für einen begrenzten Einsatz in Deutschland im Voraus in der Türkei geprägt worden. Dies werde auch durch die der Beschäftigung des Klägers in der Bundesrepublik letztlich zugrunde liegenden Bestimmungen der deutsch-türkischen Vereinbarung über die Beschäftigung türkischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen vom 12.12.1991 belegt, in der in Art 1 ausdrücklich von einer Entsendung und einer vorübergehenden Tätigkeit der Arbeitnehmer die Rede sei. Es könne deshalb dahinstehen, ob der Kläger seinen Kaug-Antrag fristgerecht innerhalb der Ausschlussfrist des § 141 e AFG gestellt habe.

Gegen das ihm am 23.11.1998 in der Türkei zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 17.02.1999 beim Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung, die nicht begründet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22.10.1998 zu Recht die Klage gegen die Bescheide der Beklagten vom 14.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.1995 abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Kaug hat.

Nach der hier anzuwendenden Bestimmung des § 141 b Abs 1 Satz 1 AFG hatte Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten, der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hatte. Der Eröffnung des Konkursverfahrens stand nach § 141 b Abs 3 Nr 2 die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich dieses Gesetzes gleich. Grundsätzlich gelten zwar die Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB), zu dem nach Art 2 § 1 Nr 2 SGB I aF auch das AFG gehört, für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben (§ 30 Abs 1 SGB I), wobei die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts unberührt bleiben (§ 30 Abs 2 SGB I).

Davon wurden aber durch die §§ 3 ff SGB IV für das Beitragsrecht ausdrücklich Ausnahmen gemacht, die gemäß § 173 a AFG auch für die Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes anwendbar waren. So bestimmt § 5 Abs 1 SGB IV, dass, soweit Vorschriften über die Versicherungspflicht eine Beschäftigung voraussetzen, diese nicht für Personen gelten, die im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzbuches bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in diesen Geltungsbereich entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

Wie das SG zu Recht festgestellt hat, liegen diese Voraussetzungen hier vor. Der Kläger war im Rahmen eines außerhalb des Geltungsbereiches des SGB bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - seinem befristeten Arbeitsverhältnis mit der Fa.Ö. - in den Geltungsbereich des SGB entsandt worden. Hierfür war der Werkvertrag, den sein Arbeitgeber mit deutschen Bauunternehmen geschlossen hatte, von prägender Bedeutung, denn er bestimmte den zeitlichen Umfang und die Art der Tätigkeit des Klägers und enthielt eine Entgeltvereinbarung. Ohne den Werkvertrag hätte der Kläger keine Arbeitserlaubnis für die ausgeübte Tätigkeit in Deutschland erhalten. Im Arbeitsvertrag war die Entsendezeit genau bestimmt, sodass hier ein Fall der Einstrahlung im Sinne des § 5 SGB IV vorlag. § 5 SGB IV setzt nämlich voraus, dass während der Beschäftigung in Deutschland ein Beschäftigungsverhältnis im Ausland fortbesteht; dann besteht trotz einer Inlandsbeschäftigung keine Sozialversicherungspflicht nach deutschem Recht (vgl BSG vom 23.02.1994 10 RAr 8/93 in SozR 3-4100 § 141 b AFG Nr 9).

Aus der deutsch-türkischen Vereinbarung über die Beschäftigung türkischer Arbeitnehmer auf der Grundlage von Werkverträgen vom 12.12.1991 (BGBl II 1992, Seite 54 ff) ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das deutsche Sozialversicherungsrecht auf die Beschäftigung von Werkvertrags-Arbeitnehmern in Deutschland anzuwenden sei und sich insofern aus Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechtes etwas anderes im Sinne des § 30 Abs 2 SGB I ergäbe. Vielmehr geht Art 1 dieser Vereinbarung ausdrücklich davon aus, dass die türkischen Arbeitnehmer von einem türkischen Unternehmen "für eine vorübergehende Tätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland" entsandt werden.

Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber des Klägers seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt möglicherweise während dessen Tätigkeit in Frankfurt oder Umgebung hatte. Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers war im Wesentlichen für seinen begrenzten Einsatz in Deutschland im Voraus in der Türkei geprägt worden.

Mangels Anwendbarkeit der Bestimmungen des AFG über das Kaug (§ 141 ff AFG) und somit das Bestehen eines Anspruches des Klägers kann im Übrigen dahinstehen, ob sein Kaug-Antrag innerhalb der Ausschlussfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG gestellt wurde, nachdem dieser erst am 29.06.1993 bei der Beklagten einging, die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Geltungsbereich des AFG jedoch nach Angaben des Klägers bereits ab dem 15.01.1993 vorlag (§ 141 b Abs 3 Nr 2 AFG).

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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