L 19 Ar 4/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 Ar 56/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 Ar 4/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Der Rücknahme eines unanfechtbar gewordenen belastenden Verwaltungsaktes steht nicht entgegen, daß er auf einem gerichtlichen Vergleich beruht, es sei denn, daß der Vergleich einen Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch enthält.
2) Das vom BSG zur Prüfung der Ansprüche auf Rente wegen Berufsunfähigkeit entwickelte Mehrstufenschema ist auch für die Auslegung der in den einzelnen Leistungsgruppen verwendeten Begriffe heranzuziehen (hier für die Einstufung als "Vorarbeiter" im Sinne der Berufsbezeichnung in Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft)
3)Bei der Einstufung in die Leistungsgruppen der Anlagen zu § 22 FRG geht die Bewertung der im Vertreibungsgebiet ausgeübten Tätigkeit nach den Beschäftigungsmerkmalen (der jeweiligen Leistungsgruppendefinition) generell der Zuordnung nach den Berufskatalogen vor.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20. November 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Einstufung von Versicherungszeiten des Klägers in die Leistungsgruppen der Anlage 1 A zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG).

Der am ...1928 geborene Kläger ist am 20.11.1988 aus der ehemaligen UdSSR in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach der Bescheinigung Nr. 21331 des Landesversorgungsamtes Bayern vom 25.07.1989 ist er als Heimkehrer im Sinne des § 1 Abs.3 des Heimkehrergesetzes anerkannt. Er hat keine besondere Berufsausbildung erfahren, sondern war von 1942 bis 1955 als landwirtschaftlicher und Waldarbeiter tätig. Nach den Eintragungen im Arbeitsbuch war er im streitigen Zeitraum vom 08.06.1955 bis 15.03.1971 als Traktorist in einer Sowchose beschäftigt.

Mit Bescheid vom 12.04.1990 bewilligte die Beklagte dem Kläger Altersruhegeld ab 01.12.1989; die Zeit vom 08.06.1955 bis 15.03.1971 wurde der Leistungsgruppe2 - Landwirtschaft - zugeordnet. Im anschließenden Widerspruchsverfahren nahm die Beklagte Versicherungen an Eides Statt der Ehefrau des Klägers und der Zeugen , und auf. Mit Bescheid vom 10.08.1991 stellte die Beklagte das Altersruhegeld neu fest; bezüglich der Leistungsgruppenzuordnung für den streitigen Zeitraum verblieb es bei der bisherigen Entscheidung.

Vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.1993 angegeben, während seiner (gesamten) Beschäftigungszeit auf der Sowchose (1955 bis 1971) sei er dafür zuständig gewesen, nach Anweisung eines Agronomen mit einem Traktor Bewässerungsgräben zu öffnen und zu schließen. Diese Anweisungen habe er abends in einer Versammlung bekommen. Seine Gruppe habe aus insgesamt acht Traktoren bestanden, die anderen sieben Fahrer hätten ihre Anweisungen ebenfalls direkt von einem Agronomen erhalten. Daraufhin wurde im Protokoll folgender Vermerk aufgenommen: Die Beteiligten sind sich aufgrund dieser Angaben einig, daß der Kläger in der Zeit von 1955 bis 1971 in der Sowchose keine Vorgesetztenfunktion ausgeübt hat. Im gerichtlichen Vergleich vom selben Tage verblieb es dementsprechend für den streitigen Zeitraum bei der bisherigen Zuordnung zu den Leistungsgruppen.

Diesen Vergleich führte die Beklagte mit Bescheid vom 27.06.1994 aus und stellte das Altersruhegeld ab 01.12.1989 neu fest.

Zur Begründung des dagegen erhobenen Widerspruchs machte der Käger geltend, aufgrund seiner langen seit 1945 erworbenen Berufserfahrung und des Facharbeiterbriefes sei er in die Leistungsgruppe 1 Landwirtschaft einzustufen. Die Beklagte legte den Widerspruch als Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - aus und lehnte unter Hinweis auf den am 10.11.1993 vor dem SG Nürnberg geschlossenen Vergleich mit dem streitbefangenen Bescheid vom 06.10.1994 die Rücknahme des Rentenbescheides vom 27.06.1994 ab. Da der Kläger keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht habe, sei auch keine Neufeststellung der Rente vorzunehmen.

Auf den am 07.11.1994 erhobenen Widerspruch des Klägers nahm die Beklagte weitere Versicherungen an Eides Statt von , und auf, die übereinstimmend bestätigten, daß der Kläger in erster Linie als Traktorfahrer beschäftigt gewesen sei. Mit Bescheid vom 05.01.1996 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, da dieser nach dem Ergebnis der Zeugeneinvernahme im Widerspruchsverfahren keine Vorgesetztenfunktion ausgeübt habe.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Nürnberg hat der Kläger die Bescheinigung Nr. 24/K der Republik Tadschikistan, Ministerium für Landwirtschaft, vom 17.04.1996 vorgelegt, die von dem Direktor der Sowchose unterzeichnet ist. Nach deren Inhalt war der Kläger vom 12.06.1956 bis 15.03.1971 bei den Erdarbeiten als Vorarbeiter der Planierraupenführer beschäftigt.

Mit Urteil vom 20.11.1996 hat das SG die Klage abgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, daß die bisherige Rentenfeststellung unrichtig gewesen sei. Die Angabe in der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung, daß die Vorarbeitereigenschaft aus Versehen nicht in das Arbeitsbuch eingetragen worden sei, begegne in Anbetracht des ansonsten vollständig geführten Arbeitsbuches erheblichen Zweifeln. Es dränge sich deshalb der Verdacht einer Gefälligkeitsbescheinigung auf. Beim Vergleich mit den eigenen Angaben des Klägers und den Aussagen der von der Beklagten einvernommenen Zeugen habe sich keineswegs die Unrichtigkeit der im Vorprozeß festgestellten Tatsachen herausgestellt.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, er habe im streitigen Zeitraum sehr wohl Tätigkeiten entsprechend den Zuordnungskriterien der Leistungsgruppe 1 Landwirtschaft ausgeübt. Daß er als Vorarbeiter tätig gewesen sei, ergebe sich aus der - erneut vorgelegten - Bescheinigung der Republik Tadschikistan. Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.11.1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06.10.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Zeitraum von 08.06.1955 bis 15.03.1971 in Leistungsgruppe 1 - Landwirtschaft - bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung ihres Antrags auf die für zutreffend gehaltenen Urteilsgründe der angefochtenen Entscheidung.

Dem Senat haben neben den Unterlagen der Beklagten die Klageakten des SG Nürnberg S3 Ar 810/92 und S 12 Ar 56/96 vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf deren Inhalt und den Inhalt der Berufungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch nach § 143 SGG statthaft, weil Ausschlußgründe im Sinne des § 144 SGG nicht vorliegen.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Kläger kann nicht verlangen, daß die streitige Zeit vom 08.06.1955 bis 15.03.1971 bei der Berechnung des Altersruhegeldes mit der höheren Leistungsgruppe 1 - Landwirtschaft - berücksichtigt wird.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift erstreckt sich nach seinem Wortlaut zunächst nur auf bindend gewordene Verwaltungsakte. Darüber hinaus ist aber unerheblich, ob der Verwaltungsakt, dessen Rücknahme begehrt wird, durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSG in SozR 3900 § 40 Nr.15 und SozR 2200 § 1268 Nr.29) oder auf einem gerichtlichen Vergleich beruht (Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, 3.Auflage, vor §§ 44 - 49, RdNr.7; Kasseler Kommentar, Steinwedel, § 44 RdNr. 5). Somit steht einer Aufhebung und Neufeststellung grundsätzlich nicht entgegen, daß der streitige Anspruch - wie vorliegend - zwischen den Beteiligten in Form eines Prozeßvergleichs einvernehmlich geregelt worden ist. Diese Überprüfungsmöglichkeit scheidet nur dann aus, wenn in dem Vergleich ein Verzicht auf den jetzt geltend gemachten Anspruch erklärt ist. Der gerichtliche Vergleich vom 10.11.1993 enthält jedoch keinen derartigen Verzicht von seiten des Klägers. Unter Ziffer I ist insoweit lediglich festgehalten, daß es im übrigen bei der bisherigen Zuordnung der streitigen Beschäftigungszeit verbleibt. Diesem Vermerk kommt nach der Auslegung des Senats lediglich klarstellende Bedeutung in dem Sinne zu, daß der Kläger zum Zeitpunkt des Vergleichs aufgrund der damaligen Beweislage auf die Zuordnung der fraglichen Versicherungszeit zur Leistungsgruppe 1 - Landwirtschaft - verzichtete. Ein Verzicht auf jedwede Neufeststellung des Altersruhegeldes ist darin aber nicht zu erblicken. Denn in diesem Fall hätte der Kläger im Vorprozeß für Vergangenheit und Zukunft einen umfassenden materiell-rechtlichen Verzicht auf höhere Rentenleistungen wegen der Einstufung in höhere Leistungsgruppen erklären müssen, was nicht geschehen ist.

Für den Senat ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte bei ihrer ursprünglichen Entscheidung das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich jetzt als unrichtig erweist. Das SG hat vielmehr zutreffend ausgeführt, daß die Beschäftigungszeit des Klägers vom 08.06.1955 bis 15.03.1971 der Leistungsgruppe 2 - Landwirtschaft - nach Anlage A 2 zu § 22 FRG zuzuordnen ist. Vorliegend sind noch die Vorschriften des FRG in der bis zum 30.06.1990 geltenden Fassung anzuwenden, da der Kläger bereits vor dem 01.07.1990 Anspruch auf Zahlung einer bundesdeutschen Rente hatte (Art.6 § 4 Abs.2 Satz 1 Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz - FANG - i.d.F. des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989).

Bei der Anrechnung von Zeiten gemäß § 15 FRG werden zur Ermittlung der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage Brutto-Arbeitsentgelte nach Maßgabe der Anlage 1 zu § 22 FRG zugrundegelegt. Nach der Leistungsgruppensystematik der Anlage 1 A (Rentenversicherung der Arbeiter) - hier A 2 (Arbeiter in der Landwirtschaft) - wird die Einstufung in die entsprechende Leistungsgruppe im wesentlichen durch zwei Tatbestandsmerkmale bestimmt, nämlich auf der einen Seite durch die berufliche Ausbildung und die erworbenen beruflichen Erfahrungen und auf der anderen Seite durch die inhaltliche Qualität der beruflichen Stellung. Entsprechend der Definition der Leistungsgruppen gehören zur Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft Arbeiter mit langjähriger Berufserfahrung oder Fachausbildung, die besonders verantwortungsvolle, schwierige oder qualifizierte Arbeiten ausführen. Für die Einstufung in die Leistungsgruppe 1 ist somit maßgebend, daß die Angehörigen dieser Leistungsgruppe über die Angehörigen der Leistungsgruppe 2 hinausragen müssen. Zur Leistungsgruppe 2 zählen Arbeiter, die mit gleichmäßig wiederkehrenden Arbeiten beschäftigt sind. Insbesondere muß sich also die Tätigkeit der Leistungsgruppe 1 wegen der ihr innewohnenden Verantwortlichkeit, Schwierigkeit und Qualität erheblich aus den einfachen Arbeiten der Leistungsgruppe 2 herausheben.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht erfüllt. Dabei ist entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung des Senats davon auszugehen, daß er im streitigen Zeitraum lediglich drei Arten landwirtschaftlicher Maschinen gefahren hat: Ganz überwiegend einen Schieber, daneben einen Greifbagger und (nur gelegentlich) einen Pflug. Eine berufliche Ausbildung hat der Kläger nicht erhalten, sondern sich im Laufe der Jahre lediglich die Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausführung kleinerer Reparaturen an den Maschinen angeeignet. Auch ist die während des streitigen Zeitraums in der früheren Sowjetunion ausgeübte Tätigkeit als Traktorist einer erlernten Berufstätigkeit nicht gleichzustellen. Insoweit hat die Handwerkskammer für Mittelfranken in Nürnberg unter dem 04.06.1991 eine Gleichstellung abgelehnt, da es einen vergleichbaren Ausbildungsberuf in der Bundesrepublik Deutschland nicht gibt. Damit entspricht die Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1955 - 1971 gerade nicht den Qualifikationsmerkmalen der Leistungsgruppe 1. Zunächst fällt der Kläger nicht unter den Berufsgruppenkatalog der Leistungsgruppe 1, in dem vorwiegend Handwerksmeister und deren Gehilfen aufgeführt sind, daneben auch der Vorarbeiter.

Der Kläger war jedoch nach dem Ergebnis der zur Qualität seines beruflichen Einsatzes in der Sowchose Kuibyschew durchgeführten Ermittlungen kein "Vorarbeiter" im Sinne der Berufsbezeichnung in Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Landwirtschaft. Da vom FRG das vom BSG entwickelte Mehrstufenschema der Arbeiterberufe übernommen wurde (vgl. Anlage 1 A 1), muß dieser Ansatz auch als wesentliches Kriterium für die Auslegung der in den einzelnen Leistungsgruppen verwendeten Begriffe beachtet werden (BSG vom 10.07.1985 - 5 a RKn 15/84). Das gilt in gleicher Weise für die auf je zwei Leistungsgruppen beschränkten Bereiche der Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft. Den Kriterien der von der Rechtsprechung entwickelten höchsten Gruppe der besonders qualifizierten Arbeiter entspricht der Kläger offensichtlich nicht. Dazu gehört einmal die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion. Dieser Gruppe sind Versicherte zuzuordnen, die der Spitzengruppe des jeweiligen Berufsgruppensystems angehören. Voraussetzung ist die Weisungsbefugnis nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern auch gegenüber mehreren anderen Facharbeitern. Insbesondere darf der Versicherte nicht selbst Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis unterliegen. Dazu zählen z.B. Meister, Hilfsmeister, Hilfspoliere und bestimmte Vorarbeiter, deren Berufstätigkeit wegen besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen die des Facharbeiters deutlich überragen. Eine solche hochqualifizierte Tätigkeit hat der Kläger schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht verrichtet. Denn er hat - die Richtigkeit seiner Einlassung unterstellt - lediglich allabendlich an einer Versammlung aller Brigadeleiter der Abteilung teilgenommen, in der die Aufträge für den nächsten Tag vergeben wurden. Er hat dann lediglich die Mitglieder seiner Brigade noch am selben Abend verständigt, was sie am nächsten Tag zu tun hatten. Abgesehen davon, daß der Kläger keine Facharbeiter- und keine Meisterausbildung vorweisen kann, stellt sich diese Tätigkeit im Vergleich zu den anderen Mitgliedern seiner Brigade lediglich als Übermittlungs- oder Botentätigkeit dar, die aber nicht den hier erforderlichen Aufsichts- und Leitungsfunktionen über eine größere Gruppe entspricht. Den Facharbeitern mit Vorgesetztenfunktion sind nach dem Mehrstufenschema besonders hochqualifizierte Facharbeiter gleichgestellt. Das sind Versicherte, die wesentlich höherwertige Arbeiten als ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen verrichten und diese nicht nur bezüglich der Entlohnung, sondern aufgrund besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen auch in der Qualität ihrer Berufstätigkeit deutlich überragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 102). Auch diesen Anforderungen entspricht die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im streitigen Zeitraum in keiner Weise. Denn solche besonders hochqualifizierten Facharbeiter müssen sich wegen ihrer besonderen Stellung im Betrieb weit aus dem Kreis der sonstigen Facharbeiter herausheben. Davon kann aber im Fall des Klägers, der schon selbst kein Facharbeiter war, nicht die Rede sein.

Nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung ist der Kläger deshalb, wie der im Katalog genannte Treckerführer, der Leistungsgruppe 2 - Landwirtschaft - zuzuordnen. Die Entscheidung der Beklagten ist somit nicht zu beanstanden. Eine höherwertige Tätigkeit ist weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die im sozialgerichtlichen und im Berufungsverfahren vorgelegte Bescheinigung Nr. 24/K der Republik Tadschikistan - Ministerium für Landwirtschaft - vom 17.04.1996, in der bestätigt wird, daß der Kläger im streitigen Zeitraum vom 12.06.1956 bis 15.03.1971 als Vorarbeiter beschäftigt war. Abgesehen davon, daß prima facie nicht von der Inhaltsgleichheit dieser Bezeichnung in der vorgelegten Bescheinigung und in der Anlage zu § 22 FRG ausgegangen werden kann, hat das BSG insoweit mehrfach entschieden, daß die Einstufung nach den Beschäftigungsmerkmalen der Definition stets der Einstufung nach den Berufsbezeichnungen in den Berufskatalogen vorgeht (BSGE 29, 181, 183; SozR 5050 § 22 Nr. 11). Dieser Vorrang kommt schon im Gesetzeswortlaut dadurch zum Ausdruck, daß die Zuordnung nach den Berufskatalogen der Leistungsgruppen 1 und 2 unter den Vorbehalt gestellt ist, daß sich nicht nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung die Einstufung in eine andere Leistungsgruppe ergibt. Die Zuordnung zu einer bestimmten Leistungsgruppe setzt somit voraus, daß die in Frage stehende Beschäftigung die Merkmale der Definition dieser Leistungsgruppe aufweist; daß die Beschäftigung im Berufskatalog der Leistungsgruppe genannt ist, reicht nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn eine Beschäftigung keiner von zwei allein in Betracht kommenden Definitionen von Leistungsgruppen voll entspricht. Jede Definition enthält gleichsam das Minimum von Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Beschäftigung der entsprechenden Leistungsgruppe zugeordnet werden kann. Weist also eine Beschäftigung Merkmale auf, die sie über eine niedrigere Leistungsgruppe hinauszuheben scheinen, so folgt daraus noch nicht, daß sie der höheren Leistungsgruppe zuzuordnen wäre; für eine solche Zuordnung ist vielmehr nur dann Raum, wenn die Tatbestandsmerkmale der höheren Leistungsgruppe in vollem Umfang gegeben sind. Ist das nicht der Fall, "ergibt sich" im Sinne des den Berufskatalogen vorangestellten Vorbehalts "nach den Merkmalen der ausgeübten Beschäftigung" die Einstufung in die niedrigere Leistungsgruppe. In diesem Sinne kommt für den Kläger nur die Leistungsgrupe 2 - Landwirtschaft - in Frage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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