L 9 EG 18/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 EG 13/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 18/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 18. August 2000 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen des § 44 SGB X ein Anspruch der Kläger zu 1) und 2) auf Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) streitig.

Der am 1964 in Polen geborene Kläger zu 1), dem am 14.07. 1995 ein Ausweis über den Status als Deutscher im Sinne des Art.116 Grundgesetz (GG) ausgestellt worden ist, sowie die am 1965 geborene Klägerin zu 2), eine polnische Staatsangehörige, sind die Eltern des am 1991 geborenen Kindes R. K ...

Während Ersterer am 15.08.1989 mit seinen Eltern über Österreich nach Deutschland einreiste und seit 01.02.1991 mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden als Schlosser beschäftigt ist, reiste Letztere erstmals am 01.08.1990 ohne Visum in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Zunächst war sie bis 05.04. 1994 im Besitz einer jeweils befristet verlängerten Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung). Erst ab 08.09.1995 wurde ihr aufgrund der Eheschließung mit dem Kläger zu 1) in Polen am 17.09.1994 ab 08.09.1995 eine Aufenthaltsgenehmigung, schließlich ab 28.03.1996 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt.

Nachdem der Beklagte durch bestandskräftige Bescheide vom 11.11.1991 die Gewährung von Bundeserziehungsgeld (BErzg) an 07.09.1995 erneut BErzg und verwies auf die zwischenzeitlich erfolgte Zuerkennung der Eigenschaft eines Deutschen im Sinne des GG. Seinerzeit sei BErzg zu Unrecht versagt worden. Nach einem Hinweis des Amtes, dass sowohl die fortdauernde volle Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1) als auch die - ihm während des in Frage kommenden Bezugszeitraums als ledigem Vater - fehlende Sorgeberechtigung der Gewährung von BErzg an diesen entgegengestanden habe, als auch die Klägerin zu 2) aufgrund des nicht gefestigten Aufenthaltsstatus keinen Anspruch auf die Leistung habe, wurde der Antrag auf Rücknahme der Bescheide vom 11.11. 1991 abgelehnt (Bescheid vom 26.09.1995, Widerspruchsbescheid vom 15.01.1996).

Vor Erlass des oben angeführten Widerspruchsbescheides machte der Kläger vor dem angerufenen Sozialgericht (SG) München geltend, BErzg solle an seine Ehefrau ausgezahlt werden, welche das Kind seit Geburt betreut und erzogen habe. Nach Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht Regensburg ließ sich der Kläger dahin ein, seine jetzige Ehefrau habe bis in das Jahr 1995 vom zuständigen Ausländeramt lediglich eine "Duldungsgenehmigung" erhalten, jedoch keine Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung. Bei ihr sei auch kein Verfahren auf Anerkennung als Vertriebene eingeleitet worden, nachdem sie Polin sei. Er bezog sich im Übrigen auf den deutsch-polnischen Vertrag, demzufolge polnische Staatsangehörige in Deutschland wie Angehörige der Bundesrepublik zu behandeln seien.

Nach Anhörung wies das SG die Klage durch Gerichtsbescheid vom 18.08.2000 im Wesentlichen mit der Begründung ab, ein Anspruch des Klägers auf Auszahlung an ihn selbst scheitere daran, dass er im maßgeblichen Zeitraum einer Tätigkeit von 40 Wochenstunden nachgegangen sei. Einer Zahlung an die Mutter des Kindes stehe demgegenüber entgegen, das Letztere lediglich im Besitz einer Duldung, nicht jedoch eines qualifizierten Aufenthaltstitels im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 2 BErzGG gewesen sei. Da sie kein Verfahren auf Anerkennung als Angehörige eines Vertriebenen eingeleitet habe und die polnische Staatsangehörigkeit nach wie vor besitze, erfülle sie in ihrer Person nicht die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von BErzg. Die Entscheidung könne ohne Rücksicht darauf ergehen, ob der Kläger in zulässiger Weise im gerichtlichen Verfahren als Bevollmächtigter seiner Ehefrau oder als Prozessstandschafter in deren Namen aufgetreten sei. Der Überprüfungsantrag sei insgesamt vom Beklagten zu Recht abgelehnt worden.

Mit der zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung macht der Vater des Klägers zu 1) einen Erziehungsgeldanspruch seit der Geburt des Kindes zuzüglich Zinsen geltend. Er verweist auf die vorliegende Eigenschaft des Klägers zu 1) als Deutscher im Sinne des GG und legt dessen Vollmacht vor.

Der Beklagte hält die Berufung der Kläger für unbegründet, da einerseits der Kläger zu 1) im streitgegenständlichen Zeitraum eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt habe und andererseits die Klägerin zu 2) die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von BErzg nicht erfüllt habe.

Der Senat hat neben den Streitakten des ersten Rechtszuges die Erziehungsgeldakten des Beklagten sowie die Ausländerakte der Klägerin zu 2) beigezogen.

Die Kläger beantragen,

den Gerichtsbescheid des SG Regensburg vom 18.08.2000 sowie den Bescheid des Beklagten vom 26.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.1996 aufzuheben und ihnen für den 1. mit 18. Lebensmonat des am 25.04.1991 geborenen Kindes R. Bundeserziehungsgeld zuzüglich 4 % Zinsen zu zahlen.

Der Beklagte stellt den Antrag,

die Berufungen der Kläger zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge, der Erziehungsgeldakten des Beklagten sowie der oben angeführten Ausländerakte Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 24.01.2002.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte Berufung ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Der durch einen Bevollmächtigten vertretene Kläger zu 1) handelt im Hinblick auf die Ansprüche der Klägerin zu 2) seinerseits als deren bevollmäch- tigter Ehemann im Sinne des § 73 Abs.2 SGG. Die insgesamt zulässige Berufung der Kläger zu 1) und 2), §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht die aufgrund des zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheides zulässig erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage abgewiesen.

Der Senat entscheidet trotz klägerischen Ausbleibens im Termin vom 24.01.2002 durch Urteil, denn der Prozessbevollmächtigte der Kläger wurde in der am 05.01.2002 zugestellten Terminsmitteilung vom 04.01.2002 ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 26.09. 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.1996. Zutreffend hat das SG die Auffassung des Beklagten bestätigt, dass bei Erlass der bestandskräftigen Bescheide vom 11.11.1991 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erwiesen hat, § 44 SGB X.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Bundeserziehungsgeld (BErzg) ist aufgrund der Geburt des Kindes am 25.04.1991 das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (BErzGG) vom 25.07.1989 in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 17.12.1990 (BGBl.I S.2823). Anspruch auf BErzg hatte gemäß § 1 Abs.1 BErzGG danach, wer seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hatte (Nr.1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr.2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr.3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr.4). Bei fehlender deutscher Staatsangehörigkeit war der Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis erforderlich (Satz 2). Der Berechtigte musste in seiner Person jeweils sämtliche vorgenannte Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, vgl. Zmarzlik/ Zipperer/Viethen, Bundeserziehungsgeld, 8. Auflage, § 1 RN 6.

In der vorliegenden Streitsache ist beim Kläger zu 1) nach dem Sachverhalt unstreitig die Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.4 nicht gegeben, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Berechtigten maßgebend ist. Denn er hat nach eigenen, vom Arbeitgeber bestätigten Angaben während des möglichen Bezugszeitraums von 18 Monaten eine mehr als 19 Wochenstunden umfassende Erwerbstätigkeit als Schlosser ausgeübt, § 2 Abs.1 Ziffer 1 BErzGG.

Hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin zu 2) steht der Gewährung von BErzg die Regelung des § 1 Abs.1 Satz 2 BErzGG entgegen. Denn die Klägerin besaß im Bewilligungszeitraum die polnische Staatsangehörigkeit und musste infolgedessen als Ausländerin im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis sein. Nach dem vorliegenden Sachverhalt hat sie sich im streitgegenständlichen Zeitraum demgegenüber lediglich geduldet im Bundesgebiet aufgehalten, wie sich durchgängig aus der Ausländerakte ergibt. Insoweit fehlt es am Besitz eines qualifizierten Aufenthaltstitels im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 2 BErzGG.

Die Anwendung dieser Vorschrift im Fall der Klägerin zu 2) ist auch nicht durch höherrangiges supranationales oder in innerstaatliches Recht transformiertes internationales Recht ausgeschlossen. Die Anwendung europäischen Gemeinschaftsrechtes scheidet aus, da die Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums polnische Staatsangehörige und Polen nicht Mitglied der Europäischen Union gewesen ist. Ein Anspruch lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Polen vom 16.12. 1991 herleiten, welches erst am 01.02.1994 in Kraft getreten ist (BGBl.II. 1316), vgl. BSG SozR 3-6720 Art.38 Nr.1 S.4, und für den streitgegenständlichen Zeitraum keine Anwendung findet. Im Übrigen regelt dessen Art.37 Abs.1, dass Arbeitnehmern polnischer Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten eine Behandlung gewährt wird, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ... keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt. Abgesehen davon, dass die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum keine Arbeitnehmerin gewesen ist, die in Deutschland rechtmäßig beschäftigt war, lässt sich die vorgenannte Vorschrift nicht unmittelbar im nationalen Recht umsetzen. Denn Art.37 Abs.1 des Assoziationsabkommens enthält einen ausdrücklichen Vorbehalt bezüglich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten, zu denen im Erziehungsgeldrecht für einen Ausländer das Erfordernis eines qualifizierten Aufenthaltstitels nach § 1 Abs.1 Satz 2 BErzGG zählt. Dieses hat das BSG in seiner oben angeführten Entscheidung vom 15.10.1998 hinsichtlich der gleichlautenden Vorschrift des § 1 Abs.3 des Bundeskindergeldgesetzes ausdrücklich festgestellt. Der Senat verweist insoweit und im Übrigen auf seine Entscheidung vom 29.03. 2001, Az.: L 9 EG 18/97, insbesondere S.12 ff. Schließlich sind auch die Voraussetzungen eines Härtefalles im Sinne des § 2 Abs.3 BErzGG nach dem Sachverhalt nicht gegeben.

Nach allem sind die streitgegenständlichen Bescheide des Beklagten ebenso wenig zu beanstanden wie die angefochtene Entscheidung des SG.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte, welcher für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die den Klägern zu deren Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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