L 12 AL 78/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 22 AL 128/99
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 78/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 02.03.2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine auf § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestützte Erstattungsforderung der Beklagten für den bei der Klägerin vormals beschäftigten Arbeitnehmer (K.) und in diesem Zusammenhang insbesondere die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 128 AFG.

Der 1938 geborene K., der ab November 1959 bei der Klägerin als Einkäufer beschäftigt war, schied mit Aufhebungsvertrag vom 12.05.1995 zum 31.12.1995 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 120.000,00 DM aus dem Arbeitsverhältnis aus. Von der Beklagten bezog er Arbeitslosengeld seit dem 01.01.1996 bis zur Anspruchserschöpfung. Ab dem 01.06.1998 wurde ihm seitens der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Berufsunfähigkeitsrente zuerkannt.

Mit Bescheiden vom 09.02. und 25.06.1996 stellte die Beklagte die Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 AFG fest und bezifferte mit weiteren Bescheiden vom 19.05.1998 ihre Forderungen ab dem 04.11.1996. Nachdem die Klä gerin sich hiergegen unter dem 25.06.1998 mit ihrem Widerspruch gewandt hatte, ergingen nach erneuter Prüfung die 3 Bescheide vom 13.01.1999, mit denen die Beklagte nunmehr eine Erstattung des für K. gezahlten Arbeitslosengeldes zuzüglich der Versicherungsbeiträge in folgender Höhe forderte:

Für die Zeit

vom 04.11.1996 bis 30.04.1997 in Höhe von insgesamt 27.234,39 DM,
vom 01.05.1997 bis 31.12.1997 in Höhe von 37.638,72 DM und
vom 13.01.1998 bis 31.05.1998 in Höhe von 23.653,55 DM.

Mit ihrem hiergegen erneut eingelegten Widerspruch vom 22.02.1999 wies die Klägerin darauf hin, die Vorschrift des § 128 AFG sei ab dem 01.04.1997 auf gehoben worden. Eine Übergangsregelung, wie der Wortlaut des § 242 x Abs. 6 zeige, greife nicht ein. Die Weitergeltung des § 128 AFG beschränke sich nämlich auf Fälle, in denen § 117 Abs. 2, 3 ... u. § 117 a AFG zur Anwendung komme. Eine entsprechende Gestaltung weise der vorliegende Fall indes nicht auf. Nach § 117 Abs. 2 AFG sei die Beklagte gegen den Kläger gerade nicht vorgegangen. Mit Bescheid vom 29.06.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Vorschrift des § 128 AFG hielt sie für anwendbar und die Voraussetzungen für gegeben, da § 242 x Abs. 6 AFG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung i. V. m. § 431 des 3. Sozialgesetzbuches (SGB III) Anwendung finde. K. sei nämlich vor dem 01.04.1997 durchgehend für 360 Tage beschäftigt und zudem vor dem 07.04.1997 arbeitslos geworden.

Mit ihrer hiergegen am 15.07.1999 vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat die Klägerin - sinngemäß schriftlich - beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 13.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 02.03.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Gründen hat es u. a. ausgeführt: Die Vorschrift des § 128 AFG sei über §§ 431 Abs. 1 SGB III, 242 x Abs. 6, Abs. 3 AFG vorliegend anwendbar. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Übergangsvorschriften, wonach § 128 in seiner am 31.03.1997 geltenden Fassung anwendbar sei, wenn die Voraussetzung für die "Anwendbarkeit" der §§ 117 Abs. 2 - pp - AFG erfüllt seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien damit nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 2 - pp - AFG gemeint. Es sei nicht erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 128 AFG und die der §§ 117 Abs. 2 - pp - AFG kumulativ vorliegen müssten. Da im Übrigen die Voraussetzungen des § 128 AFG erfüllt seien, müsse die Klägerin den Erstattungsanspruch gegen sich gelten lassen.

Gegen diesen ihr am 16.03.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 12.04.2001 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend: Ihrer Auffassung nach müssen für die Anwendung des § 128 AFG die Voraussetzungen des § 128 AFG und die der §§ 117 Abs. 2 - pp - AFG - kumulativ vorliegen. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall, da die Beklagte trotz der dem Arbeitnehmer zu geflossenen Abfindung § 117 Abs. 2 AFG nicht zur Anwendung gebracht habe. Sowohl nach der alten als auch nach der neuen Gesetzeslage greife eine Erstattungspflicht jedenfalls dann nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis wegen sozial gerechtfertigter Kündigung beendet werden könne und auch in dieser Form beendet worden sei. Zwar sei vorliegend das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet worden. Sachlich unterscheide sich dieser Fall aber nicht von dem, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages am 12.05.1995 ordentlich gekündigt hätte und dadurch das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1995 beendet worden wäre. Ein sachlicher Grund für die Kündigung sei jedenfalls unbestreitbar vorhanden gewesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Köln vom 02.03.2001 die Bescheide der Beklagten vom 13./14.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie verweist auf den Wortlaut der Übergangsvorschrift des § 242 x Abs. 6 AFG, wonach § 128 AFG auf die Fälle weiter anzuwenden sei, auf die nach Abs. 3 die §§ 117 Abs. 2 bis 3 und §§ 117 a in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung weiter Anwendung finde. Allein der Wortlaut der Vorschrift spreche dagegen, dass zusätzlich noch die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 2 bis 3 a AFG gegeben sein müssten; dies bedeute: Wenn eine der Alternativen des § 242 x Abs. 1 - 3 erfüllt seien, seien die §§ 117, 117a und 128 AFG grundsätzlich anwendbar. Auch der Gesetzesentwurf spreche für die von ihr vertretene Wertung. Die Beklagte weist ergänzend darauf hin, dass die Vorschrift des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG bzw. § 147 a SGB III nur auf ordentliche Kündigungen anwendbar seien und Aufhebungsverträge dieser Vorschrift grundsätzlich nicht unterfielen. Es könne daher vorliegend dahinstehen, ob eine Kündigung ggfls. sozial gerechtfertigt gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten beigezogene Verwaltungsakte mit der Stamm-Nr ..., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bescheide der Beklagten vom 13.01.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.06.1999 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Versicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer Heinz K ... in Höhe von insgesamt 88.526,66 DM herangezogen.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat in vollem Umfang auf die zutreffenden und schlüssigen Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug (§ 153 Abs. II Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Mit Wirkung vom 01.04.1997 (siehe Art. 83 Abs. 3 AFRG) wurden die §§ 128, 117 Abs. 2 - 3 a, 110 S. 1 Nr. 1, 117 a AFG aufgehoben. Zu § 128 gab es zunächst § 242 Abs. 6 AFG als Übergangsregelung, die ihrerseits mit Ablauf des 31.12.1997 aufgehoben wurde. § 242 x AFG wurde dann durch Art. 11 Nr. 40 AFRG vom 27.03.1997 in das AFG eingefügt. Es handelt sich dabei um die Übergangsvorschrift zu dem durch das AFRG aufgehobenen bzw. geänderten Vorschriften. § 431 SGB III ordnete die weitere Anwendbarkeit des § 242 x Abs. 6 AFG für die dort genannten Fälle an. Der hier betroffenen Arbeitnehmer Kartein gehört aber zum Personenkreis des § 242 Abs. 3 Nr. 1 AFG, da er vor dem 01.04.1997 innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenen Beschäftigung gestanden hatte. Dann sind aber nach Abs. 3 der vorgenannten Vorschrift die §§ 117 Abs. 2 - 3 a und § 117 a in der bis zum 31.03.1997 geltenden Fassung weiter anzuwenden mit der Folge, dass auch § 128 AFG weiterhin anwendbar ist. Der Wortlaut der Vorschrift spricht eindeutig nur von "Anwendbarkeit" und fordert nicht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung der §§ 117 Abs. 2 - 3 a und 117 a AFG. Auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift dürfte es wohl nicht auf das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzung ankommen, da die Übergangsregelung bewirken sollte, dass die Neufassung der §§ 106 und 115 a SGB III sowie damit zusammenhängende Neuregelungen erst nach und nach wirksam werden sollten und die eigentumsgeschützte Anwartschaft auf Alg in der bestimmten bisher erworbenen Dauer nicht betroffen werden sollte (siehe Gagel-Kommentar zum SGB III-§ 242 x Rdnr. 6 mwN). Da der Eigentumschutz an der Erfüllung der Anwartschaft anknüpft, reicht dieser soweit, wie bei Inkrafttreten des AFKG die Anwartschaftszeit erfüllt war. Dieser Eigentumsschutz wäre betroffen, wenn § 115 a SGB III zur Anwendung käme; dann würde nämlich die gezahlte Abfindung angerechnet und damit in die eigentumsgeschützte Anwartschaft des Arbeitnehmers eingegriffen. Die Anwendbarkeit des § 117 Abs. 2, 3, 3a und 4 AFG sowie des § 117 a AFG über den 31.03.1997 hinaus schließt jedoch die Anwendbarkeit des § 115 a SGB III für den geschützten Personenkreis aus. Dieser wird gewissermaßen vor der Anwendbarkeit des § 115 a SGB III geschützt. Ob die Beklagte hier von den Vorschriften der § 117 - pp - AFG Gebrauch gemacht hat, kommt es daher nicht an (so auch Henning/Schlegel - Kommentar zum SGB III, § 431 Rdnr. 20.

Da im Übrigen die Voraussetzungen des § 128 AFG vorliegend erfüllt sind, ist die Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Versicherungsbeiträgen für den Arbeitnehmer Heinz Katein i. H. v. insgesamt 88.526,66 DM verpflichtet.

Soweit sie in diesem Zusammenhang vorträgt, der vorliegende Fall unterscheide sich nicht von dem einer ordentlichen Kündigung, verkennt sie, dass eine Kündigung - gleich welcher Art - vorliegend nicht ausgesprochen worden ist. Vielmehr ist das Arbeitsverhältnis des Herrn Katein durch einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung beendet worden. Das BSG hat bereits in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, dass § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG auf Aufhebungsträge auch nicht entsprechend anwendbar ist (vgl. hierzu BSG in SozR 3-4100 § 128 Nr. 5 sowie die Urteile vom 19.03.1998 - B 7 AL 20/97 R -, vom 07.05.1998 - B 11 AL 81/97 R -, vom 25.06.1998 - B 7 AL 80 u. 82/97 R -, vom 03.12.1998 - B 7 AL 110/97 R - und vom 11.05.1999 - B 11 AL 73/98 R -). Auch der erkennende Senat vertritt die Auffassung, dass § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst dann nicht entsprechend angewendet werden kann, wenn die Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung durch den Arbeitgeber nachweislich vorliegen (siehe Urteil vom 17.11.1999 - L 12 AL 57/98 mwN.).

Weitere Befreiungstatbestände nach Nrn. 6 und 7 des § 128 Abs. 1 S. 2 AFG liegen ersichtlich nicht vor und werden von der Klägerin auch nicht geltend gemacht.

Die Berufung konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG nicht zugelassen, da er nicht von der Rechtsprechung des BSG abweicht und insbesondere zur Frage ob § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG auch auf Aufhebungsverträge angewendet werden kann, inszwischen eine übereinstimmende Rechtsprechung beider zuständigen Senate des BSG vorliegt. Beim erkennenden Senat sind auch keine weiteren Berufungen anhängig, in denen über die Anwendbarkeit des § 128 AFG in dem streitbefangenen Zeitraum gestritten wird.
Rechtskraft
Aus
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