L 12 KA 114/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 808/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 114/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 1998, das 2. Quartal 1994 betreffend, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten gegen den Kläger wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise festgesetzten Kürzung seines für das 2. Quartal 1994 angeforderten Honorars für Sonderleistungen um 10 %. Der Kürzungsbetrag beträgt nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) DM 4.528,07.

Der Kläger nahm im streitigen Zeitraum als Internist in ... an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Laut Gesamtübersicht behandelte er im 2. Quartal 1994 445 Patienten, die bei den gesetzlichen Krankenversicherungen versichert waren. Mit dieser Fallzahl lag er um 47 % unter der Fallzahl der Vergleichsgruppe 19/2 (Internisten mit einem Überweisungsanteil von über 10 % bis 40 %) von 839 Fällen. Sein Rentneranteil von 58,2 % überschritt den Rentneranteil der Arztgruppe von 44,5 % um 30,8 %. Für die Sonderleistungen (Leistungsgruppe 08) rechnete der Kläger ein Honorar von 514.045 Punkten ab. Mit einem Fallwert von 1.155,2 Punkten lag er um 106,1 % über dem gewichteten Fallwert der Arztgruppe von 560,3 Punkten. In den übrigen Leistungsgruppen waren folgende Über- und Unterschreitungen des Arztgruppendurchschnitts festzustellen: - Beratungen/Visiten + 14,7 % - Besuche - 16,4 % - Eingehende Untersuchungen + 34,0 % - Allgemeine Leistungen - 17,5 % - Basis-/Allgemeine Laboruntersuchungen - 31,2 % - Radiologische Leistungen - 41,7 %. Insgesamt machte der Kläger für sämtliche kurative Leistungen im 2. Quartal 1994 einen Leistungsbedarf von 824.630 Punkten geltend, was einem Fallwert von 1.853,1 Punkten entsprach. Damit lag er um 45,4 % über dem gewichteten Arztgruppendurchschnitt von 1.274,3 Punkten. Die Verordnungswerte für das 2. Quartal 1994 ergaben folgendes Bild: - Arzneikosten ohne Sprechstundenbedarf Arzt DM 151,19 Arztgruppe DM 142,34 Überschreitung gewichtet + 6,2 % - Sprechstundenbedarf Arzt DM 1,05 Arztgruppe DM 4,41 Unterschreitung - 76,2 % - Verordnete physikalisch-medizinische Leistungen Arzt DM 6,86 Arztgruppe DM 13,90 Unterschreitung - 38,9 % - Krankenhauseinweisungen (Häufigkeit auf 100 Behandlungsfälle) Arzt 5,4 Arztgruppe 2,5 Arzt 10,4 Arztgruppe 16,3 - Arbeitsunfähigkeitstage Arzt 20,7 Arztgruppe 13,1.

Zur Vorbereitung der Sitzung des Prüfungsausschusses ließ der Kläger durch seine damaligen Bevollmächtigten eine Stellungnahme abgeben (Schriftsatz vom 26. August 1994). Darin wurde auf folgende Praxisbesonderheiten verwiesen: - besonders großes Leistungsspektrum mit Herz-Kreislauf-Diagnostik, Pulmologie, Schilddrüsendiagnostik, Gastroentereologie, Onkologie, Nephrologie - kleine Fallzahl - Ausgleich der Sonderleistungen (Sonographie) durch weniger Röntgen - Viele Krankenhauseinweisungen zeigten, dass in der Praxis schwerere Fälle als im Durchschnitt behandelt und durch die genauere Diagnostik Krankheiten erkannt würden, die eine sofortige Krankenhauseinweisung nötig machten. Ergänzend wurde eine Liste mit 50 Beispielsfällen vorgelegt.

Auf Antrag der Beigeladenen setzte der Prüfungsausschuss-Ärzte Oberfranken mit Bescheid vom 18. Oktober 1994 eine Kürzung des angeforderten Honorars für die Sonderleistungen um 10 % fest.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs ließ der Kläger auf die Stellungnahme vom 26. August 1994 verweisen. Die dort dargelegten Praxisbesonderheiten seien im Bescheid nicht berücksichtigt worden. Zur Sitzung des Beklagten ist weder der Kläger noch einer seiner früheren Bevollmächtigten erschienen.

Mit Bescheid vom 25. Juli 1995 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er führte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand der Methode des statistischen Fallkostenvergleichs mit der Fachgruppe der Internisten der Untergruppe 2 in Oberfranken (Überweisungsanteil von 10,01 % bis 40,0 %) durch. Dabei ging er davon aus, dass die Zusammensetzung des Patientenguts nach Mitgliedern, Familienangehörigen und Rentnern durch die Gewichtung berücksichtigt werde. Er stellte bei der Leistungsgruppe Sonderleistungen gegenüber der Vergleichsgruppe eine gewichtete Abweichung von 106,17 % fest. Damit werde die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschritten und die Vermutung der Unwirtschaftlichkeit begründet. Zu etwaigen Praxisbesonderheiten stellte er fest, dass diese aus den vorliegenden statistischen Prüfungsunterlagen nicht offenkundig seien. Dem um 30,8 % erhöhten Rentneranteil sei durch die Gewichtung der Vergleichswerte in den einzelnen Leistungsgruppen Rechnung getragen worden. Bei Durchsicht der namentlich angeführten Behandlungsfälle mit Diagnosen sei kein für eine internistische Praxis außergewöhnliches Patientengut bzw. eine besondere Häufung sogenannter "schwerer Fälle" oder ein spezielles kardiologisches Patientengut erkennbar gewesen. Die erbrachten Leistungen seien oftmals durch die auf den Behandlungsunterlagen eingetragenen Diagnosen nicht begründet. Schwere Fälle allein stellten keine Praxisbesonderheit dar. Eine kleine Fallzahl sei grundsätzlich ebenfalls keine Mehrkosten verursachende Praxisbesonderheit. Wegen niedriger Fallzahl trete eine Überschreitung des Arztgruppendurchschnittes nur dann notwendigerweise hervor, wenn der Anteil aus sogenannten schweren Fällen wesentlich höher liege als bei der Vergleichsgruppe. Diese seien weder substantiiert dargelegt worden, noch aus den Abrechnungsunterlagen ersichtlich gewesen. Kompensationsfähige Einsparungen seien ebenfalls nicht erkennbar. Es lägen zwar Einsparungen bei der Verordnung von Sprechstundenbedarf und der Verordnung physikalisch-medizinischer Leistungen sowie bei den AU-Fällen vor. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Mehraufwand in der gekürzten Leistungsgruppe sei jedoch nicht erkennbar. Der Kläger habe diesen auch nicht substantiiert dargelegt. Der bloße Hinweis auf Einsparungen sei nicht ausreichend. Der Beschwerdeausschuss errechnete sodann eine mögliche Kürzung von 42 % und führte abschließend aus, dass aufgrund des Verböserungsverbotes keine höhere Kürzung als 10 % festgesetzt werden könne, obwohl eine Kürzung von 42 % erforderlich gewesen wäre. Der Beklagte ging davon aus, dass nach Kürzung eine gewichtete Abweichung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 85,55 % zugestanden worden sei.

Gegen den am 27. Juli 1995 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am 23. August 1995 Klage zum Sozialgericht München erheben, die zunächst unter dem Az.: S 42 Ka 1349/95 geführt wurde. Nachdem mit Einverständnis des Klägers und der Beklagten mit Beschluss vom 7. November 1995 das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden war, nahm das Gericht das Verfahren am 25. Februar 1998 von Amts wegen wieder auf und führte es unter dem Az.: S 42 KA 808/98 fort.

Laut Niederschrift erschien der Kläger persönlich zur mündlichen Verhandlung. Das Sozialgericht verband dieses Verfahren mit weiteren Streitsachen des Klägers zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.

Der Kläger beantragte u.a.,

den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 1995 aufzuheben und den Beklagten zur Neuentscheidung über den Widerspruch zu verpflichten.

Die erschienenen Beigeladenen zu 1) und 5) beantragten u.a.,

die Klage, das 2. Quartal 1994 betreffend, abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1) nahm in ihrer Klageerwiderung vom 20. November 1995 auf den Widerspruchsbescheid des Beklagten Bezug und nannte einen Streitwert von DM 4.528,07.

Mit Urteil vom 23. Juni 1998 wies das Sozialgericht u.a. die Klage, das 2. Quartal 1994 betreffend, ab. Diese Entscheidung stützte es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Der Kläger sei zu Recht mit der maßgeblichen Vergleichsgruppe 19/2 verglichen worden. Auch die Beurteilung, dass Praxisbesonderheiten nicht vorhanden seien, sei beurteilungsfehlerfrei. Der Kläger habe sich darauf beschränkt, das Vorliegen eines entsprechenden, zu seinen Leistungen passenden Patientenklientels mit entsprechend abweichenden Diagnose- bzw. Krankheitsbildern oder Symptomschilderung zu behaupten, ohne diese Behauptungen durch eine entsprechende Stichprobe einer repräsentativen Anzahl von Fällen zu substantiieren. Die Kammer könne bestätigen, dass bei Durchsicht eine abweichende Diagnoseschichtung nicht zu finden gewesen sei. Die Kammer habe die Behandlungsausweise der Quartale 4/94 bis 2/95 durchgesehen. Sie könne die Darstellung des Beklagten bestätigen. Das Vorhandensein eines großen Leistungsspektrums und einer hohen apparativen Ausstattung könne für sich betrachtet nur eine umfassende Erbringung von Leistungen darlegen und nicht das Vorhandensein eines dazu passenden Patientenklientels. Zudem sei es ein typisches Merkmal der Internistenuntergruppe 19/2, dass darin verschiedenen internistische Schwerpunkte zusammengefasst seien. Ein besonderer internistischer Schwerpunkt sei nicht substantiiert dargelegt worden, ebenso sei ein überdurchschnittlich hoher Anteil von neuen Patienten nicht nachgewiesen. Nach Durchsicht der Behandlungsunterlagen dränge sich der Kammer der Eindruck auf, dass nicht Praxisbesonderheiten der verursachende Umstand für die Überschreitung sei, sondern vielmehr die geringer werdende Fallzahl in Kombination mit den laufenden Kosten und die umfassenden Investitionen in die beachtliche apparative Praxisausstattung. Kausale Einsparungen seien ebenfalls nicht substantiiert dargelegt und auch nicht aus den Abrechnungsunterlagen offensichtlich. Angesichts der belassenen Restüberschreitungen, die durchwegs höher lägen als 40 %, habe der Beklagte den etwas überdurchschnittlichen Streuungen in der gewählten Vergleichsgruppe ausreichend Rechnung getragen. Es bestehe kein Grund, die Kürzungshöheentscheidung über die abgegebene Begründung hinaus zu rechtfertigen.

Gegen das am 15. November 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Dezember 1998 beim Sozialgericht München Berufung eingelegt, die trotz mehrmaliger Erinnerung nicht begründet worden ist.

Mit Beschluss vom 14. September 1999 hat der Senat die vom Sozialgericht verbundenen Verfahren für das Berufungsverfahren wieder getrennt.

Den Verlegungsgesuchen des Klägers vom 16. und 22. November 2000, die im Wesentlichen mit einer Terminskollision mit einer Sitzung des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern begründet worden sind, hat der Vorsitzende des Senats vor allem deswegen nicht entsprochen, weil die Ladung des Senats dem Kläger bereits vor der Ladung des Zulassungsausschusses zugegangen ist.

Der Kläger, der zur mündlichen Verhanldung nicht erschienen ist, beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 1998 bezüglich der Klage mit dem Az.: S 42 KA 808/98 und den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 1995 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses Ärzte Oberfranken vom 18. Oktober 1994 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte (Wirtschaftlichkeitsprüfung - 2/94), die Klageakten (Az.: S 42 Ka 1349/95 und S 42 KA 808/98) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 114/99) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Nichterscheinens des Klägers verhandeln und entscheiden, denn der Kläger ist ordnungsgemäß geladen worden. In der Ladung ist er darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§§ 110, 202 SGG i.V.m. §§ 214 ff. ZPO). Der Vorsitzende des Senats war nicht verpflichtet, den Verhandlungstermin zu verlegen (§ 202 SGG i.V.m. § 227 Abs.1 Satz 1 ZPO). Der Kläger hat in seinen Schreiben vom 16. und 22. November 2000 keinen "erheblichen Grund" für eine Verlegung vorgetragen. Hinsichtlich der Terminskollision mit der Sitzung des Zulassungsausschusses Ärzte Oberbayern ist darauf hinzuweisen, dass die Ladung durch den Senat erheblich früher erfolgte und daher als vorrangig anzusehen ist.

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage vom 23. August 1995 (Az.: S 42 Ka 1349/95, nach Wiederaufnahme S 42 KA 808/98) gegen den Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 1995, betreffend die Behandlungsweise des Klägers im Quartal 2/94 GKV, mit Urteil vom 23. Juni 1998 zu Recht abgewiesen.

Der vorgenannte Bescheid, der allein Gegenstand des Klage- und damit auch des Berufungsverfahrens ist, ist auch unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nrn.23, 27, 31, 36, 41) rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 1995 genügt den Anforderungen, die das Bundessozialgericht in den o.g. Entscheidungen an die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise eines Arztes stellt. Die statistische Betrachtung muss danach bereits auf der ersten Prüfungsstufe durch eine intellektuelle Prüfung und Entscheidung ergänzt werden, bei der die für die Frage der Wirtschaftlichkeit relevanten medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkte wie das Behandlungsverhalten und die unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb der Arztgruppe und die bei dem geprüften Arzt vorhandenen Praxisbesonderheiten in Rechnung zu stellen sind.

Der Beklagte ist bei seiner Prüfung in der Leistungsgruppe 08 (Sonderleistungen) zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger sich mit einem gewichteten Überschreitungswert von + 106,17 % gegenüber der Vergleichsgruppe im sog. offensichtlichen Missverhältnis befindet. Er hat sich aber nicht mit dieser statistischen Feststellung begnügt, sondern im Sinne einer intellektuellen Prüfung untersucht, ob Praxisbesonderheiten bzw. kausale Einsparungen für diese Überschreitung verantwortlich sind. Dies hat der Beklagte zu Recht verneint. Er hat nach Durchsicht der vom Kläger im Schriftsatz vom 26. August 1994 namentlich aufgeführten Behandlungsfälle mit Diagnosen für das Quartal 2/94 festgestellt, dass kein für eine internistische Praxis außergewöhnliches Patientengut bzw. eine besondere Häufung sog. "schwerer Fälle" beim Kläger vorliegt. Für das Vorliegen von Praxisbesonderheiten ergeben sich weder aus den statistischen Unterlagen hinreichende Anhaltspunkte noch hat der Kläger hierzu substantiiert vorgetragen.

Dem um 30,8 % erhöhten Rentneranteil ist bereits durch die Gewichtung der Vergleichswerte hinreichend Rechnung getragen. Einen über den durch die Gewichtung bereits berücksichtigten Mehraufwand hinausgehenden Mehraufwand durch die Behandlung von mehr Rentnern hat der Kläger weder behauptet noch dargelegt. Gleiches gilt für den Einwand der Behandlung vieler neuer Patienten. Der Kläger hat keinerlei Hinweise dazu geliefert, wie hoch der Anteil neuer Patienten im Quartal 2/94 in seiner Praxis war und welcher Mehraufwand ggfs. dadurch hervorgerufen wurde.

Auch der Hinweis auf die niedrige Fallzahl (445 Patienten, 47 % unter der Fallzahl der Vergleichsgruppe) begründet für sich alleine noch keine Praxisbesonderheit. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.45 S.244 ff.) rechtfertigt die Tatsache einer niedrigen Fallzahl grundsätzlich noch keine Leistungsausweitung, weil bei kleinen Praxen die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwendigen Behandlungsfällen nicht notwendig anders sein muss als bei großen Praxen. Das Vorliegen einer besonderen Häufung sog. "schwerer Fälle", die den Fallwert des Klägers überproportional in die Höhe treiben könnten, hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise verneint. Das Verhältnis der Fallzahl des Klägers zur Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe liegt mit 53 % (445: 839 Fälle) jedenfalls deutlich über der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, a.a.O., S.244/245) geforderten Mindestquote von 20 %.

Soweit sich seine damaligen Bevollmächtigten in ihrer Stellungnahme vom 26. August 1994 auf ein besonders großes Leistungsspektrum und eine umfangreiche apparative Ausstattung mit Herz-Kreislaufdiagnostik, Pulmologie, Schilddrüsendiagnostik, Gastroenterologie, Onkologie und Nephrologie berufen, hat der Beklagte ebenfalls zu Recht keinen berechtigten Mehraufwand zugestanden. Es ist zunächst davon auszugehen, dass die Vergleichsgruppe der Internisten mit einem Überweisungsanteil von über 10 % bis unter 40 % ebenso wie der Kläger ein breites Leistungsspektrum aufweist. Ein breites Leistungsspektrum als solches ist deshalb bei dieser Arztgruppe keine Besonderheit. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Praxisbesonderheiten solche Umstände, die sich auf das Behandlungs- und Verordnungsverhalten des Arztes auswirken und in der Praxis der Vergleichsgruppe typischerweise nicht oder nicht in derselben Häufigkeit anzutreffen sind (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.27 S.153). Eine Praxisbesonderheit kann deshalb allenfalls die schwerpunktmäßige Praxisausrichtung auf ein spezielles Leistungsspektrum, das sich in einem besonderen Patientengut niederschlägt, sein (vgl. Urteil des Senats vom 19. Juli 2000, Az.: L 12 KA 12/99). Hierfür ergeben sich jedoch aus dem Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren sowie aus den statistischen Unterlagen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Aus der Häufigkeitsstatistik ergibt sich zwar, dass von den in der Leistungsgruppe 08 insgesamt angeforderten 514.045 Punkten mehr als 1/4 (136.080 Punkte) auf die Nr.617 EBM (eindimensionale doppler-echokardiographische Untersuchung) entfällt, die nur von 22,86 % der Ärzte in der Vergleichsgruppe abgerechnet wird. Auch die Nrn.686 EBM (sonographische Untersuchung der extrakraniellen und/oder intrakraniellen Hirngefäße mittels Duplex-Verfahren) mit 63.000 Punkten und die Nr.687 EBM (sonographische Untersuchung der Arterien und/oder Venen des Körperstamms und/oder der Extremitäten mittels Duplex-Verfahren) mit 37.800 Punkten werden nur von 34,29 % bzw. 28,57 % der Ärzte der Vergleichsgruppe abgerechnet. Damit beruht die Leistungsanforderung des Klägers in der Leistungsgruppe 08 fast zur Hälfte auf der Abrechnung von nicht fachgruppentypischen Leistungen, wobei für diese zusätzlich teilweise auch noch eine besondere Genehmigung erforderlich ist. Andererseits beruht die Überschreitung in der Leistungsgruppe 08 aber auch auf ganz fachgruppentypischen Leistungen (Nr.380 EBM mit 51.040 Punkten und einer Abrechnungshäufigkeit in der Vergleichsgruppe in Höhe von 97,14 % und Leistungsziffer Nr.603 EBM mit 37.250 Punkten und einer Abrechnungshäufigkeit von 100 %). Insgesamt ist dem Hinweis des Sozialgerichts zuzustimmen, dass ein typisches Merkmal der Internistenuntergruppe 19/2 gerade darin besteht, dass verschiedene internistische Schwerpunkte in einer Gruppe zusammengefasst sind und die im Wesentlichen einem internistischen Schwerpunkt zuzurechnenden Leistungen naturgemäß nur von einem Teil der weitergebildeten Internisten erbracht werden. Dieser Umstand rechtfertigt aber für sich allein gesehen nicht die Anerkennung einer Praxisbesonderheit. Die gegenüber der Vergleichsgruppe deutlich erhöhte Ansatzhäufigkeit einzelner Leistungsnummern (Nr.617 EBM: + 498,52; Nr.686 EBM: + 678,54 %; Nr.687 EBM: + 487,85 %) kann entweder Ausdruck eines zu häufigen und damit unwirtschaftlichen Ansatzes der Leistungen oder Ausdruck einer speziellen Praxisausrichtung, die sich in einem besonderen Patientengut niederschlägt, sein. Dass diese Überschreitungen auf ein spezielles Patientengut in Verbindung mit einer speziellen Praxisausrichtung zurückzuführen sind, hat der Kläger bzw. seine früheren Bevollmächtigten aber gerade im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht hinreichend substantiiert dargelegt, so dass der Beklagte auch nicht gemäß § 20 Abs.1 SGB X gehalten und in der Lage war, einem solchen Einwand im Rahmen einer weitergehenden intellektuellen Prüfung (Durchsicht der Behandlungsscheine in den Fällen, in denen die genannten Leistungsnummern abgerechnet wurden) nachzugehen. Soweit der Kläger Beispielsfälle genannt hat, hat der Beklagte die Behandlungsscheine durchgesehen und kein für eine internistische Praxis außergewöhnliches Patientengut erkennen können.

Auch das Vorliegen kompensierender Einsparungen hat der Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht substantiiert dargelegt. Die früheren Bevollmächtigten haben in der Stellungnahme vom 26. August 1994 lediglich darauf verwiesen, dass durch den Mehraufwand bei den Sonographien weniger Röntgenaufnahmen anfielen. Der Hinweis auf Einsparungen bei den Krankenhauseinweisungen und den Arbeitsunfähigkeitstagen entspricht nicht den Tatsachen, da hier der Kläger über der Vergleichsgruppe liegt. Zu den unterdurchschnittlichen Werten beim Sprechstundenbedarf (- 76,2 %) und bei den verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen (- 38,9 %) hat sich der Kläger überhaupt nicht geäußert. Der Kläger hat insbesondere den Nachweis versäumt, dass es gerade durch den Mehraufwand bei den Sonderleistungen zu den Einsparungen gekommen ist. Dazu wäre zumindest die strukturelle Darlegung der methodischen Zusammenhänge und der medizinischen Gleichwertigkeit erforderlich gewesen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.42 S.233 f.). Auch die Festsetzung der Höhe der Kürzung mit 10 % ist nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde dem Kläger auch nach Kürzung noch ein Überschreitungswert belassen, der sich weiterhin im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses bewegt (+ 85,4 %). Begnügen sich die Prüfgremien mit einer Kürzung, die sich noch deutlich im Bereich des offensichtlichen Missverhältnis bewegt, braucht die Höhe der Kürzung nicht besonders begründet zu werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.36 S.207).

Die Entscheidung des Beklagten ist schließlich auch nicht deswegen zu beanstanden, weil der Prüfungsausschuss noch davon gesprochen hatte, dass er die relativ niedrige Fallzahl (verminderte Kostenstreuung), die Proktologie und die Sonographie berücksichtige, während der Beklagte keine Praxisbesonderheiten bzw. Einsparungen anerkannt hat. Es ist schon fraglich, ob mit der Formulierung "berücksichtigen" die Anerkennung von Praxisbesonderheiten gemeint ist. Abgesehen davon bezieht sich das Verbot der reformatio in peius bei Honorarkürzungsmaßnahmen wegen Unwirtschaftlichkeit nur auf den (Gesamt-)Kürzungsbetrag (vgl. BSGE 53, 244 ff, 246), nicht auf einzelne Begründungselemente. Deshalb kann offenbleiben, ob der Prüfungsausschuss überhaupt Praxisbesonderheiten im engeren Sinne anerkannt hat.

Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 1998, das 2. Quartal 1994 betreffend, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes und beruht auf der Erwägung, dass der Beklagte auch im Berufungsverfahren obsiegt hat.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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