L 12 KA 14/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 965/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 14/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. September 2000 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1998 abgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Erweiterung des Praxisbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs nach A I B 4.3 der Allgemeinen Bestimmung des EBM für Hausbesuchsleistungen streitig.

Der Kläger ist als praktischer Arzt in P. niedergelassen und als Vertragsarzt zugelassen. Mit Schreiben vom 29. Januar 1997, 27. April 1997, 28.Mai 1997 und 14. Juni 1997 stellte er einen Antrag auf Gewährung eines bedarfsabhängigen Zusatzbudgets für Leistungen nach den Nummern 25, 26, 32, 5, 6, 15, 19 und 2022 BMÄ/E-GO.

Mit Bescheid vom 14. August 1997 gewährte die Beklagte dem Kläger ein qualifikationsgebundenes fallzahlabhängiges Zusatzbudget "Sonographie" für Leistungen nach den Nrn.375 bis 389, 398 EBM sowie ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget "Phlebologie (ohne Zusatzbezeichnung)" für Leistungen nach den Nrn.205, 652, 660, 666, 667, 2022, 2023 und 2024 BMÄ/E-GO. Diese beiden Zusatzbudgets wurden bei der Honorarabrechnung III/97 von der Beklagten berücksichtigt. Der Kläger hat für beide Budgets die eingeräumte Punktzahl erheblich unterschritten. Mit Bescheid vom 16. Juli 1997 wurde dem Kläger das bedarfsabhängige Zusatzbudget "Betreuung in beschützenden Einrichtungen" für die Anrechnung der Nr.15 EBM eingeräumt.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1997 wurde dann der Antrag des Klägers auf Erweiterung des Praxis und-/oder Zusatzbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs gemäß A I B.4.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM wegen Betreuung geriatrischer Patienten (Besuchsleistungen und Nrn.6 und 19 BMÄ/E-GO) abgelehnt. Für die beantragten Leistungen sei ein Zusatzbudget nicht vorgesehen. Diese Leistungen seien Bestandteil des Praxisbudgets. Werde ein Arzt verstärkt in einem Leistungsbereich tätig, könne er andere ärztliche Leistungen nur in entsprechend geringerem Umfang erbringen. Das insgesamt zur Verfügung stehende Praxisbudget müsse deswegen grundsätzlich nicht geändert werden.

Der vom Kläger dagegen eingelegte Widerspruch ging am 17. Oktober 1997 bei der Beklagten ein. Zur Begründung seines Widerspruches trug der Kläger vor, er betreue überwiegend Betagte und Rentner der höheren Altersstufe. Derzeit seien etwa 75 seiner geriatrischen Patienten in Altersheimen untergebracht. Bereits 1992 habe die Prüfungskommission seine Besuchstätigkeit, die die Abrechnung der Nr.32 BMÄ/ÄE-GO (Mitbesuche) und der Nrn.25 bis 30 BMÄ/E-GO (Besuche im Übrigen) betraf, als Praxisbesonderheit anerkannt. Da Hausbesuche stets als notwendig und erwünscht angesehen werden, könne ihm hierfür ein bedarfsabhängiges Zusatzbudget nicht verweigert werden. So sei auch die Genehmigung des phlebologischen Zusatzbudgets und die Ablehnung eines Zusatzbudgets für Besuche unverständlich. Patienten mit ausgedehnten und tiefreichenden Geschwüren an den Beinen seien fast immer gehbehindert und schon deshalb in der Regel nicht in der Lage, eine Praxis aufzusuchen. Wer "A" sage, müsse auch "B" sagen. Die Behandlung gehbehinderter phlebologischer Patienten sei nur mittels Haus- oder Heimbesuchen zu realisieren. Es könne auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass er Sterbende und Schwerstkranke betreue und so Krankenhauseinweisungen erspare.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 1998 wurde vom Widerspruchausschuss der Beklagten der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets könne im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgerungsbedarfs gewährt werden. Hierfür lägen die Voraussetzungen nicht vor. Werde ein Arzt verstärkt in einem Leistungsbereich tätig, könne er andere ärztliche Leistungen nur in entsprechend geringerem Umfang erbringen. Das bedeute, werden Hausbesuche durchgeführt, könnten während dieser Zeit keine anderen Leistungen in der Praxis erbracht werden. Somit müsse wegen der Besuche das insgesamt zur Verfügung stehende Budget nicht geändert werden. Besuchsleistungen gehörten zum normalen Leistungsspektrum der Fachgruppe des Klägers, selbst wenn diese außerhalb der Sprechstundenzeiten durchgeführt würden. Bei der Berechnung der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen des Praxisbudgets seien diese Leistungen miteinbezogen worden, insbesondere werde bei den Rentnern der erhöhte Leistungsbedarf durch die höheren Fallpunktzahlen berücksichtigt.

Die dagegen erhobene Klage ging am 12. Juni 1998 beim Sozialgericht München ein. Zur Begründung der Klage wiederholte der Kläger zunächst sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und wies auf den hohen Bedarf an Haus- und Heimbesuchen in seiner Praxis hin. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl der von ihm behandelten betagten und pflegegbedürftigen Patienten freiwillig Versicherte seien und deshalb bei der Budgetberechnung nicht als Rentner berücksichtigt würden. So betreue er 45 Nonnen im W.-Sanatorium P. mit einem Durchschnittsalter von 80 Jahren, die alle freiwillig versichert seien. Der Hinweis der Beklagten in dem angeführten Bescheid, dass ein Arzt, der verstärkt in einem Leistungsbereich tätig sei, andere ärztliche Leistungen nur in geringerem Umfange erbringen könne, gelte nur, wenn man von einer gleichen Arbeitszeit ausgehe und die Besuche außerhalb der Sprechzeiten außer Acht lasse.

Die Reduktion der Hausbesuche auf die Budgetvorgabe hätte zur Folge, dass er den Großteil seiner Patienten entweder ihrem Schicksal oder seinen Kollegen überlassen müsse. Er habe sich seine Praxis aufgebaut, um davon zu leben. Da er mit jeweils drei Hausbesuchen auch bei Rentnern das Budget bereits aufgebraucht habe, müsste er mit jedem weiteren Hausbesuch einen Kollegen beauftragen. Dies bedeute für den Patienten einen Verlust der freien Arztwahl und für ihn eine existentielle Bedrohung und ein faktisches Berufsverbot. Die KV Südbaden habe anders als die Beklagte alle Hausbesuche nach der Abrechnungsnummer 26 BMÄ/E-GO von der Budgetierung ausgenommen.

Der während des Sozialgerichtsverfahrens vom Kläger bestellte Bevollmächtigte trug zur Klagebegründung vor, in der Vertragsarztpraxis des Klägers bestehe ein besonderer Versorgungsbedarf im Sinne des Abschnittes A 1 Teil B Ziff.4.3 des EBM. Dieser besondere Versorgungsbedarf ergebe sich aus der vom Kläger aufgezeigten besonderen Altersstruktur seines Patientenstammes. Der Anzahl der Patienten im Rentenalter sei in seiner Praxis etwa doppelt so hoch wie im Arztgruppendurchschnitt. Hiervon sei wiederum ein hoher Anteil hochbetagt. Daraus ergebe sich ein besonders hoher Bedarf für eine ärztliche Versorgung durch Heim- und Hausbesuche. Zu Recht habe der Kläger bereits darauf hingewiesen, dass die zwischen der kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen getroffene Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 vom 19. November 1996 keine abschließende Aufzählung von Krankheitsfällen oder spezifischen Betreuungsleistungen enthalte, die als Schwerpunkt der Praxistätigkeit eine Budgeterweiterung rechtfertigten. Die Vereinbarung enthalte lediglich eine beispielhafte Auflistung. Die Tatsache, dass Besuchsleistungen zum normalen Leistungsspektrum eines praktischen Arztes gehörten, verböten nicht die Erweiterung des Budgets, wenn im Einzelfall - wie hier - die Patientenstruktur in einem Umfang Besuchsleistungen erfordere, die weit über das normale Maß hinausgingen. Beim Kläger komme noch die Besonderheit dazu, dass von der hohen Zahl der Patienten im Rentenalter ein erheblicher Anteil (durchschnittlich wenigstens 60 Patienten pro Quartal, d.h. mindestens jeder fünfte Patient im Rentenalter) nicht als Rentner krankenversichert sei und somit nur als "normaler M/F-Versicherter in das Praxisbudget einfließe."

Mit Urteil vom 28. September 2000 hob das Sozialgericht München den Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1998 auf und verpflichtete die Beklagte, über den Antrag des Klägers gemäß den Allgemeinen Bestimmungen A I B 4.3 des EBM nach der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Entsprechend der generalisierenden und typisierenden Anknüpfung des Praxisbudgets an den durchschnittlichen Verhältnisses der Arztgrupe, die durch das Hinzutreten von Zusatzbudgets mit Anknüpfung an die durchschnittlichen Verhältnisse der qualifikationsgleichen Arztuntergruppe weiter spezialisierend differenziert werde, habe es einer Korrektur für diejenigen Fälle bedurft, in denen eine grobe Inhomogenität zwischen betroffenem Arzt und Arztuntergruppe bestehe. Das Merkmal des besonderen Versorgungsbedarfs müsse daher als Regelung von Härtefällen verstanden und angewandt werden. Ein besonderer Versorgungsbedarf liege nur dann vor, wenn die Verwerfung zwischen den typischen Verhältnissen der Praxis und der gebiets- und qualifikationsgleichen Arztuntergruppe so groß sei, dass diese aus Gründen der Sicherstellung oder aus Gründen des Gleichbehandlungsgebotes nicht mehr hinnehmbar erscheine. Ein auf geringfügigen Besonderheiten der Patientenzusammensetzung beruhender Leistungsmehrbedarf vermöge einen Versorgungsbedarf im Sinne der Vorschrift nicht zu begründen. Für die Beurteilung des Vorliegens eines besonderen Versorgungsbedarfes sei der KV eine Einschätzungsprärogative einzuräumen.

Im hier zu beurteilenden Falle ergebe sich aus dem Vorbringen des Arztes in Verbindung mit den Hinweisen, die der Abrechnungsstatistik zu entnehmen seien, durchaus Anhaltspunkte dergestalt, dass eine ensprechende Verwerfung existieren könne. Der Kläger habe dargetan, einen untypisch hohen Rentneranteil zu versorgen. Zudem erscheine ein erhöhter Anteil von als Mitgliedern eingestuften Patienten im Rentenalter (freiwillig Versicherter) betreut zu werden. Die vom Kläger genannten und von der Beklagten nicht berücksichtigten Krankheitsbilder widerlegten nicht die Möglichkeit der Richtigkeit der Behauptung, zwingend zu einer hohen Anzahl von Besuchen bettlägeriger Patienten zu Hause und in Alten- und Pflegeheimen verpflichtet zu sein. Diese Angaben würden gestützt durch die entsprechenden Abrechnungswerte der einschlägigen Einzelleistungsziffern.

Der besondere Versorgungsbedarf lasse sich auch nicht durch den pauschalen Hinweis auf untypisch verminderte Abrechnung anderer budgetbefangener Leistungen entkräften. Sicherlich bedürfe es einer Korrektur des Vergleichs des antragstellenden Arztes mit den Verhältnissen der Gebiets- und qualifikationsgleichen Arztuntergruppe nicht, wenn der Arzt Zeitrecourcen auf die Behandlung der besonderen Patientengruppe verwende, dabei bestimmte Leistungen in erheblich vermehrtem Umfang erbringen müsse, auf der anderen Seite jedoch andere typische und budgetbefangene Leistungen selten abrechne. Eine versagende Beurteilungs- bzw. Ermessensbetätigung müsse jedoch darlegen, welche anderen Leistungen, die in Praxis- und Zusatzbudget enthalten seien, tatsächich seltener abgerechnet würden und die Summen gegeneinander abwägen. Der pauschale Hinweis in den Gründen, dass zwangsweise eine Kombination vorliegen müsse, genüge nicht. Zeitraubende Mehrleistungen könnten, wie dies der Hinweis des Klägers, Besuche vorwiegend außerhalb der normalen typischen Sprechstundenzeiten zu erledigen, nahe lege, möglicherweise durch Mehrarbeit bewältigt worden seien. Diese Überlegungen werde die Beklagte nachzuholen haben.

Die gegen das ihr am 24. Januar 2001 zugestellte Urteil eingelegte Berufung der Beklagten ging am 8. Februar 2001 beim Bayerischen Landessozialgericht ein.

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, Grundvoraussetzungen für die Aussetzung/Erweiterung des Praxis- und/ oder Zusatzbudgets nach den Allgemeinen Bestimmungen des EBM seien das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs sowie der Schwerpunkt der Praxistätigkeit gerade auf dem Gebiet des besonderen Versorgungsbedarfs. Zwar machten Besuchsleistungen einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers aus. Das Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs sei bei ihm jedoch nicht gegeben. Er trage vielmehr eine Standardbegründung seiner Arztgruppe vor. Der Vorstand der Beklagten habe beschlossen, dass bei einer kontinuierlichen Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen Leistungen der Gebührenordnungsposition 15 BMÄ/ E-GO gemeint seien und dass deshalb diese Leistungen auf Antrag im Einzelfall von der Budgetierung ausgenommen werden können. Eine entsprechende Ausnahme sei dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 1997 auch gewährt worden. Der Kläger beantrage aber darüber hinaus eine Aussetzung/Erweiterung seines Praxisbudgets bzgl. seiner Besuchsleistungen. Hierfür liege kein besonderer Versorgungsbedarf vor. Besuchsleistungen seien vielmehr Standardleistungen der allgemeinen und praktischen Ärzte. Die Prüfung des besonderen Versorgungsbedarfes habe ergeben, dass es im Bereich P. allein noch 14 weitere Allgemeinärzte gebe. Darüber hinaus erbrächten noch viele hausärztlich tätige Internisten diese Besuche. Würde man der Argumentation des Klägers folgen, müssten ggf. bei sämtlichen Hausärzten Besuchsleistungen von der Budgetierung ausgenommen werden. Dies hätte einen massiven Verfall des Punktwertes zur Folge, der nicht im Sinne von A I B 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM sei.

Der Kläger habe die Anzahl der Hausbesuche in seinem Quartal 3/97 reduziert. Im Durchschnitt ergäben sich im Quartal 3/97 1,77 Besuche pro Fall gegenüber 1,24 Besuchen pro Fall im Quartal 3/00. Damit zeige der Kläger, dass es möglich sei, die Anzahl der Hausbesuche zu reduzieren. In den jüngsten Quartalen habe der Kläger eine hohe Quote beim Praxisbudget erreicht. So seien im Quartal 3/99 81,60 %, im Quartal 1/00 88 %, im Quartal 4/00 90 % und im Quartal 1/01 80 % erreicht worden. Im Quartal 3/00 läge sogar eine Unterschreitung des möglichen Punktzahlvolumens vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. September 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der besondere Versorgungsbedarf ergebe sich im Fall des Klägers aus der besonderen Altersstruktur seines Patientenstammes, die von den typischen Verhältnisses der gebiets- und qualifikationsgleichen Arztuntergruppe signifikant abweiche. Die Betreuung multimorbider geriartrischer Patienten stelle einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit des Klägers dar. Der besonders hohe Bedarf an ärztlicher Versorgung durch Heim- und Hausbesuche werde außerdem dadurch erhöht, dass ein hoher Prozentsatz der Patienten des Klägers, die innerhalb des zugestandenen Zusatzbudgets "Phlebologie" behandelt würden, krankheitsbedingt außerstande seien, die Praxis des Klägers aufzusuchen.

Der Hinweis der Beklagten, im Bereich der Praxis des Klägers gebe es noch 14 weitere Allgemeinärzte sowie zusätzliche Internisten, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, gehe an der Sache vorbei. Die aufgezeigte Besonderheit der Praxis des Klägers sei dadurch nicht in Frage gestellt. Es werde von der Beklagten nicht behauptet geschweige denn dargetan, dass der Versorgungsbedarf der Patienten dieser Ärzte vergleichbar sei dem Versorgungsbedarf der Patienten des Klägers. Der von der Beklagten angestellte Vertikalvergleich bzgl. der Anzahl der Hausbesuche pro Quartal sei nicht aussagefähig. Entgegen der Behauptung der Beklagten sei es dem Kläger nicht möglich, bei verantwortungsvoller Behandlung seiner Patienten die Anzahl der Hausbesuche zu reduzieren. Der Kläger führe konstant bei durchschnittlich ca. 400 Fällen durchschnittlich 700 Hausbesuche pro Quartal durch. Das von der Beklagten angesprochene Quartal 3/00 stelle eine Ausnahme dar, die leicht zu erklären sei. Der Kläger habe, nachdem seine Ehefrau am 9. Jui 2000 verstorben war, im Quartal 3/00 (erstmals nach vielen Jahren) drei Wochen Urlaub genommen. In den Folgequartalen glichen die statistischen Werte den Quartalen in der Vergangenheit. Der Kläger legte dann noch eine Übersicht bzgl. der Fallzahlen und Bezugsleistungen in den Quartalen 3/97 bis einschließlich 1/01 vor.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte mit dem Az.: L 42 KA 965/98 und die Berufungsakte mit dem Az.: L 12 KA 14/01 vor. Auf den Inhalt dieser Unterlagen, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie nach § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1998 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat deshalb diese Bescheide mit Urteil vom 28. September 2000 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte zur Neuverbescheidung verpflichtet. Beim Kläger liegen die Voraussetzungen für eine Aussetzung/Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gemäß Kapitel A I Teil b 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM nicht vor.

Mit den Beschlüssen des Bewertungsausschusses vom 19. November 1996 und 11. März 1997 sind in den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM auf der Grundlage des § 87 Abs.2 Satz 1 iVm Abs.2a Satz 1, 2 und 8 SGB V (in der Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 - BGBl.I S.1520 -) zum 1. Juli 1997 Praxis- und Zusatzbudgets eingeführt worden. Danach unterliegen die im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen nach Maßgabe näherer Bestimmungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal u.a. für die Gruppe der Allgemeinärzte, der der Kläger angehört, einer fallzahlabhängigen Budgetierung (Allgemeine Bestimmungen A I Teil B Nr.1 iVm N.1.5 EBM). Die von den Budgets umfassten Leistungen sind je Arztpraxis und Abrechnungsquartal jeweils nur bis zu einer begrenzten Gesamtpunktzahl abrechnungsfähig, deren Höhe sich aus dem Produkt der Fallpunktzahl und der Zahl der Fälle ergibt.

Diese Regelungen haben zum Ziel, die Auswirkungen des seit Jahren zu beobachtenden Punktwertverfalls zu begrenzen und den Vertragsärzten mehr Kalkulationssicherheit zu geben. Die Einführung der Praxisbudgets steht mit höherrangigem Recht im Einklang, wie das Bundessozialgericht mit Urteilen vom 8. März 2000 (SozR 3-2500 § 87 Nr.24) und 16. Mai 2001 (SozR 3-2500 § 87 Nr.31) entschieden hat. Dies ist auch ständige Rechtsprechung des Senats (siehe zuletzt Urteile vom 10. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00 und vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00). Im Einzelnen sind die Regelungen des EBM 1997 so ausgestattet, dass für die betroffenen Arztgruppen drei verschiedene Leistungsbereiche gebildet werden. Den Praxisbudgets ("grüner Bereich") unterfallen ca. 70 % der das Behandlungsspektrum der jeweiligen Arztgruppe typischerweise abdeckenden ärztlichen Leistungen. Neben den Praxisbudgets sind bestimmte ärztliche Leistungspositionen bei den einzelnen Arztgruppen spezifischen Zusatzbudgets ("gelber Bereich") zugewiesen, die ca. 10 % des Leistungsspektrums ausmachen. Ein noch verbleibender, etwa 20 % ausmachender Leistungsbereich bleibt unbudgetiert ("roter Bereich"), ebenso wie bestimmte, nur auf Überweisung in Anspruch genommene oder hoch spezialisierte Arztgruppen gänzlich davon unberührt sind (siehe BSG, Urteil vom 16. Mai 2000, a.a.O. mit weiteren Hinweisen).

Dem Kläger ist von der Beklagten das ihm als Allgemeinarzt zustehende Praxisbudget zuerkannt worden. In dieses allgemeine Praxisbudget fallen die Leistungen nach den Nrn.5, 6, 19, 25, 26 und 32 EBM bzw. BMÄ/E-GO, die die Kläger im Rahmen der Betreuung geriatrischer Patienten Behandlung erbringt und die nach seinen eigenen Angaben einen Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit darstellen. Nach Kapitel A I Teil B Nr.4 EBM sind für die in den Nrn.4.1 und 4.2 aufgeführten Leistungsbereiche Zusatzbudgets gebildet worden. Durch diese Zusatzbudgets sollen solche Praxisbesonderheiten innerhalb einzelner Arztgruppen berücksichtigt werden, die sich entweder aus einer besonderen zusätzlichen fachlichen Qualifikation oder durch eine schwerpunktmäßige Ausrichtung der Arztpraxis auf ein besonderes Leistungsspektrum ergeben, für das ein besonderer Versorgungsbedarf besteht (vgl. Kölner Kommentar zum EBM, Stand Juli 1997, Anm.6 zu Kapitel A I Teil B). Von diesen Zusatzbudgets hat der Kläger das qualifikationsgebundene Zusatzbudget (Nr.4.1) Sonographie zuerkannt erhalten, das die Leistungen nach den Nrn.325 bis 389, 398 des EBM umfasst. Auf einen besonderen Antrag hin hat der Kläger zusätzlich noch die bedarfsabhängigen Zusatzbudgets nach Nr.4.2 "Phlebologie", das die beantragte Leistung nach der Nr.2022 ÄEBM beinhaltet und "Betreuung in beschützenden Einrichtungen" (Leistungen nach der Nr.15 BMÄ/E-GO) erhalten.

Über diese qualifikationsgebundenen, fallzahlenabhängigen Zusatzbudgets und die bedarfsabhängigen Zusatzbudgets auf besonderen Antrag hin kann gemäß Kapitel A I Teil B Ziffer 4.3 EBM die Beklagte auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Diese Regelung soll einer atypischen, aber versorgungsgerechten Ausrichtung einer Arztpraxis Rechnung tragen, die nicht bereits nach den Ziffern 4.1 und 4.2 Kapitel A I Teil B EBM berücksichtigt wurde (vgl. Kölner Kommentar zum EBM a.a.O., Anm.6 zu Kapitel A I Teil B; Urteile des Senats vom 26. Juli 2000, Az.: L 12 KA 136/99, vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99 und vom 21. März 2001, Az.: L 12 KA 99/99, vom 10. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00 und vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00).

Die Partner der Bundesmantelverträge haben diese Regelung des EBM in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung des Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (vgl. Deutsches Ärzteblatt 1997, A 403 f) dahingehend ausgelegt, dass die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen: Betreuung von HIV-Patienten; onkologische Erkrankungen; Diabetes; Mukoviszidose; Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung); kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen; erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Aus der Wortwahl "insbesondere" ergibt sich, dass die Aufzählung in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 nicht abschließend ist. Entsprechend dem Charakter dieser Vereinbarung als Interpretation haben die Vertragspartner beispielhaft einige Fallgruppen bestimmter spezifischer Schwerpunktsetzungen genannt, bei denen im Einzelfall ein konkret nachgewiesener besonderer Versorgungsbedarf angenommen werden kann. Aus Gründen der Gleichbehandlung (Art.3 Abs.1 GG) muss es sich jedoch bei den weiteren Ausnahmetatbeständen, die eine Erweiterung oder Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets nach Kapitel A I Teil B Ziffer 4.3 de EBM rechtfertigen, um Tatbestände handeln, die mit den in Ziffer 4 der Vereinbarung genannnten vergleichbar sind. Nach dem Wortlaut sowie dem Zweck der Regelung kommt deshalb in Anknüpfung an die aufgezählten Beispiele eine Budgeterweiterung nur bei einer spezifischen Schwerpunktsetzung und bei der Übernahme der Behandlung von bestimmten schwerwiegenden Gesundheitsstörungen oder spezifischen Betreuungsleistungen in einem quantitativ relevanten Ausmaß in Betracht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. März 2000, Az.: B 6 KA 64/99 B). Es muss sich also um eine für die Arztgruppe atypische Praxisbesonderheit handeln, die den besonderen Schwerpunkt der Praxistätigkeit bildet, für die ein besonderer Versorgungsbedarf besteht und die durch die Ziffern 4.1, 4.2 des Kapitels A I Teil B EBM und die in der Vereinbarung genannten Beispielsfälle noch nicht berücksichtigt ist.

Der Regelung in der Nr.4.3 a.a.O. des EBM kommt nicht nur objektiv-rechtlicher Charakter zu, sie begründet vielmehr auch ein subjektives Recht des betroffenen Arztes zumindest auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung über die Erweiterung eines Praxis- bzw. Zusatzbudgets bei Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzung der "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfes" im Einzelfall erfüllt sind, steht der Kassenärztlichen Vereinigung ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum aber nicht zu (BSG, Urteil vom 16. Mai 2001, Az.: B 6 KA 53/00 R, SozR 3-2500 § 87 Nr.31). Durch die Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 (Deutsches Ärzteblatt 1997, Heft 7 vom 14. Februar 1997) wurden den Kassenärztlichen Vereinigungen die Befugnis übertragen, in Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets zu gewähren. Hierbei handelt es sich nicht um eine zulässige Delegation der Rechtsetzungskompetenz an den Rechtsanwender. Allerdings darf der Gebrauch eines unbestimmten Rechtsbegriffes nicht dazu führen, dass der Rechtsanwender einen Entscheidungsspielraum erhält, der nur dem Normsetzer selbst zusteht. Der Normgeber muss vielmehr die wesentlichen Bestimmungen in der Norm selbst treffen und darf lediglich die Konkretisierung von Einzelheiten anderen Stellen überlassen (BSG Urteil vom 6. September 2000, Az.: B 6 KA 40/99 R). Diesen Anforderungen genügt die Regelung in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997 vom 14. Februar 1997 (siehe Urteile des Senats vom 26. Juli 2000, Az.: L 12 KA 136/99, vom 7. Februar 2001, Az.: L 12 KA 60/99, vom 21. März 2001, Az.: L 12 KA 99/99 und vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist in der Praxis des Klägers eine für die Arztgruppe atypische Praxisbesonderheit, die den Schwerpunkt der Praxistätigkeit bildet, für die ein besonderer Versorgungsbedarf besteht und die durch die Ziffern 4.1, 4.2 des Kapitels A I Teil B EBM und die in der Vereinbarung genannten Beispielsfälle noch nicht berücksichtigt ist, in einem quantitativ relevanten Ausmaß nicht zu erkennen. Der Kläger begehrt eine Erweiterung des Praxisbudgets für Besuchsleistungen nach den Nrn. 25, 26 und 32 und Leistungen nach den Nrn.5, 6 und 19 EBM bzw. BMÄ/E-GO, die er im Rahmen der Betreuung geriartrischer Patienten erbringt.

Der Kläger hat im Quartal 3/97 für Besuchsleistungen nach der Leistungsgruppe 02 (Leistungen nach den Nrn.25, 26, 32 BMÄ/E-GO) 116.472,1 Punkte angefordert. Das sind 34,26 % des angeforderten Gesamtpunktzahlvolumens. Der Vergleichswert wird hier um 1.477 % überschritten. Damit stellt die Besuchstätigkeit zweifelsohne einen Schwerpunkt in der hausärztlichen Tätigkeit des Klägers dar. Bei den Grundleistungen, die die Leistungen nach den Nrn. 5 und 6 BMÄ/E-GO beinhalten, wird der Vergleichswert um 85,1 % überschritten. Mit den Beratungs- und Betreuungsgrundleistungen, zu denen die Nr.19 BMÄ/E-GO gehört, unterschreitet der Kläger den Vergleichswert um 40,9 %. Mit seiner Honoraranforderung für Allgemeine Leistungen unterschreitet der Kläger den Vergleichswert um 96,2 %, mit der Honoraranforderung für Sonderleistungen um 57,6 %. Mehr als die Hälfte der Punktzahlen werden vom Kläger für Grundleistungen (122.026,2 Punkte) und Besuche/Visiten (166.472,1 Punkte) angefordert. Ähnliche Werte ergeben sich auch bei der Auswertung der Häufigkeitsstatistiken für andere Quartale. Dies zeigt die besondere Struktur der Praxis des Klägers. Da er allerdings weniger Sonderleistungen erbringt und auch sonstige Leistungen, die in das Praxisbudget einfließen, von ihm in geringer am Umfang erbracht werden, sind die Auswirkungen auf die Gesamthonoraranforderung relativ gering. Im Quartal 3/97 lag der Kläger mit seiner Gesamthonoraranforderung auch nur um 22,8 % über dem Vergleichsdurchschnitt. Damit wird die grundsätzliche These der Beklagten, dass ein Arzt, der vermehrt Hausbesuche durchführt, in dieser Zeit keine andere Leistung in der Praxis erbringen kann, bestätigt. Insgesamt muss deshalb das zur Verfügung stehende Budget nicht bereits bei einer vermehrten Erbringung einzelner Leistungen geändert werden.

Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 16. Mai 2001 festgestellt hatte (SozR 3-2500 § 87 Nr.31), ist die Festschreibung einer bestimmten Behandlungsausrichtung oder Praxisstruktur mit den Grundanliegen der Einführung von Praxisbudgets nicht vereinbar. Angesichts der auf spezielle Leistungen in einem bestimmten Behandlungsbereich zugeschnittenen qualifikationsabhängigen Zusatzbudgets besteht nur noch in besonders gelagerten Fällen, eine Notwendigkeit für die Erweiterung der Praxisbudgets zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs. Dies ist der Fall, wenn die einzelne Praxis eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderene Behandlungsschwerpunkt bzw. eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebietes aufweist, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist und wenn diese besonderen Leistungen zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs notwendig sind. Diese Voraussetzungen können nicht schon durch den Hinweis darauf belegt werden, ein einzelner Arzt habe bestimmte Leistungen in der Vergangenheit häufiger als der Durchschnitt seiner Fachgruppe erbracht, und dass er von den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht beanstandet wurde. Indizien für eine entsprechende Spezialisierung sind vielmehr ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil bestimmter Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Die Forderung eines "besonderen Versorgungsbedarfs" für eine im Leistungsangebot der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung, die messbaren Einfluss auf den Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden abgerechneten Punkte auf die Gesamtpunktzahl der Praxis hat, findet ihren Niederschlag auch in der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 19. November 1996. Dort ist unter Nr.4 bestimmt, Abschnitt A I B 4.3 EBM werde dahingehend ausgelegt, dass die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen kann, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen: Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapievereinbarung, kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen, erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil. Eine derartige Spezialisierung der Praxis des Klägers ist nicht erkennbar. Er macht nicht geltend, dass es sich bei den spezifischen Betreungsleistungen, die den Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit bilden, um die Betreuung von Krankheitsbildern handelt, die denen in Nr.4 der Vereinbarung vom 19.11.1996 zumindestens gleichwertig sind. Dies wäre aber, aus Gründen der Gleichbehandlung erforderlich. (Urteile des Senats vom 24. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 81/00, und vom 10. Oktober 2001, Az.: L 12 KA 87/00). Zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs in P. sind die vom Kläger angebotenen Leistungen nicht erforderlich, da sie von den anderen in P. niedergelassenen Hausärzten und den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Internisten ebenfalls angeboten werden. Während ein Versorgungsschwerpunkt in erster Linie aus der besonderen Struktur einer einzelnen Prakis abzuleiten ist, stellt das Merkmal Versorgungsbedarf stärker auf objektive Kriterien in dem Sinne ab, dass ein bestimmtes Leistungsangebot einer Praxis unter Sicherstellungsaspekten erforderlich ist.

Das Sozialgericht ist in seiner Entscheidung zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten über die Erweiterung eines Praxis- bzw. Zusatzbudgets bei Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen hat. Nach den Feststellungen des BSG ergibt sich dies bereits daraus, dass die Entscheidung über eine Aussetzung bzw. Erweiterung des Budgets auf Antrag des einzelnen Arztes ergeht und immer nur bezogen auf eine einzelne Praxis erfolgen kann. Das Merkmal "zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" knüpft jedenfalls auch an der Struktur der einzelnen Praxis an, die kraft ihrer Ausrichtung in der Lage ist, einen solchen Bedarf zu decken. Das Sozialgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs durch ein spezielles Leistungsangebot im Einzelfall erfüllt sind, der Beklagten ein der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglicher Beurteilungsspielraum nicht zusteht. Das Sozialgericht hätte deshalb die Beklagte nicht zu einer neuen Entscheidung über den Antrag des Klägers gemäß der Rechtsauffassung des Gerichtes verurteilen dürfen, sondern selbst prüfen müssen, ob ein besonderer Versorgungsbedarf besteht, zu dessen Sicherstellung Leistungen des Klägers, die einen Schwerpunkt seiner Praxistätigkeit darstellen, erforderlich sind. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Beklagte verpflichtet sein, ihr Ermessen dahingegehend auszuüben, ob und wieweit eine Erweiterung bzw. Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets erforderlich ist. Da diese Voraussetzungen nicht vorliegen, besteht ein Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensausübung der Beklagten insoweit nicht.

Die streitigen Leistungen die von der Mehrzahl der Allgemeinärzte und auch von den hausärztlichen Internisten ebenfalls erbracht wurden, stellen zwar einen Schwerpunkt der Praxistätigkeit des Klägers dar, ihre Erbringung durch den Kläger ist jedoch zur Sicherstellung eines besonderen vielmehr um Standardleistungen der Allgemeinmediziner/praktischen Ärzte, die mit dem Praxisbudget abgegolten werden. Dass der Kläger budgetbedingte Abrechnungsschwierigkeiten hat, liegt vor allen an seiner relativ geringen Fallzahl und dem hohen Anteil älterer Patienten, unter denen sich auch geriatrische Patienten befinden, die nicht den Versichertenstatus eines Rentners haben, sondern freiwillig versicherte Mitglieder sind. Wie der Senat aber bereits entschieden hat, ist die Anknüpfung der Praxisbudgets an den Versichertenstatus und nicht an das Lebensalter nicht rechtswidrig (Urteil vom 13. März 2002, Az.: L 12 KA 179/01).

Das BSG hat in der Entscheidung vom 16. Mai 2001 (SozR 3-2500 § 87 Nr.31) festgestellt, dass die ab 1. Juli 1997 geltenden Praxisbudgets im Gegensatz zu den zwischen dem 1. Juli 1996 und dem 30. Juli 1997 geltenden Teilbudgets als Dauerregelung eingeführt wurden. Der zur Auslegung des Ausnahmetatbestandes der Nr.4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996 vom BSG herangezogene Gesichtspunkt, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dürfe eine von vornherein nur befristete Vergütungsregelung bestimmte langjährig gewachsene Praxisausrichtungen nicht nachhaltig gefährden (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.26), könne deshalb auf die Regelung in Nr.4.3 a.a.O. des EBM nicht übertragen werden. Vor allem schließe der mehrstufige Aufbau von allgemeinem Praxisbudget, qualifikationsgebundenen Zusatzbudgets, bedarfsabhängigen Zusatzbudgets und Ansprüchen auf Erweiterung von Praxis- und/oder Zusatzbudgets eine Auslegung dieser Vorschrift in dem Sinne aus, dass jedem Arzt die bestehende Ausrichtung seiner Behandlungstätigkeit schlechthin ohne Einbuße beim Honorar auf Dauer garantiert werden könne.

Es ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 1999 den Antrag des Klägers auf Erweiterung und/oder Aussetzung des Praxis- und/oder Zusatzbudgets abgelehnt hat. Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. September 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG a.F., der vorliegend noch anzuwenden ist, und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger ohne Erfolg blieb. § 193 SGG a.F. gilt in vertragsärztlichen Streitigkeiten, die vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig geworden sind, in allen Rechtszügen fort. Im Hinblick auf die Übergangsregelung des Art.17 Abs.1 des 6. SGG-Änderungsgesetzes und aus Gründen des auch verfassungsrechtlich gebotenen prozessualen Vertrauensschutzes kommen für die Kostentragungspflicht der Beteiligten die Vorschriften der §§ 154 ff. VwGO über § 197a SGG nur in vertragsarztrechtlichen Streitverfahren zur Anwendung, die nach dem In-Kraft-Treten der Umgestaltung des Kostenrechts rechtshängig werden.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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