L 12 KA 35/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 857/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 35/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. November 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein von der Klägerin geltend gemachter Schadensersatzanspruch in Höhe von 289.909,00 DM wegen positiver Vertragsverletzung durch die Beklagte streitig.

Mit Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte - Niederbayern - vom 4. März 1994 (beschlossen am 23. Februar 1994) wurde die Klägerin als Chirurgin in L. (Landkreis Dingolfing-Landau) zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Der Bedarfsplan sah für den Planungsbereich Landkreis Dingolfing-Landau bei der Arztgruppe der Chirurgen ein Soll von zwei Chirurgen vor. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Aufnahme ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit zum 1. Juli 1994 die einzige nieergelassene Chirurgin in diesem Planungsbereich. Neben der Klägerin waren noch der Chefarzt am Kreiskrankenhaus L. (Dr.H. - H) sowie der Chefarzt am Kreiskrankenhaus D. (Dr.S. - Sch) aufgrund einer bis zum 31. März 1996 befristeten Ermächtigung vertragsärztlich tätig. Die den beiden Chefärzten erteilte Ermächtigung hatte folgenden Umfang: "Ermächtigt für die Durchführung ambulanter vertragsärztlicher Leistungen seines Fachgebietes auf Überweisung durch Vertragsärzte".

Mit Schreiben vom 6. März 1995 wandte sich die Klägerin an den Zulassungsausschuss Ärzte und bat um Einschränkung der bestehenden Chefarztermächtigungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Nach fast neumonatiger Laufzeit ihrer Praxis sei die Patientenzahl immer noch sehr gering. Die Beklagte schlug vor, die Angelegenheit in einem persönlichen Gespräch zu erörtern. Dieses Gespräch fand am 23. März 1995 statt und führte zu dem Ergebnis, dass sich der Zulassungsausschuss Ärzte in seiner Sitzung am 28. Juni 1995 mit dem Begehren der Klägerin beschäftigte. In einem Schreiben vom 26. Juli 1995 wies dieser die Klägerin darauf hin, dass die Ermächtigungen der beiden Chefärzte bis zum 31. März 1996 befristet sei. Vor Ablauf des Befristungszeitraumes bestehe keine rechtliche Handhabe, den Ermächtigungsumfang der beiden Krankenhausärzte einzuschränken. Zur gegebener Zeit würden die Ausführungen der Klägerin berücksichtigt werden.

Am 16. Oktober 1995 stellte der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Bayern eine Überversorgung für den Planungsbereich Dingolfing-Landau bezüglich der Chirurgen fest und ordnete eine Zulassungsbeschränkung an. Im Dezember 1995 wurde ein weiterer Chirurg, Dr.L. (L.) zugelassen, der am 5. Dezember 1995 in D. seine Praxistätigkeit aufnahm.

Am 15. Februar 1996 informierte die Beklagte die Klägerin, dass der Chefarzt H. die Verlängerung seiner Ermächtigung in bisher uneingeschränktem Umfang beantragt habe. Hierzu führte die Klägerin in einem Schreiben vom 17. Februar 1996 an den Zulassungsausschuss aus: Wie ihre Praxis-Fallzahlen bewiesen, bestehe ein Bedarf für eine Verlängerung der den beiden Chefärzten erteilten Ermächtigung nicht mehr. Es sei nicht erkennbar, welche besonderen Leistungen die Chefärzte anbieten könnten, die von den niedergelassenen Ärzten nicht angeboten würden. Allerdings habe sie ihr Leistungsspektrum bisher aus Patientenmangel noch nicht unter Beweis stellen können. Sie stimme allenfalls einer Ermächtigung für Vorgespräche mit Patienten, die sich im Krankenhaus ambulant oder stationär operieren lassen wollten, sowie für Nachuntersuchungen nach größeren operativen Eingriffen zu. Eine generelle Nachbehandlung der am Krankenhaus operierten Patienten sei aber keinesfalls erforderlich.

Mit Beschlüssen vom 28. Februar 1996 wurden die beiden Chefärzte Dres.H. und Sch. erneut zur Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung befristet bis zum 31. März 1998 ermächtigt. Die gleichlautenden Ermächtigungen hatten folgenden Inhalt: "Aufgrund dieser Ermächtigung ist der Arzt berechtigt, folgende Leistungen im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung auf Überweisung durch Vertragsärzte durchzuführen: - Einmalige präoperative Untersuchung und Beratung im Hinblick auf die Operationsindikation. - Ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung im Einvernehmen mit dem behandelnden Vertragsarzt, längstens für die Dauer von drei Monaten und für maximal drei Untersuchungen nach Entlassung aus der stationären Behandlung. - Ambulante Nachbehandlung nach einer stationären Krankenhausbehandlung bei operativ versorgten Frakturen.

Die Ermächtigung umfasst nicht die Durchführung von ärztlichen Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten gemäß den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen."

Hiergegen legte der Chefarzt Dr.H. Widerspruch ein, mit dem er beantragte, ihn auch zur ambulanten Nachbehandlung nach stationären Gelenk- und Bandoperationen und zu Leistungen der proktologischen Sprechstunde zu ermächtigen. In ihrer Stellungnahme zu diesem Antrag führten die Klägerin und Dr.L. aus, dass Dr.L. in seiner Praxis Rektroskopien durchführe, die Klägerin aber derzeit nur die Proktoskopie im Rahmen der Proktologie erbringe, weil die Praxiseinnahmen die Anschaffung eines Rektoskopes nicht erlaubten. Was Endoskopien betreffe, würden diese Leistungen von den niedergelassenen Internisten erbracht.

Mit Bescheid vom 30. Juni 1997 (beschlossen am 22. April 1997), gab der Berufungsausschuss dem Widerspruch des Dr.H. insoweit statt, als dessen Ermächtigung auch zur Durchführung der Leistungen nach den BMÄ/EGO-Nrn.755, 760, 763, 764, 765 und 768 sowie 370, 371 und 373 erweitert wurde.

Einen weiteren Antrag des Chefarztes Dr.H. vom 22. Juni 1997 auf Erweiterung seiner Ermächtigung und die Durchführung der ambulanten Nachehandlung nach einem stationären Krankenhausaufenthalt der Patienten mit Gelenkersatz, Gelenkversteifungen und Gelenkumstellungen lehnte der Zulassungsausschuss Ärzte - Niederbayern mit Bescheid vom 1. August 1997 (beschlossen am 23. Juli 1997) ab.

Bereits am 9. Mai 1997 hatte die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, dass sie ihre Praxis verkaufen wolle und einen geeigneten Nachfolger suche. Mit Schreiben vom 22. September 1997 zeigte sie an, dass sie ihre vertragsärztliche Tätigkeit zum 23. September 1997 beendige und auf ihre Zulassung verzichte. Daraufhin stellte der Zulassungsausschuss Ärzte - Niederbayern mit Bescheid vom 16. Oktober 1997 fest, dass die Zulassung der Klägerin zum 23. September 1997 ende. Nach einer Mitteilung der KVB Brandenburg vom 30. September 1997 hatte die Klägerin mit Wirkung vom 1. Oktober 1997 die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im KV-Bereich der KV Brandenburg erhalten.

Mit ihrer am 9. Juni 1997 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 289.909,00 DM aufgrund des pflichtwidrigen Fehlverhaltens der Beklagten in deren Zulassungs- und Überwachungspraxis, da diese die Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems mit Vertragsärzten in diesem Versorgungsgebiet und die Existenz der Klägerin gefährdet habe. Die Gefährdung entstehe zum Einen durch die Erteilung von zu allgemeinen Ermächtigungen von Krankenhausärzten auf dem Gebiet der Chirurgie und zum Anderen durch das Unterlassen von Maßnahmen zur Begrenzung der Überscheitung der Ermächtigung durch diese Krankenhausärzte.

Ein Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz ergebe sich nach Grund und Höhe aus positiver Vertragsverletzung der öffentlichrechtlichen Sonderrechtsbeziehung zwischen der Beklagten und der Klägerin. Die Zulassungsausschüsse nähmen kraft gesetzlichen Auftrages mit unmittelbarer Wirkung für die entsendende Körperschaft Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Daraus folge, dass die Beklagte für das Fehlverhalten des Zulassungsausschusses unmittelbar in Anspruch genommen werden könne. Die Beklagte bediene sich zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages, die kassenärztliche Versorgung sicher zu stellen, der zugelassenen Ärzte als ihrer Mitglieder. Sie sei deshalb diesen gegenüber auch verpflichtet, sie bei der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages zu unterstützen. Dabei sei die Vorrangstellung der zugelassenen Ärzte wesentlich. Damit seien Rechte von Vertragsärzten schuldhaft verletzt, wenn die gesetzlich verankerte Vorrangstellung der Vertragsärzte gegenüber den ermächtigten Ärzten nicht berücksichtigt werden. Ein derartiges Verhalten stelle eine schuldhafte Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin dar, da dadurch die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben beeinträchtigt würden.

Spätestens zum Zeitpunkt der Zulassung der Klägerin zum 1. Juli 1994 hätten die Ermächtigungen bereits der beiden Chefärzte eingeschränkt werden müssen, da dadurch die Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems im Landkreis Landau-Dingolfing gefährdet gewesen sei. Die Klägerin habe nach dreijähriger Tätigkeit in der chirurgischen Praxis im Durchschnitt nur 380 Patienten pro Quartal behandelt, während der normale Quartalsdurchschnitt einer durchschnittlichen chirurgischen Praxis in vergleichbar ländlicher Struktur 800 bis 1.000 Kassenpatienten betrage. Die niedrige Scheinzahl der Klägerin sei nicht mehr durch die Anlaufphase bedingt, sondern allein durch die in umfangreiche Ermächtigung der beiden Chefärzte.

Bei der Ermittlung der Schadenshöhe gingen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass die durchschnittliche Fallzahl der Chirurgen 900 Fälle betrage und ein durchschnittlicher Leistungsbedarf je Fall in den Vergleichspraxen 1.400 Punkte betrage. Bei einem durchschnittlichen Punktwert von 8 Pf ergebe sich somit ein durchschnittliches Honorar von 100.800,00 DM pro Quartal. Für den in Rede stehenden Zeitraum ab Januar 1996 (Beginn der Überversorgung im Landkreis) bis Ende Mai 1997 errechne sich so ein Betrag von 571.200,00 DM (17 Monate), den die Klägerin hätte erzielen können. Tatsächlich habe sie in diesem Zeitraum jedoch lediglich ein Honorar in Höhe von 281.291,00 DM gehabt. Daraus resultiere eine Differenz von 289.909,00 DM, dies sei der geltend gemachte Schadensbetrag.

In ihrer Klageerwiderung führte die Beklagte aus, sie sei die falsche Beklagte, da sie nicht für die Ermächtigung von Chefärzten zuständig sei. Hierfür sei allein der Zulassungsausschuss Ärzte - Niederbayern für den Planungsbereich der Klägerin zuständig. Damit könne die Beklagte keine Entscheidung treffen, die die Klägerin in ihren Rechten verletzen könnte. Da einem Vertragsarzt in Bezug auf die Erteilung einer Chefarztermächtigung mangels eigener Rechtsverletzung die Klagebefugnis fehle, bestehe eine solche auch nicht für eine Schadensersatzklage bei der Erteilung einer Chefarztermächtigung. Die Klage sei deshalb bereits unzulässig. Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet. Die Klägerin sei bereits zum Zeitpunkt ihrer Zulassung in verschiedenen Gesprächen auf die Versorgungssituation und die besonderen wirtschaftlichen Risiken einer Niederlassung als Chirurgin in Landau hingewiesen worden, insbesondere auch auf die konkurrierende Tätigkeit mit Notfallambulanzen der Krankenhäuser und die erweiterten Möglichkeiten eines Krankenhauses nach § 115 b SGB V, ambulante Operationen zulassungsfrei bzw. ermächtigungsfrei durchzuführen. Auch auf die Konkurrenz durch bereits länger niedergelassene Hausärzte, die für Chirurgen vor allem in ländlichen Gebieten wegen der langjährigen, gewachsenen Beziehungen zwischen Arzt und Patient äußerst groß sei. Kleinere operative/chirurgische Eingriffe würden zudem auch von Hausärzten durchgeführt. Die Klägerin sei auch über die Anträge der beiden Chefärzte auf Verlängerung ihrer Ermächtigung im bisherigen Umfang informiert worden und zur Stellungnahme aufgefordert worden. Die Stellungnahmen der Klägerin seien dem Zulassungsausschuss zugeleitet worden. Volle Ermächtigungen seien daraufhin nicht mehr ausgesprochen wor- den. Bestritten werde auch die von der Klägerseite behauptete Scheindurchschnittszahl für Chirurgen von 800 bis 1.000. Im Bereich der Bezirksstelle Niederbayern habe die durchschnittliche Fallzahl in der Zeit vom ersten Quartal 1996 bis zum ersten Quartal 1997 zwischen 601 und 707 Fällen gelegen. In ländlich strukturierten Gebieten sei mit einer unterdurchschnittlichen Fallzahl zu rechnen, auch könne bei einer Praxisneugründung die Anlaufzeit ohne Weiteres fünf Jahre dauern. Die Ausführungen zur angeblichen Schadenshöhe seien deshalb unzutreffend.

Zwischen dem Tätigwerden der Beklagten und dem von der Klägerin behaupteten Schaden bestehe auch keine Kausalität. Das Erreichen einer bestimmten Scheinzahl liege im eigenen Verantwortungsbereich jedes Vertragsarztes und sei stark von verschiedensten persönlichen Faktoren abhängig. So zeige ein Vergleich der Überweisungszahlen seit Tätigwerden der Klägerin, dass die Anzahl der Überweisungsscheine nicht gesteigert worden sei. Die Klägerin sei im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nicht als D-Ärztin, sondern nur als H-Ärztin anekrannt. Die Beklagte habe auch keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die fachliche und persönliche Akzeptanz einer Ärztin bei den Patienten.

Mit Urteil vom 17. November 1998 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klage sei zulässig aber unbegründet. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei eröffnet, es handele sich um eine echte Leistungsklage mit dem Ziel, gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch durchzusetzen. Die Beklagte sei deshalb auch die richtige Beklagte, da die Klägerin ausdrücklich keine Konkurrentenklage erhoben habe. Die Klägerin sei auch klagebefugt.

Die Klage sei jedoch unbegründet. Der Anspruch der Klägerin könne nicht auf das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung gestützt werden, da zwischen der Klägerin und der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Sonderrechtsbeziehungen der Gestalt beständen, dass diese eine einem privaten Schuldverhältnis vergleichbare Rechtsstellung zum Gegenstand habe, wie es für die Anwendung des Rechtsinstituts der positiven Vertragsverletzung erforderlich wäre. Es liege auch keine Pflichtverletzung der Beklagten vor. Die Beklagte habe die Entscheidung der Zulassungsinstanzen nicht zu vertreten, da die Mitglieder des Zulassungsausschusses gemäß § 96 Abs.2 Satz 4 SGB V nicht an Weisungen der sie entsendenden Körperschaft gebunden seien. Auch eine Pflichtverletzung durch ein Unterlassen sei nicht ersichtlich. Das Unterlassen setze stets eine Garantenstellung gegenüber der Klägerin voraus. Die fehlende Zuständigkeit der Beklagten in Zulassungssachen und die fehlende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt der erteilten Ermächtigung schließe eine solche Garantenstellung aus. Das aus § 116 Satz 2 SGB V herzuleitende Primat der niedergelassenen Ärzte sei objektiv rechtlicher Natur und richte sich außerdem an die Zulassungsgremien. Nach der Rechtspechung des BSG könnten aus dem Mitgliedschaftsverhältnis des Kassenarztes und dem Sicherstellungsauftrag keine Abwehrrechte gegen eine erteilte Ermächtigung hergeleitet werden (BSG, Urteil vom 28. August 1996, Az.: 6 RKa 37/95). Wenn schon keine Abwehrrechte des einzelnen Kassenarztes gegen eine einem anderen Arzt erteilte Ermächtigung beständen, dann bestehe erst recht kein Anspruch darauf, dass eine einem anderen Arzt erteilte Ermächtigung eingehalten werde.

Die Beklagte weise auch zu Recht darauf hin, dass die Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert von der Klägerseite vorgetragen sei. Es sei bereits ein falscher Ansatz dadurch gewählt worden, dass ein zu hoher Fallschnitt bei den Chirurgen angenommen worden sei und auch von einer zu niedrigen Scheinzahl bei der Klägerin ausgegangen worden sei. Auch die erforderliche Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden sei fraglich. Die Beklagte habe zu Recht darauf hingewiesen, dass die Scheinzahl von mehreren Faktoren abhängig sei. Hierzu gehöre sicherlich auch die Akzeptanz durch die Bevölkerung und durch die Kollegenschaft. Fachärzte für Chirurgie seien zu einem großen Teil auf Überweisungen durch Hausärzte angewiesen.

Die gegen das am 11. März 1999 zugestellte Urteil eingelegte Berufung ging am 12. April 1999 (einem Montag) beim BayLSG ein.

Zur Begründung tragen die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor, das Urteil des Sozialgerichts könne aus formellen und materiellen Gründen keinen Bestand haben, da die Beweiserhebung unzureichend gewesen sei und in der Entscheidung vorgetragene unstreitige Tatsachen nicht berücksichtigt oder deren rechtliche Bedeutung verkannt worden sei.

So sei der Vortrag der Beklagten und das Vorliegen ausreichender und vor allen Dingen tatsächlich durchgeführter Maßnahmen zur Einhaltung der sich aus dem Umfang der den Krankenhausärzten erteilten Ermächtigungen ergebenden Leistungsbeschränkungen trotz ausdrücklichen Bestreitens durch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht näher untersucht worden. Ebenso habe es das Gericht unterlassen, Ermittlungen über die Ursächlichkeit der Pflichtverletzungen der Beklagten für den Schadenseintritt bei der Klägerin vorzunehmen.

Im Urteil des Sozialgerichts sei zwar zutreffend das Bestehen eines besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten anerkannt worden, das Sozialgericht sei jedoch zu dem Schluss gekommen, dass die aus dem besonderen Gewaltverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten resultierende, gegenseitige Rechten und Pflichten enthaltende Rechtsbeziehung keine Vergleichbarkeit mit einem Schuldverhältnis aufweisen solle. Das durch die Zulassung zwischen der Klägerin und der Beklagten begründete besondere Gewaltverhältnis umfasse für beide Seiten einzelne Rechte und Pflichten. Das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung sei somit entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes durchaus geeignet, den Anspruch der Klägerin zu stützen. Die Beklagte habe auch verschiedene eigene Pflichtverletzungen begangen und müsse sich darüber hinaus die Pflichtverletzung des Zulassungsausschusses zurechnen lassen. Die Beklagte habe ihre Pflicht dadurch verletzt, dass sie vor der Zulassung der Klägerin am 1. Juli 1994 die nach der Rechtsprechung besonders zu beachtenden Interessen der noch nicht zugelassenen Ärzte außer Acht gelassen habe. Die Teilnahme von anderen als niedergelassenen Ärzten an der Versorgung der Versicherten dürfe nur solange und soweit erfolgen, wie ein Bedarf bestehe, d.h. keine genügende Anzahl von Vertragsärzten zur Verfügung stehe. Vor der Zulassung der Klägerin habe der Bedarfsplan für den Planungsbereich Dingolfing-Landau einen Bedarf für die Niederlassung von zwei Chirurgen ausgewiesen. Die Beklagte habe diesen Bedarf gegenüber der niederlassungswilligen Klägerin jedoch in Frage gestellt und auf die Konkurrenz durch die ermächtigten Krankenhausärzte hingewiesen. Ihr Verhalten verstoße damit gegen den im Rahmen des Versorgungssystems zu beachtenden Vorrang des Vertragsarztes. Dabei sei die Pflichtverletzung nicht in dem Hinweis auf die 1994 bestehenden befristeten Ermächtigungen der Krankenhausärzte zu sehen, sondern darin, dass die Beklagte nicht bereits zum Zeitpunkt der Zulassung der Klägerin dem Zulassungsausschuss zu verstehen gegeben habe, dass nach Fristablauf keine erneuten Ermächtigungen für die Krankenhausärzte mehr vergeben werden dürften. Sie habe auch 1996 den Zulassungsausschuss nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zu diesem Zeitpunkt bestehende Versorgungssituation im Planbereich - insbesondere aufgrund der 1995 erfolgten Zulassung eines weiteren Chirurgen - keine erneute Ermächtigung der Krankenhausärzte über das Jahr 1996 hinaus zulassen würde.

Eine weitere Pflichtverletzung habe die Beklagte mit der ungenügenden Überwachung eines der ermächtigten Krankenhausärzte begangen. Die von der Beklagten behaupteten, aber nicht bewiesenen Maßnahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Abrechnungen der Chefärzte, die ausdrücklich bezweifelt würden, seien bei der Nichtbeachtung der Ermächtigungsgrenzen durch die Chefärzte, die einen erheblichen Verstoß gegen die vertrgsärztlichen Pflichten darstellten, völlig unzureichend. Diese Pflichtverletzung der Beklagten berühre die Klägerin auch in ihren eigenen Rechten. Die Auffassung des Sozialgerichtes, ein Anspruch des Arztes auf Einschreiten gegen einen pflichtwidrig handelnden Kollegen müsse aufgrund eines fehlenden Anspruchs des Zugelassenen gegen die Erteilung einer Ermächtigung ausscheiden, sei nicht haltbar. Dem Anspruch auf Einschreiten bei Verletzung vertragsärztlicher Pflichten und dem Vorgegehen gegen eine Ermächtigung lägen unterschiedliche Ziele zugrunde. Eine Vermischung dieser beiden Ziele sei völlig willkürlich und rechtsfehlerhaft.

Auch der Zulassungsausschuss bzw. der Berufungsausschuss hätte eine eigene Pflicht gehabt, vor der Erteilung der Ermächtigung an die Krankenhausärzte eine Bedarfsprüfung durchzuführen. So hätte er z.B. die Ermächtigung auf Überweisung durch Chirurgen einschränken können. Die Entscheidungen bzw. Pflichtverletzungen des Zulassungsausschusses und Berufungsausschusses seien der Beklagten auch zurechenbar, da diese nach allgemeiner Auffassung kraft gesetzlichem Auftrag mit unmittelbarer Wirkung durch ihre Mitglieder für die sie entsendenden Körperschaften Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen.

Nicht nachvollziehbar sei auch, dass die Klägerin die Schadenshöhe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe. Für die Berechnung des Schadens sei von der durchschnittlichen, mit 900 Fällen im Quartal anzusetzenden Fallzahl der niedergelassenen Chirurgen in einem ländlichen Planbereich mit dem Landkreis Dingolfing-Landau auszugehen. Die von der Beklagten vorgetragene, niedrigere durchschnittliche Fallzahl bei den Chirurgen resultiere daher, dass in ihre Berechnung der durchschnittlichen Fallzahlen auch die ermächtigten Chirurgen eingegangen seien. Die Klägerin habe ihren konkreten Schaden auch anhand der von ihr in dem Zeitraum Januar 1996 bis Ende 1997 erzielten Honorare berechnet.

Die Pflichtverstöße der Beklagten seien auch adäquat kausal für den Eintritt des Schadens. Eine Tatsache sei dann als adäquat kausal für den Eintritt eines Schadens anzusehen, wenn sie im Allgemeinen und nicht unter ganz ungewöhnlichen Umständen zur Herbeiführung des Erfolges geeignet sei. Im Planbereich seien aufgrund der Pflichtverstöße der Beklagten mehr Ärzte für die Versorgung der Versicherten zur Verfügung gestanden als es die Bedarfsplanung vorgesehen habe mit der Folge, dass einer größeren Anzahl von Ärzten eine gleichbleibende Anzahl von Patienten gegenüberstand. Dabei könne es dann auch dahinstehen, ob der Eintritt des Schadens noch auf anderen Ursachen beruhen könne.

Die Stattgabe der Leistungsklage führe auch keinesfalls zu einer Umgehung der vom BSG für unzulässig angesehenen Konkurrentenklage. Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage und die der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugrunde liegende Anfechtungsklage in Form einer Konkurrentenklage hätten unterschiedliche Rechtsschutzziele.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin legten mit Schriftsatz vom 24. Mai 2000 noch Gesamtübersichten über die Abrechnungen der Klägerin für die Quartale 3/94 bis 2/97 vor.

Sie beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. November 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 289.909,00 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.

Sie verweist hierzu auf ihre Stellungnahmen im Klageverfahren sowie auf das Urteil des Sozialgerichts München.

In der mündlichen Verhandlung am 25. Oktober 2000 wies der Vorsitzende die Beklagten darauf hin, dass bisher ein Amtshaftungsanspruch auf der Grundlage des § 839 BGB i.V.m. Art.34 GG noch nicht geprüft worden sei. Der Rechtsstreit wurde vertagt, um der Klägerin Gelegenheit zu geben, insoweit einen Verweisungsantrag zu stellen. Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2000 beantragten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, über die bereits gestellten Anträge ohne erneute mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Die Beklagte hatte hierzu ihr Einverständnis bereits im Termin am 25. Oktober 2000 erteilt.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsunterlagen der Beklagten, die die Entscheidungen des Zulassungsausschusses und des Berufungsausschusses beinhalten, sowie die Klageakte, Az.: S 38 KA 857/97 und die Berufungsakte, Az.: L 12 KA 35/99 vor. Auf deren Inhalt, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs.1 in Verbindung mit § 64 Abs.3 SGG) sowie statthafte (§ 143 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Da der Klägerin der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zusteht, hat das Sozialgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 17. November 1998 zu Recht die Klage abgewiesen.

Der Senat kann gemäß § 124 Abs.2 SGG ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben. Nach § 17a Abs.5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - ist die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges vom Rechtsmittelgericht nicht mehr zu prüfen. Nach § 17 Abs.2 GVG ist über die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, mit Ausnahme der Amtspflichtverletzung, da nach § 17 Abs.2 Satz 2 GVG Art.34 S.3 Grundgesetz - GG - unberührt bleibt.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch gegen die Beklagte ausdrücklich auf das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung, nach der ein Schuldner beim Verstoß gegen vertragliche Pflichten sowie der Verletzung von Pflichten aus gesetzlichem Schuldverhältnis für den dadurch entstehenden Schaden haftet (Palandt, BGB, 59. Auflage, § 276, Rdnrn.104 ff.). Die sinngemäße Anwendung des vertraglichen Schuldrechts als Ausdruck allgemeiner Rechtsgedanken auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse entspricht gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wenn ein besonders enges Verhältnis des Einzelnen zum Staat oder zur Verwaltung begründet worden ist und mangels audrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts vorliegt (BGHZ 135, 341, 344 f). Damit gilt das Rechtsinstitut der postiven Vertragsverletzung auch für ein öffentlich-rechtliches Verhältnis, soweit dieses schuldrechtsähnliche Pflichten begründet und die Eigenart des öffentlichen Rechtes dem nicht entgegensteht (BGHZ 54, 299; BVerwGE 13, 20). Das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung ist demnach auf eine öffentlich-rechtliche Sonderverbindung nur insoweit entsprechend anwendbar, als diese eine einem privatrechtlichen Schuldverhältnis vergleichbare Leistungs- und Obhutsbeziehung begründet (Palandt, a.a.O. § 276 Rdnr.130). Als solche öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse werden vor allem öffentlich-rechtliche Leistungs- und Benutzungsverhältnisse, Verwahrungs- und Subventionsverhältnisse sowie die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag angesehen, die eine beide Seiten berechtigende und verpflichtende Leistungsbeziehung begründen (vgl. Wolff/Bachof, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, Rdnr.109 ff.; Janson, DÖV 1979, 696; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Auflage, § 40 Rdnr.533 ff., 543 ff.; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 51 Rdnr.13 ff., 24). Der Senat kann es im vorliegenden Fall dahingestellt sein lassen, ob im Mitgliedschaftsverhältnis zu einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wie der Beklagten, das Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung überhaupt analog anwendbar ist, denn es fehlt hier schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten, aus der ein subjektives Recht des Klägers auf Schadensersatz hergeleitet werden könnte.

Nach § 77 Abs.1 SGB V bilden die Vertragsärzte zur Erfüllung der ihnen durch dieses Buch übertragenen Aufgaben der vertragsärztlichen Versorgung für den Bereich jedes Landes eine Kassenärztliche Vereinigung. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 77 Abs.5 SGB V). Der einzelne Vertragsarzt wird mit der Zulassung Mitglied der für seinen Vertragsarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung und ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet (§ 95 Abs.3 Satz 1 SGB V). Durch die Zulassung entstehen für ihn Teilnahmerechte und Teilnahmepflichten. Zu den Teilnahmerechten gehören insbesondere das aktive und passive Wahlrecht, das Recht auf Tätigkeit im Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung und das Recht auf Teilnahme an der Honorarvergütung (Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 95 SGB V Rdnr.58). Zu den Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigung gehört es u.a., gegenüber der Krankenkassen und ihren Verbänden eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende vertragsärztliche Versorgung zu gewährleisten (§ 75 Abs.1 Satz 1 SGB V) sowie die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (§ 75 Abs.2 Satz 1 SGB V). Die Beklagte hat dementsprechend auch in ihrer Satzung in § 2 Abs.1 Satz 3 die Verpflichtung aufgenommen, die Rechte der Vertragsärzte gegenüber den Krankenkassen und anderen Kostenträgern sowie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches auch gegenüber sonstigen Stellen wahrzunehmen. Die Beklagte hat zunächst aus diesen Vorschriften die Verpflichtung, die Rechte der Vertragsärzte unter Berücksichtigung des Gemeininteresses der Vertragsärzteschaft insgesamt wahrzunehmen. Das Recht oder die Verpflichtung einer Kassenärztlichen Vereinigung, die wirtschaftlichen Interessen eines einzelnen Vertragsarztes wahrzunehmen, besteht dagegen nicht, da dies den Aufgabenbereich der Kassenärztlichen Vereinigung überschreiten würde. Vorliegend ist deshalb eine Verpflichtung der Beklagten speziell Rechte oder Interessen der Klägerin im Zusammenhang mit der Ermächtigung der beiden Chefärzte im Planungsbereich wahrzunehmen, nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, ist den Rechtsvorschriften, die der Erteilung der Ermächtigung zugrunde liegen, eine Schutzwirkung zugunsten des einzelnen niedergelassenen Arztes nicht zu entnehmen (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr.7 und Nr.30; § 75 Nr.8BSG, Urteil vom 29. September 1999, Az.: B 6 KA 30/98 R). Die maßgeblichen Regelungen des § 116 SGB V und des § 31 a Zulassungsverordnung für Vertragsärzte sind allein im Interesse der Allgemeinheit, nämlich im Interesse der Versicherten an einer möglichst leistungsfähigen und lückenlosen ambulanten vertragsärztlichen Versorgung, erlassen worden. Diesen Interessen dient es, dass der ambulanten Versorgung die Kenntnisse, Erfahrungen und apparativen Möglichkeiten der Krankenhausärzte ergänzend zu denen der niedergelassenen Vertragsärzte zugute kommen, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird. Dagegen ist Ziel der genannten Rechtsnormen weder, Konkurrenz von den niedergelassenen Vertragsärzten fernzuhalten, noch, ihre vertragsärztliche Tätigkeit vor wirtschaftlichen Gefährdungen zu schützen. Insbesondere kann ihnen ein unmittelbarer Schutzzweck im Sinne einer Sicherung der wirtschaftlichen Interessen der Vertragsärzte nicht entnommen werden. In dem Umstand, dass sich im Hinblick auf den Vorrang der Versorgung für die niedergelassenen Vertragsärzte wirtschaftliche Begünstigungen für sie ergeben, liegt lediglich eine rechtlich unerhebliche Reflexwirkung. Hieran ist nach der zitierten Entscheidung des BSG vom 29. September 1999 festzuhalten. Die Beklagte hat im Übrigen auch die Interessen der Klägerin in dem Verfahren des Zulassungsausschuses zur Erteilung einer neuen Ermächtigung für die beiden Chefärzte ab April 1996 gewahrt, indem sie die Schreiben der Klägerin und des weiteren niedergelassenen Chirurgen an den Zulassungsausschuss weiterleitete. Entgegen der Rechtsauffassung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Beklagte für die Entscheidung der Zulassungsgremien in keiner Weise einzustehen. Gemäß § 96 Abs.2 Satz 4 SVG V sind die Mitglieder der Zulassungsausschüsse nicht an Weisungen gebunden. Dies gilt gemäß § 97 Abs.2 Satz 4 SGB V auch für die Mitglieder der Berufungsausschüsse. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind wie die am Verfahren beteiligten Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen sowie die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Verbände der Ersatzkassen lediglich Verfahrensbeteiligte, die gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses den Berufungsausschuss anrufen können bzw. gegen die Entscheidung der Berufungsausschüsse Klage erheben können. Sie haben im Rahmen ihrer Beteiligung Sorge zu tragen, dass die Versorgung der Versicherten sichergestellt ist (§ 75 Abs.1 SGB V). Dabei haben sie auch dafür Sorge zu tragen, dass die Zulassungsausschüsse den Vorrang der niedergelassenen Ärzte beachten und eine Ermächtigung nur dann erteilt wird, soweit und solange eine ausreichende ärztliche Versorgung der Versicherten ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausträgern nicht sichergestellt wird (§ 116 Satz 2 SGB V). Dem hat die Beklagte durch die Vorlage der Schreiben der Klägerin beim Zulassungsausschuss und den im Widerspruchsverfahren des Dr.H. gegen die Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 28. Februar 1996 gestellten Antrag, den Widerspruch zurückzuweisen, Rechnung getragen.

Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass besondere Fürsorgepflichten der Beklagten gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit der Ermächtigung von Chefärzten nicht erkennbar sind. Dies gilt auch hinsichtlich ihrer Verpflichtung, die Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten bei der Überprüfung der von den Chefärzten zur Abrechnung eingereichten Behandlungsscheine zu überwachen. Auch hier besteht gegenüber der Klägerin keine spezielle Verpflichtung. Der Beklagten kann deshalb auch kein Pflichtenverstoß durch konkretes Handeln bzw. Unterlassen vorgeworfen werden. Aus diesen Gründen hat das Sozialgericht auch zu Recht davon abgesehen, weitere konkrete Ermittlungen dazu anzustellen, ob die Beklagte ihrer Überwachungspflicht nachgekommen ist und ob die von der Klägerin geltend gemachte Schadenshöhe tatsächlich vorliegt.

Ob der geltend gemachte Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung begründet ist, darüber kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entschieden werden, da § 17 Abs.2 GVG Art.34 S.3 SGG unberührt lässt. Das bedeutet, dass es für diesen Anspruch ungeachtet des § 17 Abs.2 S.4 GVG beim ordentlichen Rechtsweg gemäß Art.34 S.3 GG verbleibt (BSG, Urteil vom 10. Juli 1995, Az.: 11 RAr 91/94, BSGE 76, 233 ff., 241). Eine Verweisung von Amts wegen ist nicht zulässig (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 51 Anm.21c; Thomas-Putzo, ZPO, 21. Auflage, § 17 GVG Rdnr.5). Einen entsprechenden Antrag haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin, trotz richterlichen Hinweises, nicht gestellt.

Die Berufung der Klägerin erweist sich somit als unbegründet und ist deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung der Klägerin erfolglos blieb.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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