L 12 KA 504/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 5269/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 504/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. September 1998 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. September 1997 abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer von der Beklagten gegen den Kläger verhängten Disziplinarmaßnahme (Geldbuße in Höhe von DM 6.000,00) wegen Abrechnung von außervertraglichen Leistungen (Inlays) als Vertragsleistungen (Teilkronen) in einem Behandlungsfall.

Der Kläger nimmt als Zahnarzt in München an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Am 23. November 1992 erstellte er im Behandlungsfall C.B ... (B.) einen Heil- und Kostenplan, der Kronen an den Zähnen 36, 37, 46 und 47 vorsah. Das Labor verlangte in seiner Rechnung vom 11. Dezember 1992 an den Kläger die Bezahlung von vier Gusskronen. Die Eingliederung erfolgte am 28. Dezember 1992. In der an die Patientin addressierten Rechnung vom 2. Februar 1993 wurden für die Zähne 36, 37, 46 und 47 Teilkronen abgerechnet. Am 13. Oktober 1993 erstellte der Kläger in diesem Behandlungsfall einen weiteren Heil- und Kostenplan, mit dem eine Überkronung der Zähne 25 und 26 geplant wurde. Die Eingliederung erfolgte am 20. Oktober 1993. In der Rechnung des Dentalkeramischen Labors vom 19. Oktober 1993 wurden zwei Teilkronen angegeben. Am 13. Dezember 1993 wurde ein weiterer Heil- und Kostenplan erstellt, der eine Teilkrone an Zahn 36 vorsah. Diese wurde am 23. Dezember 1993 eingegliedert. In einem Schreiben vom 3. Febraur 1994 an die Beklagte führte der Kläger aus, die Patientin habe selbst das Edelmetall für die Teilkrone gestellt, deshalb sei dies nicht in Rechnung gestellt worden. Am 5. Januar 1994 ließ die Barmer Ersatzkasse einen vom Kläger am 20. September 1993 erstellten Paradontalstatus von Zahnarzt Dr.Sch ... begutachten. Dieser gelangte nach Untersuchung der Versicherten B. zu dem Ergebnis, dass die systematische Paradontal-Behandlung nicht zu befürworten sei. Er stellte fest, dass die Zähne 25, 26, 36, 37, 46 und 47 mit Goldgussfüllungen versorgt seien. Diese Füllungen seien nach Behandlung funk- tionstüchtig. Mit Schreiben vom 13. Juli 1994 wandte sich der VdAK Ortsausschuss München an den Vorstand der Beklagten und wies diesen daraufhin, dass der Kläger Leistungen als Vertragsleistungen abgerechnet habe, die nicht erbracht worden seien. Er habe Kronen abgerechnet, obwohl tatsächlich Inlays eingegliedert worden seien. Dieses Schreiben ist bei der Beklagten am 18. Juli 1994 eingegangen. Am 8. September 1995 beschloss der geschäftsführende Vorstand der Beklagten, dem Vorstand die Einleitung eines Disziplinarverfahren gegen den Kläger und seinen früheren Praxispartner vorschlagen. Es sei vorab durch Befragen des Gutachters abzuklären, ob mit dem Begriff Goldgussfüllungen Inlays oder Teilkronen gemeint seien. Auf entsprechende Anfrage der Beklagten teilte der Zahnarzt Dr.Sch ... mit Schreiben vom 13. Dezember 1995 mit, dass bei der Untersuchung der Patientin B. am 5. Januar 1994 folgende Füllungen festgestellt worden seien: - Zahn 25 Inlay mod (F 3); - Zahn 26 Inlay modpalatinal (F 4); - Zahn 36 Inlay modlingual (F 4), - Zahn 37 Inlay modlingual (F 3), - Zahn 46 Inlay modbuccal (F 4) - Zahn 47 Inlay mod (F 3). Es handle sich bei den vorgenannten "Füllungen" lediglich um Inlays, nicht um Teilkronen. Die Beklagte forderte daraufhin den Kläger und seinen früheren Praxispartner mit Schreiben vom 23. Januar 1996 zur Stellungnahme auf. Der frühere Praxispartner teilte mit, dass der Kläger die Patientin B. behandelt habe. Der Kläger führte mit Schriftsätzen vom 15. März 1996 und 10. Mai 1996 aus, dass er mangels Zusammenarbeit der Patientin die Rekonstruktion der durchgeführten Behandlung anhand von Röntgenaufnahmen habe vornehmen müsse. Bei den Zähnen 37 und 47 seien alle Höcker in die Präparation mit einbezogen. Hinsichtlich der Beurteilung, ob es sich um Inlays oder Teilkronen handle, befinde man sich in einem Grenzbereich. Er teile nicht die Auffassung des Kollegen Schiedt. Er sei bereit den Kassenanteil der Teilkronen 37 und 47 zurückzuerstatten. Am 16./17. Juli 1996 beschloss der Vorstand der Beklagten gegen den Kläger wegen der Abrechnung außervertraglichen Leistungen als Vertragsleistungen im Behandlungsfall B. (Inlays statt Teilkronen an den Zähnen 25, 26, 36, 37, 46 und 47) ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Laut Niederschrift trug der Kläger vor dem Disziplinarausschuss im Wesentlichen folgendes vor: Die Angelegenheit liege vier bis fünf Jahre zurück. Ihm stünden nur noch Röntgenbilder zur Verfügung. Es falle ihm schwer den Sachverhalt zu rekonstruieren, da die Patientin nicht zu einer Untersuchung komme wolle. Er führte zum Unterschied zwischen Inlay und Teilkronen aus, dass bei einer Teilkrone alle Höcker überkuppelt sein müssten. Auf die Frage, weshalb in der Karteikartenkopie vom Praxispartner zuerst "Zahn 47-Inlay" gestanden habe und dann "Zahn 47-Teilkrone" geändert worden sei, gab der Kläger an, dass in der Gemeinschaftpraxis die Einträge von verschiedenen Personen vorgenommen worden seien. Die Eintragung sei in diesem Fall korrigiert worden. Die Eintragung in der Karteikarte des Praxispartners vom 5. August bis 19. August stammten von ihm. Es werde nur das abgerechnet, was auch in der Karteikarte dokumentiert sei. Ergänzend stellt er richtig, dass es in seinem Schreiben vom 10. Mai 1996 anstatt Zahn "47" "46" heißen müsse.

Mit Bescheid vom 4. September 1997 legte die Beklagte dem Kläger wegen Abrechnung außervertraglicher Leistungen als Vertragsleistungen im Behandlungsfall B. eine Geldbuße in Höhe von DM 6.000,00 auf. Die Verfahrenskosten wurden auf DM 750,00 festgesetzt. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass aus den Feststellungen des Gutachters Dr.Sch ..., der die Patientin zeitnah nach Eingliederung der vom Kläger angefertigten Versorgungen untersucht habe, eindeutig hervorgehe, dass die Zähne 25, 26, 36, 37, 46 und 47 mit Inlays und nicht mit Teilkronen versorgt seien. Der Kläger habe ausgeführt, dass sämtliche streitgegenständliche Versorgungen von ihm angefertigt und eingegliedert worden seien. Er habe damit entgegen seiner vertragszahnärztlichen Verpflichtung außervertragliche Leistungen (Inlays) zumindest fahrlässig als Vertragsleistungen (sechs Teilkronen an den Zähnen 25, 26, 36, 37, 46 und 47) im Behandlungsfall B. zu Lasten der Ersatzkasse abgerechnet. Bei Anwendung genügender Sorgfalt hätte er erkennen können, dass es sich bei den eingegliederten Versorgungen nicht um Teilkronen gehandelt habe. Zugunsten des Betroffenen sei zu werten, dass er bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und die Pflichtverletzung daher einen Einzelfall darstelle. Zu seien Ungunsten sei zu berücksichtigen, der er bei drei erstellten Heil- und Kostenplänen keine vertragsgemäße Abrechnung vorgenommen habe. Aus diesem Grunde sei die Auferlegung einer Geldbuße in Höhe von DM 6.000,00 angemessen, um dem Kläger nochmals die Notwendigkeit einer genauen Abgrenzung zwischen außervertraglicher Leistung (Inlay) und Vertragsleistung (Teilkrone) zu verdeutlichen.

Gegen den am 8. September 1997 zugestellten Bescheid erhob der Kläger am 7. Oktober 1997 Klage zum Sozialgericht München (Az.: S 32 KA 5269/97). Diese begründete er damit, dass es sich beim Gutachten von Dr.Sch ... nicht um ein prothetisches Gutachten gehandelt habe. Dieser sollte klären, ob bei der Patientin B. eine systematische Par-Behandlung indiziert sei. In dem Gutachten sei lediglich ausgeführt, dass die Zähne 25, 26, 36, 37 mit Goldgussfüllungen versorgt seien. Es werde nicht ausgesagt, ob es sich um Inlays oder Teilkronen gehandelt habe. Erst in seinem Schreiben vom 13. Dezember 1995 habe Dr.Sch ... die Lokalisation der Füllungen näher bezeichnet und diese als Inlays benannt. Der Kläger verwies nochmals darauf, dass bei den Zähnen 37 und 47 alle Höcker in die Präparation mit einbezogen seien. In einem Grenzbereich befände man sich bei der Frage, ob der Kronenrand mit einer zirkulären Stufenpräparation ende oder nicht. Er habe sich bereit erklärt, den Kassenanteil zurückzuerstatten. Es sei im Disziplinarverfahren nicht berücksichtigt worden, dass in sämtlichen abgerechneten Heil- und Kostenplänen Fremdlaborrechnungen vorlägen, aus denen eindeutig hervorgehe, dass in diesen Fremdlabors Teilkronen erstellt worden seien. Ein persönliche Anhörung des Gutachters bzw. die Vorlage von Originalunterlagen habe nicht stattgefunden.

Unter Vorlage einer Vollmacht zeigte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 7. September 1998 die Übernahme des Mandats an und erschien für den Kläger in der mündlichen Verhandlung.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte, den Disziplinarbescheid vom 4. September 1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 16. September 1998 hob das Sozialgericht den Bescheid vom 4. September 1997 auf und verurteilte die Beklagte, über ihren Disziplinarausschuss erneut über den Antrag auf Einleitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens zu entscheiden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Diese Entscheidung stützt es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Die Disziplinarmaßnahme sei dem Grunde nach nicht gerechtfertigt. Da die Beklagte insoweit einen außerordentlichen großen Ermessenspielraum habe, insbesondere auch bei der Beurteilung der zahnmedizinischen Unterscheidung zwischen Teilkrone und Inlay, sei die Kammer nicht berechtigt gewesen, die Maßnahme endgültig aufzuheben, sondern sie habe in der Sache zurückverweisen müssen, um dem Ausschuss die Möglichkeit zu geben, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Die Kammer sei nach Betrachtung der vorliegenden Röntgenaufnahmen zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei drei der sieben Aufnahmen tatsächlich um Inlays handle. Eindeutig hätte dies bei den Zähnen 25 und 47 festgestellt werden können, während vier bis fünf weitere Zähne möglicherweise Teilkronen seien. Die Kammer sei nicht in der Lage gewesen, allein aufgrund der Röntgenaufnahmen und der Befunde festzustellen, ob es sich jeweils um ein Inlay oder eine Teilkrone gehandelt habe. Diese Unterscheidung sei recht schwierig und in Grenzbereichen manchmal nicht klar zu entscheiden. Erforderlich erscheine der Kammer eine klinische Untersuchung der Patientin mit Erstellung einer Dokumentation anhand von intraoralen Farbfotografien der fraglichen Zähne. Dieses Mittel habe der Gutachter Dr.Sch ... nicht verwendet. Falls die Patientin eine Untersuchung verweigere oder aufgrund der erneuten klinischen Untersuchung mit intraoraler Farbfotografie eine Klärung der Situation nicht möglich sein solle, gehe dies zu Lasten des Disziplinarausschusses. Soweit es sich um eindeutige Inlays handle (Zähne 25 und 27) und um ein weiteres, etwas unsicheres Inlay müsse der Disziplinarausschuss für den Fall, dass eine intraorale Farbfotografie und eine erneute klinische Untersuchung nicht möglich sein sollte, nochmals überprüfen, ob ein Disziplinarverfahren nach Art der Maßnahme und Höhe der Geldbuße angezeigt sei. Komme er zur gleichen Art und Höhe, müsse dies besonders begründet werden, denn es bestehe ein Unterschied, ob der Kläger zwei bis drei Inlays als Vertragsleistungen abgerechnet habe oder sechs bis sieben.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 1999 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers die Berichtigung des Rubrums, da die Bevollmächtigung nicht enthalten sei. Außerdem wies er daraufhin, dass in den Entscheidungsgründen ausgeführt sei, dass die Kammer trotz Nichterscheinen des Klägers oder eines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung habe verhandeln und entscheiden können. Der Beschluss vom 18. Februar 1999 mit der berichteten Fassung des Urteils ging der Beklagten am 8. März 1999 und dem Bevollmächtigten des Klägers am 9. März 1999 zu.

Am 5. Februar 1999 bzw. am 11. Februar 1999 haben die Beklagte und der Bevollmächtigte des Klägers bereits Berufung eingelegt.

Die Beklagte begründete ihre Berufung im Wesentlichen damit, dass die Zurückverweisung an den Disziplinarausschuss rechtsfehlerhaft sei. Zudem seien die Ausführungen des Sozialgerichts, welche Zähne seiner Auffassung nach mit Inlays versorgt seien, widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Der Disziplinarausschuss habe keinerlei Möglichkeit, die Patientin als Zeugin zum Erscheinen zu verpflichten. Angesichts der eindeutigen Feststellungen des Gutachters Dr.Sch ..., der die Patientin zeitnah nach der Eingliederung der streitgegenständlichen Versorgungen klinisch untersucht habe, habe der Disziplinarausschuss diese Feststellungen als ausreichend erachtet. Die Auffassung des Gerichts, der Disziplinarausschuss müsse selbst klären, welche der streitgegenständlichen Versorgungen als Inlays anzusehen seien, widerspreche die Amtsermittlungspflicht des Sozialgerichts. Dieses habe die Möglichkeit, die Patientin als Zeugin zu laden oder durch eine Untersuchung den Sachverhalt zu klären. Das Gericht habe übersehen, dass es sich bei der Abgrenzung Inlays/Teilkronen um keine Ermessensentscheidung des Disziplinarausschusses handle. Die Abgrenzung sei im vertragszahnärztlichen Bereich klar und sei den Mitgliedern wiederholt mitgeteilt worden (zuletzt durch Veröffentlichung im Bayer. Zahnärzteblatt Nr.5/96).

Der Bevollmächtigte des Klägers hat trotz fünffacher Erinnerung die Berufung schriftsätzlich nicht begründet. Das Gericht hat den Bevollmächtigten des Klägers ergänzend gebeten, die Behandlungsunterlagen (Originalkarteikarte, Modelle, Röntgenaufnahmen) in dem hier streitigen Fall der Patienten B. aus den Jahren 1992 bis 1994 vorzulegen. In der mündlichen Verhandlung hat dieser erklärt, dass dem Kläger keine weiteren über die der Verwaltungsakte zugrunde liegenden Unterlagen der Patienten B. zur Verfügung stünden. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. September 1998 hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids vom 4. September 1997 und der Verpflichtung der Beklagten, durch den Disziplinarausschuss erneut über den Antrag auf Einleitung und Durchführung eines Disziplinarverfahrens zu entscheiden, aufzuheben. Die Klage wird auch insoweit abgewiesen. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Des weiteren beantragt er, das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. September 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 4. September 1997 aufzuheben.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte (Az.: S 32 KA 5269/97) sowie die Berufungsakte (Az: L 12 KA 504/99) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaften sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten und des Klägers sind zulässig. Die Berufung der Beklagten ist begründet, während die Berufung des Klägers in der Sache keinen Erfolg hat. Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Urteil vom 16. September 1998 zu Unrecht den Bescheid vom 4. September 1997 aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt.

Rechtsgrundlage des vom Kläger mit der Klage angefochtenen Bescheids vom 4. September 1997 sind die §§ 75 Abs.2 Satz 2, 81 Abs.5 SGB V i.V.m. § 18 der Satzung der Beklagten und den Bestimmungen der Disziplinarordnung der Beklagten.

Nach § 75 Abs.1 SGB V haben die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigungen u.a. den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Aus dieser Gewährleistungspflicht ergibt sich auch die Aufgabe, die Erfüllung der den Vertrags(zahn)ärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und einzelne Vertrags(zahn)ärzte, soweit notwendig, durch Disziplinarmaßnahmen zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten (§ 75 Abs.2 Satz 2 SGB V). Als Disziplinarmaßnahmen bei nicht oder nicht ordnungsgemäßer Erfüllung vertrag(zahn)ärzlicher Pflichten sieht der Katalog des § 81 Abs.5 SGB V je nach Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbusse bis zu DM 20.000,00 oder Anordnung des Ruhens der Zulassung bis zu zwei Jahren vor. Diesen gesetzgeberischen Auftrag hat die Beklagte in § 18 ihrer Satzung in der hier maßgebenden Fassung vom 20. November 1993 umgesetzt. Tatbestandsvoraussetzung für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist nach § 18 Abs.1 der Satzung der Beklagten, dass Mitglieder "ihre im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung kraft Gesetzes, Satzung oder Vertrag obliegenden Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen". Bei der Beklagten ist gemäß § 18 Abs.2 der Satzung ein Disziplinarausschuss gebildet worden. Das Nähere über die Einrichtung des Disziplinarausschusses, das Verfahren vor dem Disziplinarausschuss und die anzuwendende Disziplinarmaßnahmen sind in einer Disziplinarordnung geregelt, die die Vertreterversammlung beschlossen hat und die Bestandteil der Satzung ist (§ 18 Abs.4 der Satzung). Im vorliegenden Fall ist die Disziplinarordnung in der Fassung vom 20. November 1993 anzuwenden.

§ 14 der Disziplinarordnung der Beklagten steht dem Disziplinarverfahren nicht entgegen, weil im Zeitpunkt der Einleitung des Disziplinarverfahrens (16./17. Juli 1996) seit dem Bekanntwerden der dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzung (frühestens 18. Juli 1994) noch keine zwei Jahre und seit dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung selbst (1992/1993) noch keine fünf Jahre vergangen waren. Nach § 1 ihrer Disziplinarordnung in Verbindung mit § 18 Abs.1 ihrer Satzung kann die Beklagte Mitglieder, die ihre vertragszahnärztliche Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen, eine Verwarnung, einen Verweis oder eine Geldbuße bis zu DM 20.000,00 auferlegen oder das Ruhen der Zulassung bis zu zwei Jahren anordnen. Die Tatbestandsvoraussetzung der (schuldhaften) nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der vertragszahnärzlichen Pflichten kann vom Gericht voll überprüft werden, ohne dass ein Beurteilungsspielraum besteht. Demgegenüber hat die Beklagte bei der Auswahl der möglichen Disziplinarmaßnahmen und der Festsetzung ihrer Höhe einen Ermessensspielraum, der gemäß § 54 Abs.2 Satz 2 SGG vom Gericht nur eingeschränkt nachgeprüft werden kann (vgl. BSG SozR 2200 § 368 m Nr.3 S.3). Dies hat das Sozialgericht im vorliegenden Fall verkannt, wenn es meint, dass bei der Frage der Abgrenzung Teilkrone/Inlay ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum besteht. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Sozialgericht gemäß § 103 SGG den Sachverhalt hätte weiter aufklären müssen, wenn es diesen nach dem bis zu seiner Entscheidung vorliegenden Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) nicht für ausreichend geklärt hielt. Diese Tatsachenfeststellungen können vom Senats als zweite Tatsacheninstanz (§ 157 SGG) nachgeholt werden. Weitere Tatsachenfeststellungen sind jedoch nach Auffassung des Senat nicht geboten. Denn der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht zur Überzeugung des Senats bereits aufgrund der Ermittlungen der Beklagten fest. Der Bescheid der Beklagten vom 4. September 1997 ist sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Zunächst ist in rechtlicher Hinsicht festzustellen, dass die Beklagte es zu Recht als einen Pflichtverstoss ansieht, wenn außervertragliche Leistungen als Vertragsleistungen abgerechnet werden. Dies gilt auch in dem Fall, dass Patienten mit Inlays versorgt, aber Teilkronen abgerechnet werden. Denn Einlagefüllungen (Inlays, Onlays, Overlays) sind nicht Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung (vgl. Liebold/Raff/Wissing, Bema-Kommentar, Anm.c zu Nr.20 und Nr.91; Liebold/Raff/Wissing, GOZ-Kommentar, Anm.1 zu Nr.215 ff.; Kaspar in Bayer. Zahnärzteblatt 5/1996; Urteil des Senats vom 24.01.1996, Az.: L 12 KA 512/93 S.22). Welche Behandlungen als vertragszahnärztliche Leistungen gewährt werden, war im Zeitpunkt der hier streitigen Behandlungen im Grundsatz durch §§ 27 Abs.1 Nr.2 Satz 2 Nr.2, 28 SGB V dahin geregelt, dass der Versicherte die notwendige zahnärztliche Behandlung beanspruchen konnte, zu der auch die Versorgung mit Zahnersatz gehörte. Ergänzend war in § 30 Abs.1 Satz 2 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S.2477) ausdrücklich geregelt, dass die Versorgung mit Zahnersatz auch Zahnkronen umfasst. Die Konkretisierung dieses gesetzlichen Rahmens liegt in der Entscheidungskompetenz der dafür zuständigen Institutionen, einerseits der Bewertungsausschüsse, die die Leistungskataloge der einheitlichen Bewertungsmaßstäbe (EBM) festlegen (§ 87 SGB V) und andererseits der Bundesausschüsse der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen, die zur Entscheidung über die Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden berufen sind (§ 135 Abs.1 SGB V). Leistungen, die vom Bewertungsausschuss nicht in den EBM aufgenommen worden sind, sind nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Vertragszahnärzte dürfen diese Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbringen und abrechnen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.14 S.49 ff.; BSG SozR 3-5555 § 12 Nr.5 S.25 f.). Eine ausdrückliche Aufnahme von Einlagefüllungen (Inlays, Onlays, Overlays) in den Bema-Z war im streitigen Zeitraum nicht erfolgt. Die insoweit in Betracht kommende Gebührenregelungen lauten: "Versorgung eines Einzelzahnes durch (a) eine Krone ..." (Nr.20) und "Versorgung eines Lückengebisses durch eine Brücke - je Pfeilerzahn als Brückenanker - (a) bis (c) eine Krone ...(d) Teleskopkrone ..." (Nr.91). Eine ausdehnende Auslegung und analoge Anwendung dieser Regelungen auf Inlays, Onlays und Overlays ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unzulässig. Einlagefüllungen konnten deshalb nur nach der GOZ privatzahnärzlich abgerechnet werden (Nr.215 ff.).

Der Senat geht im Übereinstimmung mit der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass im vorliegenden Fall die Zähne 25, 26, 36, 37, 46 und 47 der Patienten B. mit Inlays versorgt und Teilkronen abgerechnet wurden. Er hat aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens keine Zweifel, die Feststellungen der Beklagten infrage zu stellen. Dr.Sch ... hat die Patientin B. am 5. Januar 1994 zeitnah nach den Eingliederungen am 28. Dezember 1992 (Zähne 36, 37, 46, 47), 20. Oktober 1993 (Zähne 25, 26) und 23. Dezember 1993 (Zahn 36) untersucht, um festzustellen, ob eine systematische Par-Behandlung indiziert ist. Dabei hat er festgestellt, dass die Zähne 25, 26, 36, 37, 46 und 47 mit Goldgussfüllungen versorgt sind. Auf Nachfrage durch die Beklagte hat er am 13. Dezember 1995 mitgeteilt, dass es sich bei diesen Füllungen um Inlays gehandelt hat.

Dass Dr.Sch ... entgegen der vertraglichen Bestimmungen die Feststellung auf dem Formblatt nach Anlage 13 b BMV-Z getroffen hat, schließt die Verwertbarkeit dieser Feststellung im Disziplinarverfahren und im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren im Rahmen eines Urkundenbeweises nicht aus (§§ 20, 21 SGB X; § 118 SGG i.V.m. §§ 415 ff. ZPO). Die entsprechenden vertraglichen Bestimmungen sind Ordnungsvorschriften und begründen kein Verwertungsverbot (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, 22.Aufl., § 286 Rdnr.11, § 383 Rdnr.10).

Für die Abgrenzung Teilkrone/Inlay ist nach der Kommentierung von Liebold/Raff/Wissing, a.a.O., und nach der Ausführungen von Kaspar, a.a.O., entscheidend, ob Gussfüllungen unter Erhaltung der wesentlichen Zahnsubstanz nur im Bereich eines Defektes gestaltet wurden (Inlay, Onlay, Overlay) oder ob eine künstliche Zahnkrone teilweise die organische Schmelzschicht der natürlichen Zahnkrone ersetzt hat (Teilkrone). Bei letzterer werden unter Einbeziehung der beiden Approximalflächen die Höcker von der Krone bedeckt. Vertragsleistung der gesetzlichen Krankenversicherung ist nur die gegossene, unverblendete Teilkrone aus Metall. Demgegenüber bedeckt ein Onlay nur die gesamte Kaufläche einschließlich der Höckerspitzen mit Metall. Bei Overlays werden zusätzlich die bukkalen und lingualen Höcker mit einem feinen Außenschliff überkuppelt. Bei Inlays wird die Kaufläche nicht vollständig mit Metall bedeckt.

Der Senat ist davon überzeugt, dass Dr.Sch ... als erfahrener Gutachter die Unterschiede zwischen gegossenen Einlagefüllungen (Inlays, Onlays, Overlays) und Teilkronen bekannt sind und dass er diese zahnärztlichen Leistungen genau abgrenzen kann. Es dürfte ihm - wie wohl allen Zahnärzten und auch den Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen - auch bekannt sein, dass es sich bei den Anfertigungen von Gussfüllungen, insbesondere Inlays, um Leistungen handelt, die bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen vor Behandlungsbeginn privat zu vereinbaren und entsprechend den GOZ-Nrn. 215 bis 217 privat abzurechnen sind, während die Versorgung mit Teilkronen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung durchgeführt werden kann. Dr.Sch ... hat deshalb im Rahmen einer auf Antrag der Barmer Ersatzkasse durchgeführten Begutachtung einer geplanten systematischen Paradontose-Behandlung am 5. Januar 1994 festgestellt, dass die Zähne 25, 26, 36, 37, 46 und 47 der Patientin B. mit "Goldgussfüllungen" versorgt sind. Dies war wiederum Anlass für den VdAK Ortsausschuss München, die Beklagte auf etwaiges Fehlverhalten des Klägers hinzuweisen (Schriftsatz vom 17. Juli 1994) und nochmals nachzufragen (Schriftsatz vom 11. Januar 1995). Die förmliche Einleitung eines Disziplinarverfahrens machte der geschäftsführende Vorstand der Beklagten von weiteren Ermittlungen abhängig (Beschluss vom 8. September 1995). Dr.Sch ... stellte daraufhin eindeutig unter Angabe der Art der Füllungen klar, dass es sich bei den "Goldgussfüllungen" nicht um Teilkronen, sondern um Inlays gehandelt hat (Schreiben vom 13. Dezember 1995). Der Vorstand hat daraufhin, nachdem der Kläger schriftlich Stellung genommen hatte (Schriftsätze vom 15. März 1996 und 10. Mai 1996), beschlossen, gegen diesen ein Disziplinarverfahren einzuleiten (Beschluss vom 16./17. Juli 1996), das mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. September 1997 endete. Dieser Verfahrensgang zeigt, dass die Einwendungen des Klägers die klaren und eindeutigen Ausführungen von Dr.Sch ... nicht widerlegen konnten. Nachdem sich der Senat seine richterliche Überzeugung gemäß § 128 Abs.1 SGG aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens bildet, sind die tatsächlichen Feststellungen von Dr.Sch ... auch für die Urteilsfindung des Senats ausschlaggebend.

Der Kläger hat auch schuldhaft gehandelt. Der Senat teilt die Auffassung der Beklagten, dass dem Kläger zumindest der Vorwurf der Fahrlässigkeit gemacht werden kann. Als an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung teilnehmender Zahnarzt hätte auch ihm die grundsätzliche Frage bekannt sein müssen, welche Leistungen bei Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen als Vertragsleistungen durchgeführt werden können und welche Leistungen privat zu vereinbaren und abzurechnen sind. Es hätte ihm desweiteren bekannt sein müssen, dass es sich bei den von ihm angefertigten Inlays nicht um Teilkronen gehandelt hat. Es ist deshalb den Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 4. September 1997 zuzustimmen, dass der Kläger bei Anwendung genügender Sorgfalt hätte erkennen können, dass es sich bei den eingegliederten Versorgungen nicht um Teilkronen gehandelt hat. Der Senat teilt auch die Auffassung der Beklagten, dass es für die Frage des Verschuldens unerheblich ist, ob von Seiten der Ersatzkasse auch bei einer Inlayversorgung Zuschüsse geleistet worden wären.

Der Senat kann schließlich auch nicht erkennen, dass die Art der gewählten Disziplinarmaßnahme (= Geldbuße) und deren Höhe (= DM 6.000,00) in Anbetracht der Schwere der Verfehlung unter Zugrundelegung der von der Beklagten angestellten Abwägungsgesichtspunkte, insbesondere der Notwendigkeit einer genauen Abgrenzung zwischen außervertraglicher Leistung (Inlay) und Vertragsleistung (Teilkrone), ermessensfehlerhaft erfolgte.

Aus diesen Gründen ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. September 1998 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. September 1997 abzuweisen. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes und beruht auf der Erwägung, dass die Beklagte letztlich in beiden Rechtszügen obsiegt hat.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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