L 12 KA 528/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 5232/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 528/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. September 1998 und der Bescheid des Beklagten vom 11. März 1997, das Quartal 1/95 betreffend, aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 5. Juli 1995 (Quartal 1/95) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der vom Beklagten gegen den Kläger festgesetzten Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im 1. Quartal 1995. Im Einzelnen wurden folgende Leistungen gekürzt:

- 30 % der Leistungen nach Bema-Nr. 12 (bMF)
- 50 % der Leistungen nach Bema-Nr.105 (Mu)
- 40 % der Leistungen nach Bema-Nr.106 (sK)

Der Kürzungsbetrag beläuft sich insgesamt auf DM 3.342,37.

Der Kläger nahm im streitigen Zeitraum als Zahnarzt in München an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil. Er behandelte im 1. Quartal 1995 191 Patienten, die bei den gesetzlichen Krankenkassen versichert waren. Mit dieser Fallzahl lag er um 56 % unter dem Landesdurchschnitt (432,6 Fälle). Je Fall forderte der Kläger für konservierend-chirurgische Leistungen 124 Punkte der Bayerischen Zahnärzte von 96 Punkten bzw. DM 150,- um 29 % bzw. 31 %.

Leistungen nach Bema-Nr.12 (bMF) rechnete er 100-mal ab. Mit einem Häufigkeitsansatz von 53,4 auf 100 Behandlungsfälle überschritt er den Landesdurchschnitt von 23,6 um 122 %. Mit angeforderten 312 Leistungen nach Bema-Nr.105 (Mu) lag er bei einem Häufigkeitsansatz von 163,4 um 368 % über dem Durchschnittswert von 34,9. 147 abgerechnete Leistungen nach Nr.106 (sK) ergaben einen Häufigkeitsansatz von 77,0, der den Durchschnitt von 20,3 um 279 % überschritt.

Unter Hinweis auf die Überschreitungen beim Gesamtfallwert im konservierend-chirurgischem Bereich sowie bei den Bema-Nrn.12, 105 und 106 beantragten die Krankenkassen am 21. März 1996, die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise zu überprüfen.

Mit Bescheid vom 5. Juli 1996, ergangen aufgrund der Sitzung vom 12. Juni 1996, setzte der Prüfungsausschuss München II folgende Vergütungsberichtigungen fest:

- 30 % der Leistungen der Bema-Nr. 12 (bMF)
- 50 % der Leistungen der Bema-Nr.105 (Mu)
- 40 % der Leistungen der Bema-Nr.106 (sK)

Er errechnete einen Kürzungsbetrag von insgesamt DM 3.325,95.

Seinen dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass in seiner Praxis eine aufwendige Zahnheilkunde betrieben werde. Er sei auf dem Gebiet der Totalprothetik spezialisiert. Die damit verbundenen Nachbehandlungen hätten eine erhebliche Anzahl von Leistungen der Bema-Nr.105 (Mu) und Nr.106 (sK) zur Folge. Zur Bema-Nr.12 führte er ergänzend Folgendes aus: Um bei der Präparation untersichgehende Stellen oder subgingivale Stufen besser darstellen zu können, sei es öfters notwendig, mittels Elektrotom störendes Zahnfleisch zu entfernen. Auch beim Legen von Füllungen falle diese Position durch Entfernen störender Zahnfleischfasern bzw. durch Stillung der Interdentalpapillenblutung an. Außerdem werde bei Füllungen öfters separiert bzw. Kofferdam gelegt. Zur Bema-Nr.105 wies er darauf hin, dass diese Position vorwiegend im Zusammenhang mit Parodontosebehandlungen und bei Entzündungen, hervorgerufen durch festsitzenden Zahnersatz, abgerechnet würde. Der Ansatz der Bema-Nr.106 sei darauf zurückzuführen, dass seine Praxis prophylaxeorientiert geführt werde und er eine immer größer werdende Zahl von Patienten habe, die regelmäßig zur Routinekontrolle erschienen.

Mit Bescheid vom 11. März 1997, ergangen aufgrund der Sitzung vom 15. Januar 1997, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Außerdem berichtigte er den errechneten Kürzungsbetrag gemäß § 38 SGB X auf DM 3.342,37. In der Entscheidungsbegründung wies er zunächst auf die Überschreitung beim Gesamtfallwert im konservierend-chirurgischen Bereich mit + 29 % bzw. + 31 % hin. Zu den einzelnen Leistungspositionen führte er aus, dass der Landesdurchschnitt bei den Leistungen nach den Bema-Nrn. 12, 105 und 106 um 122 %, 368 % und 279 % überschritten werde. Dies stelle ein offensichtliches Missverhältnis dar und begründe den Verdacht einer unwirtschaftlichen Behandlungsweise. Gründe, die diese Überschreitungen rechtfertigten, lägen nicht vor. Nach der Vergütungsberichtigung lägen immer noch Überschreitungen vor, die nach der BSG-Rechtsprechung im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses lägen. (Die genauen Überschreitungswerte sind im Bescheid jedoch nicht genannt). Es falle insbesondere der erhebliche Anstieg bei den Bema-Nrn.105 und 106 gegenüber den Vorquartalen auf. Dieser Anstieg sei durch die Stellungnahme in keiner Weise geklärt. Die verbleibenden Überschreitungen nach der Vergütungsberichtigung, insbesondere bei der Bema-Nr.12, ließen einen Spielraum für die Anwendung qualitätsverbessernder Maßnahmen zu. Zur Berichtigung wurde dargelegt, dass bei der Bema-Nr.105 ein Rundungsfehler unterlaufen sei. Es seien 13 statt richtig 14 Leistungen gekürzt worden. Hierbei handele es sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die von Amts wegen berichtigt werde.

Gegen den mit Einschreiben am 11. März 1997 zur Post gegebenen Becheid erhob der Kläger am 1. April 1997 Klage zum Sozialgericht München. Dieses Klageverfahren wurde nach Abtrennung vom Verfahren mit dem Az.: S 32 Ka 5073/97 unter dem Az.: S 32 KA 5232/98 geführt. In der Klagebegründung vom 30. April 1997 wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Schwerpunkte seiner Praxisstruktur lägen auf Parodontalbehandlung, differenzierter Wurzelbehandlung, Schienen- und Einschleifbehandlung von Kiefergelenks- und Kaumuskelerkrankungen und neben den üblichen Zahnersatzkonstruktionen vor allem auf besonders aufwendiger Totalprothetik. Dies erkläre die hohen Zahlen der Abrechnungspositionen Mu und sK. Maßnahmen, die mit der Entfernung von Zähnen zusammenhingen, fielen demgegenüber geringer aus. Die hohe Anzahl der Bema-Nr.12 erkläre sich aus der wirtschaftlich sehr relevanten Relation von Füllungs- zu Überkronungsmaßnahmen. Seine therapeutischen Bemühungen hätten zur Folge, dass eine Zahnersatzversorgung überhaupt nicht oder später notwendig sei, dass sich teuere Medikamente erübrigten und dass der Zahnersatz nicht nur erheblich besser funktioniere, sondern längerlebig sei. Eine isolierte Betrachtung der Statistik der Mu, sK und bMF werde der Gesamtwirtschaftlichkeitsprüfung nicht annähernd gerecht. Die Statistiken der Paradontal- und Zahnersatzbehandlungen hätten im Zusammenhang geprüft und einbezogen werden müssen.

In der mündlichen Verhandlung, zu der von Klägerseite niemand erschien, verband das Sozialgericht die drei Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die erschienenen Beigeladenen zu 1) und 2) beantragten, die Klagen abzuweisen.

Mit Urteil vom 9. September 1998 wies das Sozialgericht u.a., die Klage, das Quartal 1/95 betreffend, ab. Diese Entscheidung stützte es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Die Prüfungseinrichtungen seien berechtigt, die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise im Rahmen eines statistischen Kostenvergleichs festzustellen, wenn ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Aufwand des Zahnarztes und den durchschnittlichen Werten bestehe. Der Kläger sei deshalb zu Recht mit dem Durchschnittswerten der bayerischen Zahnärzte verglichen worden. Die Prüfungseinrichtungen könnten auch einzelne Bema-Nrn. zum Gegenstand des Landesvergleichs machen. Dabei habe sich gezeigt, dass der Kläger den Landesdurchschnitt erheblich überschreite. Die Überschreitungen befänden sich eindeutig in der Zone des offensichtlichen Missverhältnisses. Es werde deshalb die Unwirtschaftlichkeit der Behandlungsweise vermutet. Diese Vermutung sei vom Kläger nicht widerlegt worden. Weder rechtfertigten Praxisbesonderheiten den festgestellten Mehraufwand, noch sei dieser für einen Minderaufwand bei anderen Bema-Nrn. ursächlich. Insoweit sei der Kläger materiell darlegungs- und beweisbelastet, wobei die entsprechenden Einwendungen bereits im Verwaltungsverfahren geltend gemacht werden müssten. Dies habe der Kläger vorliegend nicht hinreichend getan. Auch die Festsetzung des Kürzungsbetrages sei nicht ermessensfehlerhaft erfolgt. Es sei mit den nach Kürzung verbleibenden Überschreitungen nicht einmal in die Übergangszone hineingekürzt worden. Nach Auffassung der Kammer sei sogar eine Kürzung bis zur normalen Streubreite möglich gewesen. Soweit das Bundessozialgericht insoweit eine andere Auffassung vertrete, so überzeuge diese nicht.

Gegen das am 11. Januar 1999 mit Einschreiben zur Post gegebene Urteil hat der Kläger am 8. Februar 1999 Berufung einlegen lassen. In der Berufungsbegründung vom 23. Mai 2000 wird auf die Klagebegründung verwiesen. Weiter wird gerügt, dass die gewählte statistische Prüfungsmethode nicht korrekt sei. Es seien die Methoden der Einzelfallprüfung und der statistischen Prüfungsmethode vermengt worden. Soweit zu den einzelnen Bema-Nrn. Stellung genommen wird, wird das Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt. Abschließend wird die Auffassung vertreten, dass es der Beklagte unterlassen habe, zu prüfen, ob ein milderes Mittel zu wählen sei. Nach § 106 SGB V sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Der Beklagte hätte es bei einer Belehrung mit Beratungsauflage belassen müssen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 14. September 1999 die verbundenen Verfahren für das Berufungsverfahren wieder getrennt.

Dem mit Schriftsatz vom 12. September 2000 vom Klägervertreter gestellten Antrag auf "Verlegung des Verhandlungstermins am 20. September 2000 oder Entscheidung im schriftlichen Verfahren" hat der Vorsitzende des Senats bezüglich des Verlegungsantrags nicht entsprochen. Der mit Schriftsatz vom 18. September 2000 gestellte Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden des 12. Senat wegen Besorgnis der Befangenheit wegen willkürlicher Ablehnung des Verlegungsgesuches wurde mit Beschluss vom 20. September 2000 abgelehnt. Zur mündlichen Verhandlung ist von Klägerseite niemand erschienen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. September 1998 sowie den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. März 19997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beigeladene zu 1) stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte (Vergütungsberichtigungen 1/95), die Klageakte (Az.: S 32 Ka 5232/98) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 Ka 528/99) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist begründet. Denn der Bescheid des Beklagten vom 11. März 1997, der allein Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahren ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.22 S.118 f.), hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. September 1998 war deshalb, soweit es das 1. Quartal 1995 betraf, aufzuheben und der Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11. März 1997 zu verurteilen, über den Widerspruch des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Rechtsgrundlage für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit nach Durchschnittswerten ist im streitigen Quartal 1/95 § 106 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB V iVm mit den ergänzenden vertraglichen Bestimmungen der Anlage 4a zum bayerischen Gesamtvertrag-Zahnärzte (GV-Z) vom 27. Juli 1983. Mit dem seit 1. Januar 1989 geltenden § 106 Abs.2 Satz 1 Nr.1 SGB V hat der Gesetzgeber die in der Praxis seit langem angewandte, bis dahin aber im Gesetz nicht verankerte und lediglich durch Richterrecht sanktionierte Methode des statistischen Kostenvergleiches als Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der (zahn-)ärztlichen Tätigkeit anerkannt und als Regelprüfmethode übernommen. Er hat zugleich die zur Legitimation einer statistischen Vergleichsprüfung unerlässliche Annahme gebilligt, dass die Gesamtheit aller (Zahn-)Ärzte im Durchschnitt gesehen wirtschaftlich behandelt, jedenfalls das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen nicht unterschreitet, und dass deshalb der durchschnittliche Behandlungsaufwand grundsätzlich ein geeigneter Maßstab für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.23 S.124). Von der Methode des statistischen Kostenvergleiches ist der Beklagte auch in dem angefochtenen Bescheid vom 11. März 1997 ausgegangen. Zutreffend hat er die Einzelfallprüfung aufgrund der Anzahl der abgerechneten Leistungen (Bema-Nr.12: 100 Leistungen; Bema-Nr.105: 312; Bema-Nr.106: 147) für unzumutbar gehalten (zum Vorrang des statistischen Vergleichs vor einer Einzelfallprüfung im Rahmen der kassenzahnärztlichen Prüfung: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.33 S.185 ff.; Nr.36 S.201 f.). Der Beklagte hat den Kläger zu Recht auch mit den Zahnärzten Bayerns verglichen. Speziell bei den Zahnärzten ist wegen der hohen Homogenität dieser Gruppe und der Herausnahme eines großen Teils der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Aufteilung in Untergruppen mit bestimmten Behandlungsschwerpunkten in aller Regel nicht erforderlich (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.36 S.202). Der Beklagte konnte die statistische Vergleichsprüfung auch auf einzelne Gebührenpositionen beschränken. Die streitgegenständlichen Bema-Nrn.12, 105 und 106 stellen ausgesprochen typische Leistungsziffern dar, die in aller Regel auch in der Vergleichsgruppe von jedem Zahnarzt erbracht werden.

Der angefochtene Bescheid vom 11. März 1997 genügt jedoch nicht den Anforderungen, die das Bundessozialgericht und diesem folgend der Senat an die Prüfung der Wirtschaftlichkeit einzelner Leistungen (Gebührenpositionen) stellt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nrn.6, 13, 15, 23, 26, 33, 36; dazu auch Urteile des Senats vom 9. Dezember 1998, Az.: L 12 KA 45/97 und L 12 KA 90/97 sowie Urteil vom 10. November 1999, Az.: L 12 KA 502/98). Insbesondere fehlt es an einer hinreichenden Reflexion des Gesamtfallwertes bei den konservierend-chirurgischen Leistungen. Im streitgegenständlichen Bescheid vom 11. März 1997 sind zwar am Anfang der Entscheidungsgründe die Überschreitungswerte des Landesdurchschnittes beim Gesamtfallwert im konservierend-chirurgischen Bereich mit + 29 % (Punkte je Fall) bzw. + 31 % (DM je Fall) genannt. Der Beklagte setzt sich jedoch in den weiteren Entscheidungsgründen mit diesen eindeutig im Bereich der Übergangszone liegenden Überschreitungswerten nicht weiter auseinander. Zumindest hätte er im Hinblick darauf, dass der Gesamtfallwert nicht im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegt, eingehend die Gesamttätigkeit des Klägers würdigen und überprüfen müssen, inwieweit Unterschreitungen bei anderen Leistungen als kompensatorische Einsparungen anerkannt werden können. Bei einem Einzelleistungsvergleich kann nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Beweis der Unwirtschaftlichkeit regelmäßig nicht allein mit der Feststellung und Angabe von Überschreitungsprozentsätzen geführt werden, wie dies hier der Beklagte getan hat. Es bedarf vielmehr einer genaueren Untersuchung der Strukturen und des Behandlungsverhaltens des Zahnarztes innerhalb des speziellen engeren Leistungbereiches sowie der Praxisumstände des geprüften Zahnarztes, um den Aussagewert der gefundenen Vergleichszahlen beurteilen zu können. Die dazu angestellten Erwägungen müssen, damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und auf ihre Plausibilität und Vertretbarkeit hin überprüft werden können, im Bescheid genannt oder jedenfalls für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.15 S.88 f., Nr.26 S.149, Urteile des Senats vom 9. Dezember 1998, Az.: L 12 Ka 45/97 und L 12 Ka 90/97 und vom 10. November 1999, Az.: L 12 KA 501/98 und L 12 KA 502/98). Zwar ist auch bei einem im Vergleich zur Fachgruppe unauffälligen Gesamtfalldurchschnitt eine unwirtschaftliche Erbringung von Einzelleistungen nicht ausgeschlossen (vgl. die oben genannten Urteile des Senats vom 9. Dezember 1998 und 10. November 1999). Es ist aber jedenfalls im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen, dass, wenn der Beklagte im Rahmen einer ergänzenden intellektuellen Prüfung den Gesamtfallwert bei den konservierend-chirurgischen Leistungen eingehend reflektiert hätte, er eventuell zu keiner oder jedenfalls zu einer anderen Kürzung bei den beanstandenden Leistungen nach den Bema-Nrn.12, 105 und 106 gelangt wäre. Der Beklagte wird auch zu berücksichtigen haben, dass nach Kürzung beim Gesamtfallwert mit + 17,67 % (in Punkten) bzw. + 19,67 % (in DM ausgedrückt) eine Überschreitung des Landesdurchschnittes belassen wurde, die im Bereich der Grenze zwischen der so genannten Übergangszone zur Streubreite liegt. Auch insoweit hätte es einer eingehenden Begründung bedurft (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.36 S.207). Hinsichtlich der Kürzungen bei den Einzelziffern ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass jedenfalls die Kürzung bei der Bema-Nr.12 nach einer Ausgangsüberschreitung von + 122 % nach Berichtigung von 30 % der hier abgerechneten Leistungen mit einer Restüberschreitung von etwa + 55 % eindeutig in den Bereich der Übergangszone hinein reicht (zur Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses bei einzelnen Gebührenordnungspositionen: Urteile des Senats vom 15. März 2000, Az.: L 12 KA 134/98 und L 12 KA 136/98). Der Beklagte hätte deshalb auch hier besonders begründen müssen, dass er den Mehraufwand im Bereich der Übergangszone für unwirtschaftlich hält (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.36 S.207). Die vom Beklagte gegebene Begründung, die verbleibende Überschreitung nach Vergütungsberichtigung lasse einen Spielraum für die Anwendung qualitätsverbessernder Maßnahmen, ist keineswegs ausreichend und letztlich nur dadurch zu erklären, dass der Beklagte zuvor rechtsfehlerhaft festgestellt hat, dass nach der Vergütungsberichtigung noch ein Überschreitungwert vorliegt, der im offensichtlichen Missverhältnis zum Landesdurchschnitt liegt. Dies ist jedoch, was die belassene Restüberschreitung bei den Leistungen nach der Bema-Nr.12 anbelangt, unzutreffend.

Auf die Berufung des Klägers war deshalb schon aus den genannten Gründen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. September 1998 und der Bescheid des Beklagten vom 11. März 1997, das Quartal 1/95 betreffend, aufzuheben und der Beklagte zur Neuverbescheidung unter Beachtung der aufgezeigten Gesichtspunkte zu verpflichten.

Dem Kläger bleibt es unbenommen, im weiteren Verlauf des durch die Aufhebung des Bescheides des Beklagten wieder eröffneten Verwaltungsverfahrens (dazu: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.22 S.120) Praxisbesonderheiten oder kompensierende Einsparungen, die die Überschreitung beim Gesamtfallwert und bei den einzelnen beanstandeten Leistungspositionen rechtfertigen, substantiiert darzulegen. Das bisherige Vorbringen des Klägers im Verwaltungsverfahren dürfte bislang nicht den Anforderungen genügen, die an eine substantiierte Darlegung von Praxisbesonderheiten im Sinne eines besonderen Patientengutes oder im Sinne eines speziellen Leistungsangebotes (zu den Praxisbesonderheiten: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.27 S.153) bzw. an den Nachweis von kompensierenden Einsparungen (dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.42 S.233 f; Nr.43 S.239 f.) zu stellen sind. Sollte der Beklagte zu der Auffassung gelangen, dass der Kläger substantiiert Praxisbesonderheiten dargelegt hat, hat er zunächst den Fallwert des Klägers um den auf den Praxisbesonderheiten beruhenden Mehraufwand zu bereinigen, bevor er die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bestimmt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.23 S.125 f.; Nr.41 S.224 ff.). Dasselbe gilt, wenn der Kläger einen kausalen Zusammenhang des Mehraufwandes mit Kostenunterschreitungen in anderen Bereichen nachweist mit der Folge, dass kompensierende Einsparungen anerkannt werden können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.42 S.231 ff.).

Sollte der Beklagte zu dem Ergebnis gelangen, dass kein Mehraufwand für Praxisbesonderheiten und keine kompensierenden Einsparungen anzuerkennen sind, wird er die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis sowohl bei den einzelnen Leistungspositionen (dazu: BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.11 S.57 f.; Nr.36 S.205 f.) als auch beim Gesamtfallwert festzulegen haben, also den Überschreitungsgrad, bei dem sich die Mehrkosten nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur und der Behandlungsnotwendigkeit erklären lassen und deshalb zuverlässig auf eine unwirtschaftliche Behandlungsweise geschlossen werden kann.

Begnügt sich der Beklagte in einem zweiten Schritt (Festlegung der Höhe der Kürzung) mit einer Kürzung, die sich immer noch im Bereich der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit hält, so braucht er die Höhe der Kürzung nicht besonders zu begründen. Anders verhält es sich, wenn das Honorar bis in die so genannte Übergangszone unterhalb der Zone des offensichtlichen Missverhältnisses zum Vergleichsgruppendurchschnitt gekürzt werden soll. In diesem Fall muss besonders nachgewiesen werden, dass und in welchem Umfang auch der Mehraufwand im Bereich der Übergangszone noch unwirtschaftlich ist. Die diesbezüglichen Feststellungen müssen im Bescheid dargelegt und die Honorarkürzung entsprechend begründet werden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr.36 S.207).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger in diesem Rechtsstreit letztlich in beiden Rechtszügen obsiegt hat.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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