L 12 KA 60/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 KA 921/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 60/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. März 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Teilnahme des Klägers an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis A ... in den Jahren 1997 und 1998 streitig.

Der Kläger ist als praktischer Arzt in A ... niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1997 hat der Kläger die Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis A ... beantragt. Mit Schreiben vom 14. Februar 1997 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass im Zusammenhang mit der gegenständlichen Thematik noch eine grundsätzliche Abklärung durch die zuständigen Gremien erforderlich sei.

In der Sitzung der Bezirksvertreterversammlung vom 24. September 1997 wurde als Tagesordnungspunkt 4.1 die Einrichtung von Notfallpraxen behandelt. Ausweislich des Ergebnisprotokolls Nr.216 wurde von den Bezirksvertretern ein Aufnahmestopp für die Notfallpraxis A ... als sachgerecht und erforderlich angesehen. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl von damals 49 Teilnehmern habe sich die Frequenz der Diensteinteilung auf nur noch einen Wochenenddienst pro Jahr reduziert, wobei zum Zeitpunkt der Sitzung bereits vier weitere Anträge auf Aufnahme in die allgemeinärztlich-internistische Notfallpraxis A ... vorgelegen hätten.

Auf der Grundlage dieser Entscheidung der Bezirksvertreterversammlung hat die Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 1997 den Antrag des Klägers abgelehnt. Der Aufnahmestopp gelte für alle zur Zeit vorliegenden Anträge auf Teilnahme. Eine Teilnahme komme grundsätzlich dann wieder in Betracht, wenn aufgrund eines deutlichen Rückganges der Teilnehmerzahl die Aufnahme neuer Mitglieder geboten sei und der zuständige Obmann dies befürworte. Im Falle einer Aussetzung des Aufnahmestopps würden die Anträge in der Reihenfolge des Posteingangs berücksichtigt. Mit dem Aufnahmestopp solle einer weiteren Verlagerung der Teilnehmerzahl vom Zonendienst zur Notfallpraxis entgegengewirkt werden. Die vorwiegend in Ballungsräumen eingerichteten ortsfesten bzw. ambulanten Notfallpraxen (§ 9 der Notfalldienstordnung a.F.) würden zwar eine sinnvolle Ergänzung der nach Notfalldienstgruppen und -zonen gegliederten Notfalldienstorganisation darstellen, bildeten jedoch als zusätzliche Einrichtungen nach der gegenwärtigen Vertragslage nicht den Schwerpunkt der vertragsärztlichen Notfallversorgung.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 29. Oktober 1997. Die Verteilung der Dienste für die Notfallpraxen habe in der Versammlung vom 22. Juli 1997 stattgefunden. Der Kläger sei dabei nicht berücksichtigt worden. Zwar sei seine Anwesenheit in der Versammlung geduldet worden. Ihm sei aber bedeutet worden, dass er sich nicht einbilden brauche, berücksichtigt zu werden. Für den Bereich des Notfalldienstes sei es anerkannt, dass die in § 1 Abs.1 der Bayerischen Notfalldienstordnung geregelte Verpflichtung aller Vertragsärzte zur Teilnahme am Notfalldienst mit einem entsprechenden Anspruch der Ärzte auf Teilnahme an dem Notfalldienst korrespondiere. Insoweit könne auch für die Teilnahme an den Notfallpraxen nichts anderes gelten. Zumindest habe der Kläger einen Anspruch auf Teilnahme bei der Vergabe der Notfallpraxisdienste. Soweit mehr Bewerber als zu vergebende Termine vorhanden seien, dürfe die Auswahl keineswegs willkürlich erfolgen, sondern habe sich an sachgerechten Kriterien, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz, zu orientieren. Dies beinhalte insbesondere, dass immer wieder auch Neuzugänge eine Chance haben müssten. Die Rechtswidrigkeit der Einteilung des Notfallpraxendienstes in der Versammlung vom 22. Juli 1997 könne nicht rückwirkend durch eine Entscheidung der schwäbischen Bezirksvertreterversammlung vom 24. September 1997 geheilt werden.

Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 18. November 1997 Stellung genommen. Während niedergelassene Vertragsärzte zur Teilnahme am allgemeinärztlichen Notfalldienst bzw. am fachgebietsbezogenen Notfalldienst verpflichtet seien, sei die Teilnahme an ortsfesten bzw. ambulanten Notfallpraxen im Sinne von § 9 NFDO freiwillig. Die Einrichtung vertragsärztlicher Notfallpraxen sei in das Ermessen der KVB-Bezirksstellen gestellt. Notfallpraxen stellten nach den derzeit maßgeblichen Vorschriften zur Notfalldienstorganisation lediglich eine Ergänzung der nach Notfalldienstgruppen- und -zonen gegliederten Notfalldienststrukturen dar. Vorrang habe demzufolge nach der gültigen Vertragslage im Bereich A ... die Sicherstellung des Zonendienstes. Habe sich die Verwaltung durch eine feste Verwaltungspraxis in ihrer Ermessensausübung festgelegt, so sei der Gleichheitsgrundsatz nach einhelliger Rechtsmeinung nicht verletzt, wenn sachgerechte Erwägungen eine generelle Änderung der Verwaltungsübung gebieten würden. Aufgrund der ständig angestiegenen Mitgliederzahl der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis sei einer weiteren Verlagerung der Teilnehmerzahl vom Zonendienst zur Notfallpraxis entgegenzuwirken gewesen. Dies sei durch die Beschlussfassung der schwäbischen Bezirksvertreterversammlung am 24.September 1997 mit der Begrenzung der Teilnehmerzahl erfolgt. Erst mit dem Bescheid vom 10. Oktober 1997 sei gegenüber dem Kläger erstmals ein abschließender und anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X ergangen. Auf dem "Ärztestammtisch" am 22. Juli 1997 habe über den Antrag des Klägers auf Teilnahme an der allgemein-ärztlich-internistischen Notfallpraxis mangels Entscheidungskompetenz nicht entschieden werden können. Funktion des "Ärztestammtisches" sei es vielmehr, im Hinblick auf die bereits von der KVB-Bezirksstelle Schwaben für den Praxisdienst eingeteilten Ärzte Fragen und Anregungen im Zusammenhang mit der Dienstplangestaltung zu erörtern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. April 1998 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Aufgrund der ständig angestiegenen Mitgliederzahl der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis A ... sei einer weiteren Verlagerung der Teilnehmerzahl vom Notfallzonendienst zur Notfallpraxis entgegenzuwirken gewesen. Die Umsetzung sei mit Beschluss der schwäbischen Bezirksvertreterversammlung vom 24. September 1997 erfolgt. Für die allgemeinärztlich- internistische Notfallpraxis A ... sei eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 49 Teilnehmer festgelegt worden. Eine Teilnahme des Klägers komme grundsätzlich dann wieder in Betracht, wenn aufgrund eines deutlichen Rückganges der Teilnehmerzahl an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis A ... die Aufnahme neuer Mitglieder geboten sei.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 8. Juni 1998. Sowohl die Vergabe der Dienste am 22. Juli 1997 wie auch der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1997 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. April 1998 würden gegen geltendes Recht verstoßen. Unstreitig dürfte sein, dass die Einrichtung und die Vergabepraxis der allgemeinärztlichen-internistischen Notfallpraxis in A ... satzungsmäßig bzw. schriftlich nicht geregelt gewesen seien. Die Vergabe der Dienste sei durch ein von der Beklagten selbst als "Ärztestammtisch" bezeichnetes, nicht legitimiertes Gremium erfolgt. Sowohl der sogenannte Zonendienst (§ 3 NFDO) wie der fachärztliche Notfalldienst und die Notfalldienstpraxen seien Bestandteil des Notfalldienstes. Die Bezirksstelle Schwaben habe von der Möglichkeit des § 9 NFDO Gebrauch gemacht und eine allgemein-ärztlich-internistische Notfallpraxis in A ... eingerichtet. In dem Bescheid vom 10. Oktober 1997 werde auch künftig ein Teilnahmerecht faktisch unterlaufen, wenn eine Teilnahme davon abhängig gemacht werde, dass aufgrund eines deutlichen Rückganges der Teilnehmerzahl die Aufnahme neuer Mitglieder geboten sei und der zuständige Obmann dies befürworte. Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 24. September 1998 Stellung genommen. Die Ausführungen der Klägerseite bzgl. einer rechtswidrigen Vergabepraxis würden Aufgaben und Funktion der sogenannten "Ärztestammtische" verkennen. Auf dem wiederholt zitierten Ärztestammtisch am 22. Juli 1997 sei lediglich in kollegialer Absprache der - teilweise erst vorläufige - Dienstplan für die Mitglieder der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis erstellt worden, die bereits von der KVB-Bezirksstelle Schwaben zur Teilnahme an der Notfallpraxis eingeteilt worden seien. Die Einteilung erfolge in Form von drei inhaltlich zusammenhängenden Verwaltungsakten und zwar einem Schreiben an den Antragsteller ("Einteilungsbescheid"), der Information des "Zonen-Obmannes" und der Benachrichtigung des Obmannes der Notfallpraxis. Eine Diensteinteilung des Klägers in der Dienstbesprechung am 22. Juli 1997 habe mangels Entscheidungskompetenz des Ärztestammtisches gar nicht erfolgen können. Die allgemeinärztlich-internistische A ...er "Notfallpraxis" sei zur Verbesserung der vertragsärztlichen Versorgung der sprechstundenfreien Zeiten neben dem bereits bestehenden Zonendienst eingerichtet worden. Hierbei handele es sich entgegen der Annahme des Klägers nicht um eine vertragsärztliche Notfallpraxis nach § 9 der Notfalldienstordnung, der sogenannte ortsfeste Notfallpraxen unter der Trägerschaft der KVB betreffe. Die gegenständliche "mobile" allgemeinärztlich-internistische Notfallpraxis, bei der der Praxisdienst jeweils in der Praxis des diensthabenden Teilnehmers erfolge, sei vielmehr eine von der Bezirksstelle Schwaben für den Bereich A ...-Stadt organisierte Variante der Teilnahme am Notfalldienst. Während jedoch gemäß § 1 Abs.1 der Notfalldienstordnung der Beklagten alle im Bereich A ...- Stadt niedergelassenen Vertragsärzte zur Teilnahme am Zonendienst verpflichtet seien, sei die Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis freiwillig. Aufgrund der praktizierten Verwaltungsübung, die Teilnehmer an der Notfallpraxis von jedem zweiten Zonendienst freizustellen, sei bei Aufnahmeanträgen stets zu prüfen gewesen, ob die vorrangigen Belange des Zonendienstes nicht gefährdet seien. Infolge der stetig angestiegenen Zahl der Teilnehmer der Notfallpraxis sei die Frequenz der Zonendienste ebenfalls deutlich angestiegen. Dies habe zu einer Benachteiligung insbesondere der mitgliederarmen Notfalldienstzonen geführt. Diesem zunehmenden Ungleichgewicht bei der Dienstbelastung habe durch geeignete Maßnahmen entgegengewirkt werden müssen. Bei dieser Sachlage sei es sinnvoll und zweckmäßig gewesen, die Verwaltungsübung bei der Neueinteilung von Mitgliedern der Notfallpraxis ab dem 01. Januar 1997 dahingehend zu ändern, dass die gegenwärtige Zahl von 49 Teilnehmern nicht mehr überschritten würde.

Mit Schreiben vom 01. Dezember 1998 hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger wegen Ausscheidens eines Vertragsarztes nunmehr im Rahmen der vorgesehenen Nachrücker-Regelung ab Januar 1999 an der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis teilnehmen könne.

Die Klägervertreter haben mit Schriftsatz vom 17.März 1999 ihre Klage daraufhin auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Ablehnung seiner Teilnahme an der allgemeinärztlichen-internistischen Notfallpraxis durch die angegriffenen Bescheide rechtswidrig gewesen sei. Er beabsichtige insoweit gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Bei der A ...er Notfallpraxis handele es sich um einen Teil des Notfalldienstes gemäß der Notfalldienstordnung der Beklagten. Damit würden die Regelungen der Notfallpraxis als Teil des vertragsärztlichen Notfalldienstes der Notfalldienstordnung (NFDO) insgesamt und den §§ 9 NFDO unterliegen. Der Beklagten sei zugestanden, dass Teilnehmer an der Notfallpraxis automatisch von jedem zweiten Notfalldienst im Sinne des § 2 NFDO (Zonendienst) befreit worden seien. Soweit diese Verfahrensweise zu einer "Ausblutung" des Zonendienstes geführt habe, was bestritten werde, wäre die Beklagte gehalten gewesen, die automatische Befreiung der an der Notfallpraxis teilhabenden Ärzte von jedem zweiten Zonendienst zu überprüfen. Ein genereller Ausschluss bzw. eine Begrenzung auf die bestehende Anzahl dieses Teilbereiches könne immer nur das äußerste Mittel darstellen, zumal eine entsprechende Änderung der Verfahrensweise seitens der Beklagten weder rechtzeitig noch allgemein bekannt gemacht worden sei. Eine entsprechende Entscheidung einer Selbstverwaltungskörperschaft wäre wegen Verstoßes gegen eine demokratische Legitimation, des Fehlens jeglicher gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage und wegen Verstoßes gegen das Primat der gesetzlichen Regelung bei Berufsausübungsregelungen gemäß einer verfassungskonformen Auslegung u.a. wegen Verstoß gegen Art.12 Grundgesetz rechtswidrig.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 9. März 2000 die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, insbesondere liege ein besonderes Feststellungsinteresse vor. Der Klägerbevollmächtigte habe substantiiert vorgetragen, dass der Kläger Schadensersatzansprüche wegen der Nichteinteilung vor den ordentlichen Gerichten geltend machen wolle. Die Klage sei aber nicht begründet. Bei der mobilen allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... handele es sich um eine zusätzliche Einrichtung der Beklagten, die neben dem obligatorischen Notfalldienst bestehe. Während die Teilnahme am Notfalldienst obligatorisch sei, sei die Teilnahme an ambulanten Notfallpraxen freiwillig. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen erfolge eine Auswahl der Bewerber bei einer derartigen freiwilligen Einrichtung jeweils nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Auswahl zwischen mehreren Bewerbern habe damit insbesondere unter Beachtung des Gleichheitssatzes nach sachlich gerechtfertigten Gründen zu erfolgen. Die Beklagte habe über die Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... grundsätzlich nach dem Prioritätsprinzip entschieden, das ein sachlich nachvollziehbares Entscheidungskriterium sei. Auch die Entscheidung der Beklagten, zusätzlich zu den bereits an der Notfallpraxis teilnehmenden 49 Teilnehmern keine weiteren mehr aufzunehmen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Auch insoweit handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Beklagte von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen oder in anderer Weise die Grenzen des Ermessens überschritten habe. Die Frage einer Rückwirkung von Gesetzen stelle sich im vorliegenden Falle schon deshalb nicht, weil das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot lediglich rückwirkende Gesetze erfasse. Hier handele es sich aber um eine Änderung einer bislang bestehenden Verwaltungspraxis, alle Interessenten an der Notfallpraxis zuzulassen. Insofern könne sich eine Ermessensfehlerhaftigkeit allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung stellen. Die Verwaltung könne aber in Fällen einer Änderung der Sachlage - vorliegend ein verstärktes Interesse an der Teilnahme an der Notfallpraxis - selbstverständllich die Verwaltungspraxis ändern, um somit der neuen Lage Rechnung zu tragen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 17. Juli 2000. Das Sozialgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass gemäß § 9 NFDO a.F. auch die Notfallpraxen Teil des Sicherstellungsauftrages der vertragsärztlichen Notfallversorgung gewesen seien. Das Sozialgericht habe bei seiner Bewertung des Ermessensspielraumes der Beklagten insoweit verkannt, dass dieser Ermessenensspielraum bereits mit Einrichtung der Notfallpraxis ausgeübt worden sei. Von einer Auswahl nach sachlich gerechtfertigten Gründen könne keine Rede sein. Nachvollziehbare Gründe für die sofortige Sperrung habe die Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren nicht benennen können. Eine Begrenzung der Teilnehmerzahl auf eine Größe, die den Teilnehmern einen regelmäßigen Dienst - mindestens einmal jährlich - gewährleistet und sie gleichzeitig vom allgemeinen Notfalldienst befreie, stelle eine nicht sachgerechte Erwägung dar. Dies insbesondere hinsichtlich der unterschiedlichen Möglichkeiten der kassenärztlichen Abrechnung, die zum Teil budgetrelevant seien und zum Teil nicht.

Die Beklagte hat hierzu mit Schriftsatz vom 20. September 2000 Stellung genommen. Die Berufungsbegründung des Klägers wiederhole lediglich die bereits im Widerspruchs- bzw. erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Argumente. Eine Reihe der getroffenen Feststellungen bedürfe der erneuten Richtigstellung. Die Behauptung, die Schließung des Teilnehmerkreises sei allein erfolgt, weil die Mitglieder der allgemeinärztlichen-internistischen Notfallpraxis aufgrund der hohen Teilnehmerzahl nur noch eingeschränkt Dienste hätten wahrnehmen können, sei unzutreffend. Richtig sei vielmehr, dass im Schriftsatz vom 24. September 1998 noch weitere wichtige Sachargumente angeführt worden seien. Die Beklagte verletze auch nicht rechtsstaatliche Grundsätze, wenn sachgerechte Erwägungen eine generelle Änderung der bisher geübten Verwaltungsübung erforderten. Die zuständigen Stellen seien befugt gewesen, ab dem 1. Januar 1997 eine Warteliste einzuführen. Änderungen der Verwaltungsübung bzgl. der Einteilung von Ärzten zu den "mobilen Praxen" könnten von der Verwaltung in eigener Verantwortung - d.h. ohne förmliche Beschlussfassung der Schwäbischen Bezirksvertreterversammlung - durchgeführt werden. Die Einschaltung der Bezirksvertreterversammlung sei vielmehr zu dem Zweck erfolgt, die Änderung der Verwaltungsübung auf eine breitere Basis zu stellen und das Gremium in den Entscheidungsablauf einzubinden.

Hierauf haben die Klägervertreter nochmals mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2000 erwidert. § 9 NFDO a.F. unterscheide nicht zwischen ortsfester und wechselnder Notfallpraxis. Auch für den Betrieb der auf freiwilliger Basis beruhenden Notfallpraxen bestehe keine rechtliche Grundlage. Der Kläger gehe davon aus, dass die "Notfallpraxis" den Regelungen der NFDO unterlegen habe. Dementsprechend seien Dienste im Rahmen der Notfallpraxis mit dem "Zonendienst" gleichzubehandeln. Nachdem die Beklagte Anmeldungen zur Notfallpraxis bis zum entsprechenden Zeitpunkt ohne weiteres genehmigt habe, gleichzeitig eine Befreiung von jedem zweiten "Zonendienst" erfolgt sei, sei unter diesen Bedingungen die Aufstellung einer Warteliste willkürlich gewesen. Dem Kläger sei es nicht darum gegangen, eine entsprechende Entlastung beim "Zonendienst" zu erlangen, sondern bei der Einteilung zur Notfallpraxis berücksichtigt zu werden. Im Gegensatz zur Aufstellung einer Warteliste zur Teilnahme an der Notfallpraxis wäre eine Änderung der Befreiung vom "Zonendienst" für alle an der Notfallpraxis teilhabenden Ärzte zumutbar gewesen. Dies hätte für alle Beteiligten einen wesentlich geringeren Einschnitt an ihrem Teilhaberecht zur Folge gehabt.

Die Beklagte hat hierzu nochmals mit Schriftsatz vom 12. Februar 2001 Stellung genommen. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, die freiwillige Teilnahme an den wechselnden "Notfallpraxen" sei außerhalb des von der Beklagten organisierten vertragsärztlichen Bereitschaftsdienstes erfolgt. Bezüglich der Auslegung des § 9 NFDO a.F. sei klarzustellen, dass unter einer Notfallpraxis grundsätzlilch die ortsfeste Variante zu verstehen sei. Die Auslegung sei letztendlich unerheblich, da die Beklagte sowohl bei wechselnden "Notfallpraxen" als auch bei den echten ortsfesten Notfallpraxen aufgrund ihres Sicherstellungsauftrages die Teilnahme regeln und die Teilnahmekriterien einheitlich festlegen könne. Weiter sei festzustellen, dass eine Befreiung von der Teilnahme am vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst nach § 12 NFDO a.F. (bzw. § 8 der aktuellen Bereitschaftsdienstordnung) in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der früher praktizierten Verwaltungsübung stehe, die Teilnehmer an der mobilen allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... auf Antrag von jedem zweiten Zonendienst freizustellen. Der Kläger könne der Beklagten auch kein bestimmtes Verwaltungshandeln vorschreiben, da bei Vorliegen eines Beurteilungs- und Ermessenspielraumes es der Beklagten überlassen bleibe, welche von mehreren denkbaren Verwaltungsmaßnahmen sie ergreife. Entscheidend sei, dass ab dem Stichtag der geänderten Verwaltungsübung alle Personen gleich behandelt würden.

Der Klägervertreter stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. März 2000 aufzuheben und festzustellen, das der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 28. April 1998 rechtswidrig gewesen ist.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte (Az.: S 33 KA 921/98) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 60/00) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 9. März 2000 die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers (vgl. § 131 Abs.1 Satz 3 SGG) zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 1998, mit dem dem Kläger die Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis in den Jahren 1997 und 1998 verwehrt wurde, ist nicht zu beanstanden.

Die Fortsetzung des Rechtsstreits im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage im Sinne von § 131 Abs.1 Satz 3 SGG ist zulässig. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten - zuletzt bekräftigt im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht - dadurch hinreichend dargelegt, dass er aus der Verweigerung der Teilnahme an der Notfallpraxis in A ... und den deswegen entgangenen Einnahmen Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte vor den ordentlichen Gerichten geltend machen will.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Die Ermächtigungsgrundlage für die Errichtung und Durchführung eines vertragsärztlichen Notfalldienstes ergibt sich aus § 75 Abs.1 SGB V. Der in § 75 Abs.1 Satz 1 SGB V erteilte Auftrag an die Beklagte zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in dem in § 73 Abs.2 SGB V bezeichneten Umfang umfasst gemäß § 75 Abs.1 Satz 2 SGB V auch die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in den sprechstundenfreien Zeiten (= Notfalldienst). Die Beklagte kann aufgrund ihres Auftrages zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung den Notdienst im Rahmen ihrer Satzungsautonomie selbständig regeln (vgl. BSG, Urteil vom 12.10.1994 - 6 RKa 29/93, USK 94139).

Bei der Frage der Teilnahme am bzw. der Befreiung vom Notfalldienst ist grundlegend zwischen der Frage der grundsätzlichen Teilnahmeberechtigung ("ob") und der Einteilung der Teilnahmeberechtigten ("wann und wie") zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ergibt sich indirekt auch aus der Notfalldienstordnung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns. Gemäß § 12 der hier einschlägigen, bis 30. Juni 1999 geltenden Notfalldienstordnung (NFDO) bestand die Möglichkeit der grundsätzlichen Befreiung vom Notfalldienst aus bestimmten Gründen (§ 12 Abs.1 bis 3 der Notfalldienstordnung - NFDO -). Davon zu unterscheiden war die Nichteinteilung eines grundsätzlich teilnahmeverpflichteten Vertragsarztes gemäß § 12 Abs. 5 NFDO, die keine Befreiung im Sinne des Abs.1 darstellte.

Vorliegend streiten die Beteiligten allein um die generelle Berechtigung des Klägers, an der allgemeinärztlich-internistischen A ...er Notfallpraxis teilzunehmen. Dies hat der Kläger mit Schreiben vom 3. Februar 1997 ausdrücklich beantragt und dies ist ihm mit den streitgegenständlichen Bescheiden vom 10. Oktober 1997 und 28. April 1998 grundsätzlich verwehrt worden. Es geht also nicht um die von dem sogenannten "Ärztestammtisch" erfolgte Einteilung zwischen den grundsätzlich teilnahmeberechtigten Ärzten, so dass die umfangreichen Einwendungen des Klägervertreters hiergegen nicht einschlägig sind.

Nach der - hier anzuwendenden - vom 1. April 1993 bis 30. Juni 1999 geltenden Notfalldienstordnung war zu unterscheiden zwischen dem gemäß § 3 NFDO gebildeten Notfalldienst, zu dessen Teilnahme die niedergelassenen Vertragsärzte verpflichtet waren und sind. Daneben konnte die KVB gemäß § 8 NFDO einen sachgebietsbezogenen Notfalldienst und gemäß § 9 NFDO Notfallpraxen einrichten. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die in § 9 NFDO vorgesehene Notfallpraxis nur - wie die Beklagte nunmehr im Gerichtsverfahren meint - sogenannte "ortsfeste" Notfallpraxen meint oder auch ambulante Notfallpraxen umfasst. Nach dem Wortlaut wird jedenfalls nicht zwischen ortsfester und ambulanter Notfallpraxis unterschieden. Die Errichtung einer solchen vertragsärztlichen Notfallpraxis stand jedenfalls im Ermessen der Beklagten und konnte von daher als Variante des allgemeinen Notfalldienstes so ausgestaltet werden, dass die Teilnahme an der vertragsärztlichen Notfallpraxis auf freiwilliger Basis geschieht. Während beim Notfallpflichtdienst eine Verpflichtung des Vertragsarztes zur Teilnahme besteht, die mit einem entsprechenden Rechtsanspruch des Vertragsarztes auf Teilnahme korreliert (vgl. Hess in KassKomm § 75 Nr.26), besteht beim freiwilligen Notfalldienst ein Auswahlermessen der Beklagten.

Die Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Zulassung zur allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis durch Einführung einer Warteliste in Verbindung mit einem befristeten Aufnahmestopp ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Zum einen liegt kein Verstoß gegen Art.3 GG vor.

Das Verwaltungshandeln der Beklagten wird durch den Gleichheitssatz des Art.3 GG insoweit gebunden, als ihr Handlungsspielräume zustehen. Solche Handlungsspielräume bestehen etwa bei Ermessensentscheidungen. In Fällen, in denen die Verwaltung nach ihrem Ermessen vorzugehen berechtigt ist, bleibt sie immer an die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze, wie das Willkürverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden (BVerfGE 18, 353, 263; 48, 210, 216; 49, 168, 184). Welche materiellen Schranken das im allgemeinen Gleichheitssatz enthaltene Willkürverbot dem staatlichen Handeln zieht, lässt sich angesichts der Vielfalt möglicher Lebenssachverhalte abstrakt nicht mehr erschöpfend beschreiben. Erst wenn Gesetzlichkeiten, die in der Sache selbst liegen, und die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft missachtet werden, liegt ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Dabei enthält die verfassungsgerichtliche Feststellung von Willkür keinen subjektiven Schuldvorwurf, sondern ist in einem objektiven Sinne zu verstehen. Entscheidend ist die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der Situation, derer sie Herr werden soll (vgl. BVerfGE 42, 64, 73 m.w.N.). Art.3 Abs.1 GG ist erst dann verletzt, wenn das Verwaltungshandeln unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt mehr vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dies kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat sich bei dem befristeten Aufnahmestopp zur Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... von sachgerechten Überlegungen leiten lassen. Vor dem Hintergrund der hohen Teilnehmerzahl (49 Teilnehmer) an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... hatte sich die Frequenz der Diensteinteilungen auf mittlerweile nur noch einen Wochenenddienst pro Jahr reduziert, während die Frequenz in den einzelnene Zonendiensten (§ 3 NFDO) aufgrund der verwaltungsmäßig praktizierten Befreiung der Teilnehmer der Notfallpraxis von jedem zweiten Zonendienst angestiegen war. Dies hatte zu einer Benachteiligung insbesondere der mitgliederarmen Notfalldienstzonen geführt, deren Mitglieder nunmehr unverhältnismäßig mehr Dienste als früher durchzuführen hatten. Diesem zunehmenden Ungleichgewicht bei der Dienstbelastung musste durch geeignete Maßnahmen seitens der Beklagten entgegengesteuert werden, um wieder eine annähernd ausgewogene Dienstbelastung in den genannten Bereichen herzustellen. Hierfür boten sich der Beklagten insbesondere zwei Maßnahmen an, zum einen die von der Beklagten gewählte Begrenzung der Teilnehmerzahl der Notfallpraxis, zum anderen die von der Klägerseite bevorzugte Aufhebung der Befreiung von jedem zweiten Zonendienst. Vor diese Alternative gestellt, kann die Entscheidung der Beklagten für eine Begrenzung der Teilnahme an der Notfallpraxis A ... nicht als willkürlich angesehen werden. Das Gericht hat dabei nicht zu prüfen, ob die Beklagte die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gewählt hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte grundsätzlich verpflichtet ist, den Notfalldienst so zu organisieren, dass durch ihn alle dafür in Betracht kommenden Ärzte möglichst gleichmäßig belastet werden. Der einzelne Arzt hat einen Anspruch darauf, dass er, soweit die Umstände dies erlauben, nicht in stärkerer Weise als andere Ärzte in gleicher Lage zum Notfalldienst herangezogen wird. Insbesondere darf ihm eine Freistellung vom allgemeinen Notfalldienst nicht verweigert werden, wenn er an einem freiwilligen Notfalldienst teilnimmt (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 1980, 6 RKa 8/78, USK 8055). Eine Verletzung des Gleichheitssatzes folgt schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung. Die Verwaltung kann zwar, wenn sie ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt hat, von dieser Verwaltungspraxis in einem Einzelfalle ohne besondere sachliche Rechtfertigung nicht abweichen. Es ist aber eine generelle Änderung für die Zukunft möglich (vgl. BVerfGE 44, 72, 74 f.). Die Beklagte hat zwar vor der Entscheidung über den Antrag des Klägers offensichtlich alle Ärzte, die an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... teilnehmen wollten, auch zugelassen. Sie hat aber diese Verwaltungspraxis ab dem Antrag des Klägers generell für die Zukunft geändert. Die hierfür von der Beklagten vorgetragenen Gründe sind als hinreichend sachgerecht anzusehen.

Die Einführung einer Warteliste für die Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... verstößt auch nicht gegen Art.12 GG. Die Einführung der Warteliste begrenzt nicht die stärker geschützte Freiheit der Berufswahl im Sinne des Art.12 Abs.1 GG, sondern lediglich die Berufsausübung. Zur Legitimation von Berufsausübungsregelungen bedarf es je nach Gewicht des Eingriffs unterschiedlich gewichtiger rechtfertigender Gründe. Dabei sind an sogenannte berufswahl- nahe Ausübungsregelungen erhöhte Anforderungen zu stellen und an statusrelevante höhere als an nicht statusrelevante (zur Frage der Statusrelevanz vgl. zusammenfassend Urteil des Bundessozialgerichts vom 1. Juli 1998 - B 6 Ka 27/97 R-, MedR.1999, 476, 478; dann auch: BSG SozR 3-2500 § 72 Nr.8 S. 20 ff. BSG SozR 3-2500 § 72 Nr.11 S. 30 f., BSG, Urteil vom 6. September 2000, Az: B 6 KA 36/99 R).

Während bei statusrelevanten Berufsausübungsregelungen die für die Grundrechte wesentlichen Entscheidungen im Gesetz selbst zu treffen sind, erfordert die Normierung nicht statusrelevanter Berufsausübungsregelungen keine besonderen Vorgaben im förmlichen Gesetz. Diese sind im weiteren Umfang dem untergesetzlichen Normsetzer überlassen. Diesem ist eine weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Auch nicht statusrelevante Berufsausübungsregelungen untergesetzlicher Normgeber müssen aber wie alle Eingriffe in das Grundrecht des Art.12 Abs.1 GG durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dabei sind die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu beachten. Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet sowie erforderlich sein und bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit für die Betroffenen gewahrt werden. Es ist vorrangig die Aufgabe des Normsetzers, zu entscheiden, ob und welche Maßnahme er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Ihm ist ein Beurteilungsspielraum sowohl bei der Gewichtung widerstreitender Belange als auch bei deren Abwägung eingeräumt. Daraus folgt, dass die Gerichte erst einschreiten können, wenn die Berufsausübungsregelung bezogen auf das ihr zugrundeliegende Gemeinwohlziel schlechthin ungeeignet, eindeutig nicht erforderlich oder auch bei Anerkennung eines Beurteilungsspielraums unzumutbar ist (vgl. BVerfGE 99, 341, 353).

Nach diesen Grundsätzen ist die von der Beklagten eingeführte Warteliste zur Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis nicht zu beanstanden. Die Warteliste stellt lediglich eine nicht statusrelevante Berufsausübungsregelung von sehr geringer Eingriffsintensität dar. Die Teilnahme des Klägers am Notfallpflichtdienst wurde in keiner Weise berührt, lediglich die Teilnahme des Klägers an der freiwilligen Notfallpraxis in A ... wurde zeitlich verzögert gewährt. Dies kann aber nicht zur Qualifizierung eines statusrelevanten Eingriffes führen, da nur ein ganz geringer Teilbereich der ärztlichen Gesamttätigkeit des Klägers betroffen ist und diese Beschränkung auch nur - voraussehbar kurz - befristet war. Dem Kläger gingen durch seine hinausgezögerte Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis in A ... unter Anwendung der allgemeinen Regeln lediglich zwei Wochenenddienste verloren. Der geänderten Verwaltungspraxis der Klägerin lagen entsprechend den Anforderungen an Berufsausübungsregelungen ausreichende Gründe des Gemeinwohls zugrunde und diese sind auch verhältnismäßig. Die Einführung der Warteliste diente der Sicherstellung der gleichmäßigen notfallärztlichen Versorgung der versicherten Bevölkerung, somit der Gesundheit von Menschen und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl. BSGE 82, 55, 61 = SozR 3-2500 § 135 Nr.9 S.43; BSG SozR 3-2500 § 72 Nr.8 S.22; - jeweils mit BVerfG-Angaben). Anhaltspunkte dafür, dass die neuen Regelungen, bezogen auf das maßgebliche Gemeinwohlziel des Gesundheitsschutzes, schlechthin ungeeignet oder eindeutig nicht erforderlich sein könnten, sind nicht erkennbar. Die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 49 Teilnehmer und Einführung einer Warteliste war geeignet und erforderlich, um eine in etwa gleichmäßige Belastung der Vertragsärzte mit Notfalldiensten zu gewährleisten und ein "Ausbluten" des Notfallpflichtdienstes gemäß § 3 NFDO a.F. durch zu viele Befreiungen für Teilnehmer an der Notfallpraxis A ... zu verhindern. Die Maßnahme war für den Kläger auch zumutbar, weil er - wie bereits dargestellt - durch die verzögerte Teilnahme an der Notfallpraxis in A ... nur zwei Wochenenddienste verloren hat. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der ärztliche Notfalldienst in erster Linie dem Interesse der versicherten Bevölkerung und nicht etwa der Kassenärzteschaft oder eines einzelnen Kassenarztes, Patienten behandeln zu können und daraus Einkünfte zu erzielen, dient (vgl. hierzu Urteil des Bayerichen Landessozialgerichts vom 11. März 1992- L 12 Ka 51/91 in E-LSG KA 002).

Die von der Beklagten erfolgte Einschränkung der vom Kläger beabsichtigten Teilnahme an der allgemeinärztlich-internistischen Notfallpraxis genügt auch dem gesetzlichen Regelungsvorbehalt, denn sie lässt sich auf gesetzliche Normen, nämlich §§ 75 Abs.1 Satz 2 SGB V, 9 NFDO a.F. zurückführen, die in ihrer Gesamtschau und der dargestellten Auslegung ihrerseits dem gesetzlichen Regelungsvorbehalt genügen (vgl. BVerfGE 54,237, 247).

Insgesamt ist daher die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. März 2000 zurückzuweisen.

Satz 2 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen unterlegen ist.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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