L 12 KA 80/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 42 KA 358/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 80/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung einer Honorarausgleichszahlung für das 3. Quartal 1996 nach der Härtefallregelung in Anlage 4 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) 96.

Die Kläger nahmen im streitigen Zeitraum als Radiologen in Sch ... an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Laut Honorarbescheid vom 16. Januar 1997 wurde ihnen für das 3. Quartal 1996 ein Honorar von DM 366.745,96 vergütet. Im entsprechenden Vorjahresquartal 3/95 betrug das Gesamthonorar im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung laut den Bescheiden vom 17. Januar 1996 und 17. April 1996 DM 422.810,96. Den Antrag der Kläger vom 12. Februar 1997 auf Gewährung einer Honorarausgleichszahlung nach Anlage 4 zum HVM 96 lehnte die Beklagte nach umfangreichem Schriftwechsel mit Bescheid vom 13. August 1997 ab. Es liege keine unbillige Härte vor, weil das Gesamthonorar im 3. Quartal 1996 das Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 3/95 nicht um mehr als 15 % unterschreite.

Ihren dagegen eingelegten Widerspruch vom 19. August 1997 begründeten die Bevollmächtigten der Kläger damit, dass beim Gesamthonorar auch die Privatpatienteneinnahmen hinzugerechnet worden seien.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine unbillige Härte liege u.a. dann vor, wenn im Vergleich zum Vorjahr eine Honorarunterschreitung vom mehr 15 % vorliege. Vorliegend betrage die Honorarunterschreitung im Quartal 3/96 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal 3/95 13,26 % (Gesamthonorar im Quartal 3/96: DM 366.745,36; Gesamthonorar im Vergleichsquartal 3/95: DM 422.810,96; Differenz: DM 56.065,60).

Gegen diesen Bescheid ließen die Kläger am 20. Februar 1998 Klage zum Sozialgericht München erheben (Az.: S 42 KA 358/98). Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Gesamthonorare fallzahlbezogen zu berechnen seien. Im 3. Quartal 1995 hätten die Kläger bei 2520 Behandlungsfällen ein Honorar von DM 422.917,84 erhalten, was einem Gesamthonorar pro Behandlungsfall von DM 167,82453 entspreche. Im 3. Quartal 1996 hätten sie bei 2774 Behandlungsfällen ein Honorar von DM 366.745,36 erhalten, was einem Gesamthonorar pro Behandlungsfall von DM 132,20813 entspreche. Hieraus errechne sich ein Rückgang pro Behandlungsfall in Höhe von DM 35,6164 bzw. um 21,222404 %. Damit stehe fest, dass eine Überschreitung von mehr als 15 % gegeben sei. Eine Ausgleichszahlung müsse sich daher wie folgt berechnen: 2774 Behandlungsfälle im 3. Quartal 1996 x DM 167,82453 = DM 465.545,24, hierauf erhalten DM 366.745,36, Ausgleichszahlung somit DM 98.799,88.

In der mündlichen Verhandlung beantragten die Bevollmächtigten der Kläger, den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Januar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Klägern eine Honorarausgleichzahlung für das 3. Quartal 1996 in Höhe von DM 98.799,88 zuzuerkennen und zur gesamten Hand an die Kläger nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Oktober 1997 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Sie vertrat in ihrer Klageerwiderung vom 26. April 1999 die Auffassung, dass die Kläger allenfalls einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hätten. Ihre Entscheidung sei jedoch ermessensfehlerfrei erfolgt, weil schon die Voraussetzungen für die Annahme einer unbilligen Härte nicht vorlägen. Das Gesamthonorar der Kläger für das streitbefangene Quartal unterschreite das Gesamthonorar für das Vorjahresquartal 3/95 nicht um mehr als 15 %, sondern nur um 13,26 %.

Mit Urteil vom 28. April 1999 wies das Sozialgericht die Klage ab. Diese Entscheidung stützte es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Die Beklagte habe zu Recht die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung auf der Grundlage der sogenannten Härtefallregelung nach Anlage 4 ihre HVM abgelehnt. Die dort geforderte Vergütungsminderung um mehr als 15 % liege nicht vor. Das Gesamthonorar habe im 3. Quartal 1995 DM 422.810,96 sowie im 3. Quartal 1996 DM 366.745,36 betragen. Damit liege eine Honorarminderung von weniger als 15 % vor. Auf den Anstieg der Fallzahl komme es nicht an. Eine Gegenüberstellung der tatsächlichen Honorare bei Bereinigung einer Fallkostensteigerung lasse der Wortlaut der Anlage 4 nicht zu. Die Auslegung und Anwendung der Beklagten verstosse auch nicht gegen höherrangiges Recht. Die Anknüpfung an die Honorarhöhe sei keine willkürliche Benachteiligung. Der Gedanke der Typisierung und Pauschalierung anhand typischer Sachverhalte lasse die Heranziehung der Honorarhöhe als Vergleichskriterium sachgerecht erscheinen.

Gegen das am 16. Juli 1999 zugestellte Urteil haben die Kläger am 16. August 1999 Berufung einlegen lassen. Diese wird - wie das Klageverfahren - damit begründet, dass bei dem Begriff "Gesamthonorar" das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal "Fallzahlbezogenheit" mit hinzuzulesen und zu berücksichtigen sei. Anders könne nicht beurteilt werden, ob der Honorarrückgang auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen sei. Das fallzahlbezogene Gesamthonorar der Kläger für das Quartal 3/95 habe bei 2520 Behandlungsfällen DM 167,82453 pro Behandlungsfall betragen. Demgegenüber betrage das fallzahlbezogene Gesamthonorar im 3. Quartal 1996 bei 2774 Behandlungsfällen lediglich DM 132,20813 pro Behandlungsfall. Das Gesamthonorar pro Behandlungsfall sei demnach absolut um DM 35,6164 zurückgegangen, was einem prozentualen Rückgang um 21,222404 % entspreche. Hieraus errechne sich, wie in der Klageschrift dargetan, eine Ausgleichszahlung von DM 98.799,88. Dieser Betrag sei im Rahmen der vorliegenden Härtefallregelung zu gewähren. Der Honorarrückgang sei auch auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen. Die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung der Gemeinschaftspraxis der Kläger seien ausgeschöpft worden. Weitere Einsparungen bei Personalaufwand und den sonstigen betrieblichen Aufwendungen, wie Zinsen, seien nicht möglich. Es liege nicht nur die nachgewiesene unbillige Härte vor, sondern die Ausgleichszahlung sei auch aus Gründen der Sicherstellung des vertragsärztlichen Versorgungsauftrags erforderlich. Der Verlust aus der vertragsärztlichen Tätigkeit (ohne Privatpatientenabrechnung) habe 1995 bei DM 237.501,56 und 1996 bei DM 301.940,22 gelegen. Der Sicherstellungauftrag im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung erfordere, dass im Jahre 1996 wenigstens annähernd kostendeckend gearbeitet werden könne. Es sei deshalb auch aus diesem Grunde die begehrte Ausgleichszahlung zu gewähren.

Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2001 haben die Bevollmächtigten Unterlagen über die Berechnung der Honorarausgleichszahlung durch die Beklagte, betreffend die Quartale 1/96 und 2/96, sowie die Durchführungsrichtlinien des Vorstands vorgelegt. Sie sehen die Berechnungen als Beleg dafür an, dass ihre Argumentation eines fallzahlbezogenen Vergleichs der Quartale 3/95 und 3/96 zutreffend sei. Die Härtefallregelung sei von der Bezirksstelle Mittelfranken in den Quartalen 1/96 und 2/96 entsprechend gehandhabt worden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. April 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 12. Januar 1998 aufzu- Klägers auf Honorarausgleichszahlung für das Quartal 3/96 nach der Härtefallregelung der Anlage 4 zum HVM 96 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte (Az.: S 42 KA 358/98) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 80/99) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Kläger ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. August 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 12. Januar 1998 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat deshalb die dagegen erhobene kombinierte Anfechtung- und Verpflichtungsklage zurecht abgewiesen. Es geht zutreffend davon aus, dass die Kläger die Voraussetzung der Ziffer 2 a der Anlage 4 zum HVM 96 nicht erfüllen, da der Rückgang des Gesamthonorars im Vergleich 3. Quartal 1995 zum 3. Quartal 1996 nicht mehr als 15 %, sondern lediglich 13,26 % beträgt. Sie haben deshalb weder einen Anspruch auf Honorarausgleichszahlung, wie im Klageverfahren beantragt, noch einen Anspruch auf Neuverbescheidung wegen fehlerhafter Ermessensausübung, wie dies nunmehr auf entsprechenden Hinweis durch den Senat im Berufungsverfahren beantragt wird.

Der Senat hat mit Urteilen vom 23. Februar 2000, Az.: L 12 KA 102/98, und 12. April 2000, Az.: L 12 KA 85/98, die Anlage 4 zum HVM 96 für rechtmäßig angesehen. Die dagegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerden wurden vom Bundessozialgericht mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2000, Az.: B 6 KA 56/00 B, und vom 30. Januar 2001, Az.: B 6 KA 45/00 B, verworfen. Der Senat hat außerdem mit Urteil vom 24. Mai 2000, Az.: L 12 KA 161/98, Seite 14 ff., zur Auslegung des Begriffs "Gesamthonorar" in Ziffer 2 a der Anlage 4 zum HVM 96 Stellung genommen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Ziffer 2 a der Anlage 4 zum HVM 96 sieht für die Prüfung einer Honorarunterschreitung von mehr als 15 % einen Vergleich des Gesamthonorars des Arztes in einem Quartal des Jahres 1996 mit dem Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 1995 vor. Damit ist ein Vergleich der tatsächlich gezahlten Gesamthonorare auf der Grundlage der Summe der Abschlagszahlungen bzw. der Feststellungen in den Honorarbescheiden gemeint. Dies ergibt sich aus Ziffer 3 der Anlage 4 zum HVM 96, in der der Begriff des Gesamthonorars als das in den Honorarbescheiden der Beklagten anerkannte Honorar definiert ist.

Soweit die Bevollmächtigten der Kläger im vorliegenden Verfahren meinen, dass ein fallzahlbezogenes Gesamthonorar zu ermitteln ist, gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Auch die Verwaltungspraxis der Beklagten geht - entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten - nicht von einem fallzahlbereinigten Gesamthonorar aus. Aus den von den Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 vorgelegten Berechnungsunterlagen der Beklagten für die Quartale 1/96 und 2/96 sowie den ebenfalls vorgelegten Durchführungsrichtlinien des Vorstand ergibt sich nichts gegenteiliges. Die Patientenzahl bzw. deren Rückgang wird nur im Rahmen der Prüfung der Ziffer 2 b der Anlage 4 zum HVM 96 ermittelt, nämlich bei der Frage, ob der Honorarrückgang auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen ist und nicht auf andere Ursachen, z.B. Rückgang der Patientenzahlen (vgl. dazu Kennziffer 1 und 6 = Buchstabe g und l der Berechnungen; Nr.5 der Durchführungslinien). Das Gesamthonorar des jeweils beantragten Quartals und des Bezugsquartals 1995 wurde aus den Honorarbescheiden (bereinigt um die Nachträge aus den Vorquartalen) sowie den Nachträgen in den Honorarbescheiden der folgenden Quartale übernommen (vgl. dazu Kennziffer 4 = Buchstabe j der Berechnungen; Nr.7 der Durchführungslinien): 1/96 DM 423.359,84, 1/95 DM 553.264,08 (Honorarrückgang 23,48 %); 2/96 DM 360.515,51, 2/95 DM 431.769,51 (Honorarrückgang 16,5 %). Im Gegensatz zum hier streitigen Quartal 3/96 waren demnach in den Quartalen 1/96 und 2/96 die Voraussetzungen der Ziffer 2 a der Anlage 4 zum HVM 96 erfüllt.

Aus diesen Gründen ist die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. April 1999 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes und beruht auf der Erwägung, dass die Beklagte auch im Berufungverfahren obsiegt hat.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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