L 12 KA 85/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 1218/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 85/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Februar 1998 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger im Quartal 1/96 eine Honorarausgleichszahlung gemäß der ab 1. Januar 1996 geltenden Anlage 4 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der Beklagten zuzuerkennen ist. Der Kläger war im 1. Quartal 1996 in München als Augenarzt niedergelassen und nahm an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Die Beklagte hat dem Kläger im Juli 1996 für das Quartal 1/96 mit der 4. Abschlagszahlung 72.000,00 DM gewährt und zugleich mitgeteilt, dass für das 1. Quartal 1996 zunächst keine Honorarbescheide erteilt würden. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 09. August 1996 "Widerspruch" eingelegt. Die Abschlagszahlung von DM 72.000,00 sei völlig inakzeptabel, da sie genau um 20,12 % unter dem bereits miserablen Abrechnungsergebnis aus dem Vergleichsquartal 1/95 liege. Der extrem reduzierten Abrechnung für 1/96 stehe eine deutliche Scheinzahlsteigerung um ca. 2 % gegenüber (Behandlungsausweise 1/95: 1.584, Behandlungsausweise 1/96: 1.616). Somit ergebe sich insgesamt eine um 22,12 % reduzierte Abrechnung im Quartal 1/96 gegenüber Quartal 1/95. Dieser Reduktion stehe eine Reduktion von lediglich 4,28 % im Bereich der Betriebsausgaben gegenüber (Hinweis auf Anlage mit Stellungnahme der Steuerkanzlei ... Er erwarte zumindest eine Honorarnachzahlung von ca. 18 %, da durch diese unbillige Härte die wirtschaftliche Existenz der Praxis auf dem Spiel stehe. Die Beklagte hat dieses Schreiben als Antrag auf Gewährung einer Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 des ab 1. Januar 1996 geltenden HVM ausgelegt.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 1996 hat die Beklagte diesen Antrag abgelehnt. Bezüglich der Bearbeitung von Härtefallanträgen habe sie entsprechende Durchführungsbestimmungen festgelegt. Danach habe die Praxis die Höhe ihrer für das Veranlagungsjahr 1995, ersatzweise 1994, geltend gemachten Praxiskosten/Betriebsausgaben in Form einer Einnahmen-Überschussrechnung nachzuweisen, die entweder vom Finanzamt oder vom Steuerberater zu bestätigen sei. Zu den Einnahmen gehörten auch die Einkünfte aus Privatliquidationen, die gleichfalls entsprechend zu belegen seien. Die Anwendung der Härtefallregelung setze die Erfüllung der genannten Bedingungen voraus. Nachdem die geforderten Unterlagen nicht oder nur zum Teil vorlägen, könne dem Antrag auf Anerkennung eines Härtefalles nicht stattgegeben werden. Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 1996 Widerspruch eingelegt. Er habe detailliert die Praxisunkosten durch die Steuerkanzlei nachgewiesen, die Vorlage seiner gesamten Bilanz würde der Beklagten auch Einblick in private Vermögensverhältnisse ermöglichen, was seines Erachtens nicht hinnehmbar sei.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1997 den Widerspruch zurückgewiesen. Die in Frage stehende Härtefallregelung EBM-96 gemäß der Anlage 4 zum HVM gelte erstmals für die Abrechnung des 1. Quartals 1996. Danach könne die Beklagte einem zugelassenen Arzt für die Quartale des Jahres 1996 eine Honorarausgleichszahlung zuerkennen, wenn die auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für die ärztlichen Leistungen in der jeweiligen Fassung vorzunehmende Honorarverteilung nach den Anlagen 1 und 2 zu einer unbilligen Härte führe und Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erforderten. Nach der Nr.2 der Anlage 4 zum HVM liege eine unbillige Härte nur vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorlägen: a) Im Vergleich zum Vorjahresquartal müsse eine Honorarunterschreitung von mehr als 15 % vorliegen, b) dieser Honorarrückgang müsse auf die Auswirkungen des EBM-96 zurückzuführen sein und c) die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in der Praxis müssten erschöpft sein. Nach der Nr.4 der Anlage 4 zum HVM obliege es dabei dem Arzt, die Betriebskosten seiner Praxis zur Prüfung der Voraussetzungen nach Anlage 4 Nr.2c darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen. Die Beklagte habe festgelegt, dass die Praxis die Höhe ihrer für das Veranlagungsjahr 1995 geltend gemachten Praxiskosten/Betriebsausgaben in Form einer EinnahmenÜberschussrechnung nachzuweisen habe, die vom Finanzamt oder Steuerberater bestätigt sei. Die weiter für eine Honorarausgleichszahlung notwendigen Sicherstellungsgründe lägen nur vor, wenn die Praxis in ihrer Existenz gefährdet sei und damit Patienten (vorübergehend) nicht mehr von ihrem Arzt betreut würden. Auch aus dieser Erwägung heraus rechtfertige sich die vom Vorstand der Beklagten begründete Pflicht zur Vorlage der Einnahmen-Überschussrechnung einschließlich der Einnahmen durch Privatpatienten, denn ohne diese Angaben könne die für einen Härtefall erforderliche existentielle Gefährdung der Praxis nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus handele es sich bei der Härtefallregelung nach der Anlage 4 zum HVM um eine Ermessensvorschrift. Da eine positive Entscheidung für einen Arzt auf Anerkennung eines Härtefalls gleichzeitig eine belastende Entscheidung für alle anderen Vertragsärzte darstelle, müsse die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung Kriterien festlegen, die Grenzen für Honorarausgleichszahlungen setzen. Diese Grenze könne nur die wirtschaftliche Bedürftigkeit des antragstellenden Arztes sein, zu deren Beurteilung die wirtschaftliche Gesamtsituation einschließlich der Privateinnahmen erforderlich sei. Wenn der antragstellende Arzt nicht bereit sei, diese Einnahmen der Beklagten gegenüber offen zu legen, könne er auch nicht erwarten, zu Lasten der übrigen Vertragsärzte zusätzliche Honorarzahlungen zu erhalten. Da die demnach erforderlichen Unterlagen (Einnahmen-Überschussrechnung) vollständig weder im Antragsverfahren noch im Widerspruchsverfahren beigebracht worden seien, sei der Antrag mangels Nachprüfbarkeit der Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung gemäß Nr.2c der Anlage 4 zum HVM bzw. mangels Feststellbarkeit der Voraussetzung nach der Nr.1 der Anlage 4 zum HVM (Sicherstellungsgründe) zurückzu- weisen.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht (SG) München vom 10. November 1997. Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1997 haben die Klägervertreter vorgetragen, dass der Beklagten durchaus die Feststellung möglich gewesen wäre, dass eine weitere Betriebskostenreduzierung nicht möglich sei. Ihr lägen einerseits die Betriebskosten vor, andererseits wisse sie aus ihrer eigenen Abrechnung, wie hoch die Fallzahlen seien. Hieraus ergebe sich, dass bei einer kurativ-ambulanten Gesamtfallzahl von 1.561 Fällen auch ohne Berücksichtigung der Privatpatienten schon mit minimiertem Mitteleinsatz eine vergleichsweise hohe Fallzahl zu bewältigen sei. Auch für die Frage der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung sei eine Gesamtbilanz unter Einbeziehung der Privatpatienten nicht erforderlich. Schon aus den vorgelegten Zahlen sei zu erkennen, dass unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Fortführung der Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen sehr zweifelhaft sei. Auch wenn ein gewisser Ausgleich durch die Behandlung von Privatpatienten erfolge, ändere dies nichts daran, dass aufgrund der Kostenstruktur die Weiterbehandlung von Kassenpatienten in Frage gestellt sei. Aus den genannten Gründen sei also eine Vorlage einer Gesamtbilanz nicht erforderlich und eine deshalb erfolgende Ablehnung der Härtefallregelung verstoße gegen das Übermaßverbot.

Das SG hat mit Urteil vom 25. Februar 1998 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe in der Sache in nicht zu beanstandender Weise entschieden. Die Kammer stütze sich insoweit auf den überzeugenden Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 22. September 1997. Der Kläger hätte die von der Beklagten zu Recht nach ihrem weiten Ermessen geforderten Unterlagen in der geforderten Form vorlegen müssen.

Hiergegen richtet sich die Berufung vom 10. Juli 1998 zum Bayerischen Landessozialgericht, die mit Schriftsatz vom 2. Dezember 1998 näher begründet wurde. Es sei von der Beklagten ermessensfehlerhaft, die Härtefallregelung von der Vorlage der Einnahmen durch die Privatpatienten abhängig zu machen. Die Einbeziehung der Privatpatienten bedeute eine unzulässige Vermischung verschiedener Einnahmen und führe zu einer Begünstigung der Kassenpatienten zu Lasten der Privatpatienten. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation könne nur durch eine Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben, die aufgrund der Behandlung von Kassenpatienten erzielt würden, beurteilt werden. Die Voraussetzungen nach der Nr.2 der Anlage 4 zum HVM (Vorliegen einer unbilligen Härte) seien erfüllt. Im Vergleich zum Vorjahr sei eine Honorarunterschreitung von 26 % beim gleichzeitigen Anstieg der Scheinzahlen um 2 % gegeben. Das Abrechnungsergebnis im Vergleichsquartal 1/95 habe bei DM 90.130,29 gegenüber DM 66.594,62 im Quartal 1/96 gelegen. Der Honorarrückgang sei auf die Auswirkungen des EBM-96 zurückzuführen, denn die Scheinzahl sei im gleichen Zeitraum um 2 % gestiegen und die abzurechnenden Behandlungen seien gleich geblieben. Die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in der Praxis seien vollständig erschöpft. Der Kläger habe bereits zwei auf 630,00-DM Basis beschäftigte Kräfte entlassen müssen. Zum 1. Oktober 1998 sei eine Heraufsetzung der Miete von DM 3.150,00 auf DM 3.490,00 erfolgt. Weiter würde der in der Praxis aufgestellte Cola-Automat nicht mehr nachgefüllt, an die Kinder würden keine Süßigkeiten mehr verteilt und für die kleinen Patienten würde kein neues Spielzeug mehr angeschafft. Rezepte müssten von den Patienten selbst abgeholt werden, sie würden nicht mehr verschickt. Die Praxis würde auch nicht mehr, wie früher, alle zwei Jahre gestrichen. Die Existenz der Praxis sei gefährdet, da der durchschnittliche Vergütungssatz pro Behandlung unter DM 50,00 liege. Als Zeugen hierfür würden Dr ... als Obmann des Berufsverbandes der Augenärzte und Dr ... angeboten. Auch in diesem Zusammenhang müsse unberücksichtigt bleiben, ob möglicherweise die existentielle Gefährdung der Praxis durch andere Einnahmen aufgefangen werde, da die Härtefallregelung der Beklagten zur Absicherung der Behandlung der Kassenpatienten diene, denn gerade diese müsse sichergestellt werden. Da die Voraussetzungen der Härtefallregelung zum EBM-96 Anlage 4 erfüllt seien, die Beklagte aufgrund vorhandener Vermögens- und Rücklagenbildung zu Honorarausgleichszahlungen fähig sei, ohne andere Vertragsärzte zu benachteiligen, ergebe sich eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dem Kläger die Honorarausgleichszahlung zu gewähren. Zum Beweis hierfür wird die Vorlage der Bilanzen und der Unterlagen zur Vermögens- und Rücklagenbildung durch die Beklagte angeregt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. Februar 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag des Klägers vom 09. August 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt nochmals vor, dass eine Härtefallzahlung an den einzelnen Arzt zugleich eine belastende Entscheidung für alle übrigen Vertragsärzte darstelle. Deshalb sei im Rahmen der Autonomie zur Gestaltung des HVM die wirtschaftliche Bedürftigkeit als Kriterium für eine Härtefallausgleichszahlung nach Anlage 4 des HVM gewählt worden. Für die Beurteilung der Bedürftigkeit des Klägers könne aber nur die wirtschaftliche Gesamtsituation inklusive der Privateinnahmen maßgeblich sein. Diese könne verläßlich nur durch eine Einnahmen-Überschussrechnung belegt werden. Wenn der Kläger nicht bereit sei, seine Einnahmen durch eine Einnahmen-Überschussrechnung zu belegen, könne er auch nicht erwarten, eine Härtefallzahlung zu erhalten.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten, die Klageakte (Az.: S 32 KA 1218/97) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 85/98) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegt und gemäß § 143 SGG auch statthaft. Die Klage betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG. Aus den Umständen des Falles ergibt sich, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM übersteigt. Im Klageantrag wird zwar kein bestimmter Geldbetrag als Ausgleichszahlung gefordert, im Widerspruchsverfahren hat der Kläger aber deutlich gemacht, dass er eine Nachzahlung von ca. 18 % seines Gesamthonorars im Quartal 1/96 (= 68.162,35 DM) erwartet. Aus der Nr.5 der Anlage 4 zum HVM-96 geht zudem hervor, dass die Honorarausgleichszahlung bis zur Höhe der Differenz zwischen dem für das antragsgegenständliche Quartal nach den Anlagen 1 und 2 anerkannten Honorar und dem entsprechenden Honorar des Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal 1995 zuerkannt werden kann.

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Urteil des SG vom 25. Februar 1998 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 1997 sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger eine Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 zum HVM zu gewähren, weil bislang schon die Grundvoraussetzungen für eine diesbezügliche Ermessensentscheidung der Beklagten (Vorliegen einer unbilligen Härte einerseits und Erfordernis der Ausgleichszahlung aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung andererseits) fehlen.

Nach der Nr. 1 Satz 1 der Anlage 4 (Härtefallregelung EBM-96) zum HVM kann der Vorstand der KVB einem zugelassenen Arzt für die einzelnen Quartale des Jahres 1996 eine Honorarausgleichszahlung zuerkennen, wenn die auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für ärztliche Leistungen in der jeweils geltenden Fassung vorzunehmende Honorarverteilung nach den Anlagen 1 und 2 zu einer unbilligen Härte führt und Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erfordern. Nach der Nr. 2 liegt eine unbillige Härte vor, wenn a) das Gesamthonorar des Arztes in einem Quartal des Jahres 1996 sein Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 1995 um mehr als 15 % unterschreitet, b) dieser Honorarrückgang auf die Auswirkungen des EBM-96 zurückzuführen ist und c) die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in dieser Praxis erschöpft sind. Nach der Nr. 4 obliegt es dem Arzt, die Betriebskosten seiner Praxis zur Prüfung der Voraussetzungen nach der Nr.2 c darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen. Nach der Nr. 5 kann die Honorarausgleichszahlung bis zur Höhe der Differenz zwischen dem für das antragsgegenständliche Quartal nach den Anlagen 1 und 2 anerkannten Honorar und dem entsprechenden Honorar des Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal 1995 zuerkannt werden. Gemäß der Nr. 6 wird die Honorarausgleichszahlung auf Antrag gewährt. Das Nähere, insbesondere zum Verfahren einschließlich der Zuständigkeit für die Entscheidung, regelt der Vorstand der KVB. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Vorstand der Beklagten in Auslegung und Anwendung der vorgenannten Bestimmungen der Anlage 4 zum HVM verlangt, dass ein Antragsteller eine vom Finanzamt oder Steuerberater bestätigte Einnahmen-Überschussrechnung für das Jahr 1995 (ersatzweise 1994) vorzulegen hat, die die gesamten Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit enthält.

Sowohl die Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung über die Ausgleichszahlung gemäß Anlage 4 zum HVM der Beklagten wie auch die Ermessensentscheidung selbst können nur bei Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen des Klägers sachgerecht geklärt bzw. getroffen werden. Die Ermessensentscheidung der Beklagten setzt zum einen das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne der Nr.1 Satz 1 in Verbindung mit der Nr. 2 der Anlage 4 zum HVM voraus. Das Vorliegen einer unbilligen Härte hängt u.a. davon ab, dass die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in der Praxis des Klägers erschöpft sind. Soweit der Kläger zur Prüfung dieser Voraussetzung gemäß der Nr. 4 der Anlage 4 zum HVM die Betriebskosten seiner Praxis darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte hierzu die Darlegung bzw. den Nachweis auch der privaten Honorareinnahmen verlangt. Es wird dabei nicht verkannt, dass die Beklagte insoweit den Begriff der Betriebskosten, der grundsätzlich dem Begriff der Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs.4 EStG entspricht, sehr weit auslegt und dabei nicht eine einseitige Betrachtungsweise nur der Ausgabenseite, sondern eine relative Betrachtungsweise im Sinne eines Teilaspekts der Einkünfte zugrundelegt.

Unabhängig davon ist die Vorlage der Einnahmen-Überschussrechnung aber auch für die weiter vorausgesetzte Prüfung, ob Sicherstellungsgründe eine Honorarausgleichszahlung erfordern, notwendig. Auch hier ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von Sicherstellungsgründen im Sinne der Nr. 1 der Anlage 4 zum HVM nur dann ausgeht, wenn die Praxis in ihrer Existenz gefährdet ist und damit Patienten vorübergehend nicht mehr von ihrem Arzt betreut werden können. Die Beurteilung einer Existenzgefährdung kann nur auf der Grundlage der Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen erfolgen. Aber auch die im Anschluss an die Feststellung des Vorliegens sowohl einer unbilligen Härte als auch von Sicherstellungsgründen im Sinne der Nr. 1 der Anlage 4 notwendige Ermessensausübung kann nur in Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen des Klägers erfolgen. Denn der Vorstand der Beklagten hat für die Ausübung des Ermessens im Sinne einer an Art.3 Abs.1 GG orientierten gleichförmigen Verwaltungspraxis (Selbstbindung) bestimmte Kriterien festgelegt und dabei als maßgebliches Kriterium bei der Ermessensausübung die wirtschaftliche Bedürftigkeit des antragstellenden Arztes vorgegeben.

Das Verlangen der Beklagten auf Vorlage einer vom Finanzamt bzw. vom Steuerberater bestätigten Einnahmen-Überschussrechnung ist auch nicht rechtswidrig und verstößt insbesondere nicht gegen Verfassungsrecht. Das Vorlageverlangen der Beklagten steht zwar im Zusammenhang mit einer Vergütungsregelung und greift damit in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit des Art.12 Abs.1 GG ein. Im Bereich der Berufsausübungsregelungen hat der Gesetzgeber aber einen weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum. Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit sind dann nicht zu beanstanden, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird (vgl. etwa BVerfG 81, 156 (188 f.); 94, 37 (389); BSGE, SozR 3-2500 § 85 SGB V Nr.22 S.136). Diesen Anforderungen wird die Anlage 4 zum HVM in der Auslegung und Anwendung der Beklagten gerecht. Die mit der Pflicht zur Vorlage von Unterlagen über die privaten Honorareinnahmen verbundene Grundrechtsbeeinträchtigung ist gering. Der Antragsteller wird, wenn er die geforderten Unterlagen nicht vorlegt, von der Gewährung einer Leistung ausgeschlossen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sondern deren Gewährung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen der Beklagten steht. Das gewählte Mittel (Vorlagepflicht) ist zur Erreichung des verfolgten Zwecks (Prüfung der Voraussetzungen für die Ermessensausübung sowie Festlegung der Kriterien für eine gleichförmige Ermessensausübung) geeignet und erforderlich und belastet die Ärzte, die eine Honorarausgleichung begehren, nicht übermäßig. Das Vorlagebegehren der Beklagten ist nach alledem erforderlich, verhältnismäßig und für den Kläger zumutbar. Die Weigerung des Klägers, eine vom Finanzamt bzw. vom Steuerberater bestätigte Einnahmen-Überschussrechnung vorzulegen, führt im Ergebnis dazu, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 zum EBM-96 hat. Zwar hat die Beklagte gemäß § 20 Abs.1 Satz 1 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (Untersuchungsgrundsatz) und die in § 21 Abs.2 Satz 1 SGB X geregelte Mitwirkung der Beteiligten ist nur als Sollvorschrift ausgestaltet, die - vorbehaltlich einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. die hier nicht anwendbaren §§ 60 bis 64 SGB I) - keine Mitwirkungspflicht begründet. Es besteht lediglich eine Mitwirkungslast in dem Sinne, dass die Beteiligten zwar selbst über ihre Mitwirkung entscheiden können, aber auch die eventuell negativen Folgen einer Nichtmitwirkung durch einen unrichtig aufgeklärten Sachverhalt bzw. einen nicht aufklärbaren Sachverhalt in Kauf nehmen müssen (vgl. hierzu Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auflage, 1998 § 26 Rdnr.7 mit weiteren Nachweisen). Durch die genannte Mitwirkungslast des Beteiligten wird weder die Beweislast verschoben noch dem Beteiligten eine dem Untersuchungsgrundsatz fremde Beweisführungslast auferlegt. Der Kläger trägt aber die materielle Beweislast (objektive Feststellungslast), wenn sich ein Sachverhalt trotz aller Ermittlungen nicht aufklären läßt. Diesbezüglich ist festzustellen, dass mangels Mitwirkung des Klägers die Beklagte nicht feststellen kann, ob die Voraussetzungen für eine Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 zum HVM vorliegen (unbillige Härte und Notwendigkeit einer Ausgleichszahlung aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung) und auch die Kriterien für die Ermessensausübung bezüglich des Ob und des Wie einer Honorarausgleichszahlung nicht beurteilt werden können.

Daher ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 25. Februar 1998 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger auch im Berufungsverfahren unterlegen ist.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 S GG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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