L 4 KR 107/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 151/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 107/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1940 geborene Klägerin war bei der Beklagten als selbständige Einzehandelskauffrau freiwillig versichert mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tage der Arbeitsunfähigkeit. Zuvor war sie von 1956 bis 1980 als Verkäuferin versicherungspflichtig beschäftigt, übte von 1980 bis 30.09.1990 die Tätigkeit als Inhaberin eines Lebensmittelgeschäfts in Augsburg aus und war hierbei u.a. im Verkauf tätig.

Sie erlitt am 11.05.1990 in ihrem Geschäft einen Sturz; der Durchgangsarzt und Chirurg Dr.L. stellte im Bericht vom gleichen Tage eine Prellung beider Kniegelenke fest und erteilte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 11. bis 18.05.1990.

Auf den Rentenantrag vom 30.04.1990 wurde die Klägerin auf Veranlassung der BfA durch den Internisten Dr.K. und den Orthopäden Dr.H. am 30.05. bzw. 20.06.1990 untersucht. Dr.H. stellte bei ihr bezüglich der Tätigkeit als Verkäuferin eine erheblich eingeschränkte Belastungsfähigkeit der Kniegelenke fest und vertrat die Auffassung, dass sie in diesem Beruf nicht mehr arbeiten könne. Mit Bescheid vom 24.07.1990 stellte die BfA fest, dass die Klägerin ab 30.04.1990 erwerbsunfähig sei, lehnte aber Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit wegen Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ab.

Für die Zeit vom 02. bis 07.07.1990 stellte der Allgemeinarzt Dr.R. Arbeitsunfähigkeit wegen Lumbago fest. Er diagnostizierte im ärztlichen Bericht vom 09.07.1990 an die BG für den Einzelhandel zahlreiche Erkrankungen (chronisches LWS-Syndrom mit fortgeschrittener Spondylarthrose und Bandscheibenschaden; schwere Ileosakralgelenksarthrose beidseits, Gonarthrose rechts, schwere Stammvarikosis beidseits, arterielle Hypertonie, obstruktive Atemwegserkrankung, euthyreote Struma II, chronische Migräne). Dr.W. bescheinigte der Klägerin Arbeitsunfähigkeit vom 09.08. bis 17.08.1990 wegen Herzinsuffizienz.

Aufgrund der am 18.03.1991 festgestellten Arbeitsunfähigkeit erhielt die Klägerin ab 26.03.1991 Krankengeld. Sie wurde von der Beklagten am 25.07.1991 aufgefordert, eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu beantragen. Die Klägerin unterzog sich vom 05.11. bis 03.12.1991 zu Lasten der BfA einer Heilbehandlung in der Reha-Klinik W. in B. und erhielt Übergangsgeld vom 05.11. bis 08.12.1991. Sie teilte am 29.03.1993 der Beklagten mit, sie habe seit 09.05.1992 keinen gewerblichen Einzelhandel mehr.

Am 12.06.1992 forderte die Beklagte die Klägerin erneut auf, einen Antrag auf Rehabilitation bei der BfA zu stellen. Sie teilte der Klägerin am 12.02.1993 mit, der Höchstanspruch auf Krankengeld innerhalb der maßgebenden Dreijahresfrist vom 26.10.1991 bis 25.10.1994 sei am 23.04.1993 wegen Herzinsuffizienz, Gonarthrose beidseits, psychischem Erschöpfungszustand, Fettleber, Adipositas permagna erschöpft; Krankengeld werde letztmalig für diesen Tag gezahlt.

Die Klägerin gab in der Rentenstreitsache vor dem Sozialgericht Augsburg (S 13 An 114/94) unter Bezugnahme auf ein Urteil des Landgerichts Augsburg vom 20.06.1991 zu Protokoll, dass das Mietverhältnis für das Ladenlokal in der L.passage A. mit Wirkung zum 01.10.1990 beendet worden sei. Die BfA stellte am 17.11.1995 fest, dass der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit am 30.04.1990 eingetreten ist und die Klägerin einen Rentenanspruch ab 09.12.1991 hat.

Die Klägerin ließ am 22.12.1995 telefonisch durch ihren Bevollmächtigten Krankengeld vom 30.04.1990 bis November 1991 beantragen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag während des Telefon- Widerspruch einlegen.

Auf die Klage vom 24.10.1996 erklärte sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 13.05.1998 vor dem SG Augsburg (S 6 KR 93/96) im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs bereit, über den Widerspruch innerhalb einer Frist von vier Monaten zu entscheiden.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern ein (Dr.M.), die zum Ergebnis gelangte, mit Ausnahme der festgestellten kurzen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit könne Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 11.05.1990 bis 18.03.1991 nicht angenommen werden.

Daraufhin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.1998 den Widerspruch mit der Begründung zurück, für die Zeit vom 30.04.1990 bis 25.03.1991 bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Durchgehende Arbeitsunfähigkeit sei in diesem Zeitraum nicht erwiesen. Soweit Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden sei, sei die Wartezeit nicht erfüllt worden. Der Anspruch auf Krankengeld für das Jahr 1990 sei mittlerweile verjährt.

Die Klägerin hat am 22.09.1998 beim Sozialgericht Augsburg (SG) Klage auf die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 30.04.1990 bis 31.08.1990 erhoben. Das SG hat mit Urteil vom 28.07.1999 die Klage unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen und weiter zur Begründung ausgeführt, aus der anerkannten Berufsunfähigkeit ab 30.04.1990 ergebe sich nicht Arbeitsunfähigkeit im Beruf als selbständige Einzelhandelskauffrau. Die Klägerin habe auch bis 30.09.1990 gearbeitet. Aufgrund der vorliegenden ärztlichen Feststellungen sei Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen und der Anspruch auf Krankengeld ruhe, da die Arbeitsunfähigkeit der Beklagten nicht gemeldet worden sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20.08.1999, mit der sie Krankengeld vom 30.04. bis 01.09.1990 geltend macht.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 28.07.1999 sowie des Bescheides vom 22.12.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.1998 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 30.04.1990 bis 01.09.1990 Krankengeld zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhanldung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,00 Deutsche Mark (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG).

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat im streitigen Zeitraum vom 30.04. bis 01.09.1990 keinen Anspruch auf Krankengeld.

Gemäß § 44 Abs.1 Satz 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs.4, §§ 24, 40 Abs.2 und 41 SGB V) behandelt werden. Der Anspruch auf Krankengeld entsteht gemäß § 46 Satz 1 Nr.2 SGB V von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Die Satzung kann für freiwillig Versicherte den Anspruch auf Krankengeld ausschließen oder zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen (§ 44 Abs.2). Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte durch die Regelung in § 29 Abs.1 ihrer Satzung Gebrauch gemacht.

Nach allgemeiner Meinung liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (Höfler in Kasseler Kommentar, § 44 SGB V, Rdnr.10 mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).

Die Arbeitsunfähigkeit unterscheidet sich von der Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs.2 SGB VI a.F. u.a. dadurch, dass die Arbeitsunfähigkeit sich auf die zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit bezieht. Darunter ist die unmittelbar vor Eintritt der jeweiligen Arbeitsunfähigkeit ausgeübte Beschäftigung zu verstehen. Die Berufsunfähigkeit nimmt dagegen Bezug auf die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Nur der pflichtversichert ausgeübte Beruf bestimmt das versicherte Risiko.

Die Klägerin war zwar in der Zeit vom 11.05. bis 18.05.1990, vom 02.07. bis 07.07.1990 und vom 09.08. bis 17.08.1990 im insgesamt streitigen Zeitraum arbeitsunfähig. Dies wird von der Beklagten nicht verkannt. Daraus ergibt sich aber nicht ein Anspruch auf Krankengeld, da die Klägerin mit einer Wartezeit von 21 Tagen bei der Beklagten freiwillig versichert ist. Im vorliegenden Fall kann wegen § 46 Satz 1 Nr.2 SGB V in den oben genannten Abschnitten der Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeldanspruch jeweils nach dem Tage der ärztlichen Feststellung entstehen. Damit kommen von den gegebenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit insgesamt nur 20 Tage für einen Krankengeldanspruch in Betracht. Die Klägerin hat insoweit also die Wartezeit nicht erfüllt.

Für die übrige Zeit innerhalb des streitigen Zeitraums ist Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen. Denn es fehlt bereits an entsprechenden ärztlichen Feststellungen (§ 46 Satz 1 Nr.2 SGB V). Die behandelnden Ärzte haben eine weitergehende Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt. Auf den Durchgangsarztbericht des Dr.L. vom 11.05.1990 wurde von diesem Arzt Arbeitsunfähigkeit vom 11. bis 18.05.1990 wegen der Zerrung der Kniegelenkskapsel am linken Knie bescheinigt, jedoch nicht darüber hinaus. Diese Zeit der Arbeitsfähigkeit fällt in die Wartezeit. Auch aus den Rentengutachten von Dr.H. und Dr.K. ergeben sich keine Nachweise auf das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit. Denn ihre Beurteilungen über das Leistungsvermögen beziehen sich nicht auf die Tätigkeit der Klägerin als selbständige Geschäftsfrau, sondern auf die Beschäftigung als Verkäuferin. Beiden Berufsbildern liegt eine verschiedenartige Tätigkeit zugrunde; denn die Klägerin war als Inhaberin des Geschäfts in der Lage, selbständig über die Art und Weise sowie Dauer der Berufstätigkeit z.B. durch Einlegen von zusätzlichen Pausen zu bestimmen.

Auch die Stellungnahme des MDK (Dr.M.) ergibt keinen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit im noch streitigen Zeitraum. Im Übrigen hat der Senat auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin in einem anderen Verfahren vor dem SG (S 5 An 205/90) am 19.02.1991 zu Protokoll des Gerichts erklärt hat, dass sie nach der Stellung des Rentenantrags im April 1990 noch in ihrem Geschäft tätig gewesen ist. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin mit Bescheid der BfA vom 23.12.1991 rückwirkend ab 01.01.1990 Rente wegen Berufsunfähigkeit auf der Grundlage eines am 30.04.1990 eingetretenen Versicherungsfalles erhält, lässt sich nicht auf einen Anspruch auf Krankengeld schließen, da das Krankengeld und die Rente wegen Berufsunfähigkeit verschiedene berufliche Bezugsfelder haben.

Ob für einen etwaigen Anspruch auf Krankengeld im Jahr 1990 Verjährung eingetreten ist, kann damit offen bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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