L 4 KR 112/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 Kr 114/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 112/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 1. Oktober 1997 und die Bescheide der Beklagten vom 23. August 1995 und 3. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1996 abgeändert, als es bis zum 30. September 1994 bei der im Bescheid vom 9. November 1993 getroffenen Beitragseinstufung verbleibt. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte deren notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei der Berechnung der Beiträge zur freiwilligen Versicherung der Klägerin vom Einkommen aus Vermietung und Verpachtung die Leibrentenzahlungen in vollem Umfang abzuziehen sind.

Die am 1943 geborene Klägerin war bis 31.10.1991 versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 01.11.1991 befand sie sich als Psychotherapeutin in Ausbildung und war ab 01.11.1993 als Psychotherapeutin selbstständig tätig und bis 31.05.1995 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Die Beklagte stufte sie mit Bescheid vom 09.11.1993 ab 01.11.1993 bis vorerst 30.09.1994 in Gruppe N, Klasse 815 mit einem Monatsbeitrag von zur Zeit 376,- DM ein.

Nachdem die Klägerin die Einkommenssteuerbescheide für 1989, 1990, 1991 und 1992 vorgelegt hatte, stufte sie die Beklagte rückwirkend neu ein und teilte ihr mit Bescheid vom 23.08.1995 mit, der Einstufung werde der zuletzt erstellte Steuerbescheid zu Grunde gelegt. Die Einstufung in eine höhere oder niedrigere Beitragsklasse erfolge ab dem Monat nach Ausstellung des Steuerbescheides. Verluste bei einzelnen Einkommensarten würden nicht das Gesamteinkommen verringern und die Leibrente, die sie ihrer Mutter zahle, werde ebenfalls vom Einkommen voll abgezogen. Besteuerungsgrundlagen waren laut Einkommenssteuerbescheiden seit 1992 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung.

Mit Bescheid vom 03.11.1995 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin, die monatliche Zahlung der Leibrente in vollem Umfang zu berücksichtigen, mit der Begründung ab, die Leibrente stelle eine Abtragung des Kaufpreises dar. Bei einer normalen Finanzierung des Kaufpreises werde die Tilgung nicht in Abzug gebracht, sondern nur der Zinsaufwand. Es sei deshalb nur der Ertragsanteil, der auch vom Finanzamt anerkannt werde, zu berücksichtigen. Die Klägerin legte gegen die Beitragsberechnung mit Schreiben vom 27.11.1995 Einspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.1996 zurückgewiesen. Die Klägerin ließ gegen den Widerspruchsbescheid Klage zum Sozialgericht München erheben mit dem Ziel, der Beitragsberechnung ab 1993 die im Einkommenssteuerbescheid 1993 (vom September 1996) festgesetzten Einkünfte unter Abzug der Leibrentenzahlung zu Grunde zu legen. Die Beklagte wies darauf hin, dass nach § 240 Abs.4 Satz 3 SGB V Veränderungen der Beitragsbemessung auf Grund eines vom Versicherten geführten Nachweises nur zum 1.Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden. Eine Änderung auf Grund der im Einkommenssteuerbescheid 1993 ausgewiesenen Gesamtbezüge sei damit erst ab 01.01.1996 (d.h. nach Zustellung des Einkommenssteuerbescheides 1993) möglich.

Die Klage, mit der beantragt wurde, die Beitragsklasseneinstufung als freiwilliges Mitglied für die Zeit vom 01.01.1993 bis 31.05.1995 unter Abzug der Leibrentenzahlungen in voller Höhe durchzuführen, wurde mit Urteil vom 01.10.1997 abgewiesen. Das Sozialgericht sah keine rechtliche Möglichkeit, die an die Mutter der Klägerin gezahlte Leibrente über den von der Beklagten angesetzten Ertragsanteil in voller Höhe von den Einnahmen abzuziehen. Nach der Satzung der Beklagten seien der Beitragsberechnung alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf die steuerliche Behandlung zu Grunde zu legen. Die Leibrente bedeute zum Teil einen Vermögensverzehr, der anders als der Ertragsteil (Zinsen) von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nicht abzuziehen sei.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung trägt der Klägerbevollmächtigte erneut vor, es sei der gesamte Leibrentenbetrag abzusetzen, weil er Voraussetzung für die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei. Es sei überhaupt problematisch, ob bei der Berechnung der freiwilligen Beiträge Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu Grunde gelegt werden dürften.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.10.1997 aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 23.08.1995 und 03.11.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.1996 dahin abzuändern, dass bei der Beitragsbemessung von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der volle Betrag der entrichteten Leibrente abgezogen wird.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, die von der Beklagten angewandte beitragsrechtliche Beurteilung der Leibrentenzahlung stelle sogar ein Entgegenkommen dar. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seien die um Werbungskosten verminderten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als beitragspflichtige Einkünfte bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Das Finanzamt anerkenne die Leibrentenzahlungen jedoch nicht als Werbungskosten. Es berücksichtige lediglich einen Teil der Leibrentenzahlungen unter der Rubrik Sonderausgaben bzw. Renten und dauernde Lasten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG), deren Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 DM übersteigt (§ 144 SGG), ist zulässig und begründet, soweit sie sich gegen die Beitragseinstufung in der Zeit vom 01.11.1993 bis 30.09. 1994 wendet. Für diese Zeit regelt der bestandskräftige Bescheid vom 09.11.1993 die Beitragshöhe. In diesem Bescheid wird Einkommen aus Vermietung und Verpachtung nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat ihn nicht zurückgenommen. Eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit gemäß § 45 SGB X scheitert an § 45 Abs. 4 Satz 2. Danach kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Tatsachen zurückgenommen werden, welche die Rücknahme rechtfertigen.

Im übrigen ist die Berufung unbegründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, bei der Berechnung der Beiträge der Klägerin von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Leibrentenzahlungen in vollem Umfang abzusetzen.

Nach § 240 Abs.1 Satz 1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs.1 Satz 2 SGB V). Nach § 20 Abs.5 der Satzung der Beklagten gelten als Gesamtbezüge die Bruttobezüge. Ihnen zuzurechnen sind das Arbeitsentgelt und alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die vom Klägerbevollmächtigten auch vorgetragene Auffassung, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien der Beitragsberechnung nicht zuzurechnen, nicht zutrifft. Das Bundessozialgericht (BSG) hat im Übrigen hierzu ausgeführt, dass Einnahmen wie im Steuerrecht alle Güter sind, die in Geld oder Geldeswert einer Person zufließen. Die Einnahmen im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen grundsätzlich denen des § 8 Abs.1 Einkommenssteuergesetz (EStG) 1990 in der Fassung der Bekanntmachung vom 07.09.1990 (BGBl.I 1898). Dort sind sie beschränkt auf die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie auf sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG (BSG, Urteil vom 26.09. 1996, 12 RK 46/95; SozR 3-2500 § 240 Nr.27). Bereits dieses Urteil bestätigt auch die Richtigkeit der Auffassung des Erstgerichts und der Beklagten bezüglich der Leibrentenzahlung. Wenn diese Zahlung überhaupt einkommensmindernd zu berücksichtigen ist, dann dem Steuerrecht entsprechend, nämlich lediglich in Höhe des Ertragesanteiles.

Das Sozialgericht hat ebenfalls zutreffend auf die Entscheidung des BSG vom 25.08.1982 (12 RK 57/81; SozR 2200 Nr.12 zu § 180 RVO) hingewiesen. Darin wird ausgeführt, dass sich bei der Leibrente die einzelne Rentenzahlung aus einem Kapitaltilgungsanteil und einem der jeweiligen Höhe des Restkapitalwertes entsprechenden Zinsanteil zusammensetzt. Lediglich dieser Zinsanteil (Ertragswert) ist bei Leibrentenberechtigten als Einkommen anzunehmen, im Gegenstück dazu bei den Rentenverpflichteten von den Einnahmen abzusetzen wie Zinsen. Dass die Klägerin diesen Teil der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sofort an ihre Mutter weiter zu leiten hat, er ihr also de facto nicht zum Lebensunterhalt zur Verfügung steht, ist nicht entscheidungserheblich. Dies ergibt sich bereits daraus, dass bei Arbeitseinkommen der Beitragshöhe das Bruttoeinkommen zu Grunde zu legen ist, die hiervon abzuführenden Steuern stehen auch nicht zum Verbrauch zur Verfügung.

Das BSG hat auch schon entschieden, dass der von dem Klägerbevollmächtigten ebenfalls angesprochene vertikale Verlustausgleich unzulässig ist (BSG, Urteil vom 23.02.1995 - 12 RK 66/93; SozR 3-2500 § 240 Nr.19). Der Senat folgt dieser Auffassung und sieht keine rechtliche Möglichkeit, die Beiträge der Klägerin für die nicht durch bestandskräftigen Bescheid geregelte Zeit zu vermindern.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem teilweise Obsiegen der Klägerin.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben. Zum einen ist die Klägerin nicht mehr Mitglied der Beklagten, zum anderen hat das BSG zur Bewertung von Leibrentenzahlungen bereits eine Entscheidung getroffen, deren Rechtsgedanken sich der Senat anschließt.
Rechtskraft
Aus
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