L 4 KR 124/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 Kr 170/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 124/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Von den beitragspflichtigen Gesamtbezügen freiwillig versicherter Rentner sind Unterhaltszahlungen an die getrennt lebende Ehefrau nicht abzusetzen.
2. Dies gilt auch, wenn die Ehefrau selbst freiwillig versichert ist und die Unterhaltszahlung bei der Beitragsbemessung berücksichtigt wird.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 19. September 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte die Beiträge des Klägers zur freiwilligen Versicherung richtig berechnet.

Der am ...1932 geborene Kläger lebt seit Mai 1992 von seiner Ehefrau getrennt und bezahlt den im Ehevertrag vom 30.03.1994 vereinbarten Trennungsunterhalt. Seit 16.05.1995 bezieht er von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Altersrente. Seit diesem Tag ist er mangels Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr Pflichtmitglied, sondern freiwilliges Mitglied der Beklagten. Zusätzlich zur gesetzlichen Rente erhält er eine Rente aus der betrieblichen Altersversorgung. Die getrennt lebende Ehefrau des Klägers ist ebenfalls bereits Rentnerin und freiwillig versichert.

Für das Jahr 1995 hat der Kläger die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen steuerrechtlich als Sonderausgaben in Höhe von 14.518,- DM geltend gemacht. Der Kläger beantragte am 01.09.1995 unter Hinweis darauf, daß steuer- und krankenversicherungspflichtiges Einkommen in der Regel Hand in Hand gingen, den Unterhalt der Berechnung seiner Beiträge nicht zugrundezulegen. Seine Ehefrau leiste nochmals für den von ihm bezahlten Unterhalt Beiträge zur Krankenversicherung. Das Finanzamt verfahre nicht so.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.10.1995 ab mit der Begründung, für die einkommensabhängige Einstufung seien die monatlichen Brutto-Gesamtbezüge maßgebend. Dauerlasten (z.B. monatliche Unterhaltszahlungen) könnten nicht vom Bruttoeinkommen abgezogen werden. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.02.1994 (Az.: 12 RK 5/92) wurde ausdrücklich hingewiesen.

Im hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Kläger erneut darauf hin, die auf dem Bruttoprinzip beruhende Berechnung der Beklagten sei unzutreffend. Er habe eine Unterhaltsleistung nach dem Nettoprinzip vereinbart und berechnet. Außerdem werde das sogenannte Realsplittingverfahren praktiziert. Seine Ehefrau versteuere die von ihm geleisteten Unterhaltszahlungen im Sinne des § 2 Einkommensteuergesetz (EStG).

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 24.11.1995 zurückgewiesen. Die Beklagte wies auf § 20 Abs.5 ihrer Satzung hin, wonach die Bruttobezüge bei der Einstufung freiwilliger Mitglieder in Beitragsklassen als Gesamtbezüge gelten. Dazu zählten alle Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden können, ohne Berücksichtigung ihrer steuerlichen Behandlung.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Überprüfung der Beitragsklasse weiter und äußerte die Meinung, die Entscheidung des BSG vomm 04.02.1994 gelte für Lohn- und Gehaltsempfänger, nicht jedoch für Rentner. Die Beitragsfestsetzung wäre verfassungswidrig, wenn nicht die Vorgehensweise des Finanzamts praktiziert werde, wonach er für den Unterhalt keine Steuern zu zahlen habe, aber seine Frau diese Summe versteuern müsse.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 19.09.1996 ab. Die Kammer war der Auffassung, die steuerrechtlichen Regelungsmöglichkeiten seien auf das Beitragsrecht nicht übertragbar. Bei getrennt lebenden Ehepaaren, die von der auch für Geschiedene vorgesehenen Möglichkeit des begrenzten Realsplittings Gebrauch machen und eine dem Scheidungsfall angenäherte stärkere wirtschaftliche Trennung voneinander bewirkt hätten, sei nicht unsachgerecht, wenn die Ehegatten einer Doppelbelastung insofern ausgesetzt seien als Krankenvericherungsbeiträge des Ehemannes sich nach dem Bruttoarbeitsentgelt einschließlich des abzuführenden Unterhalts richteten und die Ehefrau ihrerseits aus dem Unterhalt ebenfalls Beiträge für die Krankenversicherung entrichten müsse.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung macht der Kläger verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Zum einen sei Art.14 Grundgesetz (GG) betroffen. Das Verfassungsgericht habe festgehalten, daß die übermäßige Besteuerung des Einkommens das Eigentumsgrundrecht verletzen könne. Es gebe keinen Hinderungsgrund, diese Betrachtungsweise auch auf die Leistung von Beiträgen anzuwenden. Die Doppelbelastung sei übermäßig, d.h. das Eigentumsgrundrecht verletzt. Weiter werde die in Art.20 Abs.2 GG ausgesprochene Bindung der Exekutive und Judikative an Recht und Gesetz nicht beachtet. Die von der Beklagten herbeigeführte und durch das Urteil des SG Nürnberg gebilligte Situation führe zu Unrecht. Außerdem enthalte des zitierte BSG-Urteil keinerlei dogmatische Ausführungen dazu, warum eine Doppelbelastung zulässig sein solle.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 2. Oktober 1996 und den Bescheid vom 05.10.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1995 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die an seine von ihm getrennt lebende Ehefrau geleisteten Unterhaltszahlungen nicht bei der Berechnung der Höhe seiner freiwilligen Beiträge zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, daß nach § 240 Abs.2 SGB V bei freiwilligen Mitgliedern zur Beitragsbemessung mindestens Einnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtigen Mitgliedes heranzuzie- hen seien. Ein in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversicherter Rentner zahle auch Beiträge aus seinen beitragspflichtigen Einnahmen (Rente, Versorgungsbezüge oder ähnliches) und könne diese nicht um Unterhaltszahlungen an einen getrennt lebenden Ehegatten verringern.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

Auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig. Der Senat konnte gemäß § 124 Abs.2 i.V.m. § 153 Abs.1 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Berufung ist unbegründet.

Die Beklagte hat zutreffend die freiwilligen Beiträge des Klägers unter Berücksichtigung seiner Bruttoeinnahmen und ohne Abzug der Unterhaltsleistungen an seine Ehefrau berechnet. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.

Nach § 240 Abs.1 SGB V wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung geregelt. Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. Weiter fordert § 240 Abs.2 SGB V, daß mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen sind, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Die Beklagte hat die entsprechende Satzungsregelung in § 20 getroffen. Nach dessen Abs.1 Ziff.8 sind sonstige nicht krankenversicherungspflichtige Personen mit monatlichen Gesamtbezügen unter der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf Antrag in den Klassen 741 ff. einzustufen. Die Klasse 741 wird nach den Gesamtbezügen bis mtl. 1.375,- DM nach oben abgegrenzt, die folgenden Klassen mit einem jeweils um 250,- DM höheren Betrag (Satzungsregelung gültig ab 1. Januar 1995). Die im Jahre 1995 vorgenommene Einstufung in die Klasse 831 bei monatlichen Gesamteinkünften aus gesetzlicher Rente und Zusatzversorgung in Höhe von insgesamt 3.451,21 DM ist damit richtig vorgenommen. Laut § 20 Abs.5 der Satzung gelten als Gesamtbezüge die Bruttobezüge; ihnen zuzurechnen sind das Arbeitsentgelt und alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung. Der Senat hat keine Bedenken gegen diese Satzungsregelung, insbesondere da der Gesetzgeber in § 240 Abs.1 SGB V nicht das Gesamteinkommen im Sinne des § 16 SGB IV bei der Beitragsbemessung erwähnt. Gesamteinkommen wird als Summe der Einkünfte des Einkommensteuerrechts definiert. Die gesetzliche Regelung des § 240 Abs.2 SGB V, die zumindest die Berücksichtigung der Einnahmen fordert, die bei Versicherungspflichtigen der Beitragsbemessung zugrundeliegen, schließt eine Regelung aus, wie sie der Kläger wünscht. Nach § 237 SGB V sind nämlich beitragspflichtige Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner sowohl der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (= Bruttobetrag) als auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (= betriebliche Altersversorgung). Abzugsmöglichkeiten sind nicht gesetzlich normiert. Das Bundessozialgericht hat hierzu ausdrücklich entschieden (Urteil vom 21.12.1993, 12 RK 47/91 SozR 3-2500 § 237 Nr.4), daß Versorgungsbezüge auch dann beitragspflichtig bleiben, wenn sie aufgrund einer Vereinbarung als Unterhaltsrente weitergeleitet werden. Auch im Rahmen des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs abgetretene Versorgungsbezüge bleiben beitragspflichtig (BSG, Urteil vom 21.12.1993; SozR 3-2500 § 237 Nr.3).

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob der Kläger überhaupt berechtigt ist, die Belastung seiner getrennt lebenden Frau (= Doppelbelastung) gerichtlich geltend zu machen. Das BSG hat nämlich im oben genannten Urteil (SozR 3-2500 § 237 Nr.3) ausgeführt, daß das Beitragsrecht keinen Grundsatz kennt, wonach Einkünfte lediglich einmal beitragspflichtig sein dürften, also nur entweder bei dem, der sie bezieht oder bei dem, an den sie weitergeleitet werden. Beitragspflicht des geschiedenen Ehegatten (im Falle des Klägers des getrennt lebenden) ändert nichts an der beitragsrechtlichen Leistungsfähigkeit des ursprünglichen Einkommensbeziehers. Das BSG schließt dabei ausdrücklich einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip aus.

In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht sieht der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese vom Kläger sogenannte Doppelbelastung seines Eigentums. Abgesehen davon, daß der vom Kläger zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22.06.1995 (NJW 1995 S.2615 ff.) Einheitswert und Vermögenssteuer betrifft, übersieht der Kläger, daß die von ihm gerügte doppelte Belastung seines Eigentums faktisch überhaupt nicht vorliegt. Es werden vielmehr für zwei Personen zwei Beiträge entrichtet mit dem Ziel, für beide Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten zu können. Eine Familienversicherung gemäß § 10 SGB V scheidet für die Ehefrau des Klägers bereits wegen der Höhe der eigenen Rente aus. Daß die einkommensabhängigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung weit günstiger sind als eine private Krankenversicherung, dürfte unbestritten sein. Das Eigentumsgrundrecht des Art.14 GG wird durch Beitragszahlung für beide Ehegatten nicht berührt.

Im übrigen hat das Sozialgericht bereits zutreffend auf das weitere Urteil des Bundessozialgericht vom 03.02.1994 (12 RK 5/92; SozR 3-2500 § 10 Nr.4) verwiesen. Die Entscheidung betrifft getrennt lebende Ehegatten, der Ehemann und Unterhaltszahler ist versicherungspflichtig. Die im Rahmen des Realsplittings an die Ehefrau geleisteten Unterhaltszahlungen werden vom Bundessozialgericht als deren Gesamteinkommen berücksichtigt.

Die vom Kläger außerdem gerügte mögliche Verletzung der in Art.20 Abs.2 GG ausgesprochenen Bindung an "Gesetz und Recht" wurde durchaus beachtet. Wie ausgeführt, handelt die Beklagte dem SGB V ihrer Satzung und der Rechtsprechung entsprechend. Von einer übermäßigen und ungerechtfertigten Belastung der Lebenshaltung kann dabei, wie bereits dargestellt, keine Rede sein.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen der Beklagten.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen wegen der genannten Rechtsprechung des BSG, von der der Senat nicht abweicht, nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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