L 4 KR 128/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 217/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 128/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte Kosten zu erstatten hat, die der Klägerin durch die vom nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt Dr.K. ab 14.10.1997 durchgeführte LAK-Therapie entstanden sind.

Die am 1980 geborene Klägerin war bis 20.08.1999 bei der Beklagten versichert. Sie beantragte im Oktober 1997 die Kostenübernahme für eine von Dr.K. durchzuführende LAK-Therapie. Nach Untersuchung durch Dr.K. lag bei ihr ein Epstein-Barr-virales Geschehen vor. Der Virus halte sich möglicherweise in der Bauchspeicheldrüse auf. Die Klägerin gab dazu an, seit dem Besuch eines chinesischen Speiselokals im Dezember 1996, wonach sie an Brechdurchfall gelitten habe, seien immer wieder Beschwerden und Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme aufgetreten. Dem Antrag beigefügt war ein Arztschreiben des Kinderkrankenhauses an der L.straße vom 31.08.1989, wo die Klägerin wegen Blinddarmdurchbruchs operiert worden war sowie ärztliche Unterlagen aus dem Jahr 1997, betreffend Behandlungen der Klägerin wegen Verdacht auf Anorexia nervosa (Magersucht).

Der von der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (Dr.R.) führte in Auswertung der vorgelegten Unterlagen aus, die mitgeteilten Laborbefunde sprächen für eine bereits abgelaufene Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus. Die Behauptung des Dr.K. , diese Erkrankung sei akut und wiederkehrend, sei durch keinen der vorgelegten Befunde belegt. Das Virus bewirke keine Unterernährungszustände und keine anhaltende Erkrankung der Bauchspeicheldrüse. Die Klägerin sollte ihre psychogene Erkrankung aus dem Formenkreis der Essstörungen behandeln lassen, Nachweise dafür, dass die LAK-Therapie bei Essstörungen oder Erkrankungen durch das Epstein-Barr-Virus wirksam wäre, lägen nicht vor.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 17.02.1998 die beantragte Kostenübernahme ab. Der hiergegen vom Bevollmächtigten der Klägerin eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, die Klägerin leide an Morbus Crohn. Es sei ein eklatanter Fehler gewesen, hier Magersucht zu diagnostizieren.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.1998 zurückgewiesen. Die LAK-Therapie sei kein zugelassenes Arzneimittel. Es liege keine Aussage des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen hinsichtlich der Anerkennung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vor. Ein Antrag zur Beurteilung sei ebenfalls nicht bekannt. In veröffentlichten medizinisch-wissenschaftlichen Studien seien bisher weder Zweckmäßigkeit noch klinischer Nutzen ausreichend belegt.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht München erhobenen Klage beantragte die Klägerin die Kostenerstattung der durchgeführten Behandlung. Die hohen Kosten bei Dr.K. wären nicht entstanden, wenn die Beklagte einen Arzt genannt hätte, der in der Lage gewesen wäre, die Krankheit (Morbus Crohn) richtig zu diagnostizieren und die erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Die Klägerin gab hierzu im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.06.2000 an, sie sei seit 1996 wegen ihrer ständigen Gewichtsabnahme in vertragsärztlicher Behandlung gewesen, ohne dass ein Erfolg eingetreten sei. Schließlich sei ihr von einer Bekannten Dr.K. empfohlen worden. Bevor sie die Behandlung dort angetreten habe, habe sie sich mit ihrer damaligen Sachbearbeiterin bei der Beklagten in Verbindung gesetzt, die ihr zwar keine Kostenerstattung in Aussicht gestellt habe, aber geraten habe, die Rechnungen vorzulegen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.06.2000 mit der Begründung abgewiesen, die von Dr.K. durchgeführte Therapie gehöre nicht zu den Leistungen, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen seien. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen habe keine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben. Für die Wirksamkeit des Therapiekonzepts gebe es, wie der MDK überzeugend ausführt, keine wissenschaftlich gesicherte Grundlage. Auch auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könne sich die Klägerin nicht berufen. Auch wenn tatsächlich ein Aufklärungs- oder Beratungsfehler vorgelegen hätte, wofür die Kammer keinerlei Anhaltspunkte habe, sei über den Herstellungsanspruch lediglich die Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes zu erreichen. Die beantragte Erstattung von Kosten für eine Leistung, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung ist, sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht möglich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung. Das Urteil sei fehlerhaft, der Klageanspruch ergebe sich hier aus dem Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Klägerin wäre nie zu Dr.K. gegangen, wenn sie von der Beklagten ordnungsgemäß beraten worden wäre. Die Rechtsfolge des Herstellungsanspruchs lasse sich dem § 13 Abs.3 SGB V entnehmen. Die Verletzung der Beratungspflicht sei ein Tatbestand, der den in § 13 Abs.3 SGB V genannten gleichgestellt werden könne.

Die Therapie des Dr.K. sei nicht anzugreifen. Es könne kein ungesetzlicher Zustand sein, wenn ein Patient so behandelt wird, dass er nicht stirbt. Eine solche Behandlung habe Dr.K. durchgeführt. Das Recht auf Leben erfordere keinen wissenschaftlich-statistischen Wirksamkeitsnachweis. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sei nicht ausreichend legitimiert, den Umfang der Leistungsansprüche aller Versicherten und damit von 90 % der Bevölkerung allein zu bestimmen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.06.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 17.02.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der von Dr.K. durchgeführten LAK-Therapie in Höhe von DM 37.688,08 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergebe sich nicht, es lägen keine Hinweise auf Aufklärungs- oder Beratungsfehler von Seiten der Beklagten vor. Im Übrigen entspreche die Entscheidung des Erstgerichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Die Voraussetzungen des als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 13 Abs.3 SGB V sind nicht gegeben. Danach sind dem Versicherten Kosten einer selbst beschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Der LAK-Therapie ist bisher nicht die für neuartige Therapieverfahren geforderte wissenschaftliche Anerkennung zuteil geworden. Sie gehört deshalb nicht zu den von der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldeten Leistungen. Es handelt sich um eine neue Behandlungsmethode im Sinne von § 135 SGB V und beruht auf dem "körpereigenen Heilprinzip der virustötenden Lymphozyten". Aus patienteneigenem Blut werden weiße Blutkörperchen (Lymphozyten) gewonnen. Sie werden kultiviert und unter Zugabe von Interleukin 2 vermehrt und dann an den Patienten zurückgegeben, um mit Viren infizierte Zellen im Körper zu zerstören. LAK heißt lymphokin-aktivierte Killerzellen. Der Medizinische Dienst führte hierzu aus, es handele sich um eine Methode, deren Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist. Es fehlt dem Therapieverfahren die geforderte wissenschaftliche Anerkennung. Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 28.03.2000 (B 1 KR 11/98 R; SozR 3-2500 § 135 Nr.14) über eine Therapie enschieden, bei der nicht Blut, sondern körpereigenes Tumorgewebe entnommen, bearbeitet und nach Reinigung und Beigabe immunaktiver Zusätze als Impfstoff benützt wird. Ziel ist wie bei der vom Senat zu prüfenden Behandlung, die Immunabwehr des Patienten zu stimulieren und dem Fortschreiten der Krankheit entgegenzuwirken. Das Bundessozialgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die Behandlung in verschiedenen Varianten angeboten werde, die sich hinsichtlich des Ausgangsmaterials, des Inaktivierungsverfahrens, der Art und Dosis der immunaktiven Adjuvantien sowie des Behandlungsschemas zum Teil erheblich unterscheiden. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die LAK-Therapie nach den vom BSG aufgestellten Kriterien zu überprüfen ist. Auch das Sozialgericht weist zutreffend auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere die Urteile vom 16.09.1997 hin.

Auch im streitgegenständlichen Fall gibt es keine Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nach § 135 Abs.1 SGB V. Eine Leistungspflicht der Krankenkassen besteht deshalb nicht.

Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, den Leistungsumfang der Krankenversicherung in den genannten Fällen auf Behandlungsmehtoden zu erstrecken, deren therapeutischer Nutzen noch nicht ausreichend gesichert ist, lässt sich auch verfassungsrechtlich nicht begründen (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Da § 13 Abs.3 SGB V lückenlos alle Sachverhalte der berechtigten Selbstbeschaffung von Leistungen in Fällen des Systemversagens erfassen will, (BSG Urteil vom 25.09.2000, B 1 KR 5/99 R), die Leistungen Beilage 2001, 1 bis 2) ist umstritten, ob daneben ein allgemeiner sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegeben sein kann (s. Höfler, KassKomm SGB V § 13 Rz.6 mit weiteren Nachweisen). Die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruchs sind schon mangels fehlerhaften Verwaltungshandelns nicht gegeben. Es ergibt sich weder aus den Akten der Beklagten noch aus den eigenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht, dass die Beklagte um Beratung gebeten worden sein sollte (außer wegen Kostenübernahme) und diese Beratung unzutreffend ausgeführt hätte. Eine Beratungspflicht "wo man die Klägerin richtig behandeln kann," wie sie der Klägerbevollmächtigte behauptet, gibt es nicht.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision gemäß § 160 zuzulassen, sind nicht gegeben. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts an.
Rechtskraft
Aus
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