L 4 KR 14/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 30/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 14/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf vollen Ersatz der Kosten für Goldinlays hat.

Der am 1952 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er ließ mit Schreiben vom 21.07.1992 durch seinen Bevollmächtigten die Übernahme der gesamten Kosten einer geplanten Zahnsanierung beantragen. Dazu legte er eine Gebührenvorausberechnung des Zahnarztes L. vom 04.05.1992 für zwei zweiflächige und sechs mehrflächige Einlagefüllungen und ein ärztliches Attest der Hautärzte Dres.B. vor, die eine entsprechende Zahnsanierung empfahlen, weil im Rahmen einer Allergietestung eine Sensibilisierung gegenüber Thiomersal festgestellt worden sei, wobei es sich um einen Indikator für das Vorliegen einer Quecksilberallergie handele. Zusätzlich befürwortete Dr.Z. die Entfernung der Amalgamplomben und bat um Kostenbeteiligung, weil der Kläger die bei ihm bestehenden Beschwerden auf die Zahnfüllungen zurückführe. Dies erscheine aus hausärztlicher Sicht möglich (ärztliche Bescheinigung vom 16.12.1991).

Mit Bescheid vom 17.08.1992 sagte die Beklagte eine Kostenbeteiligung in Höhe von insgesamt 1.760,00 DM zu. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde damit begründet, ein Kaugummitest vom September 1992 habe Quecksilberwerte im Speichel weit über den angegebenen Normalwerten erbracht.

Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern ein. Dabei kam Frau Dr.K. zusammenfassend zu dem Ergebnis, weder eine Allergie noch eine Quecksilberintoxikation seien ausreichend nachgewiesen.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.1993 ab. Mit der hiergegen zum Sozialgericht Kostenübernahme beantragt.

Die Amalgamfüllungen wurden am 10. und 24.03.1993 durch den Zahnarzt Dr.M. zu Lasten der Beklagten entfernt und temporär durch Kunststoff ersetzt. Der Zahnarzt Dr.K. tauschte dann von April 1995 bis Juli 1997 die Kunststofffüllungen gegen Goldinlays aus. Die Beklagte beteiligte sich an diesen Kosten.

Vom 02. bis 05.06.1998 erfolgte bei dem Kläger eine Begutachtung durch den Arzt für Dermatologie, Allergologie, Phlebologie, Pharmakologie und Toxikologie Prof.Dr.med.habil.R. in W ... Die Epikutantestung ergab, dass beim Kläger keine Amalgamallergie vorlag. Er sei weder auf Inhaltsstoffe des Werkfüllstoffes Amalgam noch auf in der Zahnheilkunde verwendete Füllstoffe oder Kunststoffe allergisch.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.10.1998 mit der Begründung abgewiesen, da weder eine Amalgamunverträglichkeit noch eine Amalgamvergiftung belegt sei, seien die zahnärztlichen Behandlungen, in denen die intakten Amalgamfüllungen entfernt, provisorisch durch Kunststofffüllungen ersetzt und später gegen Goldinlays ausgetauscht worden waren, nicht notwendig gewesen. Die Beklagte sei deshalb nicht verpflichtet, Zahlungen über die bereits geleistete Kostenerstattung hinaus vorzunehmen.

Mit der Berufung wird das Ziel, die Kosten für Goldinlays in vollem Umfang erstattet zu erhalten, weiter verfolgt. Durch die behandelnden Ärzte des Klägers sei zu der Zeit, als dieser noch Amalgamfüllungen besaß, eine Quecksilberintoxikation festgestellt worden, die die zeitgleich beim Kläger festgestellten Beschwerden erklären könne. Der Kläger macht für die Behandlung durch Dr.K. einen Erstattungsbetrag von 7.548,05 DM geltend und belegt diesen Betrag durch Rechnungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19.10.1998 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 17.08. 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03. 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die Goldinlays vollständig zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, deren Wert des Beschwerdegegenstandes DM 1.000 übersteigt (§ 144 SGG), ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ersetzung seiner intakten Amalgamfüllungen durch Goldinlays. Nachdem die fragliche Zahnbehandlung inzwischen durchgeführt wurde, richtet sich das ursprüngliche Sachleistungsbegehren nunmehr auf Kostenerstattung, ohne dass es einer Klageumstellung oder eines erneuten Verwaltungsverfahrens bedarf (§ 99 Abs.3 Nr.3 SGG; BSG, Urteil vom 06.10.1999, B 1 KR 13/97 R - SozR 3-2500 § 28 Nr.4) mit weiteren Nachweisen).

Die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V, der als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Gemäß § 13 Abs.3 SGB V setzt der Anspruch auf Kostenerstattung voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.

Der Austausch der Kunststofffüllungen gegen Goldinlays, vorgenommen in der Zeit von April 1995 bis Juli 1997, war keine unaufschiebbare Leistung. Es lag insbesondere kein krankenversicherungsrechtlicher Notfall im Sinne von § 76 Abs.1 Satz 2 SGB V vor. Eine dringende Behandlungsbedürftigkeit, die unmittelbares und unaufschiebbares ärztliches Eingreifen erfordert hätte, bestand nicht. Der Kläger war mit Zahnfüllungen versorgt.

Die Beklagte hat außerdem zu Recht eine (weitergehende) Kostenerstattung für die Versorgung mit Goldinlays abgelehnt. Diese Füllungen sind nicht Gegenstand der vertragszahnärztlichen Versorgung. Das Legen von Gussfüllungen gehört nicht zu den Vertragsleistungen nach § 8 AEKV. Nach dieser Bestimmung sind Vertragsleistungen die Leistungen, die in den Gebührentarifen A bis E aufgeführt sind. Für die Füllung kommt jedes erprobte und praxisübliche plastische Füllmaterial in Betracht (Anlage 1 zum Gebührentarif A, III, Gebührennummer 13, Erläuterung Nr.1). Nr.2 dieser Erläuterungen regelt, dass das Legen einer Gussfüllung über Behandlungsausweis nicht abrechnungsfähig ist. Konsequenterweise hat der behandelnde Zahnarzt L. privat behandelt und abgerechnet.

Eine Kostenerstattung käme ausnahmsweise dann in Betracht, wenn eine Systemstörung in dem Sinne vorläge, dass eine Krankheit des Klägers nur mit außervertraglichen Mitteln, also nur mit Goldinlays behandelt werden könnte.

Versicherte haben nach § 27 Abs.1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr.2 schließt die Krankenbehandlung die zahnärztliche Behandlung mit ein, die ihrerseits nach § 28 Abs.2 Satz 1 SGB V zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten ausreichend und zweckmäßig sein muss. Eine Zahn-, Mund- oder Kieferkrankheit im Sinne des § 28 Abs.2 Satz 1 SGB V lag beim Kläger spätestens vor dem Einsetzen der Goldinlays nicht vor. Seine Zähne waren mit Kunststofffüllungen versorgt, dass diese Füllungen vom Kläger nicht vertragen wurden oder zur Sanierung nicht geeignet waren, ist weder ersichtlich noch vorgetragen.

Im Fall des Klägers geht es nicht mehr darum, durch die Entfernung von Kunststofffüllungen bzw. vorher von Amalgamfüllungen eine Besserung des Zahnstatus zu erreichen. Die Beklagte hat diese Leistung erbracht. Es geht allein noch um eine Zahnsanierung, die das Maß des Notwendigen überschreitet. Das Bundessozialgericht hat hierzu im Urteil vom 06.10.1999, B 1 KR 13/97 R (Breithaupt 2000, S.425 ff.) festgestellt, dass die gesetzliche Krankenversicherung für die dadurch entstehenden Kosten nicht aufzukommen hat. Wie sich aus § 12 Abs.1 Satz 1 und § 28 Abs.1 und 2 SGB V ergibt, kann der Versicherte nur solche Leistungen beanspruchen, die für den angestrebten Behandlungserfolg nach den Regeln der ärztlichen Kunst zweckmäßig und notwendig sind. Für die Verwendung der Goldinlays ergibt sich aber aus keinem medizinischen Blickwinkel eine derartige Notwendigkeit.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Die Revision ist nicht gemäß § 160 SGG zuzulassen. Die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits ist nicht mehr gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved