L 4 KR 15/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 123/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 15/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Überprüfung der Erhöhung der Beiträge eines freiwillig
Versicherten.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Beiträge des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung vom 20.03.1997 bis 31.12.2000.

Der Kläger, ehemaliger Geschäftsführer der AOK R. , ist bei der Beklagten freiwillig versichert. Nachdem die Regierung von Oberbayern (Oberversicherungsamt Südbayern) mit Schreiben vom 16.12.1996 u.a. die Änderung der Beitragsätze genehmigt hatte, teilte die Beklagte dem Kläger am 17.03.1997 schriftlich mit, dass der monatliche Beitrag wegen Erhöhung des Beitragssatzes ab 01.01.1997 auf 12,5 % in der freiwilligen Krankenversicherung 768,76 DM und in der sozialen Pflegeversicherung 104,56 DM (Gesamtsumme 873,32 DM) betrage. Mit Bescheid vom 20.03.1997 forderte die Beklagte vom Kläger nach Berücksichtigung dessen Beihilfeanspruchs bei der sozialen Pflegeversicherung den Gesamtbetrag von 821,04 DM ab 01.01.1997.

Auf den Widerspruch des Klägers erließ die Beklagte am 22.10.1997 einen weiteren Bescheid, mit dem sie die Betragshöhe bis 19.03. 1997 (Bekanntgabe der neuen Beitragshöhe durch den Bescheid vom 17.03.1997) aussetzte und dem Kläger einen Betrag von 195,66 DM gutschrieb.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1997 den Widerspruch im Übrigen mit der Begründung zurück, die Satzungsänderung habe geltendem Recht entsprochen. Die Notwendigkeit für die stärkere Anhebung des ermäßigten Beitragssatzes habe sich aus dem Haushaltsplan für das Jahr 1997 ergeben. Darin sei ein Rückgang der Ausgaben für Krankengeld in Höhe von 8,1 % kalkuliert, tatsächlich sei im Jahr 1997 ein Rückgang der Krankengeldausgaben in Höhe von 28,7 % zu verzeichnen gewesen. Demgegenüber stünden kalkulierte Steigerungen bei anderen Leistungsausgaben in Höhe von 0,5 %, tatsächlich seien die Ausgaben im Jahr 1997 um 2,7 % gesunken. Durch eine Verringerung der Krankengeldausgaben am Gesamtaufwand ändere sich zwingend auch die Relation zwischen dem allgemeinen und ermäßigten Beitragssatz. Die angefochtenen Bescheide seien ausreichend begründet worden.

Der Kläger hat mit der Klage vom 10.03.1998 beim Sozialgericht München (SG) die Aufhebung des Beitragsbescheides vom 22.10. 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1997 sowie eine Verurteilung der Beklagten beantragt, den ermäßigten Beitragssatz ab 01.01.1997 neu festzusetzen, in der Satzung bekanntzugeben sowie seine Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung ab 20.03.1997 auf der Grundlage des neuen ermäßigten Beitragssatzes neu zu bestimmen. Die Anhebung der Beitragssätze sei sachlich nicht gerechtfertigt und die angefochtenen Bescheide seien unzureichend begründet worden.

Das SG hat mit Urteil vom 09.01.2001 die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Erhöhung des Beitragssatzes auf 12,5 % sei rechtmäßig gewesen. Solange die Beklagte nicht gegen die Grundsätze einer sorgfältigen und verantwortungsbewussten Finanzplanung verstoßen habe, stehe ihr ein Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung der Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben zu. Eine vollumfängliche gerichtliche Kontrolle dieses Beurteilungsspielraumes der Beklagten durch das Gericht finde wegen des Selbstverwaltungsgrundsatzes nicht statt. Es sei gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass die verschiedenen Beitragssätze der Beklagte stets proportional zueinander anzuheben seien. Die angefochtenen Bescheide seien auch hinreichend begründet. In der Berücksichtigung wettbewerbspolitischer Gesichtspunkte bei der Beitragssatzerhöhung liege kein Verstoß gegen die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften der Beitragsermittlung; die wettbewerbspolitischen Gesichtspunkte seien nur ein Kriterium bei der Entscheidung für eine Beitragssatzerhöhung. Es sei auch zulässig gewesen, dass die Beklagte den Beitragssatz von 12,45 % auf 12,5 % aufgerundet habe bzw. auch ein Rechenfehler um 0,1 % Punkte sei rechtlich ohne Bedeutung. Die Rechtsmittelbelehrung des ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteils enthält den Hinweis, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden kann.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 07.02.2001. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 27.02.2001 festgestellt, dass aufgrund der streitigen Differenz zwischen dem alten und neuen Beitragssatz in der Zeit vom 20.03.1997 bis 31.12.2000 der Wert des Beschwerdegegenstandes 303,70 DM betrage. Der Kläger macht geltend, die Beklagte gehe bei der Bestimmung des Beitragssatzes für freiwillig Versicherte von unzutreffenden Berechnungsgrundlagen aus. Sie habe außerdem keine Einschätzungsprärogative bzw. keinen Ermessensspielraum und dürfe Gesichtspunkte des Wettbewerbs nicht berücksichtigen. Die Festsetzung des Beitragssatzes sei eine reine Rechenoperation. Der zutreffende Beitragssatz dürfe nicht 12,5 % sondern nur 12,3 % oder 12,4 % betragen. Der Kläger hat das Angebot der Beklagten abgelehnt, ihm 300,00 DM an Beiträgen zu erstatten.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.01.2001 aufzuheben und die Beitragsbescheide der Beklagten vom 20.03. und 22.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den ermäßigten Beitragssatz für die Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.2000 ihm gegenüber neu festzusetzen, hilfsweise, den Rechtsstreit zu vertagen und für seine Vermutung, dass die Berechnungen der Beklagten falsch sind, die amtlichen Haushaltspläne und Jahresrechnungen für die streitige Zeit und die Mitgliederstatistiken KM 1 und KM 13 beizuziehen und die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt nach den Darlegungen der Beklagten weniger als 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 SGG). Die Berufung ist aber statthaft, weil sie wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sind auch Beiträge (Meyer-Ladewig, SGG, 6.Aufl., Rn.23 am Ende).

Die Berufung ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Der Kläger ist als freiwilliges Mitglied der Beklagten auch berechtigt, gegen den Beitragserhöhungsbescheid Klage zu erheben; denn die Klagebefugnis setzt voraus, dass eine Verletzung eigener Rechte geltend gemacht wird. Dies ist hier der Fall, soweit der Kläger seine eigene Beitragsangelegenheit betreibt, da eine gesetzeswidrige Erhöhung des Beitragssatzes sich in einer Anhebung des Beitrages niederschlägt und dadurch zu einer Verletzung der Rechte des Klägers führen kann (Bundessozialgericht (BSG) vom 21.02.1990, SozR 3-1500 § 54 Nr.1).

Das Gericht übt im vorliegenden Fall der Erhöhung des Beitragssatzes in der Satzung der Beklagten jedoch nur eine Inzidentkontrolle aus, d.h. eine rechtliche Überprüfung der angefochtenen Beitragsbescheides des Klägers (Kass.Komm.-Peters, § 195 SGB V, Rdnr.11).

Über die Frage der rückwirkenden Erhöhung der Beiträge ist hier nicht mehr zu entscheiden, da die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit abgeholfen hat.

Die angefochtenen Bescheide sind entgegen der Ansicht des Klägers ausreichend begründet. Gemäß § 35 Abs.1 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ist ein schriftlicher Verwaltungsakt zu begründen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. D.h., dass die die Entscheidung tragenden Gesichtspunkte aufgezeigt werden müssen. Nicht erforderlich ist jedoch, dass die Begründung sich mit allen Einzelheiten des Sachverhalts und der Argumente der Betroffenen auseinandersetzt. Es genügt, wenn der Betroffene dadurch in die Lage versetzt wird, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen bzw. zu verteidigen (Schroeder-Printzen/Engelmann,/Schmalz,/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3.Aufl., § 35 Rn.5 m.w.N. auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Die Beklagte hat im vorliegenden Fall den Kläger ausreichend darüber informiert, in welcher Höhe der Beitragssatz angehoben worden ist, dass sich dadurch die Beitragsbelastung auf den genannten Betrag erhöht und sie hat sich ferner im Widerspruchsbescheid mit den vom Kläger gegen die Beitragserhöhung vorgebrachten Einwänden im Einzelnen auseinandergesetzt.

Im Übrigen ist nicht zu erkennen, dass die Beitragserhöhung gegen die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verstößt. § 220 Sozialgesetzbuch V (SGB V) enthält allgemeine Grundsätze über die Finanzierung der Ausgaben der Krankenkassen durch Beiträge. Die Bemessung der Beiträge bestimmt sich nach dem Finanzierungsbedarf der Krankenkasse. Nach § 220 Abs.1 Satz 2 SGB V sind die Beiträge so zu bemessen, dass sie entsprechend dem Grundsatz der Kostendeckung zusammen mit den sonstigen Einnahmen die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und die vorgeschriebene Auffüllung durch Rücklage decken. Bei der Beitragsbemessung sind auch die Betriebsmittel zu berücksichtigen (§§ 259, 260 SGB V). Ist zu Beginn des Haushaltsjahres ein Betriebsmittelüberschuss vorhanden, so verringert sich der Finanzierungsbedarf entsprechend, während er sich umgekehrt erhöht, wenn das Betriebsmittelsoll nicht erreicht ist (§§ 220 Abs.1 Satz 3, 260 Abs.2 SGB V). Hinsichtlich der Beurteilung der Einnahmen- und Ausgabenentwicklung, die nicht nur durch die Krankheitskosten der Versicherten, sondern auch durch etwaige Änderungen der beitragspflichtigen Einnahmen sowie gesetzliche Änderungen der leistungsrechtlichen und beitragsrechtlichen Vorschriften beeinflusst werden, steht der Krankenkasse bei der Aufstellung des Haushaltsplanes eine Einschätzungsprärogative zu (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 220, Rdnr.8; Hauck-Haines, SGB V, § 220 Rn.6; Maaßen/ Schirmer/Wiegand/Zipperer, SGB V, § 220, Rn.7; von Maydell u.a., GK-SGB V, § 220 Rdnr.25). Der sich daraus ergebende Beurteilungsspielraum der Beklagten führt dazu, dass das Gericht eine eingeschränkte Kontrollmöglichkeit hat. Es hat nur zu überprüfen im Sinne einer Rechtskontrolle, ob die Beklagte bei Änderung der Satzung aus Anlass der Beitragserhöhung insbesondere gegen Gesetzesrecht und Verfassungsrecht verstoßen hat. Da Prognosentscheidungen sich naturgemäß einer exakten Tatsachenfeststellung entziehen, können sie gerichtlich nur beschränkt nachgeprüft werden. Es besteht bei ordnungsgemäß und methodisch vertretbar erarbeiteten und nachvollziehbar begründeten Prognosen grundsätzlich auch kein Raum mehr für Beweiserhebungen durch das Gericht (Kopp, VwGO, 10.Aufl., § 114 Rn.37 f m.w.N. auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts). Im Allgemeinen beschränkt sich die Rechtskontrolle hier darauf, ob die Behörde bei ihrer Prognose von zutreffenden Abgrenzungen, Daten, Werten, Zahlen usw. ausgegangen ist und alle erreichbaren Daten berücksichtigt hat sowie sich einer wissenschaftlich vertretbaren Methode bedient und ihre Entscheidung in einer der Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet hat (Kopp, a.a.O.). Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat das Gericht grundsätzlich die prognostizierten tatsächlichen Umstände als voraussichtlich eintretende Tatsachen hinzunehmen.

Abgesehen davon hat das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers keinesfalls die Aufgabe, von sich aus Beitragssätze festzusetzen. Eine derartige Befugnis kommt allein dem Verwaltungsrat zu (§ 197 SGB V). Er beschließt die Änderung der Beitragssätze in der Satzung und stellt den Haushaltsplan fest. Die Änderung der Satzung bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde (§ 195 Abs.1 SGB V). Die Aufsichtsbehörde selbst übt gleichfalls nur eine Rechtskontrolle aus, sie ist also nicht befugt, von sich aus die Beitragssätze abweichend von der Beschlussfassung durch den Verwaltungsrat festzusetzen (KassKomm-Peters, § 195 SGB V, Rdnr.4).

Der Beurteilungsspielraum der Kassen bei der Festsetzung der Beitragssätze wird eingeschränkt durch den o.g. Grundsatz der Kostendeckung (§ 220 SGB V) sowie die hier einschlägigen Vorschriften des allgemeinen und ermäßigten Beitragssatzes (§§ 241, 243 SGB V).

Gemäß § 241 SGB V sind die Beiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen in der Satzung festgesetzt wird. Soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, zahlen Mitglieder Beiträge nach dem allgemeinen Beitragssatz. Die Festsetzung des Beitragssatzes gehört zum Mindestinhalt der Satzung (§ 194 SGB V) und bedarf als Satzungsbestandteil der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Es ist anerkannt, dass die Krankenkassen auch hinsichtlich der Höhe der Beitragssätze einen gewissen Spielraum haben, der nur durch zwingende Regelungen über erhöhte und ermäßigte Beitragssätze (§§ 242 f SGB V) und durch Deckungsvorschriften (§ 220 SGB V) eingeschränkt ist (KassKomm-Peters, § 241 SGB V, Rdnr.3).

Die o.g. rechtlichen Vorgaben, insbesondere des § 220 Abs.1 bis 3 SGB V führen dazu, dass die Krankenkassen während eines Haushaltsjahres Beitragssatzstabilität wahren müssen, aber auch vorausschauend eine gewisse Beitragspolitik betreiben dürfen. Sie sollen einerseits während des laufenden Haushaltsjahres Änderungen eines Beitragssatzes vermeiden, haben andererseits im Rahmen der prognostischen Beurteilung der Einnahmen und Ausgaben bei der Aufstellung des künftigen Haushaltsplanes die Möglichkeit, die Beitragssätze knapper oder großzügiger zu kalkulieren, um auch unter Mitberücksichtigung des Kassenwettbewerbs Einfluss auf die Einnahmen zu nehmen. Ein Wettbewerb unter den Krankenkassen bezüglich der Beitragshöhe ist vom Gesetzgeber auch beabsichtigt und als systeminternes Strukturmerkmal des SGB V geregelt worden; andernfalls wäre die Einführung der Wahlrechte der Mitglieder (§§ 173 ff SGB V) und der Finanz- und Risikostrukturausgleiche (§§ 265 ff SGB V) ohne Bedeutung. Da die gesetzlichen Leistungen der Krankenkassen gleich sind und für Mehrleistungen ein geringer Spielraum besteht, wird der vom Gesetzgeber gewollte Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen im Wesentlichen über die Höhe der Beitragssätze geführt (und nicht über die Leistungen, zumal die beitragspflichtigen Einnahmen gleichfalls gesetzlich geregelt sind, vgl. dazu Becker, Soziale Sicherheit und Wettbewerb, 2001, SDSRV 48, S.7 ff., 9, 13, 25).

Für den Kläger ist außerdem die Vorschrift des § 243 Abs.1 SGB V einschlägig, wonach der Beitragssatz entsprechend zu ermäßigen ist, falls kein Anspruch auf Krankengeld besteht oder die Krankenkasse aufgrund von Vorschriften dieses Buches für einzelne Mitgliedergruppen den Umfang der Leistungen beschränkt. Im Rahmen des § 243 Abs.1 1. Alternative SGB V hat die Beklagte daher eine eingeschränkte Rechtssetzungsbefugnis (BSG vom 10.05.1995 BSGE 76, 93, 99). Hierbei ist aber auch zu berücksichtigen, dass diese Entscheidung des BSG einen Fall aus der Zeit vor Einführung der Wahlrechte der Mitglieder (§§ 173 ff. SGB V) betroffen hat. Die Vorschrift des § 243 Abs.1 SGB V will zwar eine willkürliche Ermäßigung des Beitragssatzes verhindern, kann aber die unvermeidbaren Kalkulationsunsicherheiten nicht beseitigen (von Maydell, ua, GK-SGB V, § 243 Rz.15 und § 242 Rz.8). Für die Stellung der freiwillig Versicherten ist insoweit auch von Bedeutung, dass sie jederzeit aus der Kasse austreten können (§ 191 Nr.4 SGB V). Dieser Umstand erschwert einerseits die Prognose- und Planungssicherheit und gestattet andererseits der Kasse, in den Wettbewerb einzutreten, der sich zudem in verbesserten Serviceleistungen, die zu erhöhten Personalkosten führen, niederschlägt (Becker, a.a.O., S.14). Nach der Auffassung des Senats verbleibt der Krankenkasse daher zusätzlich ein, wenn auch geringer Spielraum, Gesichtspunkte des Wettbewerbs zu berücksichtigen.

Aufgrund dieser gesetzlichen Vorgaben kann der Senat den vom Kläger erhobenen Einwänden gegen die Anhebung des ermäßigten Beitragssatzes nicht beitreten. Es ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, dass der ermäßigte Beitragssatz prozentual nur im gleichen Umfang wie der allgemeine Beitragssatz angehoben werden dürfte. "Entsprechend" der Ermäßigung im Sinne des § 243 Abs.1 SGB V bedeutet vielmehr, dass sich die Ermäßigung nach dem eingeschränkten Leistungsumfang richtet. Es ist in diesem Fall infolge des geringeren Risikos beim Krankengeld der zu erwartende Minderaufwand im Sinne einer prognostischen Beurteilung zu beachten. Dies bedeutet nicht, dass der bisherige Abstand zwischen dem allgemeinen und ermäßigten Beitragssatz stets gleich zu bleiben hat. Wesentlich ist vielmehr, dass die Beklagte bei den Mitgliedern, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben, die derart verringerten Aufwendungen bei der Kalkulation in einem gewissen Sinne berücksichtigt hat. Die hier durchzuführende Rechtskontrolle enthält keine Nachprüfung der Kalkulation der Beklagten auf "Mark und Pfennig", sondern wegen der Unsicherheit von Prognoseentscheidungen lediglich eine Kontrolle der Plausibilität, wobei hier auf die entsprechenden Daten anderer Krankenkassen zurückgegriffen wird. Wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid überzeugend dargelegt hat, liegt bei ihr die Differenz zwischen dem allgemeinen und ermäßigten Beitragssatz in etwa im Durchschnitt anderer gesetzlicher Krankenkassen. Selbst wenn diese Differenz, wie der Kläger meint, zu hoch wäre, wäre ein Schluss auf die angeblich zu starke Anhebung des ermäßigten Beitragssatzes nicht zwingend. Denn der vom Kläger angeführte zu große Abstand zwischen dem ermäßigten und allgemeinen Beitragssatz könnte auch darin begründet sein, dass die Kalkulation des allgemeinen Beitragssatzes zu gering ausgefallen ist, ohne dass insoweit hier rechtliche Beanstandungen möglich sind.

Die Beklagte hat die stärkere Anhebung des ermäßigten Beitragssatzes unter Bezugnahme auf ihren Haushaltsplan für das Jahr 1997 begründet. Es wurde ein Rückgang der Krankengeldausgaben von 8,1 % und eine Steigerung bei anderen Leistungsausgaben von 0,5 % kalkuliert. Damit hat die Beklagte Gründe angegeben, die Teil ihrer haushaltsrechtlichen Prognoseentscheidung sind. Derartige Prognosen über die künftige Entwicklung der Ausgaben (und auch Einnahmen), auch wenn sie sich nachträglich als unzutreffend erweisen, entziehen sich einer exakten Vorhersage und erfordern auch eine Beurteilung und Wertung, die rechtlich gleichfalls kaum zu überprüfen sind. Dies gilt insbesonders bezüglich der Prognose der Einnahmen und Ausgaben der freiwillig versicherten Mitglieder, die eine inhomogen zusammengesetzte Gruppe sind. Dies hat zur Folge, dass hier eine Kalkulation mit einer größeren Unsicherheit behaftet ist, als bei den versicherungspflichtigen Mitgliedern.

Die Darlegung der Beklagten, dass die Aufwendungen für Mitglieder ohne Krankengeldanspruch 90,90 % der Aufwendungen der Mitglieder mit dem allgemeinen Beitragssatz betragen und somit der allgemeine Beitragssatz von 13,7 % sich auf 12,4 % ermäßigt, ist nachvollziehbar.

Damit kann die unterschiedliche Anhebung des allgemeinen und des ermäßigten Beitragssatzes im vorliegenden Fall rechtlich nicht beanstandet werden.

Ebenso wenig kann gerügt werden, dass die Aufsichtsbehörde bei Genehmigung der Satzung keine Ermittlungen angestellt hat. Wie das Oberversicherungsamt Südbayern der Beklagten mit Schreiben vom 05.11.1999 mitgeteilt hat, hat kein Anlass im vorliegenden Fall bestanden, die Beitragssätze zu monieren. Denn eine Beanstandung von Beitragssätzen ist regelmäßig nur geboten, wenn die prognostizierte Entwicklung von der anderer Kassen deutlich abweicht und nicht plausibel begründet ist. Wegen der Unsicherheit der allgemeinen Prognosedaten ist es auch nicht das Ziel einer Beanstandung, Korrekturen bei der zweiten Stelle hinter dem Komma eines Beitragssatzes vorzunehmen.

Der Senat kann dem Kläger auch nicht insoweit folgen, als er eine Aufrundung auf 12,5 % nicht für zulässig hält. § 241 SGB V schreibt lediglich vor, dass der Beitragssatz in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festzusetzen ist. Dies im vorliegenden Falle geschehen. Die Ansicht des Klägers, dass Beitragssatzerhöhung um einige Hundertstel hätte geringer ausfallen müssen, u.a. auch wegen angeblicher Kalkulationsfehler, widerspricht der o.g. Verpflichtung der Beklagten, hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben eine prognostische Beurteilung abzugeben.

Selbst wenn der Beklagten bei der Aufstellung des Haushaltsplanes ein Prognosefehler oder Kalkulationsfehler unterlaufen wäre, wäre der Senat nicht in der Lage, die Beiträge neu festzusetzen und damit die Vorbereitungen für eine Beitragserstattung in Höhe von 300,00 DM oder mehr zu treffen. Denn die Folge einer rechtswidrigen Prognoseentscheidung oder einer Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraums ist, ohne dass es noch auf eine weitere Sachaufklärung ankommt, die Aufhebung des Verwaltungsakts sowie die Verpflichtung der Behörde durch Bescheidungsurteil, einen neuen Verwaltungsakt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erfassen (§ 131 Abs.3 SGG; vgl. Kopp, a.a.O., § 114, Rn.3, 5 mit Hinweisen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung). Damit ist es nicht die Aufgabe des Senats, den ermäßigten Beitragssatz neu zu bestimmen und das hierfür zuständige, demokratisch legitimierte Organ der Beklagten, nämlich den Verwaltungsrat, zu umgehen (§§ 194, 197, 241 SGB V).

Der Senat ist gleichfalls aus materiell-rechtlichen Gründen gehindert, die vom Kläger gewünschte Entscheidung zu treffen. Denn die Beiträge wären im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften anzupassen (§§ 220 Abs.2 bis 4, 261 Abs.2 SGB V). Sofern die tatsächliche Entwicklung der Ausgaben und Einnahmen im laufenden Haushaltsjahr nicht der bei der Aufstellung des Haushaltsplanes vorausgeschätzten Entwicklung entspricht, und die Einnahmen nicht zur Deckung der Ausgaben ausreichen, hat die Krankenkasse den notwendigen Ausgleich zunächst durch Einsatz von Betriebsmitteln und durch Entnahmen aus der Rücklage vorzunehmen. Ergibt sich während des Haushaltsjahres, dass die Betriebsmittel einschließlich der Zuführung aus der Rücklage und der Inanspruchnahme eines Darlehens aus der Gesamtrücklage (§ 262 SGB V) zur Deckung der Ausgaben nicht ausreichen, sind die Beiträge zu erhöhen. In diesem Fall kann der Vorstand eine Beitragserhöhung beschließen, die der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Kommt ein derartiger Beschluss nicht zu Stande, ordnet die Aufsichtsbehörde die notwendige Erhöhung der Beiträge an. Sie hat hier mehr Befugnisse, als eine Satzungsänderung zu genehmigen oder die Genehmigung zu versagen. Umgekehrt sind gemäß § 220 Abs.3 SGB V die Beiträge durch Änderung der Satzung zu ermäßigen, wenn die Einnahmen der Krankenkassen die Ausgaben übersteigen und das gesetzliche Betriebsmittel- und Rücklagesoll erreicht ist. Daraus ergibt sich also, dass "unrichtige" Beitragsfestsetzungen in der Regel nicht rückwirkend beseitigt werden, sondern in der Zukunft durch gegensteuernde Festsetzungen der Beitragssätze ausgeglichen werden.

Damit ist auch der Hilfsantrag abzulehnen; denn auf die Beiziehung der vom Kläger für erforderlich gehaltenen Unterlagen (§§ 103, 106 Abs.3 Nr.1 SGG) kommt es aus den o.g. rechtlichen Gründen nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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