L 4 KR 89/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 622/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 89/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für Arzneimittel und Krankenfahrten für das Jahr 1998 und die Folgejahre und dabei vordringlich über die Berechnung der anzusetzenden Fahrkosten.

Der 1948 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. In seinem Haushalt leben keine weiteren Angehörigen. Er ist taub und auf den Rollstuhl angewiesen und leidet an einem chronischen Nierenversagen. Am 08.04.1999 beantragte er die Befreiung von der Zuzahlung für Medikamente. Für ihn seien 1998 899,00 DM Fahrkosten angefallen bei der Benutzung seines privaten PKWs für die dreimal wöchentlich anfallenden Fahrten zur Dialyse. Unter Hinzufügung von Rezept- und Krankenhausgebühren beliefen sich seine Gesamtausgaben auf 1.100,00 DM, ein Betrag, der weit über 1 v.H. seiner mit 79.762,00 DM anzusetzenden Einnahmen liegt. Mit Bescheid vom 09.04.1999 lehnte die Beklagte eine Befreiung ab, weil die vom Kläger mit 68,00 DM geltend gemachten "Krankenhausgebühren" unberücksichtigt blieben und die Fahrkosten nicht mit 1,44 DM, sondern nur mit 0,38 DM pro Kilometer anzusetzen seien, was zu einer jährlichen Belastung von 237,12 DM führe. Unter Hinzurechnung von 133,00 DM Rezeptgebühren würden lediglich 370,12 DM erreicht, womit der Eigenanteil des Klägers nicht überschritten würde.

Dagegen erhob der Kläger am 14.04.1999 Widerspruch, mit dem er sich gegen die abweichende Berechnung der Fahrkosten wandte und betonte, dass es ihm vordringlich um die Erstattung der Medikamentenzuzahlung gehe, der höhere Fahrkostenansatz werde nur als dazu dienlicher Rechenposten vorgetragen.

Mit Schreiben vom 10.06.1999 erklärte die Beklagte noch einmal ihre Berechnungsweise.

Im Widerspruchsbescheid vom 15.09.1999, mit dem die Beklagte den Widerspruch zurückwies, wurde davon ausgegangen, dass beim Kläger Ausgaben wegen der Behandlung einer Dauererkrankung anfallen. Die deswegen maßgebliche Belastungsgrenze mit 1 v.H. aus rund 87.700 DM werde aber nicht überschritten, weil die Fahrkosten mit den 0,38 DM entsprechend den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes anzusetzen seien. Unerheblich sei, dass bei Benutzung eines Taxis tatsächlich höhere Kosten anfallen würden.

Mit der Klage vom 06.10.1999 hat der Kläger nunmehr auch ausdrücklich die Übernahme der Fahrkosten für 1998 geltend gemacht. Es sei von den notwendigen Fahrkosten auszugehen, die bei ihm als Behinderten weit über den 0,38 DM pro Kilometer lägen. Auch mache er einen Freibetrag von 7.938,00 DM geltend, um den seine Einkünfte zu verringern seien.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 22.03.2001 (zugestellt am 13.05.2001) die Klage ohne mündliche Verhandlung, wozu die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt hatten, abgewiesen, weil die Berechnung der Beklagten zuträfe. Da es dem Kläger auch um zukünftige Leistung gehe, sei die Berufung trotz des geringen Beschwerdewertes nicht ausgeschlossen.

Dieses Rechtsmittel hat der Kläger am 13.06.2001 beim LSG eingelegt und will erneut unterschieden wissen zwischen Berechnung der anzurechnenden Ausgaben und der dann daraus folgenden Erstattung. Die ihm durch die notwendige Kfz-Benutzung entstandenen Kosten lägen aber mit 1,44 DM erheblich über der von der Beklagten verwendeten Pauschale. Entsprechend dem Gesetzestext sei von den notwendigen Kosten auszugehen. Diese habe er genau aufgelistet.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 22.03.2001 und den zu Grunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 09.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für 1998 DM seine Medikamentenzuzahlung und Fahrkosten teilweise zu erstatten und ihn für die Jahre 1999 und folgende von Medikamentenzuzahlung und Fahrkosten freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In ihrer Erwiderung berichtigt sie ihren Rechenfehler aus dem Widerspruchsbescheid und hält weiterhin einen Fahrkostenansatz von 0,38 DM pro km für gerechtfertigt, sodass sie nunmehr insgesamt nur noch 369,62 DM an Medikamenten- und Fahrauslagen für das Jahr 1998 für berücksichtigungsfähig erachtet, wodurch die Belastungsgrenze nicht überschritten werde.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144, 151 SGG). Zu Recht geht das Sozialgericht davon aus, dass hier die Berufung zulässig ist, denn der Kläger begehrt Leistungen für 1998 und die Folgejahre.

Die erwünschte Befreiung, die sich durch Zeitablauf inzwischen auch für die Folgejahre in eine Erstattungsforderung umgewandelt hat, kann aber nicht erfolgen. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden vom Grundsatz her den Versicherten in Form der Sachleistung zur Verfügung gestellt, ohne dass von ihnen Zahlungen zu erbringen sind (§ 2 Abs.1 und 2 Satz 1 SGB V). Transportleistungen im Zusammenhang mit Krankenbehandlung durch Übernahme von Fahrkosten sind in der Regel den Eigenleistungen der Versicherten zuzurechnen, also nicht von den Krankenkassen zu erbringen. Die in § 60 Abs.2 Satz 1 Nr.1 bis 4 SGB V aufgelisteten Ausnahmen, bei denen die Fahrkosten von der Krankenkasse gleichwohl zu übernehmen sind, treffen auf die Fahrkosten, die dem Kläger durch die regelmäßige Blutdialyse entstehen, nicht zu (BSG vom 18.02.1997 - SozR 3-2500 § 60 Nr.1). Auf diese Rechtsgrundlagen kann der Kläger somit seine Ansprüche nicht stützen. Das ist ihm offensichtlich auch bewusst, da er von Beginn an Rechte aus der sog. "Überforderungsklausel" des § 62 SGB V geltend machen will. Das ist gleichfalls aber nicht möglich, weil er durch die Eigenbeteiligung nicht in dem vom Gesetz geforderten Umfang belastet ist, mithin die ihm entstehenden Aufwendungen, zumindest derzeit, selbst zu tragen hat.

Eine solche Eigenleistung sieht das SGB V neben dem Anspruch auf Sachleistungen in vielen Fällen vor, und zwar nicht nur bei den Fahrkosten, sondern zum Beispiel auch bei der Abgabe von Medikamenten und Hilfsmitteln, beim Krankenhaus- oder Kuraufenthalt. Um eine übermäßige Belastung der Versicherten durch derartige Eigenleistungen zu verhindern, hat der Gesetzgeber jedoch gewisse Schranken gezogen. Das ist einmal die hier nicht in Betracht kommende vollständige Befreiung bei Unzumutbarkeit jeglicher Eigenbeteiligung (§ 61 SGB V) und daneben die Überforderungsklausel in § 62 SGB V. Deren Sinn ist es, den Versicherten von den Eigenkosten freizustellen, soweit sie die "Belastungsgrenze" überschreiten. Diese beträgt im Normalfall 2 v.H. der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Diese betrugen beim Kläger im Jahre 1998 gemäß seiner durch den Steuerbescheid bestätigten Aufstellung 87.627,00 DM, da nach dem in § 62 Abs.1 SGB V geforderten Bruttoprinzip auch "durchlaufende Posten" zu berücksichtigen sind, solange sie nicht im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden (§ 10 Abs.1 Satz 5 Umsatzsteuergesetz), was hier aber nicht der Fall ist. Auch lässt sich die Summe nicht um den vom Kläger geforderten "Freibetrag" von 7.938,00 DM verringern. Dieser Betrag entspricht 15 v.H. der 1999 geltenden Bezugsgröße (1998: 7.812,00 DM) und lässt sich nur mindernd einsetzen, wenn im gemeinsamen Haushalt mit dem Versicherten ein weiterer Angehöriger lebt. Das war bei dem Kläger aber weder 1998 noch 1999 der Fall.

Die 2-v.H.-Belastungsgrenze verringert sich auf null, wenn Versicherte wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sind und ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens 1 v.H. der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt geleistet haben. Daraus folgt für den Kläger, der sich mit seiner Dialyse in einer solchen durchgehenden Dauerbehandlung befindet: Hat er im Jahre 1998 die 2-v.H.-Grenze überschritten, muss die Beklagte die überschießenden Kosten übernehmen. Hat er auch die 1-v.H.-Grenze überschritten, entfällt jegliche Zuzahlung für 1999 und ggf. länger. Beide Grenzen überschreitet der Kläger nicht. Die ihm zuzurechnenden Eigenleistungen belaufen sich nicht auf 1-v.H. seiner Einkünfte, sodass keine der in § 62 SGB V vorgesehenen Vergünstigungen in Betracht kommt.

1 v.H. aus 87.627,00 DM sind 867,27 DM. Darauf sind anzurechnen die unstreitigen 132,50 DM an Zuzahlung zu Medikamenten und die "notwendigen Fahrkosten". Deren Berechnung ist der eigentliche Streitpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung. Dabei stehen die jeweilige Kilometerzahl und die Anzahl der Fahrten fest, nämlich 4 Kilometer an 156 Tagen, was 624 Kilometer im Jahr 1998 ergibt. Diese Zahl ist mit dem Wert zu multiplizieren, der notwendigerweise pro Kilometer anfällt. Um hier eine einheitliche Definition zu erreichen, die eine sachgerechte Kostenerfassung ermöglicht, hat der Gesetzgeber auf einen Pauschalwert zurückgegriffen, der bereits gesetzlich festgelegt ist, nämlich in § 6 des Bundesreisekostengesetzes - BRKG -. § 62 Abs.1 Satz 1 SGB V lässt sich nämlich hinsichtlich der Belastung mit Fahrkosten nur im Zusammenhang mit § 60 Abs.1 Satz 2 lesen, wonach die Krankenkasse - sofern kein Fall des § 60 Abs.1 vorliegt - Fahrkosten übernimmt (abgesehen vom Fall des § 61 SGB V), soweit § 62 dies vorsieht. Welche Fahrkosten anerkannt werden und damit als notwendig im Sinne des § 62 Abs.1 Satz 1 SGB V anzusetzen sind, definiert im Einzelnen § 60 Abs.3 SGB V. Dort wird auf die Regelung in § 6 BRKG Bezug genommen, wenn Fahrkosten bei Benutzung eines privaten Kfz entstehen. § 6 BRKG sieht in der bis Ende 2000 geltenden Fassung als Höchstleistung 0,38 DM pro gefahrenen Kilometer vor, gleichgültig welche Kosten tatsächlich mit dem jeweils benutzten Kfz entstanden sind. Diese gesetzlich so vorgeschriebene Pauschalierung muss auch der Kläger gegen sich gelten lassen, sodass die von ihm in Ansatz gebrachten 1,44 DM nicht zu berücksichtigen sind, sondern lediglich die 0,38 DM. Seit dem 01.01.2001 hat sich die Pauschale auf 0,43 DM erhöht. Es fällt also der Wert der Fahrkosten innerhalb des § 62 SGB V nicht auseinander, in den wie er beim einzelnen Versicherten entsteht und den, wie er von der Beklagten zu übernehmen ist.

Es ist folglich den 132,50 DM das Produkt aus 624 Kilometern und 0,38 DM (= 237,12 DM) hinzuzufügen. Das führt zu dem Ergebnis von 369,62 DM und liegt damit noch unter der vom Sozialgericht in Übernahme der fehlerhaften Berechnung im Widerspruchsbescheid angenommenen 509,62 DM.

Somit bleibt als Ergebnis, dass der Kläger weder für 1998 noch für die Folgejahre auf Grund seiner Berechnungsweise der Fahrkosten von Zuzahlungen befreit werden kann. Ob sich das ändert, in Sonderheit durch erhebliche Zunahme von Selbstbeteiligung an den Medikamenten, ist jeweils für das entsprechende Jahr festzustellen, wobei der Kläger durch das Ergebnis dieses Rechtsstreites einsehen muss, dass er bei den Fahrkosten auch in Zukunft keine höheren Werte, als sie § 6 des BRKG vorgibt, ansetzen kann.

Angesichts des Verfahrensausgangs und weil auch die Beklagte keinen Anlass für die Berufung gesetzt hat, sind dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG).

Die vom Kläger befürwortete Berechnung seiner Fahrkosten wirft keine grundsätzliche Frage auf, so dass die Revision nicht zuzulassen ist (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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