L 16 LW 25/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 186/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 25/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Den Bürger als Adressat eines Verwaltungsakts trifft im Fall des § 37 Abs. 2 SGB X keine irgendwie geartete Beweislast für den Zugang. Es genügt das einfache Bestreiten des Zugangs; substanitiiertes Bestreiten durch den Adressaten ist erst dann und auch dann nicht in überspannter Form gefordert, wenn der Bescheid förmlich zugestellt worden ist.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.1998 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 25.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.1996 verurteilt, den Kläger bereits ab 01.07.1994 von der Versicherungspflicht zu befreien.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Befreiung von der Versicherungspflicht als Landwirt bereits ab 01.07.1994 anstatt ab 01.10.1995. Der am 1971 geborene Kläger ist seit 01.09.1987 wegen seiner Beschäftigung als Industriemechaniker versicherungspflichtig. Am 01.07.1994 übernahm er die elterliche Landwirtschaft. Hiervon nahm die Beklagte aufgrund einer Meldung der Katasterabteilung am 19.10.1994 Kenntnis. Mit Bescheid vom 21.03.1995 nahm die Beklagte den Kläger mit Wirkung ab 01.07.1994 in das Mitgliederverzeichnis auf und veranlagte ihn zur Beitragszahlung. Sie forderte ihn zur umgehenden Überweisung des Beitragsrückstandes in Höhe von 2.619,00 DM auf. Neben dem Datumstempel vom 29.03.1995 auf dem Bescheidabdruck im Beklagtenakt befindet sich ein Handzeichen. Am 08.09.1995 teilte die Beklagte dem Kläger die Höhe der rückständigen Beitragsforderung mit 4.365,00 DM mit. Nach telefonischer Erkundigung des Klägers übersandte die Beklagte am 20.09.1995 einen Befreiungsantrag, der am 29.09.1995 ausgefüllt bei der Beklagten einging. Daraufhin befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 25.03.1996 für die Zeit ab 01.10.1995 gemäß § 3 Abs.1 Nr.1 ALG und forderte ihn zur Begleichung der Beitragsforderung in Höhe von 4.365,00 DM auf. Dem widersprach der Kläger mit der Begründung, die Landwirtschaft werde als Nebenerwerb nur noch für ein paar Jahre bewirtschaftet. Die Sozialversicherungsbeiträge zahle er aufgrund seiner hauptberuflichen Beschäftigung; er bitte um Storno der Beitragsforderung. Nach dem Hinweis der Beklagten auf die Verspätung des Befreiungsantrags machte der daraufhin bestellte Klägerbevollmächtigte geltend, bis September 1995 sei dem Kläger nicht bekannt gewesen, dass er Beiträge schulde. Der Kläger habe den Bescheid vom 31.03.1995 nicht erhalten. Im Widerspruchsbescheid vom 10.12.1996 heißt es, der angebliche Nichterhalt des Aufnahmebescheids sei eine Schutzbehauptung. Bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht beginne die dreimonatige Antragsfrist des § 3 Abs.2 ALG entsprechend § 34 Abs.2 Satz 3 ALG mit der Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht, also am 30.03.1995. Tatsächlich sei der Antrag sechs Monate danach eingegangen, daher erfolge die Befreiung erst ab Antragstellung. Vor Erlass des Widerspruchsbescheids wurde die Anlage 10 zum Rundschreiben 39/96 des Gesamtverbands der Landwirtschaftlichen Alterskassen abgeheftet, in dem es unter Fußnote 1 heißt, die dreimonatige Antragsfrist des § 3 Abs.2 ALG beginne entsprechend § 34 Abs.2 Satz 3 ALG mit Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht zu laufen. Mit der am 30.12.1996 erhobenen Klage machte der Kläger geltend, die Beklagte habe den Zugang des Bescheids im März 1995 nachzuweisen. Im klageabweisenden Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.1998 wurde ausgeführt, der Bescheid vom 21.03.1995 sei rechtmäßig, da die Beitragforderung kraft Gesetzes zum Entstehen komme. Da § 3 Abs.1 Nr.1 ALG gemäß § 94 Abs.1 Satz 1 ALG einschlägig sei, der die Befreiungsmöglichkeiten nicht an den Beitragsbescheid knüpfe, sondern an den Zeitpunkt der Entstehung der Beitragsverpflichtung sei die Dreimonatsfrist versäumt. Ein Wiedereinsetzungsgrund sei nicht gegeben, da schlichtes Bestreiten des Zugangs nicht ausreiche. Gegen das am 28.05.1998 zugestellte Urteil legte der Kläger am 19.06.1998 Berufung ein. Seines Erachtens ist das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes irrelevant. Entsprechend dem Widerspruchsbescheid beginne die Befreiungsantragsfrist mit der Bekanntgabe des Beitragsbescheids, die erst nach Akteneinsicht durch den Klägerbevollmächtigten im Juli 1996 erfolgt sei. Am Wohnort des Klägers gäbe es fünf Adressaten mit Namen Stuber und einen im Nachbarort. Dass der Kläger den Befreiungsantrag erst im September 1995 gestellt habe, spreche dafür, dass er den Beitragsbescheid nicht erhalten habe. Gemäß § 37 Abs.2 SGB X habe die Behörde im Zweifel den Zugang nachzuweisen. Die Beklagte erwiderte, sollte für den Fristbeginn des § 3 Abs.2 ALG die Bekanntgabe des Aufnahmebescheids erforderlich sein, sei die Vermutung des § 37 Abs.2 SGB X durch unsubstantiiertes Bestreiten nicht widerlegt. Die Einlassung des Klägers sei nicht glaubhaft, da unter verwandten Betroffenen sicher eine Abstimmung erfolgt sei und alle anderen Schreiben den Kläger erreicht hätten. Nach dem Ruhen des Verfahrens vom 11.04.2000 bis 13.07.2001 wegen anhängiger Revision B 10 LW 22/99 R berief sich der Kläger auf § 34 Abs.2 Satz 3 ALG, da § 34 Abs.2 Satz 4 erst am 23.12.1995 in Kraft getreten sei. In der mündlichen Verhandlung am 12.12.2001 wurde der Kläger persönlich gehört. Insoweit wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.1998 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 25.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.12.1996 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bereits ab 01.07.1994 von der Versicherungpflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akte des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10.03.1998 ist aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 25.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1996 dahingehend abzuändern, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht als Landwirt bereits ab 01.07.1994 und nicht erst am 01.10.1995 beginnt. Der Kläger hat ein rückwirkendes Befreiungsrecht. Zutreffend führt das Sozialgericht aus, dass auf den Befreiungsantrag des Klägers gemäß § 94 Abs.1 Satz 1 ALG das ab 01.01.1995 geltende neue Recht des ALG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des ALG von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Der Antrag des Klägers ist auch nicht in der ausnahmsweise geltenden Übergangsfrist bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung des GAL - also bis zum 31.03.1995 - gestellt worden (§ 94 Abs.2 ALG). Damit ist auf den Kläger nicht mehr die bis 31.12.1994 geltende Vorschrift des § 14 Abs.2 GAL anzuwenden, die eine generelle Rückwirkung des Antrags auf Befreiung von der Beitragspflicht nach dem GAL vorsah. Vielmehr gilt seit 01.01.1995 die Regelung des § 3 Abs.2 ALG; hiernach wirkt die Befreiung von der Versicherungspflicht vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen an, wenn sie innerhalb von drei Monaten beantragt wird, sonst vom Eingang des Antrags an. Ebenfalls zu Recht ist das Sozialgericht für den streitigen Zeitraum von der Versicherungspflicht des Klägers nach § 1 Abs.1 und 2 i.V.m. Abs.5 ALG ausgegangen. Der Kläger betrieb als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft, das die Mindestgröße übersteigt. Die Aufhebung des Bescheids vom 21.03.1995 kommt daher nicht in Betracht. Unstreitig lagen die materiellen Voraussetzungen der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs.1 ALG im strittigen Zeitpunkt vor. Der Kläger bezog aus seiner Beschäftigung als Industriemechaniker ein Arbeitsentgelt, das ein Siebtel der Bezugsgröße überschritt. Zweifellos hat der Kläger seinen entsprechenden Antrag bei der Beklagten nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen gestellt. Diese waren ab 01.07.1994 gegeben, ab dem Zeitpunkt, in dem der Kläger als Landwirt der Beklagten gegenüber beitragspflichtig wurde. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die verspätete Antragstellung auf eine unzureichende Beratung durch die Beklagte zurückgeht, nachdem diese bis zum Befreiungsantrag des Klägers im September 1995 über die persönlichen Verhältnisse des Klägers nicht orientiert war.

Das Bundessozialgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob auch im Rahmen des § 3 Abs.2 ALG der vom Klägerbevollmächtigten bemühte Rechtsgedanke des § 34 Abs.2 Satz 3 ALG Anwendung findet und so die Frist bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht beginnt (BSGE vom 17.08.2000 - B 10 LW 22/99 R). Dies ist deshalb fraglich, weil § 3 ALG eine Wiedereinsetzung in dem vorigen Stand nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat. Dies, obwohl sich solche Ausschlussregelungen in manchen anderen Vorschriften den neueren Gesetzgebung finden (§ 85 Abs.3 Satz 3, Abs.4 Satz 2 ALG). Das Bundessozialgericht hat in der oben genannten Entscheidung weiter ausgeführt, eine Wiedereinsetzung komme dann nicht in Betracht, wenn der Betroffene gegen eine Meldepflicht verstossen und deshalb die Versäumung der Dreimonatsfrist des § 3 Abs.2 ALG zu vertreten habe. Der Unternehmer habe sich selbst darum zu kümmern, welche sozialversicherungsrechtlichen Folgen seine Betätigung nach sich ziehe, und bei Übernahme der Landwirtschaft vor dem 31.12.1994 seine unternehmerische Tätigkeit entsprechend § 796 Abs.1 RVO i.V.m. § 32 GAL zu melden. Wäre der Kläger diesen Pflichten nachgekommen, wäre der Beitragsbescheid der Beklagten noch so frühzeitig ergangen, dass der Kläger noch nach dem bis zum 31.12.1994 geltenden Recht seine rückwirkende Befreiung von der Befreiungspflicht hätte erreichen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Hätte der Kläger die Übernahme der Landwirtschaft bereits im Juli 1994 angezeigt, hätte es angesichts des tatsächlichen Zeitablaufs zwischen der Meldung durch die Katasterabteilung am 19.10.1994 und dem Befreiungsantrag am 20.09.1995 bis Juni 1995 gedauert, bis im fiktiven Fall der Befreiungsantrag gestellt worden wäre. Das alte Recht hätte dann keine Anwendung mehr finden können.

Tatsächlich hat sich die Beklagte bei der Zurückweisung eines früheren Befreiungsbeginns nicht auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten des Kläger berufen, sondern lediglich die Säumnis der dreimonatigen Antragsfrist, beginnend ab Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht moniert. Die Beklagte pflegte nämlich offensichtlich in Anlehnung an den Kommentar des Gesamtverbands der landwirtschaftlichen Alterskassen und deren Rundschreiben die Übung, die dreimonatige Antragsfrist in § 3 Abs.2 ALG entsprechend § 34 Abs.2 Satz 3 ALG unabhängig von einem Verschulden erst mit Bekanntgabe des Bescheids über die Feststellung der Versicherungspflicht laufen zu lassen. Darauf lassen der Inhalt des Widerspruchsbescheids und die vor Erlass des Widerspruchsbescheids zum Akt genommene Anlage 10 zum Rundschreiben 39/96 des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen vom 22.02.1996 schließen. Entscheidend war daher, ob die genannte Frist des § 34 Abs.2 Satz 3 ALG zu laufen begonnen hat, nachdem der Klägerbevollmächtigte behauptet, der Bescheid über die Beitragspflicht sei nicht vor September 1995 bekannt gegeben worden. Wäre dies zutreffend, könnte der Kläger geltend machen, andere in gleicher Lage befindliche Bürger hätten bereits entsprechend der Verwaltungsübung eine Befreiung erhalten. Wenn die Beklagte Nebenerwerbslandwirten bei rückwirkender Feststellung der Versicherungspflicht unabhängig von der Rechtzeitigkeit ihrer Meldung ab Bekanntgabe des dem Pflichttatbestand feststellenden Bescheides eine dreimonatige Antragsfrist zubilligte, musste sie dieses Befreiungsrecht wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes allen Nebenerwerbslandwirten einräumen.

Diese Verwaltungspraxis war nicht rechtswidrig. Zwar setzt nach § 34 Abs.2 Satz 4 ALG die Anwendung des Satzes 3 voraus, dass die Frist nach Satz 1 aus Gründen versagt wurde, die der Berechtigte nicht zu vertreten hat, wenn die Versicherungspflicht als Folge der Beendigung einer Befreiung z.B. nach § 3 Abs.1 ALG rückwirkend festgestellt wird. Satz 4 ist jedoch erst am 23.12.1995, also nach der Antragsstellung des Klägers in Kraft getreten. Zwar hat das BSG in den genannten Entscheidungsgründen mit Blick auf den Zweck der Neuregelung des § 3 Abs.2 ALG wörtlich ausgeführt, "alles spreche dafür, die Anwendung des Rechtsgedankens der auf den Beitragszuschuss zugeschnittenen Regelung aus § 34 Abs.2 Satz 3 ALG auch bereits für die Zeit vor Inkrafttreten des Satzes 4 jener Vorschrift jedenfalls wie folgt einzuschränken: ein Anspruch auf eine rückwirkende Befreiung bei rückwirkender Bescheiderteilung über die Versicherungspflicht besteht dann nicht, wenn der Betroffene eine Änderung in den persönlichen Lebensverhältnissen (z.B. wie hier Übernahme einer Landwirtschaft) nicht anzeigt, die der landwirtschaftlichen Alterkasse nicht bekannt sein musste, er durch diese Änderung versicherungspflichtig wird und ihm die Versicherungspflicht bekannt war oder bekannt sein musste." Wenn die Beklagte aber in Anwendung von § 94 II ALG, der auch bei Änderungen des ALG nach dem 01.01.1995 gilt, wegen der Befreiungsantragstellung noch vor der Ergänzung des § 34 II ALG durch Satz 4 in entsprechender Anwendung des § 34 II Satz 3 ALG anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall tatsächlich eine über den Wortlaut des § 3 II ALG hinausgehende Frist einräumt, so kann diese Verwaltungsübung nicht als rechtswidrig beurteilt werden. Sie ist jedenfalls vertretbar. Ob der Bescheid vom 21.03.1995 dem Kläger bekanntgegeben worden ist, ist nicht erwiesen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zuganges nachzuweisen (§ 37 Abs.2 SGB X). Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Sozialgerichts besteht bei formloser Übermittlung von Schriftstücken keine Vermutung für den Zugang. Den Bürger trifft in diesem Fall keine irgendwie geartete Beweislast für den Zugang (Bundesverfassungsgericht Band 36, S.88; Kopp, VWGO, 10.Aufl., § 56 Rdz.6 m.w.N.). Wenn der Adressat wie vorliegend geltend macht, dass er das Schriftstück nicht erhalten hat, trifft die Behörde die Beweislast. Wegen der weitreichenden Auswirkung des Bescheids vom 21.03.1995 hätte es daher nahe gelegen, den Bescheid zuzustellen. Wie es im Kommentar des Gesamtverband Deutscher Rentenversicherungsträger heißt (§ 37 Ziffer 9), erscheint es für den Rentenversicherungsträger dann zweckmäßig, einen schriftlichen Verwaltungsakt förmlich zuzustellen, wenn es auf einen exakten Nachweis des Zugangs ankommt (z.B. wenn der Lauf einer Frist in Gang gesetzt wird), da die Behörde im Bestreitensfall bei einfachter Briefsendung sowohl Zugang als auch Zeitpunkt des Zugangs nur schwerlich wird beweisen können (ebenso von Wulffen, SGB X, § 37 Rdz.13). Substantiiertes Bestreiten wird erst dann und auch dann nicht in überspannter Form gefordert, wenn der Bescheid förmlich zugestellt ist z.B. mittels eingeschriebenen Briefs (so BSG, Urteil vom 23.05.2000 in SozR 3-1960 § 4, aber auch BSG, Urteil vom 28.09.1998 in SozR 3-1750 § 418 Nr.1, das die Widerlegung der in der Postzustellungsurkunde bezeugten Tatsache zum Gegenstand hat).

Da eine förmliche Zustellung nicht erfolgt ist, gilt § 37 Abs.2 2.Halbsatz SGB X, wonach die Behörde im Zweifel den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen hat. Es ist ausreichend, dass der Kläger den Zugang überhaupt bestreitet, weil ihm in diesen Fall keine nähere Substantierung möglich ist (Krasney in KassKomm. § 37 SGB X Rdz.6). Ob es sich um eine Schutzbehauptung des Klägers handelt, wie von Seiten der Beklagten und des SG vermutet wird, ist nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht erwiesen. Der Kläger hat erneut und glaubhaft Umstände vorgetragen, die eine falsche Briefzustellung durch die Post möglich erscheinen lassen. Sowohl am Wohnort des Klägers als auch im Nachbarort in der Straße, die nach dem Wohnort des Klägers benannt ist, sind Personen gemeldet, die denselben Nachnamen wie der Kläger tragen. Keinen Zweifel hegt der Senat, dass die Beklagte den strittigen Bescheid ordnungsgemäß am 29.03.1995 zur Post gegeben hat. Dass mit dem Nachweis der Versendung nicht gleichzeitig der Nachweis des Zugangs verbunden ist - anders als im Fall der Zugangsvermutung, wenn der Versicherte die Versendung nachweist wie vom BSG am 06.02.2001 entschieden (u.a. in B 10 LW 8/99 R) - hängt mit der ausdrücklichen Beweislastregel in § 37 Abs.2 SGB X zusammen. Während der Versicherte das Risiko für den Verlust auf den Postweg nicht zu tragen hat, sind Zweifel am Zugang des von der Behörde versandten Verwaltungsakts erlaubt und im Fall der Beweislosigkeit wirkungshemmend.

Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Kläger bei früherer Kenntnis der Sach- und Rechtslage unverzüglich einen Befreiungsantrag gestellt hätte. Der Kläger hat deutlich gemacht, dass er sich durch sein außerlandwirtschaftliches Einkommen ausreichend anderweitig gesichert sieht und nicht bereit ist, zusätzliche Beitragsbelastungen zu tragen. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger aus anderen Gründen als denen der unterlassenen Aufklärung über seinen Mitgliedsstatus den Befreiungsantrag nicht früher gestellt hat, haben sich nicht ergeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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