L 11 KA 13/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 243/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 13/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beigeladenen zu 8) gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.12.2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Entziehung der Zulassung des Klägers als Vertragsarzt.

Der ... geborene Kläger ist seit Juni 1988 als Arzt für Psychotherapie in D ... zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und zuvor schon seit 1982 zur psychotherapeutischen Versorgung gesetzlich Krankenversicherter ermächtigt. Im Jahre 1990 und im Quartal I/1995 kam es zu Honorarberichtigungsverfahren wegen einzelner Leistungsziffern. Wirtschaftlichkeitsprüfungen fanden nicht statt.

In den Jahren 1998 und 1999 nahm der Kläger in erheblichem Umfang ehrenamtlich berufspolitische Aufgaben wahr. So gehörte er als einziges D ... Mitglied dem Fachausschuss Psychiatrie/Psychotherapie der Beigeladenen zu 8) an, war Mitglied der Landeskonferenz der Richtlinien-Psychotherapeuten NRW und führte den Vorsitz im Zulassungsausschuss D ..., der im Jahr 1999 im Hinblick auf die Eingliederung der Psychotherapeuten ins vertragsärztliche System streckenweise zwei- bis dreimal wöchentlich tagte.

Nach eigenen Angaben aufgrund der oben geschilderten Beanspruchung ließ der Kläger seine Quartalsabrechnungen für die Quartale ab I/1998 zunächst unerledigt, wobei ihm die Beigeladene zu 8) mehrfach einen Abrechnungsaufschub gewährte, zuletzt mit Schreiben vom 22.07.1999 bis Ende August 1999. Nachdem ihm seitens der Beigeladenen zu 8) in Aussicht gestellt worden war, dass im Falle einer weiteren Nichtabrechnung der Entzug der Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit drohe, bemühte sich der Kläger zunächst nach eigenen Angaben mit Hilfe des Abrechnungsprogramms PSYCHODAT, die aufgelaufenen Quartalsabrechnungen zu erstellen. Da er mit dieser Software nicht zurecht kam, beschloss er, einen Urlaub in Frankreich zu nutzen, um die Abrechnungen vollständig abzuwickeln. In diesen Urlaub nahm er sein Laptop sowie sämtliche Sicherungsdisketten mit, auf denen sich neben den für die Abrechnung bedeutsamen Daten auch seine vollständigen Falldokumentationen befanden.

Auf der Rückfahrt kam es am 19.06.1999 zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Laptop und die beigeführten Disketten zerstört wurden. Im Quartal III/1999, in dem sich der Kläger als Folge des Unfalls vom 05.08. bis 07.08.1999 einem stationären Eingriff unterziehen musste, bemühte er sich, die beim Unfall verloren gegangenen Dateien zu rekonstruieren und eine Abrechnung mit Hilfe des Programms MS Excel zu erstellen. Dabei kam es nach seinen Angaben zu einem Programmierungsfehler, der zu einer vollständigen Unrichtigkeit der Abrechnung führte. Eine abschließende Kontrolle der Abrechnung nahm der Kläger nicht vor. Mit Schreiben vom 30.08.1999 überreichte der Kläger die Abrechnungen für die Quartale I/1998 bis II/1999, ohne auf deren mögliche Fehlerhaftigkeit ausdrücklich hinzuweisen. Die Abrechnung für das Quartal II/1998 listete bei allen 67 Patienten identische Leistungen an identischen Tagen auf. Für das Quartal III/1998 rechnete der Kläger Leistungen zugunsten eines Versicherten T ... Test, Teststr. , Testdorf ..." ab. Die Abrechnungen für die Quartale I/1998 bis II/1999 Auch die später eingereichte Abrechnung für das Quartal III/1999 war fehlerhaft.

Die auf die geschilderten Umstände gestützten Anträge der Beigeladenen zu 3) und 8) auf Entziehung der Zulassung lehnte der Zulassungsausschuss ab (Beschluss vom 17.10.2000). Der Kläger habe zwar seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt. Das beruhe aber auf einer Verkettung unglücklicher Umstände, deretwegen er den Überblick verloren und seine administrativen Aufgaben in der Praxis vernachlässigt habe. Da Auslöser hierfür berufspolitische Belastungen gewesen seien, bestehe keine Wiederholungsgefahr, und ein Disziplinarverfahren sei zur Ahndung ausreichend.

Auf den Widerspruch der Beigeladenen zu 8) entzog der Beklagte dem Kläger die Zulassung (Beschluss vom 20.06./03.07.2001). Der Kläger habe seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Er habe über einen Zeitraum von mindestens sechs Quartalen gegen die Pflicht verstoßen, seine Leistungen nach Quartalsschluss bis zum 10. des Folgemonats abzurechnen. Die Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeiten habe nicht zu einer Beeinträchtigung seiner vertragsärztlichen Pflichten führen dürfen. Es sei davon auszugehen, dass das Abrechnungsprogramm PSYCHODAT fehlerfrei arbeite. Jedenfalls habe der Kläger die Fehler erkennen müssen. Sein Verhalten in der mündlichen Verhandlung habe gezeigt, dass es ihm nach wie vor nicht glinge, die seinerzeit von ihm ehrenamtlich wahrgenommenen Aufgaben von seinen Pflichten als Vertragsarzt abzugrenzen. Damit fehlten ihm erkennbare Grundvoraussetzungen, die für sachgerechte Psychotherapieleistungen unabdingbar vorhanden sein müssten, und aus diesem Grund bestehe auch Wiederholungsgefahr.

Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat der Kläger vorgetragen, er habe sich in einer einmaligen Zwangslage befunden. Da ihm die Beigeladene zu 8) mehrfach Abrechnungsaufschub gewährt habe, könnten ihm die verspäteten Abrechnungen nicht zur Last gelegt werden. Er habe nicht in betrügerischer Absicht gehandelt. Zu seinen Gunsten sei weiter zu berücksichtigen, dass er seine berufspolitische Arbeit vollständig aufgegeben habe und daher keine Wiederholungsgefahr bestehe. Bei dem einmaligen Fehlverhalten sei unter Berücksichtigung seines Alters eine Entziehung der Zulassung unverhältnismäßig.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 03.07.2001 - Beschluss vom 20.06.2001 - aufzuheben.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 8) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben den angefochtenen Beschluss verteidigt. Die vom Kläger vorgetragene Zwangslage beruhe auf dem Umstand, dass er sechs Quartale hinweg nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe. Seine fehlerhafte Abrechnung stelle unzweifelhaft ein strafbares Verhalten dar.

Mit Urteil vom 11.12.2002 hat das SG den angefochtenen Beschluss aufgehoben. Obwohl der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt habe, sei wegen fehlender Wiederholungsgefahr und fehlender krimineller Energie die Entziehung der Zulassung unverhältnismäßig. Wegen des von der Beigeladenen zu 8) gewährten Zahlungsaufschubs könne ihm die verzögerte Abrechnung nicht vorgeworfen werden. Dabei sei es insbesondere wegen der Tätigkeit als Vorsitzender des Zulassungsausschusses nachvollziehbar, dass er nicht zunächst an eine Aufgabe seiner Ehrenämter gedacht, sondern um Zahlungsaufschub gebeten habe. Die von ihm sodann unter dem Druck, sonst seine Zulassung zu verlieren, eingereichte Abrechnung sei derart falsch gewesen, dass er nicht habe annehmen können, dies werde der Beigeladenen zu 8) nicht auffallen. Da die einmalige Belastungssituation, unter der es zu der Pflichtverletzung gekommen sei, nicht mehr bestehe, sei von einer Wiederholungsgefahr nicht auszugehen.

Mit der Berufung trägt die Beigeladene zu 8) vor, der Kläger habe die grundlegenden Erfordernisse des vertragsärztlichen Abrechnungssystems bewusst missachtet. Aufgrund dieser Einstellung sei er zur weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ungeeignet.

Die Beigeladene zu 8) beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.12.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Ergänzend trägt er vor, er habe bei Überreichen der Abrechnungen auf die darin enthaltenen Fehler nicht hingewiesen, weil sie ihm nicht bekannt gewesen seien. Erst im Zusammenhang mit der beanstandeten Abrechnung bis einschließlich des Quartals II/1999 habe er auch die Fehler im Quartal III/1999 bemerkt.

Der Beklagte schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 8) an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Die Akten des Beklagten und die Abrechnungsunterlagen für die Quartale I/1998 bis III/1999 haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Zulassung gemäß § 95 Abs. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) liegen nicht vor, weil der Kläger seine vertragsärztlichen Pflichten nicht gröblich verletzt hat.

Eine gröbliche Pflichtverletzung im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V liegt nur dann vor, wenn durch sie das Vertrauen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen insbesondere in die ordnungsgemäße Behandlung der Versicherten und in die Rechtmäßigkeit der Abrechnungen durch den Arzt so gestört ist, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Arzt im Rahmen des vertragsärztlichen Systems nicht mehr zugemutet werden kann (BVerfGE 69, 233, 234; BSGE 66, 6, 8; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4). Die Frage der Zumutbarkeit und damit die Auslegung des Begriffs "gröblich" sind dabei entscheidend vom Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit geprägt. Aus diesem Grund kommt eine Entziehung der Zulassung als der schwerste Eingriff in den Vertragsarztstatus nur dann in Betracht, wenn sie das einzige Mittel zum Schutz des vertragsärztlichen Systems gegen Störungen ist und der Vertragsarzt nicht auf andere Weise, z.B. durch Disziplinarmaßnahmen, zur Aufgabe seines Fehlverhaltens veranlasst werden kann. Die Entziehung dient dabei allein der Störungsabwehr. Sie ist keine Sanktion für strafwürdiges Verhalten (BSG, SozR 2200 § 368a Nr. 15; BSGE 66, 6, 8). Besonders strenge Anforderungen bestehen dann, wenn sich die Verletzung der vertragsärztlichen Pflichten auf einen kurzen Zeitraum, insbesondere ein Kalendervierteljahr beschränkt. In diesem Fall erweisen sich sich nur dann als gröblich, wenn sie entweder als besonders schwerwiegend anzusehen sind oder der Vertragsarzt bereits in anderem Zusammenhang früher seine vertragsärztlichen Pflichten verletzt hat (BSG, USK 8817).

Nach Maßgabe dieser in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätze, denen sich der Senat aus eigener Überzeugung in vollem Umfang anschließt, sind die Voraussetzungen für eine Entziehung der vertragsärztlichen Zulassung des Klägers nicht erfüllt.

Es steht für den Senat außer Zweifel, dass der Kläger seine vertragsärztliche Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung in erheblichem Maße verletzt hat, indem er im Quartal III/1999 für die Quartale III/1998 bis II/1999 und im Anschluss daran für das Quartal III/1999 fehlerhafte Abrechnungen bei der Beigeladenen zu 8) eingereicht hat. Diese Abrechnungen zeichnen sich sämtlich dadurch aus, dass sie unzutreffende Behandlungsdaten aufweisen und darüber hinaus für das Quartal II/1998 einen Abrechnungsschein für einen "T ... Test" genannten Versicherten beinhalten, der nicht existiert.

Die darin liegende Pflichtverletzung erweist sich im vorliegenden Fall gleichwohl als nicht gröblich, obwohl die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung - wie der Senat nicht verkennt - eine Grundpflicht des Vertragsarztes ist, deren Verletzung die Entziehung der Zulassung im Einzelfall rechtfertigen kann (BSGE 66, 6, 8; BSG SozR 3-2500 § 95 Nr. 4).

An die Feststellung der "Gröblichkeit" der Pflichtverletzung sind im vorliegenden Fall nach der eingangs zitierten Rechtsprechung besonders hohe Anforderungen zu stellen. Denn die Pflichtverletzungen erschöpfen sich in der Überreichung fehlerhafter Abrechnungen im Quartal III/1999 für die Quartale III/1998 bis II/1998 sowie für das Quartal III/1999 und damit auf einen sehr kurzen Zeitraum:

Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zu 8) kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, dass er für die Quartale I/1998 bis III/1999 keine Abrechnungen eingereicht hat. Wie bereits das SG zutreffend dargelegt hat, ist dieses Verhalten vielmehr durch die von der Beigeladenen zu 8) gewährten Abrechnungsaufschübe legitimiert. Ebenso wenig beruht es auf einer fortgesetzten Verletzung der Dokumentationspflichten (§§ 57 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, 13 Abs. 7 Satz 1 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen), dass er zu einer Rekonstruktion der Abrechnungsunterlagen nach dem Unfall am 19.06.1999 nicht mehr in der Lage war. Vielmehr hat er unwiderlegbar vorgetragen, dass sich die für die Abrechnung maßgeblichen Informationen mit Ausnahme der in seinem Kalender enthaltenen Behandlungsdaten auf der Festplatte seines Laptops sowie in Gestalt von Sicherungskopien auf Disketten befunden haben. Dass es sich hierbei um eine grundsätzlich nicht im Sinne der genannten Bestimmungen "geeignete" Dokumentations- bzw. Aufbewahrungsweise gehandelt hat, ist nicht erkennbar. Ebenso wie Festplatte und Disketten hätten nämlich auch schriftliche Aufzeichnungen bei dem Unfall vernichtet werden können. Aus den genannten Gründen stellt sich die auf zwei Abrechnungsdaten (am 30.08.1999 und für das Quartal III/1999) beschränkte Falschabrechnung auch nicht als fortgesetzte Pflichtverletzung über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr dar.

Im Hinblick hierauf ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Entziehung der Zulassung des Klägers das einzige in Betracht kommende Mittel ist, um die von ihm ausgehende Störung des vertragsärztlichen Versorgungssystems zu beheben.

Die Falschabrechnungen des Klägers sind vor dem Hintergrund einer einmaligen Situation zu sehen, die sich durch eine unglückliche Verkettung widriger Umstände auszeichnet, und deren Wiederholung als ausgeschlossen gelten kann.

Diese Situation zeichnet sich erstens durch eine hohe Belastung des Klägers, maßgeblich aufgrund seines berufspolitischen Engagements aus. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. Zweitens sah sich der Kläger unter dem Druck, zur Vermeidung des von ihm befürchteten Entziehungsverfahrens wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit bis Ende August 1999 eine vollständige Abrechnung für vier Quartale vorlegen zu müssen. Dabei ist seine Darstellung, er sei aufgrund von Schwierigkeiten im Umgang mit der verwendeten Software zusätzlich unter Zeitdruck geraten und habe sich schließlich veranlasst gesehen, eine diesen Widrigkeiten zum Trotz mehr oder weniger notdürftig erstellte Abrechnung einzureichen, für glaubhaft. Sie wird allein schon durch das optische Erscheinungsbild der Abrechnungsscheine gestützt, das mangelnde Erfahrung im Umgang mit Kalkulationsprogrammen und ihrer drucktechnischen Umsetzung erkennen lässt. Auch die Erstellung eines Abrechnungsscheins für den Patienten "Toni Test" zeigt, dass der Kläger sich gezwungen gesehen hat, mit der verwendeten Software in elementarer Weise zu experimentieren. Drittens erscheint es auch nachvollziehbar, dass der im Juni 1999 erlittene Unfall und die im Anschluss daran notwendig gewordene, neben dem laufenden Praxisbetrieb abgewickelte Operation die ohnehin schon bestehende Stresssituation zusätzlich verstärkt haben.

Aufgrund dessen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die Falschabrechnungen des Klägers seien Ausdruck einer grundsätzlichen Missachtung oder Geringschätzung des vertragsärztlichen Abrechnungssystems und seiner hieraus resultierenden Pflichten zur sorgfältigen Dokumentation und peinlich genauen Abrechnung. Das gilt selbst dann, wenn der Kläger entgegen seiner Darstellung in der mündlichen Verhandlung die Fehler in der Abrechnung vor deren Einreichung bemerkt haben sollte.

Es ist zunächst nicht ersichtlich, dass der Kläger in den betroffenen Quartalen Leistungen abgerechnet hat, die er nach Art oder Umfang nicht erbracht hat. Die Fehler in seinen Abrechnungen beschränken sich vielmehr auf die unrichtige Angabe von Behandlungsdaten. Nach einer an zahlreichen repräsentativen Stichproben orientierten Durchsicht seiner Behandlungsunterlagen, des Behandlungskalenders und der dieselben Patienten betreffenden Abrechnungsunterlagen für mehrere Quartale in der mündlichen Verhandlung bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der Kläger in allen Abrechnungsquartalen die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht hat, wenn auch an jeweils anderen Behandlungstagen.

Der Kläger vermittelt überdies den Eindruck eines Vertragsarztes, der sowohl in seiner Eigenschaft als Arzt als auch in seinem berufspolitischen Engagement hohe Ansprüche sowohl an seine eigene Tätigkeit als auch sein daraus resultierendes Ansehen stellt. Es erscheint daher nachvollziehbar, dass er bei Bekanntwerden seiner Schwierigkeiten einen entsprechenden, ihm sehr unangenehmen Ansehensverlust befürchtet, gleichzeitig aber gehofft hat, seine Probleme beheben zu können, sobald die besondere Belastungssituation sich gegeben hatte. Nach allem stellt sich sein Verhalten eher als Ausdruck einer vorübergehenden, wenn auch vermeidbaren, Überforderung als einer bewussten Vernachlässigung seiner vertragsärztlichen Pflichten dar. Aus den genannten Gründen bedeutet es auch keine endgültige Zerstörung der Vertrauensbasis zwischen dem Kläger einerseits sowie der Beigeladenen zu 8) bzw. den beigeladenen Krankenkassenverbänden andererseits, dass der Kläger bei Überreichung der Abrechnung für die Quartale III/1998 bis III/1999 nicht auf seine Abrechnungsschwierigkeiten hingewiesen hat.

Der geschilderte Eindruck wird bestätigt durch das Abrechnungsverhalten des Klägers bis zum Quartal I/1998. Danach hat es im Zulassungszeitraum von annähernd zehn Jahren lediglich zwei Berichtigungsverfahren gegeben, die Anhaltspunkte für eine unzureichende Abrechnungsdisziplin des Klägers nicht erkennen lassen. Vielmehr zeigt der hierzu überreichte Schriftverkehr, dass er sich der zügigen Klärung der jeweils aufgeworfenen Zweifelsfragen gegenüber der Beigeladenen zu 8) engagiert gewidmet hat.

Angesichts dessen erscheint eine Wiederholung der Abrechnungsfehler des Klägers ausgeschlossen. Es steht zwischen den Beteiligten außer Streit, dass er sein belastendes berufspolitisches Engagement aufgegeben hat und dass (technische) Abrechnungsschwierigkeiten oder sonstige Unstimmigkeiten in den Quartalsabrechnungen seit dem Quartal IV/1999 (mit Ausnahme fehlender Unterschriften auf den Behandlungsscheinen) nicht mehr aufgetreten sind. Zu einer Überforderungssituation wie im Sommer 1999 wird es danach nicht noch einmal kommen.

Soweit der Beklagte im angefochtenen Beschluss dargelegt hat, der Kläger habe sich in der dortigen mündlichen Verhandlung durch das Fehlen jeglicher Selbstkritik und mangelnde Einsicht in die entscheidungserheblichen Geschehensabläufe ausgezeichnet, vermag der Senat dies nach seinem eigenen Eindruck nicht zu bestätigen. Vielmehr waren dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht nur die maßgeblichen gegen ihn erhobenen Vorwürfe auch in ihrer Bedeutung gegenwärtig. Er konnte darüber hinaus auch zu allen administrative Vorgänge betreffenden Fragen nachvollziehbar und, soweit notwendig, unter Vorlage entsprechender Unterlagen, antworten.

Schließlich geht der mit einer psychologischen Psychotherapeutin fachkundig besetzte Senat anders als der Beklagte auch nicht davon aus, dass das Verhalten des Klägers eine ordnungsgemäße Behandlung seiner Patient(inn)en als gefährdet erscheinen lässt. Anhaltspunkte dafür, dass er seine Behandlungspflichten zu irgend einem Zeitpunkt vernachlässigt oder sonst verletzt hätte, haben sich während des gesamten Entziehungs- und Gerichtsverfahrens nicht ergeben.

Nach Würdigung aller Gesamtumstände gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die durch den Kläger hervorgerufene Störung des vertragsärztlichen Systems durch eine, gegebenenfalls auch empfindliche Disziplinarmaßnahme hätte geahndet, hierdurch aber auch vollständig hätte behoben werden können. Dass es zu einem entsprechenden Disziplinarverfahren nicht gekommen ist und das Verhalten des Klägers damit möglicherweise im Ergebnis ohne Sanktion bleibt, rechtfertigt nunmehr nicht die Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung. Im Rahmen seines bei der Kostenentscheidung bestehenden pflichtgemäßem Ermessens hat es der Senat für angemessen gehalten, außergerichtliche Kosten des Klägers nicht für erstattungsfähig zu erklären. Denn er hat in erheblichem Maße durch die von ihm begangenen Pflichtverletzungen zum Zustandekommen sowohl des Entziehungs- als auch des Gerichtsverfahrens beigetragen.

Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), hat nicht bestanden, nachdem alle zur Beurteilung des Falles wesentlichen rechtlichen Fragen bereits höchstrichterlich geklärt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved