L 7 P 61/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 89/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 61/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Zahlung von Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung (PV) streitig.

Der am 1992 geborene Sohn des Klägers, der mit der Beklagten für sich und seine Familie eine private Pflegeversicherung abgeschlossen hat, leidet an einem Diabetes Typ I. Am 08.04.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen aus der privaten PV. Im Auftrag der Beklagten erstattete der Medizinaldirektor Dr.F. für die Gesellschaft für medizinische Gutachten M. das Gutachten vom 08.05.2000, in dem er zu dem Ergebnis kam, der Grundpflegebedarf betrage täglich 104 Minuten, wovon der natürliche Hilfebedarf mit 70 Minuten abgezogen werden müsse, weshalb ein anrechenbarer Zeitbedarf von 34 Minuten verbleibe.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 26.05.2000, 23.06. und 10.07.2000 mit, der für die Stufe I notwendige Hilfebedarf werde nicht erreicht. Die Zubereitung der Nahrung entsprechend den Bedürfnissen eines Diabetikers, die ständige Kontrolle, die nächtlichen Blutzuckermessungen usw. könnten nach der Rechtsprechung des BSG nicht der Grundpflege zugeordnet werden.

Mit Schreiben vom 25.09.2000 ist beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben und erneut auf die nächtlichen Blutzucker- messungen, die Notwendigkeit der Anleitung von Kontaktpersonen bei eventuellen Hypoglykämie-Zuständen, der Anleitung und Kontrolle des Essverhaltens, der Medikamentendosierung sowie der diabetesgerechten Nahrungszubereitung als Pflegeaufwand hingewiesen worden.

Mit Urteil vom 10.10.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach den Feststellungen des Dr.F. bestehe beim Kläger im Bereich der Verrichtungen des täglichen Lebens gegenüber einem gesunden gleichaltrigen Kind keinerlei Mehrbedarf. Nach der Rechtsprechung des BSG (z.B. Urteil vom 19.02.1998, B 3 P 11/97 R) falle das Berechnen, Abwiegen, Zusammenstellen und Zubereiten der Speisen für die an Diabetes erkrankten Personen unter die Verrichtung Kochen und sei damit dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung und nicht der Grundpflege zuzurechnen. Etwas anderes gelte, soweit das Kind beaufsichtigt und angehalten werden müsse, die vorgegebene Nahrung zu sich zu nehmen. Insoweit sei jedoch nicht vorgebracht worden, dass dies notwendig sei; in dem M.-Gutachen werde jedenfalls festgestellt, dass das Kind während des Schulbesuches selbständig die notwendige Nahrung zu sich nehme, insbesondere ein Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme nicht ersichtlich sei. Selbst wenn entsprechend dem vorgelegten Attest des Allgemeinarztes Dr.S. eine Anleitung und Kontrolle des Essverhaltens notwendig sein sollte, führe dies nicht zu einer erheblichen Pflegebedürftigkeit, da zum einen dadurch im Tagesdurchschnitt kein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten bestehe und zum anderen ein Anspruch auf Leistungen der Pflegestufe I nur gegeben sei, wenn im Bereich der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich ein Hilfebedarf bestehe (§ 15 Abs.1 Nr.1 SGB IX). Dies sei aber nicht der Fall, da nicht ersichtlich sei, dass bei weiteren Verrichtungen im Sinne des § 14 Abs.4 Nr.1 bis 3 SGB IX ein täglicher Hilfebedarf gegeben sei. Entgegen der Ansicht der Klägerseite seien Blutzucker- tests, Urinkontrollen oder das Spritzen von Insulin einschließlich des Vorbereitens der Spritze und die entsprechenden Dokumentationen nicht der Grundpflege zuzurechnen, da diese krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, also solche der Behandlungspflege, darstellten, die nur dann zu berücksichtigen seien, wenn sie einer der in § 14 Abs.4 SGB IX genannten Verrichten zugerechnet werden könnten (z.B. BSG vom 16.12.1999, B 3 P 5/98 R). Die Messungen des Blutzucker- und Urinspiegels und das Führen des Blutzucker-Tagebuches dienten als Vorbereitungshandlung dem Errechnen, Zusammenstellen sowie Portionieren der Mahlzeiten und damit allenfalls der hauswirtschaftlichen Versorgung. Das Spritzen von Insulin sei zu weit vom natürlichen Vorgang des Essens entfernt, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" subsumiert zu werden, es handle sich vielmehr um eine selbständige Maßnahme der Behandlungspflege ohne Bezug zu einer Verrichtung des Katalogs in § 14 Abs.4 SGB IX (BSG a.a.O.). Entgegen den Feststellungen des Gutachters der Firma M. bestehe beim Kläger kein berücksichtigungsfähiger Mehraufwand im Bereich der Mobilität beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Die vierteljährlich einmal anfallende Fahrt zur Diabetikerambulanz und der zweimal monatlich anfallende Besuch beim Kinderarzt seien nicht berücksichtigungsfähig, da gemäß § 15 Abs.3 SGB IX für die Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands auf die Woche abzustellen sei, weshalb Verrichtungen nicht einzubeziehen seien, die seltener als mindestens einmal wöchentlich anfielen (BSG vom 29.04.1999, B 3 P 12/98 R).

Mit der Berufung wird weiterhin geltend gemacht, das Berechnen, Abwiegen und Zusammenstellen sowie Portionieren der Mahlzeiten sei sehr zeitaufwendig und könne sehr wohl der Grundpflege zugeordnet werden, Gleiches gelte für die Kontrolle der Medikamentendosierung, für Arztbesuche, Protokollierung der Zuckerwerte, Überwachung der Hypoglykämie-Prophylaxe sowie die nächtlichen Blutzuckermessungen. Das Gericht bleibe eine Erklärung schuldig, warum das Spritzen von Insulin zu weit vom natürlichen Vorgang des Essens entfernt sein solle, um noch unter "Aufnahme der Nahrung" subsumiert werden zu können. Auch werde der Mehrbedarf bei der Mobilität nicht berücksichtigt, und zwar der zeitliche Aufwand für die Begleitung bei der einmal vierteljährlich anfallenden Fahrt zur Diabetikerambulanz und dem zweimal pro Monat anfallenden Besuch beim Kinderarzt.

Auf Anregung des Gerichts und mit Zustimmung der Beklagten ist von der Klägerseite ein Parteiwechsel dahingehend erklärt worden, dass Kläger der Versicherungsnehmer und nicht sein Kind sein solle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 10.10.2001 aufzuheben und dem Kläger Leistungen nach Pflegestufe I ab 08.04.2000 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist erneut auf die Entscheidungen des BSG vom 19.02. 1998 (B 3 P 3/97 R) und 16.12.1999 (B 3 P 5/98 R).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Beklagtenakten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel aber als unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung hat.

Die vom Kläger mit seiner Berufung vorgebrachten Umstände können einen Anspruch auf Leistungen aus der privaten Pflegeversicherung nicht begründen. Dies hat das SG in seinem Urteil überzeugend und umfassend unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG dargestellt, weshalb der Senat gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis 01.01.2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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