L 7 P 65/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 P 54/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 P 65/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2001 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 09.04.2002 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen aus der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II ab 01.02.2002 streitig.

Die am 1921 geborene Klägerin beantragte am 22.09.1999 Leistungen aus der Pflegeversicherung. Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern (MDK) im Gutachten vom 17.02.2000 einen Zustand nach Oberarmfraktur links im Januar 1998, nach Humerusfraktur rechts im Juli 1998, einen Diabetes mellitus sowie eine Herzminderleistung festgestellt und den körperbezogenen Pflegebedarf auf ca. 20 Minuten täglich sowie den Zeitaufwand für die hauswirtschaftliche Versorgung auf 50 bis 55 Minuten eingeschätzt hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.00 Leistungen aus der Pflegeversicherung ab. Den Widerspruch wies sie nach Einholung eines weiteren Gutachtens des MDK vom 11.04.2000, das den Grundpflegebedarf auf ca. 32 Minuten und den für die hauswirtschaftliche Versorgung auf ca. 45 Minuten einschätzte, mit Widerspruchsbescheid vom 09.05. 2000 zurück.

Dagegen hat die Klägerin zum Sozialgericht Augsburg (SG) Kla- ge erhoben. Nach einem stationären Aufenthalt vom 26.08. bis 16.09.2000 wegen Verdachts auf eine transitorische ischämische Attacke und erneuter Einschaltung des MDK hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.11.2000 ab 15.09.2000 mit Beginn der häuslichen Pflege nach der Krankenhausentlassung Leistungen nach Pflegestufe I bewilligt.

Hinsichtlich der von der Klägerin unter Vorlage einer Bescheinigung der Allgemeinärztinnen S. und S. geltend gemachten erhöhten Pflegebedürftigkeit hat das SG die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.A. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Diese hat die Klägerin am 02.08.2001 untersucht und in ihrem Gutachten vom 16.08.2001 einen Grundpflegebedarf von 84 Minuten festgestellt.

Den in der mündlichen Verhandlung am 14.11.2001 gestellten Antrag, ab 01.02.2001 Leistungen nach Pflegestufe II zu bewilligen, hat das SG mit Urteil vom 14.11.2001 abgewiesen. Sowohl der MDK als auch die gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.A. haben übereinstimmend ausgeführt, dass Leistungen nach Pflegestufe I erst mit Beginn der häuslichen Pflege nach der Krankenhausentlassung ab 15.09.2000 zu bewilligen seien. Die von der Klägerin angeführten Maßnahmen zur Behandlung des Diabetes mellitus wie Messen des Blutzuckers, mehrmaliges Spritzen von Insulin, seien im Rahmen des § 14 Abs.3 Nr.1 bis 3 SGB XI nicht berücksichtigungsfähig, da es sich insoweit um Krankenpflege im Sinne des § 37 SGB V handle.

Mit ihrer Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, es stünden Leistungen nach Pflegestufe II zu. Das SG habe nur das Gutachten der Dr.A. berücksichtigt und dem Gutachten von Dr.S. keine Bedeutung beigemessen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2001 sowie den Bescheid vom 25.02.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2000 sowie die Bescheide vom 30.11.2000 und 09.04.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 01.01.2002 Leistungen nach der Pflegestufe II zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das weitere Gutachten des MDK vom 14.03.2002, in dem für die Grundpflege ebenfalls ein Hilfebedarf von 84 Minuten und in der hauswirtschaftlichen Versorgung von 45 Minuten festgestellt wurde. Weiterhin legt sie den Bescheid vom 09.04. 2002 vor, mit dem sie eine Bewilligung höherer Leistungen aufgrund eines Antrages vom 12.01.2002 abgelehnt hat.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Ebenso unbegründet ist das Begehren, soweit es sich gegen die Ablehnung höherer Leistungen in dem Bescheid vom 09.04.2002, über die auf Klage hin zu entscheiden war, richtet.

Der Klägerin stehen gegenwärtig keine höheren Leistungen aus der Pflegeversicherung zu. Nicht mehr streitig ist die Bewilligung von Leistungen vor dem 15.09.2000, wie sich aus den von der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren gestellten Anträgen ergibt.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen nach Pflegestufe II liegen auch ab 01.01.2002 nicht vor. Gemäß § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB XI sind Pflegebedürftige der Pflegestufe II Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens dreimal täglich zu verschiedenen Tageszeiten der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss gemäß § 15 Abs.3 Nr.2 SGB III in dieser Stufe mindestens drei Stunden betragen, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden entfallen müssen. Ein Pflegeaufwand dieses Umfanges ist bei der Klägerin nicht erforderlich.

Nach dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.A. handelt es sich bei der Klägerin um eine im Zeitpunkt der Untersuchung 79-jährige Frau in leicht adipösem Ernährungs- und leicht reduziertem Allgemeinzustand. Im rechten Arm besteht eine Beugespastik, beide Arme können nur bis zur Horizontalen gehoben werden. Dies ist auf einen Schlaganfall nach Halbseitensymptomatik rechts und auf den Bruch beider Oberarme zurückzuführen. Gehen ist ohne Hilfe, wenn auch schwerfällig, möglich, ebenso das Aufstehen aus dem Bett. Beim Treppensteigen mit einseitigem Geländer ist eine Hilfsperson erforderlich. Ansonsten ist die Klägerin ansprechbar und weitgehend orientiert.

Wegen dieser gesundheitlichen Einschränkungen benötigt die Klägerin durchschnittlich täglich 28 Minuten Hilfe beim Waschen und sechs Minuten täglich beim Baden. Für die Unterstützung bei der Zahnpflege sind täglich vier Minuten, für das Kämmen ebenfalls und für die Darm-/Blasenentleerung täglich fünf Minuten anzusetzen. Die mundgerechte Zubereitung der Nahrung erfordert täglich sechs Minuten, das An- und Auskleiden 13 Minuten und das Treppensteigen - dreimal täglich die Treppe hinauf und hinunter - insgesamt 18 Minuten.

Damit wird der für eine Eingruppierung in die Pflegestufe II erforderliche Zeitaufwand in der Grundpflege von wenigstens zwei Stunden nicht erreicht. An diesen Verhältnissen hat sich jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat keine wesentliche Änderung ergeben, wie das Gutachten des MDK vom 14.03.2002 zeigt; nach wie vor ist hinsichtlich der Grundpflege ein Zeitaufwand von täglich 84 Minuten ausreichend.

Zu berücksichtigen ist, dass § 14 SGB XI allein auf den "Bedarf" an Pflege abstellt und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs, weshalb es nicht darauf ankommt, welche Zeit die die Klägerin pflegenden Kräfte tatsächlich aufwenden. Vielmehr ist ein objektiver Maßstab anzulegen und der Zeitaufwand heranzuziehen, den ein Familienangehöriger oder eine nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson durschnittlich benötigt. Weiterhin kann das Messen des Blutzuckers und das Spritzen von Insulin nicht als Pflegeleistung berücksichtigt werden, da es sich hierbei um eine sog. Behandlungspflege handelt, die nicht den in § 14 Abs.4 SGB XI abschließend aufgeführten wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens zugeordnet werden kann (vgl.BSG SozR 3-2300 § 14 Nr.2).

Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.11.2001 zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 09.04.2002 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved