L 13 RA 101/01 WA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 17 An 847/90
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 101/01 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
I. Die Restitutionsklage wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1923 geborene Kläger hat ab 17.04.1942 Kriegsdienst geleistet und wurde am 04.03.1943 verwundet (Schussverletzung mit Verlust des linken Auges und Stecksplitter in der Orbitra). Er hat nach seinen Angaben nach dem Krieg als Bauführer, Bautechniker und Dozent und vom 01.02.1962 bis 31.12.1963 als Bauingenieur gearbeitet und dabei Finanzierungsarbeiten durchgeführt. Außerdem hat er, wie er angab, von 1954 bis 1958 ein Studium absolviert, es aber aus Krankheitsgründen nicht abschließen können.

Mit Bescheid vom 13.03.1966 hatte die Beklagte einen Rentenantrag des Klägers vom 30.11.1964 abgelehnt und das Vorliegen von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit verneint. Das nachfolgende Klageverfahren blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 08.08.1968).

Am 21.04.1976 hatte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Nach einer Untersuchung und Begutachtung durch den Neurologen und Psychiater Dr.P. gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 14.09.1976 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.05.1976 bei einem Leistungsfall am 21.04.1976. Der Kläger legte am 22.09.1976 Widerspruch ein, dessen Ziel die Gewährung von Rente ab 1943 sowie der Ersatz von Aufwendungen und Schaden im Zusammenhang mit der verspäteten Bewilligung der Rente war. Über den Widerspruch wurde nicht entschieden. Der Kläger erhob am 24.10.1990 unmittelbar Klage zum Sozialgericht München und begehrte insbesondere die Gewährung von Rente ab 1943, da er seit dieser Zeit zu 100 % invalide sei und bereits 1943 Rentenantrag gestellt habe. Mit weiterer Klage vom 18.07.1994 beantragte der Kläger "die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen die BfA wegen der Rentennachzahlung ab 1943". Das Sozialgericht verband die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 30.07.1996, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.09.1976 rechtsbehelfsfähig zu entscheiden und wies im Übrigen die Klage ab.

Am 14.08.1996 legte der Kläger Berufung ein. Der für den Kläger bestellte Betreuer (Wirkungskreis die Vertretung in Verfahren vor Gerichten und förmlichen Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden) trat in den Rechtsstreit nicht förmlich ein, nahm aber an der mündlichen Verhandlung teil. Er teilte dem Senat mit, der Kläger sei in der Lage, selbst wirksame Prozesshandlungen abzugeben. Während des Berufungsverfahrens wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 14.09.1976 zurück (Bescheid vom 09.06.1997). Sie verneinte einen Anspruch auf Rente für die Zeit ab April 1943, da der Kläger durch den Verlust des linken Auges weder berufs- noch erwerbsunfähig geworden sei.

Der Kläger begehrte im Berufungsverfahren ihm unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 30.07.1990 sowie unter Abänderung der Bescheide der Beklagten vom 14.09.1976 und 07.01.1988 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1997 Rente ab 04.03.1943 zu bewilligen und dabei die Wehrdienstzeit und Gefangenschaft bis 1949, sowie die Studienzeiten ab 1940 bis heute der Berechnung zu Grunde zu legen. Außerdem beantragte er, die Nachzahlung zu verzinsen und Schadensgutmachtung für die nicht erfolgte Rentenzahlung in Höhe von mehreren Milliarden- bzw. Millionen DM sowie eine Aufwandsentschädigung.

Der Betreuer verwies in der mündlichen Verhandlung im Ergebnis auf die Anträge des Klägers.

Der Senat hatte Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage durch den Neurologen und Internisten Prof.Dr.von A. über die beim Kläger von Dezember 1963 bis April 1976 vorliegenden Gesundheitsstörungen sowie die Auswirkungen auf das Leistungsvermögen. Auf das Gutachten vom 21.11.1997 wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 21.10.1998 verpflichtete das Landessozialgericht die Beklagte, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.04.1976 zu bewilligen und die Zeit vom 17.04.1942 bis 13.06.1945 als Ersatzzeit anzuerkennen, die Erwerbsunfähigkeitsrente und das Altersruhegeld des Klägers ab Rentenbeginn neu zu berechnen und die Nachzahlung im gesetzlichen Umfang zu verzinsen. Im Übrigen wurden die Berufung und die Klage zurückgewiesen. Das Urteil wurde dem Kläger persönlich durch Niederlegung am 22.01.1999 zugestellt. Auch sein Betreuer erhielt das Urteil laut Empfangsbekenntnis am 22.01.1999. Die vom Kläger gegen das Urteil erhobene Nichtzulassungsbeschwerde sowie zusätzlich gestellte Anträge wurden vom Betreuer des Klägers zurückgenommen.

Mit Schreiben vom 03.09.2000 wandte sich der Kläger erneut an das Bayerische Landessozialgericht. Er beantragt,

das Verfahren L 13 RA 114/96 wegen Rechtsbeugung durch das Gericht wieder aufzunehmen und unter Berichtigung des Urteils vom 21.10.1998 die Beklagte zu verurteilen, Rentennachzahlung seit März 1943 zu gewähren, weitere Zeiten zu berücksichtigen (drei Jahre Lehrzeit, drei Semester Akademiestudium, 3 3/4 Jahre Militärzeit doppelt anzurechnen) sowie eine Entschädigung von 58 Mio DM zu bezahlen.

Die Beklagte stellt den Antrag,

den Wiederaufnahmeantrag abzuweisen.

Der Kläger wendet sich insbesondere dagegen, dass das Gutachten des Dr.P. von der Beklagten und vom Gericht verwertet worden sei. Dies sei unzulässig, da es unwahr und gefälscht sei.

Der Betreuer des Klägers äußerte sich trotz mehrerer Anfragen des Senats nicht zum Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München sowie des Bayerischen Landessozialgerichts im Verfahren L 13 RA 114/96. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Wiederaufnahmeklage ist nicht statthaft.

Nach § 179 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buchs der Zivilprozessordnung - ZPO - wieder aufgenommen werden. Das Berufungsverfahren L 13 RA 114/96 ist rechtskräftig beendet. Das Urteil vom 21.10.1998 wurde wirksam zugestellt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen. Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt: 1. Wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat; 2. wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war; 3. wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständig sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat; 4. wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist; 5. wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat; 6. wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; 7. wenn die Partei a) ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder b) eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Nach § 179 Abs.2 SGG ist die Wiederaufnahme des Verfahrens ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafrichterlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

In den Fällen des § 580 Nrn.1 bis 5 ZPO findet gemäß § 581 Abs.1 ZPO die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Die Restitutionsklage ist nach § 582 ZPO nur zulässig, wenn die Partei ohne Verschulden außer Stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Berufung oder mittels Anschließung an eine Berufung, geltend zu machen. Nach § 589 Abs.1 ZPO hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen.

Der Wiederaufnahmekläger erfüllt die allgemeinen Prozessvoraussetzungen für eine Restitutionsklage. Er ist prozessfähig gemäß § 51 ZPO i.V.m. § 71 SGG. Für den Kläger ist ein Betreuer mit Wirkungskreis Vertretung in Verfahren vor Gerichten und in förmlichen Rechtsbehelfsverfahren vor Verwaltungsbehörden bestellt. Dies bedeutet aber nicht zwingend, dass der Kläger prozessunfähig ist, er kann vielmehr grundsätzlich selbst wirksame Prozesshandlungen vornehmen. Darauf hat im vorangegangenen Verfahren sowohl der Betreuer als auch das Vormundschaftsgericht hingewiesen. Eine Änderung ist insofern nicht eingetreten. Nach Ansicht des Senats rechtfertigt das vorliegende Verfahren nicht den Schluss, der Kläger sei nicht geschäfts- und prozessfähig, zumal die Gutachten, aus denen zumindest partielle Prozessunfähigkeit gefolgert wurde, rund 20 Jahre zurückliegen. Dass der Kläger unverändert an seinem Prozessziel, insbesondere der Gewährung von Rente ab 1943 festhält, rechtfertigt nicht den Schluss, er sei nicht geschäftsfähig. Die für die Restitutionsklage weitere besondere Voraussetzung der Rechtskraft des in Frage gestellten Urteils liegt vor. Der Kläger ist durch die Entscheidung auch teilweise beschwert, da sein Begehren nicht in vollem Umfang erfolgreich war.

Erforderlich für die Statthaftigkeit der Wiederaufnahmeklage ist weiter, dass das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes schlüssig dargetan ist. Dies ist beim Kläger nicht der Fall. Bei den Restitutionsgründen nach § 580 Abs.1 Nr.1 bis 5 ZPO gehören auch die festzustellenden Voraussetzungen des § 581 ZPO zur Zulässigkeit, ferner die Voraussetzungen des § 582 ZPO (siehe hierzu Zöller, Kommentar zur ZPO, 20.Aufl., § 589 Rdnr.2). Dies gilt entsprechend auch für den Wiederaufnahmegrund des § 179 Abs.2 SGG, weil hier das Vorliegen der strafgerichtlichen Verurteilung notwendiger Bestandteil des Wiederaufnahmegrundes ist.

Es fehlt im vorliegenden Fall an sämtlichen Voraussetzungen der Statthaftigkeit. Weder ist wegen einer Straftat eine rechtskräftige Verurteilung eines Bediensteten der Beklagten oder ihres Vertreters erfolgt noch ist die Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgt. Auch die sämtlichen weiteren Voraussetzungen der Nrn.1 bis 5 liegen nicht vor. Dasselbe gilt für die Nrn.6 und 7. So ist das Urteil des Senats, gegen das die Wiederaufnahmeklage erhoben wird, nicht auf ein Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts gegründet, das durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden wäre. Auch hat der Kläger nicht ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder eine andere Urkunde aufgefunden, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Sämtliche Unterlagen betreffend die Kriegsverletzung des Klägers sowie die früheren Rentenantragstellungen lagen bei der Entscheidung des Senats bereits vor. Nachträglich aufgefundene Urkunden, die eine günstigere Entscheidung herbeigeführt hätten, sind nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 591 ZPO i.V.m. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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