L 14 RA 131/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 661/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 131/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Prozessbeteiligten ist ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit seit Juni 1994 streitig.

Die am 1943 geborene Klägerin hat vom 01.08.1957 bis 31.07.1960 in Oettingen eine Lehre als Einzelhandelskauffrau im Bereich Lederwareneinzelhandel durchlaufen und den Kaufmannsgehilfenbrief am 28.02.1961 erworben. Nach Umzug nach München war sie von November 1960 bis April 1980 versicherungspflichtig (in der Rentenversicherung der Arbeiter) als Löterin bei der S. AG und anderen Firmen beschäftigt, dann noch bis Februar 1981 versicherungspflichtig (in der Rentenversicherung der Angestellten) als Verkäuferin bei der Firma S ...

Von 1981 bis 1990 arbeitete sie zeitweise (ohne Rentenversicherung) für geringfügiges Entgelt, um dann noch vom 03.12.1990 bis 31.12.1992 als Wurstverkäuferin in Teilzeit (ca. 21 Stunden wöchentlich) tätig zu sein. Laut Auskunft des letzten Arbeitgebers vom 19.02.1997 handelte es sich hierbei um das Aufschneiden und Einräumen von Wurstspezialitäten mit anschließendem Verkauf; die Vergütung sei - mangels tariflicher Bindung - mit 1.680,-DM monatlich erfolgt. Die Klägerin habe als vollwertige Arbeitskraft gegolten und sei als Angestellte mit durchschnittlich dreijähriger Berufsausbildung und Berufserfahrung beschäftigt worden.

Bereits im Jahre 1990 zeichnete sich bei vorausgehenden entsprechenden Beschwerden ein Lendenwirbelsäulen-Leiden ab (massiver Bandscheibenvorfall bei L 6/S 1 laut Computertomogramm des Dr.H. vom 22.03.1990), das vom 07. bis 12.01.1992 zur Arbeitsunfähigkeit führte. Vom 14.12.1992 (das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung am 31.12.1992) bis zum 26.04.1993 war die Klägerin vor allem wegen der Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule arbeitsunfähig erkrankt. Am 01.01.1993 erfolgte eine Notoperation wegen lumbosacralen Bandscheibenvorfalls (Massenprolaps mit Caudaquerschnitt - Lähmung von Blasen- und Darmfunktion), wobei die Klägerin nach unkompliziertem Operationsverlauf bereits am 12.01.1993 bei rascher Besserung entlassen worden ist.

Vom 28.02. bis 12.03.1993 fand eine stationäre Behandlung wegen zunächst unklaren Fiebers statt, die mit den Diagnosen operativ bedingte Virusinfektion mit Begleithepatitis, Antrumgastritis und allergischem Exanthem abgeschlossen wurde. Die Klägerin war bis zum 26.04.1993 arbeitsunfähig krank geschrieben und erhielt anschließend Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des diesbezüglichen Anspruchs ab 25.06.1994; Arbeitslosenhilfe bezog sie wegen des zu hohen Einkommens ihres Ehegatten nicht.

Auf Rehabilitationsantrag vom 17.06.1993 und Rentenantrag vom 23.06.1994 führte die Beklagte - nachdem ein Anschlussheilverfahren nicht zustande gekommen war - vom 08.11. bis 06.12.1994 ein Heilverfahren in der Klinik S. , B. W. , durch, aus dem die Klägerin bei den Diagnosen rezidivierende Lumboischialgie links bei Zustand nach Bandscheibenprolaps-Operation L 6/S 1 1993 und rezidivierenden Cervicobrachialgien beidseits bei muskulärer Dysbalance als arbeitsfähig entlassen wurde, weil sie (bei vorausgehenden Berufsangaben über die Tätigkeit als Wurstverkäuferin mit schwerem Heben und Tragen sowie häufigem Bücken) vollschichtig Tätigkeiten im Wechselrhythmus ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne häufiges Bücken und ohne einseitige Körperhaltung verrichten könne.

Dr.T. als beratender Arzt der Beklagten hielt die Klägerin in seiner Stellungnahme vom 02.02.1995 als Verkäuferin auch nicht stundenweise für einsetzbar und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wegen nachvollziehbarer Beschwerden nach Bandscheibenoperation nur halb- bis unter vollschichtig für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.02.1995 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ab, weil zwar seit der Operation am 01.01. 1993 Erwerbsunfähigkeit bestehe, aber in den vorausgehenden fünf Jahren nur 25 Monate mit Pflichtbeiträgen anstelle der gesetzlich geforderten 36 Monate lägen und auch die Zeit ab 01.01.1984 nicht vollständig mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei.

Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, ihre Erwerbsunfähigkeit sei erst mit Rentenantrag im Juni 1994 eingetreten; vorher sei sie krank und nicht erwerbsunfähig gewesen, unter anderem deshalb, weil "das Arbeitsamt München sie für bedingt arbeitsfähig erklärt habe" (Anmerkung: Angesprochen ist damit das amtsärztliche Gutachten der Dr.W. vom 15.04.1993 mit dem Ergebnis, die Klägerin sei in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit und für überwiegend stehende Tätigkeiten auf Dauer nicht mehr belastbar, ansonsten nur noch für leichte halbschichtige Arbeiten bei qualitativen Einschränkungen einsetzbar.) Bis Juni 1994 seien Pflichtbeiträge (unter anderem von der Krankenkasse und der Arbeitsverwaltung) bezahlt worden, und ab diesem Zeitpunkt habe sich ihr Gesundheitszustand durch ein Halswirbelsäulen-Leiden stark verschlechtert. Dies ergebe sich aus dem Arztbrief des Neurologen Dr.R. vom 08.07.1994 mit der Diagnose eines Thoracic-outlet-Syndroms (Halsrippensyndrom beidseits bei Verspannung der Schultergürtelmuskulatur mit diskreter Gefühlsstörung an den Kuppen der ersten beiden Finger beidseits bei Ausschluss eines Carpaltunnelsyndroms).

Nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den eingelegten Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.1995 zurück, wobei an dem Eintritt des Leistungsfalls der Erwerbsunfähigkeit am 01.01.1993 festgehalten worden ist.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München holte dieses das Gutachten des Internisten Prof.Dr.A. vom 17.12.1996 ein. Dieser diagnostizierte degeneratives LWS-Syndrom bei Zustand nach Bandscheibenoperation am 01.01.1993, degeneratives Halswirbelsäulensyndrom mit Thoracic-outlet-Syndrom, leichtes Brustwirbelsyndrom, rezidivierende hämorrhagische Zystitis, Struma diffusa et nodosa Grad II, Verdacht auf allergisches Arzneimittelexanthem, Besenreiservarikosis sowie Fettstoffwechselstörung und hielt sozialmedizinisch relevante Gesundheitsstörungen nur auf orthopädischem Gebiet für gegeben. Die Klägerin könne als Wurstverkäuferin nicht mehr tätig sein, weil ihr wegen der Wirbelsäule das Heben schwerer Gegenstände von über zehn kg nicht mehr zumutbar sei, sie außerdem wegen des Halsrippensyndroms keine Arbeiten über Kopf durchführen könne. Die Kälteeinwirkung bei Arbeiten im Tiefkühlraum bedingten ein erhöhtes Risiko für das neuerliche Auftreten hämorrhagischer Blasenentzündungen. Bei Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen könne die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten in geschlossenen Räumen, ohne Zug-, Feuchte- und Nässeeinwirkung sowie ohne Zwangshaltung - vorwiegend im Sitzen - verrichten, nicht unter Zeitdruck, Akkordbedingungen (Fließband) sowie in Nacht- und Wechselschicht. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, ebenso das Steigen auf Treppen, Leitern oder Gerüsten und Arbeiten an laufenden Maschinen. Bedingt durch die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule seien die Kraft und das Feingefühl der Hände herabgesetzt, was bei Arbeiten Berücksichtigung finden sollte. Bildschirmgeräte seien sehr wohl benützbar.

Das Sozialgericht holte ferner ein Aktenlage-Gutachten des Orthopäden Dr.F. vom 27.01.1997 ein. Dieser diagnostizierte ein Cervicobrachial-Syndrom bei Cervicalchondrosen C 4/C 5 und C 5/C 6 sowie rezidivierende Lumboischialgien links mit sensibler und neurologischer Restsymptomatik linkes Bein bei Zustand nach lumbaler Bandscheibenoperation LWK 6/S 1 Spondylochondrosen und Spondylarthrosen LWK 5/LWK 6 und LWK 6/S 1 und führte unter anderem aus, nach Bandscheibenoperation im Januar 1993 sei es zu einer raschen Besserung der Gesundheitstörungen der Klägerin gekommen. Seit 01.01.1993 sei die Klägerin als Wurstverkäuferin nur noch zwei bis vier Stunden täglich einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestehe aber seit 27.04.1993 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen, im Sitzen und Gehen, jedoch weniger im Stehen, wobei Zwangshaltungen sowie Zeitdruck-, Akkord- und Fließbandarbeit zu vermeiden seien, ebenso das Heben und Tragen von Lasten über zehn kg, Arbeiten im Bücken und über Kopf, Arbeiten auf Treppen, Leitern und Gerüsten sowie äußere Belastungen wie Zugluft, Nässe, Kälte und Temperaturschwankungen. Zumutbar seien aber Wechselschicht und Nachtarbeit, Arbeiten an laufenden Maschinen sowie an Büromaschinen und Bildschirmgeräten. Eine Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit der Hände läge nicht vor. Die Gehfähigkeit sei erhalten.

Nachdem die Klägerin Einwände sowohl gegen das Gutachten des Prof.Dr. A. als auch gegen das des Dr.F. erhoben hatte, holte das Sozialgericht noch das Gutachten des Neurologen Prof.Dr.A. vom 12.09.1998 ein. Dieser legte dar, dass bei der Klägerin seit Rentenantrag vom 23.06.1994 ein Zustand nach Bandscheibenoperation mit zurückgebildeter Lähmung der Blasen- und Darmentleerung sowie zurückgebildeten Gefühlsstörungen der untersten Kreuzbeinnervenwurzeln bei bleibenden Gefühlsstörungen der linken Ferse und unterschiedlich ausgeprägtem Dehnungsschmerz des Gesäßnervens links stärker als rechts bestehe, wobei die kernspintomographische Kontrolluntersuchung 1995 keinen erneuten Bandscheibenvorfall ergeben habe. Die jetzt angegebenen Schwierigkeiten der Blasenentleerung erklärten sich wahrscheinlich als Krankheitszeichen der wiederkehrenden Blasenentzündung (hämorrhagische Zystitis). Der Verdacht auf eine Beeinträchtigung des Gefäß- und Nervenstrangs im Schlüsselbeinbereich (Thoracic-outlet-Syndrom) habe sich jetzt nicht bestätigen lassen. Sichere neurologische Ausfälle an den Armen und Händen lägen nicht vor; lediglich die Unterscheidung von Kalt und Warm sei beidseits an der Beugeseite des Zeige- bis Ringfingers etwas zögernd und unsicher. Eine sichere ursächliche Zuordnung dieser leichten Gefühlsstörung sei nicht möglich, nachdem bei Voruntersuchungen schon eine Druckbeeinträchtigung des Mittelnervens am Handgelenk (Carpaltunnelsyndrom) ausgeschlossen worden sei und andererseits andere Krankheitszeichen, etwa der siebten Halsnervenwurzel, glücklicherweise fehlten und fehlen.

Die Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit der Klägerin seien wie in den zwei vorausgegangenen Gutachten zu beurteilen. Die Gesundheitsstörungen auf neurologischem Gebiet würden die Klägerin nicht hindern, sich binnen drei Monaten auf die Tätigkeit einer Registratorin oder Poststellenverwalterin umzustellen und sich hierin einzuarbeiten, soweit sie in diesen Tätigkeiten nicht schwerere Gewichte heben müsse und im Sitzen und Stehen in gewissem Umfange abwechseln könne. Ihre Umstellungsfähigkeit sei erhalten.

Die Klägerin führte Beschwerde wegen der bisherigen Begutachtung und reichte bei Gericht neue ärztliche Unterlagen, insbesondere wegen der seit 1993 bestehenden und seitdem sich verstärkenden Allergie gegen zahlreiche Lebensmittel mit der Folge von Magen- und Darmbeschwerden mit chronischem Durchfall, völlig geschwächtem Immunsystem und Beschwerden der Atmungsorgane ein, lehnte aber die vom Sozialgericht vorgesehene erneute Untersuchung und Begutachtung auf internistischem Gebiet ab.

Der darauf mit einer gutachterlichen Äußerung beauftragte Internist Prof.Dr. A. vertrat in seinen Stellungnahmen vom 07.04.1999 und 30.09.1999 die Auffassung, in der Gesamteinschätzung des Leistungsvermögens der Klägerin ergebe sich keine Änderung, auch nicht durch eine zwischenzeitlich am 12.02.1999 diagnostizierte chronisch-venöse Insuffizienz im tiefen Venensystem links mit rezidivierenden Ödemen, weil ihr bereits früher eine überwiegend sitzende Tätigkeit empfohlen worden sei.

Mit Urteil vom 15.12.1999 wies das Sozialgericht die Klage ab, weil bei dem festgestellten Leistungsbild der Klägerin nicht Berufsunfähigkeit und damit erst recht nicht Erwerbsunfähigkeit vorliege. Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24.03.1993 - L 1 AN 151/91 könne eine Fleischerei-Fachverkäuferin mit dreijähriger Lehre auf die Anlerntätigkeit einer Registratorin oder Poststellenverwalterin verwiesen werden.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht die Klägerin eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes geltend und begehrt eine erneute Begutachtung und Überprüfung, damit man zu dem einzig richtigen Ergebnis komme, dass sie berufsunfähig und erwerbsunfähig sei. Auf ihre umfangreichen Allergien (diverses Obst, Gemüse, Pollen, Fleisch, Hausstaub usw.), die ihr das Leben noch schwerer machten, sei bisher nicht eingegangen worden. Ihr Gesundheitszustand sei so schlecht, dass sie deshalb arbeitslos sei und keine Chance auf einen Arbeitsplatz habe.

Die Feststellung, wann bei ihr Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, obliege allein ihr selbst, da nur sie bestimmen könne, zu welchem Zeitpunkt es ihr gesundheitlich so schlecht gegangen sei, dass sie sich für die Zukunft erwerbs- bzw. berufsunfähig gefühlt habe. Erwerbsunfähig sei sie erst ab Juni 1994 geworden, als sie es für berechtigt gehalten habe, den Rentenantrag zu stellen. Hier sei es ihr wegen Beschwerden der Halswirbelsäule wesentlich schlechter gegangen, und vom Dezember 1990 bis Juni 1994 lägen 25 Pflichtbeiträge aufgrund ihrer Beschäftigung und 28 Pflichtbeiträge aufgrund des Bezugs von Krankengeld und Arbeitslosengeld vor. Ab Juli 1994 habe sie Arbeitslosenhilfe wegen des zu hohen Einkommens ihres Ehemanns nicht bezogen.

Der Senat hat Befundberichte (mit Arzt- und Krankenhausberichten) des Allergologen Dr.W. , des Nervenarztes Dr.R. , des Allgemeinarztes Dr.L. und des Internisten Dr.D. sowie Röntgenfilme von Krankenhäusern und Ärzten und eine Auskunft der Krankenkasse über Zeiten der Arbeitsunfähigkeit eingeholt, außerdem die Schwerbehindertenakte des AVF München II (GdB 30 v.H. laut Bescheid vom 06.06.1995), die Leistungs- und Reha-Akte des Arbeitsamts München, die Rentenakte der Beklagten sowie das Heft 682 b Fachverkäufer im Nahrungsmittelhandwerk der Reihe "Grundwerk ausbildungs- und berufskundlicher Informationen" ("gabi", herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit) beigezogen und drei ärztliche Gutachten eingeholt.

Bei den Sachverständigen Dr.F. und Dr.M. hat die Klägerin angegeben, dass die hauptsächlichen Beschwerden an der Halswirbelsäule bestünden, beim Anheben der Arme und beim seitlichen Liegen würden die Hände taub. Beschwerden habe sie darüber hinaus in der Lendenwirbelsäule, teils in der Brustwirbelsäule und auch in den Knien.

Dr.F. diagnostizierte in seinem orthopädischen Gutachten vom 24.05.2001 Chondrosis intervertebralis C 4 bis C 6, Uncovertebralarthrose, Streckhaltung der Halswirbelsäule; Chondrosis intervertebralis L 4 bis L 6, Spondylochondrose L 6 bis S 1 bei Assimilationsstörung, leichtes Baastrup-Syndrom; Impingementsyndrom links bei Omarthrose; Gonarthrose beidseits, Varikose ohne Ödeme, Genua valga, lockere Spreiz-Füße mit Zehendeformierungen.

Dr.F. führte aus, dass die schwerwiegende Symptomatik eines Cauda-Syndroms durch die operative Behandlung des Bandscheibenvorfalls am 01.01.1993 rasch beseitigt werden konnte und die klinische Symtomatologie anläßlich des Kuraufenthalts 1994 weitgehend unauffällig gewesen sei, zumal auch kernspintomographisch am 01.02.1995 kein Bandscheibenvorfall mehr gesichert werden konnte. Durch die Kauda-Symptomatik sei vorübergehend eine schwerwiegende Gesundheitsstörung verursacht worden, welche jegliche körperliche Belastung der Klägerin ausgeschlossen habe. Danach habe die Klägerin bis heute wieder vollschichtig leichte körperliche Arbeiten im Wechselrhythmus (nicht überwiegend im Gehen und Stehen) verrichten können. Vermieden werden müssten Kälte, Nässe und Zugluft (Schutzbekleidung), Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Treppensteigen, Arbeiten im Knien und Hocken, Zwangshaltungen der Halswirbelsäule, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten am Fließband, Überkopfarbeiten mit dem linken Arm sowie Arbeiten mit dauernd vor- und rückwärts geneigtem Kopf. Die Klägerin sei im Hinblick auf mäßiggradige Verschleisserscheinungen der Kniegelenke in der Lage, zu Fuß täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel in der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Als Wurstverkäuferin müsste sie sicher praktisch ausschließend gehen und stehen, was wegen degenerativer Kniegelenksveränderungen und auch wegen der Bandscheibenschäden der unteren Lendenwirbelsäule ungünstig sei. Das Gleiche gelte für die Tätikeiten einer Verkäuferin für Lederwaren und Textilien. Dafür sei die Erwerbsfähigkeit der Klägerin bereits mittelgradig eingeschränkt. Als Verkäuferin sollte sie - spätestens ab dem Zeitpunkt der Untersuchung (22.05.2001) - nur vier Stunden täglich arbeiten, was sich größtenteils aus dem Nachweis der Verschleißerscheinungen der Kniegelenke ergebe. Vorher, seit 14.12.1992, wäre sie nur dann in diesen genannten Berufen wesentlich behindert gewesen, wenn häufiges Bücken, Heben und Tragen von Lasten sowie stundenlanges ruhiges Stehen damit verbunden wären, wovon er, Dr.F. , nicht ausgehe.

Der Internist Dr.H. stellte in seinem Gutachten vom 22.05.2001 an Gesundheitsstörungen fest: Zustand nach akuter Gastritis (1993, 1996 und Juni 2000) ohne Anhalt für Rezidiv, Thoracic-outlet-Syndrom links stärker als rechts und chronisch-venöse Insuffizienz links, weiterhin - ohne sozialmedizinische Relevanz - Hyperlipoproteinämie, Zustand nach diabetogener Stoffwechsellage bei Infekt (Juni 2000) und euthyreote Struma nodosa cystica rechtsbetont. Diese Gesundheitsstörungen lägen im Wesentlichen bereits seit 14.12.1992 vor, was im früheren Gutachten hinsichtlich der chronisch-venösen Insuffizienz untergegangen sei. Die Gastritis, noch nicht im Gutachten des Prof.Dr. A. vom 17.12.1996 enthalten, bestehe seit Februar 1993.

Wegen der Gastritis seien der Klägerin nicht mehr Arbeiten unter Stress sowie Akkordarbeiten zumutbar. Das Thoracic-outlet-Syndrom, wie es der Neurologe Dr.R. in seinem Arztbrief vom 08.07.1994 beschrieben habe, könne bestätigt werden. Bei Hebung der Arme komme es zur Abklemmung der Arteria subclavia links stärker als rechts, was auch bei Messung des Radialispulses objektivierbar sei. Da Arterien, Venen und Nerven in einem gemeinsamen Gefäßnervenbündel liefen, kämen meist venöse, arterielle und neurologische Symtpome gemeinsam vor, so z.B. die von der Klägerin angegebenen Symptome wie Parästhesien und Schwellgefühl in den Händen nachts und am Morgen sowie tagsüber bei Hebung der Arme. Wegen des Thoracic-outlet-Syndroms könne die Klägerin schwere und ausschließlich mittelschwere Arbeiten nicht mehr verrichten; unzumutbar sei das Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg, häufige Überkopfarbeit, Zwangshaltung des Achsorganes sowie das gewerbsmäßige Führen eines Kfz zur Personen- und Güterbeförderung.

Die weiterhin vorliegende chronisch venöse Insuffizienz sei unkompliziert und werde durch den von der Klägerin getragenen Kompressionsstrumpf kompensiert, so dass es dann nicht zu Schwellungen komme. Zu einer sekundären Varikose, trophischen Hautstörungen, Ulcera und anderen Komplikationen sei es bisher nicht gekommen. Bei Tragen eines Kompressionsstrumpfes seien lediglich Arbeiten unter extremen Witterungseinflüssen wie Hitze unzumutbar. Unter Berücksichtigung der genannten Ausschlusskriterien könne die Klägerin vollschichtig als Verkäuferin und im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarkts eingesetzt werden.

Der Neurologe und Psychiater Dr.M. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 10.07.2001 ein Halswirbelsäulen-Syndrom ohne neurologisch bedeutsame Ausfälle sowie eine rezidivierende Lumboischialgie links bei Zustand nach Bandscheibenoperation 1993 ohne funktionell bedeutsame neurologische Ausfälle und führte hierzu aus, dass eine deutliche Diskrepanz zwischen den von der Klägerin anfänglich geschilderten Beschwerden und einem weitgehend unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund auffalle. Hinsichtlich der Lenden- und Halswirbelsäule hätten sich Myogelosen feststellen lassen, aber keine sicheren sensiblen oder motorischen Defizite, so dass vom Fehlen neurologisch-funktionell bedeutsamer Ausfälle ausgegangen werden könne. Das Thoracic-outlet-Syndrom sei mit seinen Auswirkungen so zu beurteilen, wie es Dr.H. ausgeführt habe; ein Carpaltunnelsyndrom habe auch heute erneut ausgeschlossen werden können.

Die Klägerin könne seit Ende der Arbeitsunfähigkeit am 26.04. 1993 wieder vollschichtig erwerbstätig sein. Nicht mehr zumutbar seien schwere Arbeiten, Arbeiten ausschließlich im Stehen oder ausschließlich im Sitzen, mit Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Arbeiten in Zwangshaltung und über Kopf. Zu vermeiden seien außerdem aufgrund der allergischen Diathese der Klägerin Tätigkeiten, in denen sie besonderen Reizstoffen ausgesetzt sei. Hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestünden keinerlei Einschränkungen.

Zu den eingeholten Gutachten und auf rechtliche Hinweise des Senats bringt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass sie als Wurstverkäuferin und auch als sonstige Verkäuferin niemals mehr arbeiten könne, weder voll- noch halbschichtig, und zwar wegen der defekten Venenklappen, der Blasenentzündung, der Bandscheibenschäden und weil sie nervlich am Ende sei (dadurch psychisch bedingte Magenbeschwerden, Zwölf-Fingerdarmgeschwür). Auch sei ihr linkes Kniegelenk bereits zweimal punktiert worden und werde wegen des zu kurzen Beines nicht mehr heilen. Die zahlreichen Allergien machten ihr sehr zu schaffen. Seit mehr als sieben Jahren melde sie sich nun schon alle drei Monate beim Arbeitsamt und habe bis jetzt noch nicht eine einzige Arbeitsstelle von der zuständigen Sachbearbeiterin angeboten bekommen. Dies weise doch eindeutig darauf hin, dass sie in ihrem Alter und mit ihren Krankheiten nicht mehr vermittelbar sei. Es stelle sich die Frage, wer sie als ungelernte Kraft in ihrem Alter als Telefonistin, Kassiererin, Poststellenverwalterin oder Registratorin noch in seinem Betrieb oder seiner Firma einstellen würde. Hinzu komme, dass sie ihre vielen gesundheitlichen Einschränkungen bei einem eventuellen Einstellungsgespräch natürlich erwähnen müsse. Sie halte die Illusionen und Witze der Beklagten (Anmerkung: Angesprochen sind die Ausführungen der Beklagten über eine Ausbildungs- bzw. Anlernzeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren und die Verweisungsmöglichkeiten) in solch einem ernsten Verfahren für nicht angebracht, dies widerspreche dem gesunden Menschenverstand. Sie sei nicht bereit, sich von der Beklagten in ein wirtschaftliches und soziales schwarzes Loch stoßen zu lassen, da sie vom Arbeitsamt keine Arbeit erhalte, weil sie zu alt und zu krank sei, aber auch die Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nicht erhalte, weil sie zu gesund sei. Eine solche Art und Weise könne doch in einem sozialen Rechtsstaat nicht vorgesehen sein.

Vom Senat befragt zu ihren einzelnen Tätigkeiten als Wurstverkäuferin gibt die Klägerin an, sie habe Wurststangen und geräucherte Hinterschinken vom Kühlraum holen, aufschneiden und in die Wursttheke einräumen müssen. Drei bis viermal in der Woche sei die Ware geliefert worden. Die schweren Wurststangen und die sehr schweren Hinterschinken hätten von einer Palette auf einen Transportwagen umgeladen und dann in den Kühlraum gebracht werden müssen. Bei jeder Lieferung sei der Kühlraum umgeräumt worden. Die frischen Wurststangen und Schinken seien in den unteren Teil des Regals eingeräumt, die restliche Ware aus dem Regal von unten nach oben gelegt worden. Das Ein- und Umräumen im Kühlraum habe ca. 2,5 Stunden gedauert. Danach sei ihre Tätigkeit an der geschlossenen Verkaufstheke weitergegangen mit Bedienung von Kunden. Die Wursttheke sei mit Edelstahl beschlagen gewesen. Beim Bedienen habe sie immer nach vorne gebückt auf der eiskalten Stahlplatte (ca. 2 bis 7 Grad) gelegen sowie sich strecken müssen, um die Wurst zu erreichen. Durch diese einseitige Belastung habe sie sich den zweiten Bandscheibenvorfall und durch die ständige Kälte ihre chronische Blasenentzündung geholt. Am Ende eines Verkaufstags habe alles gereinigt werden und die restliche Ware in den Kühlraum eingeräumt werden müssen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Klägerin habe den Beruf einer Einzelhandelskauffrau gelernt, aber nie in diesem Beruf gearbeitet. Eine Verkäuferin durchlaufe eine Ausbildung von zwei Jahren, eine Fleischereiverkäuferin von drei Jahren. Über eine solche Ausbildung verfüge aber die Klägerin nicht. Zudem habe sie lediglich zwei Jahre als Wurstverkäuferin gearbeitet, damit nur in einem Teilbereich des Berufs einer Fleischereiverkäuferin; hierzu gehöre auch das Schlachten und Zerlegen von Fleisch. Als "Angelernte" im oberen Bereich könne sie auf den Beruf einer Telefonistin im BAT VII (Urteil des BSG vom 12.09. 1991 - 5 RJ 34/90) und einer Kassiererin an einer Sammelkasse (Urteil des LSG Nordrhein- Westfalen vom 22.04.1988 - L 14 AN 49/87) verwiesen werden; ebenso sei sie einsetzbar bei Bürohilfsarbeiten, vergütet nach BAT IX, oder im Büro- und Verwaltungsbereich einer zentralen Handelseinrichtung oder in größeren Einzelhandelsunternehmen (Lohngruppen K 1 oder K 2 des Gehalttarifvertrags für den Einzelhandel: einfache Aufgaben wie Bearbeitung der Post in der Poststelle, Führen von Statistiken, häufig wiederkehrender Schriftverkehr nach Vordruck, Rechnungsprüfung, z.B. durch Vergleich, Überprüfung und Erfassung von Eingangsrechnungen mit Bestellungen und Wareneingangsmeldungen). Die Aufgaben entsprächen einer typischen Bürotätigkeit, die körperlich leicht sei und in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden könne. Hierzu legte die Beklagte das Urteil des LSG für das Saarland vom 13.04.2000 - L 1 RA 50/98 mit den zugrunde liegenden berufskundlichen Unterlagen vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.12.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab Rentenantrag zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestands - insbesondere hinsichtlich des Inhalts der ärztlichen Unterlagen und des Vortrags der Beteiligten - wird hierauf sowie auf die beigezogenen Akten und Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit bzw. wegen geminderter Erwerbsfähigkeit zu. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können ... Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1 bis 4 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. 630,- DM übersteigt; ... Erwerbsunfähig ist nicht, wer ... eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI in den vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassungen).

Teilweise erwerbsgemindert ist, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert derjenige, der unter den gleichen Voraussetzungen außerstande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01. 2001 geltenden Fassung); Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat auch derjenige, der vor dem 02.01.1961 geboren und nach dem 31.12.2000 berufsunfähig wird (§ 240 Abs.1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung).

1) Nicht geteilt wird die von der Beklagten ehemals vertretene Auffassung, dass bei der Klägerin der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit (und damit auch der Berufsunfähigkeit) am 01.01.1993 eingetreten sei und seitdem die geminderte Erwerbsunfähigkeit andauernd bestanden habe, wobei hier richtigerweise nicht auf den Zeitpunkt der Operation des Bandscheibenvorfalls (01.01.1993) abzustellen wäre, sondern auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit (14.12.1992). Konsequent allerdings ist der hieraus zu ziehende Schluss gewesen, dass der Klägerin kein Rentenanspruch zustehen kann, weil in ihrem Versicherungsleben eine Lücke von Mai 1980 bis November 1990 besteht, d.h. weder rentenerhebliche Zeiten noch Schub- bzw. Anwartschaftserhaltungszeiten vorliegen, und die Pflichtbeitragszeit von Dezember 1990 bis November 1992 (24 Monate) nicht die von § 43 Abs.1 Nr.2, § 44 Abs.1 Nr.2 SGV IV (a.F.) geforderten 36 Monate erreicht.

Richtigerweise ist aber davon auszugehen, dass bei der Klägerin nur vorübergehend, d.h. für die Zeit von weniger als sechs Monaten, eine wesentlich geminderte Erwerbsfähigkeit vorgelegen hat, und damit Erwerbsunfähigkeit (und Berufsunfähigkeit), die über einen längeren Zeitraum hinweg bestehen muss, nicht vorlag. Eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung lässt sich nur für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 14.12.1992 bis 26.04. 1993 feststellen. Die damalige ärztliche Ansicht, dass die Klägerin ab 27.04.1993 wieder arbeitsfähig wäre, lässt sich zwar nicht mit dem Beruf einer Verkäuferin mit teilweise mittelschweren und schweren Arbeiten im Stehen vereinbaren, durchaus aber mit der Fähigkeit, vollschichtig leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Es lag zwar bei Operation am 01.01.1993 ein massiver Befund vor (Bandscheibenvorfall mit Lähmung des Beinnerven und Blasen- und Mastdarmstörung), der sich aber rasch besserte. Die folgende stationäre Behandlung im Februar/März 1993 beruhte nicht auf neurologischen Ausfallserscheinungen oder einem Bandscheibenvorfall-Rezidiv, sondern auf einer postoperativen Infektion mit Begleithepatitis. Auch insoweit ist rasch eine Besserung eingetreten.

Dr.W. vom Arbeitsamt München hat in ihrem Gutachten vom 15.04.1993 die Erwerbsfähigkeit der Klägerin lediglich mit halbschichtig beurteilt, was aufgrund der vorausgehenden Bandscheibenoperation und der kurz zurückliegenden Leberentzündung mit Folgen wie körperlicher und nervöser Erschöpfung verständlich erscheint, aber dennoch unrichtig war. In der Krankengeschichte sind in der zweiten Jahreshälfte 1993 sowie im Jahre 1994 wesentliche Gesundheitsstörungen, die die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht einschränken könnten, nicht ersichtlich.

Die ärztliche Beurteilung des Dr.T. (beratender Arzt der Beklagten) vom 02.02.1995, dass Erwerbsunfähigkeit seit 01.01. 1993 eingetreten sei und weiterhin vorliege, ist ebenfalls unzutreffend. Irgendwelche Anhaltspunkte über gravierende funktionelle Einschränkungen sind nicht ersichtlich bzw. sind zumindest nicht beschrieben. Dr.T. hat lediglich ein glaubhaftes Schmerzbild unterstellt. Seine Beurteilung nach Aktenlage kann nur auf den Heilverfahrensbericht zurückgehen. Nach diesem Bericht über die medizinische Maßnahme vom 08.11. bis 06.12.1994 sollen aber bereits laut ärztlicher "Einweisung" in das Heilverfahren keine neurologischen Ausfälle seitens der Lendenwirbelsäule bestanden haben; auch bei der Eingangsuntersuchung wurde nichts dergleichen festgestellt. Vermerkt ist in dem Bericht weiterhin, dass nach grob neurologischer Untersuchung mit negativem Ergebnis eine gründlichere Untersuchung nicht notwendig erschien, weil bereits die Vorbefunde normal gewesen waren. Im Heilverfahrensbericht wird ferner nur auf Cerviko-Brachialgien hingewiesen, die zwar der Klägerin Beschwerden bereitet haben können, aber sich bei Behandlung rasch besserten und im Übrigen von allen Sachverständigen nicht als so gravierend angesehen worden sind, als dass sie eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin begründen könnten. Hinreichende ärztliche Unterlagen, dass im Jahre 1994 noch Erwerbsunfähigkeit der Klägerin vorgelegen haben könnte, sind schlichtweg nicht vorhanden. Die detaillierte Erörterung des medizinischen Sachverhalt zu einer (zeitweisen) Erwerbsunfähigkeitsrente der Klägerin ab 01.01.1993 erübrigt sich jedoch, weil jene bei einem Leistungsfall vom Dezember 1992 nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Berentung erfüllt hätte.

Nach Sachlage lässt sich eine länger anhaltende Erwerbsunfähigkeit (und damit Berufsunfähigkeit) für die Zeit von Dezember 1992 (Beginn der Arbeitsunfähigkeit) bis Juni 1994 (Rentenantrag) nicht feststellen. Allenfalls könnte daran gedacht werden, dass die Klägerin über die Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 14.12.1992 bis 26.04.1993 hinaus für wenige Monate noch in rentenerheblichem Umfang in ihrem Leistungsvermögen behindert gewesen ist, was aber nicht zur Begründung eines Anspruchs führen kann, gleich ob die Gesamtheit der erheblichen Erwerbsminderung unter oder über sechs Monate liegt.

Der Senat hat mit der Erörterung einer zeitweisen Erwerbsunfähigkeit in den Jahren 1992/1993 die Berufsunfähigkeit deshalb pauschal mit einbezogen, weil die Voraussetzungen der Erwerbsunfähigkeit wesentlich weitgehender als die der Berufsunfähigkeit sind, insbesondere in der Regel ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen auch für ungelernte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt voraussetzen. Gleichwohl ist es mit Wiederherstellung eines vollschichtigen Leistungsvermögens der Klägerin und der Erwerbsfähigkeit für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ca. im April 1993 nicht per se ausgeschlossen, dass bei fehlender Erwerbsunfähigkeit weiterhin und andauernd Berufsunfähigkeit vorliegt. In diese Richtung zielt wohl der Vortrag der Klägerin, dass sie wegen der Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule, der venösen Insuffizienz und der rezidivierenden Blasenentzündung den Beruf einer Fleisch- und hiermit einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit begründen will, geht sie jedenfalls von unrichtigen Voraussetzungen aus. Läge Berufsunfähigkeit auf Dauer tatsächlich vor, würde diese bereits seit Dezember 1992 bestehen und ein Rentenanspruch an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen scheitern. Der Senat geht jedoch davon aus, dass Berufsunfähigkeit (auf Dauer) nicht vorlag bzw. vorliegt, weil die Klägerin wegen ihrer Gesundheitsstörungen zwar seit Dezember 1992 den Beruf einer Verkäuferin nicht mehr ausüben kann, sie aber in zumutbarer Weise auf andere Berufstätigkeiten verwiesen werden kann (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.).

Wenn die Klägerin wiederum diese Verweisungsmöglichkeit - trotz mehrfacher Aufklärung des Senats über die rentenrechtlichen Voraussetzungen - wegen des Vorliegens massiver Gesundheitsstörungen bestreitet, so ist es jedenfalls ihrem Rentenbegehren nicht zweckdienlich. Vielmehr müsste dann eine Klage oder Berufung (insoweit) ohne Erfolg bleiben, weil eindeutig feststeht, dass die Klägerin seit Dezember 1992 nurmehr leichte körperliche Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen sowie nicht ausschließlich im Stehen zu verrichten vermag und bereits dies dem Leistungsbild einer Verkäuferin (vgl. u.a. "gabi" Nr.682 b Abschnitt A 3.2.1) nicht mehr entspricht, und andere zumutbare Tätigkeiten nach Ansicht der Klägerin nicht mehr in Frage kommen sollen.

Eine nach Ende der Arbeitsunfähigkeit (26.04.1993) zunächst wieder eingetretene Berufsfähigkeit (und Erwerbsfähigkeit) kann im Übrigen nicht, wie die Klägerin es getan hat, damit begründet werden, dass das Arbeitsamt sie ab April 1993 für beschränkt (halbschichtig) im Erwerbsleben für einsetzbar gehalten hat und sie ja früher als Wurstverkäuferin nur in Teilzeit beschäftigt gewesen ist. Steht ein geeigneter Teilzeitarbeitsplatz (vorliegend nur für leichte körperliche Arbeiten, damit nicht für die Tätigkeit einer Verkäuferin) nicht zur Verfügung, gilt der Arbeitsmarkt in Bezug auf Teilzeitarbeitsplätze als verschlossen und würde eine rentenerhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den von 1992 bis 2000 geltenden Rechtsvorschriften bereits mit Absinken der Leistungsfähigkeit auf unter vollschichtig eintreten.

Der Senat geht zwar davon aus, dass die Klägerin über den 26.04.1993 hinaus arbeitsunfähig gewesen ist, denn die Arbeitsfähigkeit bzw. Arbeitsunfähigkeit bezieht sich auf den zuletzt ausgeübten Beruf. Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht gleichbedeutend mit Erwerbsunfähigkeit (oder Berufsunfähigkeit). Läge aber Erwerbsunfähigkeit (so in der Konsequenz Dr.W. vom Arbeitsamt München mit der Beurteilung eines halbschichtigen Leistungvermögens) oder Berufsunfähigkeit vor, so wäre die Klägerin nicht rentenberechtigt.

2) Zum Jahresende 1993 hin hat die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen mit zusätzlichen Beitragszeiten während des Bezugs von Krankengeld und Arbeitslosengeld wieder erfüllt. Auf den Rentenantrag vom Juni 1994 hat die Beklagte aber keine Rente zu zahlen, weil ein (erneuter) Leistungsfall der Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit ab Dezember 1993 nicht eingetreten ist. Nach allen eingeholten Gutachten konnte die Klägerin einige Monate nach ihrer Operation und damit erst recht wieder im Jahre 1994 wieder vollschichtig leichte Arbeiten bei Beachtung qualitativer Einschränkungen verrichten.

Das Kauda-Syndrom war nach Bandscheibenoperation im Jahre 1993 rasch abgeklungen, und ein erneuter Bandscheibenvorfall konnte durch die Kernspintomographie vom 01.02.1995 ausgeschlossen werden. Neurologisch ergaben sich keine wesentlichen Ausfallserscheinungen mehr, wie bereits der Neurologe Dr.R. in seinem Arztbrief vom 08.07.1994 nach Erhebung klinischer und technischer Befunde festgestellt hat, und Prof.Dr.A. konnte in seinem Gutachten vom 12.09.1998 nur noch die von Dr.R. bereits beobachtete bleibende Gefühlsstörung an der linken Ferse feststellen, daneben einen Dehnungsschmerz des Gesäßnervens links. Das sensible Defizit an der Ferse fand sich auch bei der Untersuchung des Dr.M. und ist ohne Bedeutung. Die körperliche Untersuchung dieses Gutachters ergab keine Hinweise für eine Nervenwurzelschädigung oder Nervenwurzelirritation. So war u.a. der Lasègue negativ, die Muskeleigenreflexe waren auslösbar und pathologische Reflexe zeigten sich nicht; mit Ausnahme an der linken Ferse gab die Klägerin keine Hypästhesie oder Hypalgesie an. Das Vibrationsempfinden, der Temperatursinn, die Tiefensensibilität, der Lagesinn und die Zahlendiskrimination waren nicht gestört. Ergänzend hierzu zeigten sich in dem von Dr.M. gefertigten Elektromyogramm zwar eine alte leichte neurogene Schädigung im Myotom S 1 links, aber keine Hinweise für eine akute oder chronische Vorderwurzelsubstanzschädigung.

Aus neurologischer wie auch orthopädischer Sicht bestanden seit dem Jahre 1994 keine bedeutsamen funktionellen Ausfälle mehr. Die noch bestehenden Beschwerden der Klägerin erklären sich aus den Veränderungen an der Lendenwirbelsäule und der im Jahre 1993 durchgeführten Operation, so dass rezidivierende Lumboischialgien glaubhaft erscheinen. Wegen der Bandscheibenschäden an der unteren Wirbelsäule sind der Klägerin schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar, was auch beinhaltet, dass sie keine Lasten heben und tragen sollte; zu vermeiden sind Arbeiten in Zwangshaltung, insbesondere in gebückter Stellung, Einflüsse von Kälte, Nässe und Zugluft (was ggf. durch entsprechende Kleidung vermieden werden kann) und eine andauernd einseitige Arbeitsposition; insoweit erscheint ein Wechselrhythmus geboten, wobei nicht weit überwiegendes Stehen und Gehen anfallen sollte.

Etwas beeinträchtigt ist bereits die Beweglichkeit der Halswirbelsäule, wobei aber röntgenologisch noch keine wesentlichen degenerativen Veränderungen vorliegen und auch Nervenwurzelreizerscheinungen trotz wiederholter körperlicher Untersuchungen und Elektromyogramm-Befunden nicht objektivierbar gewesen sind. Aufgrund der beigezogenen Arztbriefe kann aber insoweit ein rezidivierendes Halswirbelsäulen-Syndrom (ohne neurologisch bedeutsame Ausfälle) festgestellt werden.

Am Schultergelenk links zeigten sich anlässlich der Untersuchung des Dr.F. bereits degenerative Veränderungen und - funktionell - eine leichte Einschränkung bei Armrückhebung und Drehung, wobei die Klägerin aber noch den Nacken- und Schultergriff ausführen konnte. Aufgrund aller Befunde kann eine beginnende Verschleißschädigung der Rotatorenmanschette festgestellt werden.

Mäßige Verschleißerscheinungen ergaben sich auch an den Kniegelenken, wobei aber die Beweglichkeit auch noch zuletzt (Untersuchung des Dr.F.) frei gewesen ist, die Kniebänder fest waren und ein Erguss nicht vorlag. Der Senat sieht aber aufgrund der gegebenen degenerativen Veränderungen und der Tatsache, dass in früheren Jahren Kniegelenksergüsse bzw. Schwellungszustände aufgetreten sind, eine Schonungsbedürftigkeit und hierdurch bedingt eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit.

In Anbetracht der genannten Gesundheitsstörungen sind der Klägerin - über die bereits wegen der Lendenwirbelsäule vorgesehenen qualitativen Einschränkungen hinaus - Tätigkeiten über Kopf, mit dauernd vor- und rückwärts geneigtem Kopf, in hocken- der und kniender Stellung sowie auf Treppen und Leitern nicht zumutbar. Zeitliche Leistungseinschränkungen sind aber - wenn die genannten Bedingungen bei Erwerbstätigkeiten eingehalten werden - nicht begründbar. Die von Dr.F. vorgesehene Beschränkung des Erwerbsvermögens auf vier Stunden täglich ab dem Jahre 2001 wegen Gesundheitsstörungen an der Lendenwirbelsäule und den Knien bezog sich ausschließlich auf die Tätigkeit einer Wurstverkäuferin und steht dem nicht entgegen. Allerdings ist, wie bereits oben ausgeführt, aufgrund des Berufsprofils davon auszugehen, dass die Klägerin schon seit Dezember 1992 nicht mehr als Wurstverkäuferin einsetzbar ist.

Wenn auch die "Geh- und Stehfähigkeit" der Klägerin bereits eingeschränkt ist, so ist sie aber noch, wie Dr.F. dargelegt hat, in der Lage, zu Fuß viermal täglich eine Wegstrecke von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die rentenrechtlich relevante Fähigkeit, übliche Gehstrecken insbesondere zur Erreichung öffentlicher Verkehrsmittel von und zur Arbeitsstelle zu absolvieren, ist erhalten.

Hinsichtlich manueller körperlicher Tätigkeiten ist die Klägerin nicht nur durch ein Halswirbelsäulen-Syndrom und durch Verschleißerscheinungen an der Rotatorenmanschette links behindert, sondern auch durch ein Thoracic-outlet-Syndrom links stärker als rechts. Die Symptome hierfür, ein Taubwerden der Finger beim Heben über Kopf und beim Schlafen auf der Seite, sind zwar mehrdeutig. Differentialdiagnostisch konnten aber andere Ursachen, insbesondere ein Carpaltunnelsyndrom, durch mehrfache Messungen der Nervenleitgechwindigkeiten im Laufe der Jahre ausgeschlossen werden.

Durch Elevation der Arme kommt es zur Abklemmung von Arterien, Venen und/oder Nerven, die teils in einem gemeinsamen Nervenbündel laufen. Venöse, arterielle und neurologische Symptome kommen meist gemeinsam vor, können aber im Einzelnen fehlen. Deshalb steht der Diagnose auch nicht das Ergebnis des Gutachtens des Prof.Dr.A. vom 12.09.1998 entgegen, der sichere neurologische Ausfallserscheinungen nicht feststellen konnte. Beweisend für das Thoracic-outlet-Syndrom, wie es bereits der Neurologe Dr.R. in seinem Arztbrief vom 08.07.1994 beschrieben hat, sind die von Dr.H. durchgeführten Blutdruck- und Pulsmessungen sowie die sensitive Dopplersonographie während Normalstellung des Arms, Heben über Kopf und Halten des Arms in 90-Grad-Stellung bei glaubhaften Angaben von Parästhesien im Bereich der linken Hand.

Aufgrund der Gesundheitsstörungen verbieten sich schwere und ausschließlich mittelschwere körperliche Arbeiten, das Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg, häufige Überkopfarbeit sowie Zwangshaltung des Achsorgans. Wenn die Klägerin sich erst im Juni 1994 für erwerbsunfähig hielt, "weil die Halswirbelsäule sich anschickte, Beschwerden zu bereiten", so kann der Senat diese Auffassung nicht teilen. Maßgebender Grund für die Stellung eines Rentenantrags im Juni 1994 dürfte gewesen sein, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld, das in der Regel höher als die Rente ist, ab 25.06.1994 erschöpft war und die Klägerin wegen des zu hohen Einkommens ihres Ehemanns zum Bezug von Arbeitslosenhilfe nicht berechtigt war; maßgebend waren jedenfalls nicht gesundheitliche Störungen, die sich angeblich genau um diese Zeit verschlechtert haben sollten. Diese Behauptung brachte die Klägerin zwar im Schriftsatz vom 15.08.2000 vor, nachdem sie durch das sozialgerichtliche Urteil und aufklärende Schreiben des Senats klar verständliche Hinweise darauf erhalten hat, dass ihre wesentlichen Gesundheitsstörungen bereits seit 1992/1993 vorlägen, nicht Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit begründen könnten und bei Unterstellung einer deswegen vorliegenden Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit aufgrund des frühen Leistungsfalls die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt wären.

Der Hinweis der Klägerin auf den Arztbrief des Neurologen Dr.R. vom 08.07.1994, mit dem der Eintritt des Leistungsfalls Mitte des Jahres 1994 begründet werden sollte, vermag hierbei nicht zu überzeugen. Die Beschwerden "hinsichtlich der Halswirbelsäule" wurden im Jahre 1994 (lediglich) dahingehend abgeklärt, dass einerseits ein Halswirbelsäulen-Syndrom bei degenerativen Veränderungen vorliegt, andererseits ein Thoracic-outlet-Syndrom, auf das das Taubheitsgefühl in den Händen zurückgeht. Beide Gesundheitsstörungen lagen bereits zu einem wesentlich früheren Streitpunkt als erst im Juni/Juli 1994 vor.

Anläßlich des vom 08.11. bis 06.12.1994 durchgeführten Heilverfahrens hatte die Klägerin Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Verspannungen (bereits vor 1993) und seit Januar 1993 mit Schmerzausstrahlung in die Arme beidseits angegeben, weiterhin seit Januar 1993 das Pelzigkeitsgefühl in den Händen. Auch Dr. R. hat im Arztbrief vom 08.07.1994 zur Anamnese festgehalten, dass die auftretenden Parästhesien an den Händen beidseits, verbunden mit einem Schwellungsgefühl, bereits seit über zwei Jahren bestünden.

Zu den Auswirkungen des Thoracic-outlet-Syndroms verweist der Senat darauf, dass zwar zusätzliche Beschwerden (nicht allzu gravierender Art) hieraus folgen, aber nicht mehr an Einschränkungen des Erwerbsvermögens, als ohnehin wegen der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet (Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Verschleißschädigung der Schulter-Rotatorenmanschette links) seit 1992/1993 zu berücksichtigen sind.

Eine rezidivierende Gastritis ergibt sich zwar nicht aus den Untersuchungsbefunden des Prof.Dr.A. und des Dr.H. , jedoch aus der Krankengeschichte (akute Zustände in den Jahren 1993, 1996 und 2000). Die akuten Zustände im Sinne von Schleimhauterosionen sind unter Medikation folgenlos ausgeheilt, und eine derzeitige unterstützende Behandlung mit Pankreasenzymen bei im Jahre 2000 vermuteter, aber in der Folgezeit nicht objektivierter Pankreatitis ist in rentenrechtlicher Hinsicht zumutbar und unerheblich. Unter Berücksichtigung der Neigung der Klägerin zur Gastritis sind ihr seit Februar 1993 mit erstmaligem Auftreten eines akuten Zustands Erwerbstätigkeiten unter Stresseinwirkungen wie Akkordarbeit nicht mehr zumutbar.

In sozialmedizinischer Hinsicht relevant ist noch eine chronisch-venöse Insuffizienz des linken Beins, die das gesamte tiefe Venensystem erfasst hat. Hierbei handelt es sich um eine unkomplizierte Insuffizienz, nachdem sich bei den in den Jahren 1999 und 2001 durchgeführten duplexsonographischen Untersuchungen keine Restthromben fanden, zudem trophische Hautstörungen wie Hautatrophie, Hyperpigmentierung und Geschwüre bisher nicht aufgetreten sind und bei zumutbarem Tragen eines Kompressionsstrumpfes es nicht mehr zu Schwellungen gekommen ist. Aufgrund der Insuffizienz sind der Klägerin Arbeiten unter extremen Witterungseinflüssen wie Hitze nicht mehr zumutbar.

Eine Hyperlipoproteinämie (ohne kardiovaskuläre Sekundärveränderungen), eine diabetogene Stoffwechsellage bei Infekt im Juni 2000 (angesichts der mehrmals im Laufe der Jahre gemessenen Werte kann noch nicht von einem latenten Diabetes mellitus gesprochen werden) und eine euthyreote Struma nodosa cystica (bei ausgeglichenem Schilddrüsenhormonprofil von 1993 bis 2001) bedingen noch keine Einschränkungen des Erwerbsvermögens.

Die allergische Reaktion der Klägerin insbesondere gegenüber bestimmten Lebensmitteln (Huhn-, Kalb- und Pferdefleisch laut Arztbrief des Dermatologen Dr.S. vom 27.07.1999, und zusätzlich Nüsse, Milchprodukte, Hühnerei, Früchte, Schalentiere, Fisch, Fleisch, Hausstaubmilben laut weiterem Arztbrief vom 25.07.2000) beeinträchtigen die Klägerin zwar in ihrer privaten Lebensführung; möglicherweise ist damit auch gelegentlich eine Zeit der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit verbunden. Die Einhaltung von Diät ist aber zumutbar, und die Fähigkeit der Klägerin zu Erwerbstätigkeiten wird dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt.

Unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen waren und sind der Klägerin noch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten unter den bereits genannten qualitativen Einschränkungen möglich. Soweit sie - im Hinblick auf die Wirbelsäulenbefunde - darauf verwiesen hat, dass im Laufe der Jahre seit 1992/1993 eine gewisse Verschlechterung eingetreten und nach Ansicht des Prof.Dr.A. eine schicksalgemäße Weiterentwicklung zu erwarten ist, also ihre Beschwerden zunehmen können, so ist dem in Bezug auf den Befund an der Wirbelsäule wie auch in Hinblick auf alle Gesundheitsstörungen entgegenzuhalten, dass sich die Voraussetzungen für die Rentengewährung nicht nach einem möglichen oder sogar wahrscheinlichen künftigen Zustand richten; vielmehr ist das Leistungsvermögen der Klägerin im Hinblick auf einen Rentenanspruch nur bis zur (letzten) mündlichen Verhandlung zu beurteilen.

Mit dem gegebenen Leistungsvermögen konnte die Klägerin bereits seit Dezember 1992 den Beruf einer Wurstverkäuferin nicht mehr verrichten. Damit steht ihr aber noch keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu, denn sie ist nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. auch auf andere geeignete Tätigkeiten verweisbar, wobei nach dem Gesetz ein gewisser "sozialer" bzw. wirtschaftlicher Abstieg zugemutet wird. Nach dem vom Bundessoziagericht aufgestellten Berufsgruppenschema " I. Angestellte mit hoher beruflicher Qualität, die regelmäßig eine akademische oder vergleichbare Qualifikation voraussetzt, II. Angestellte mit einer längeren als zweijährigen, regelmäßig dreijährigen Ausbildung, III. Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und IV. unausgebildete Angestellte"

ist die Klägerin eine dieser Gruppen zuzuordnen und auf Tätigkeiten in derselben Stufe oder auf der nächstniedrigeren Stufe verweisbar.

Im vorliegenden Streitfall ist die Berufsgruppe III gegeben. Die Klägerin hat zwar im Rentenverfahren den Abschluss einer dreijährigen Lehre mit "Verkäuferin" angegeben, laut Zeugnis in der Rehabilitationsakte des Arbeitsamts München jedoch eine dreijährige Ausbildung als Einzelhandelskauffrau im Bereich Lederwaren durchlaufen. Sie hat den Beruf einer Kauffrau nicht oder allenfalls einige Monate zum Ende der Lehrzeit ausgeübt, war dann knapp 20 Jahre (1960 bis 1980) als Ungelernte berufstätig und dann etwas mehr als ein Jahr als Verkäuferin bei der Firma S. (1980/1981) und ca. zwei Jahre als Verkäuferin bei der Firma S. & Comp. (Dezember 1990 bis Dezember 1992 - halbtags Wurstverkäuferin). Vom Berufsbild und der Ausbildung her, worauf maßgeblich abzustellen ist (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.), kann die Klägerin einer Verkäuferin mit zweijähriger Ausbildungszeit gleichgestellt werden. Sie hat zwar diese Tätigkeit nicht erlernt, die Ausbildung zur Verkäuferin mit einer regelmäßigen Lehrzeit von zwei Jahren und die einer Einzelhandelskauffrau von drei Jahren haben aber zum Teil gleiche Inhalte, und die Klägerin hat auch als Verkäuferin Berufserfahrung sammeln können (Zur Gleichstellung vergleiche die von der Beklagten eingereichte Stellungnahme des Landesarbeitsamts Rheinland-Pfalz-Saarland vom 07.01.2000 in der Berufung L 1 RA 50/98 beim LSG für das Saarland.). Der Senat stimmt der Beklagten zu, dass der Beruf einer Einzelhandelskauffrau im Gegensatz zu dem einer Verkäuferin erhebliche kaufmännische Bildungsinhalte zur Befähigkeit von Tätigkeiten im Büro- und Verwaltungsbereich (Buchhaltung, Angebotsermittlung, Wareneinkauf, Kalkulation usw.) vermittelt, so dass der Klägerin in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Verkäuferin nicht eine dreijährige Ausbildungszeit zugerechnet werden kann. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Beruf einer Fleisch- und Wurstverkäuferin eine dreijährige Ausbildungszeit voraussetzt und der Arbeitgeber der Klägerin jene als vollwertige Arbeitskraft bezeichnet und als Angestellte mit dreijähriger Berufserfahrung und Berufsausbildung entlohnt hat. Die Entlohnung ist nur ein Indiz für die Beurteilung, ob die Klägerin in die Gruppe II oder die Gruppe III des Mehrstufenschemas einzuordnen ist, und die Aussage des Arbeitgebers hilft nicht weiter, weil die Klägerin nicht über die maßgebenden Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten einer ausgebildeten Fleisch- und Wurstverkäuferin verfügt und somit nicht in diesem Beruf wettbewerbsfähig wäre.

Im Gegensatz zur zweijährigen Ausbildung als Verkäuferin zielt die dreijährige Ausbildung im Nahrungsmittelhandwerk (Schwerpunkt Fleischerei oder Bäckerei/Konditorei) darauf ab, umfangreiche Kenntnisse im Lebensmittelbereich, zum Teil handwerksspezifisch, zu vermitteln ("gabi" Heft Nr.682 b Abschnitte A 5.1, 5.2.1 und 5.22), so z.B. verschiedene Fleischarten und Fleischerzeugnisse zu unterscheiden und zu beurteilen, Fleischteile ladenfertig auszulösen, zuzuschneiden und herzurichten, Majonaisen, Sülzen, Fleisch- und Feinkostsalate herzurichten usw., die mit dem von der Klägerin und deren Arbeitgeber geschilderten Umgang allein mit Wurstwaren nicht erworben werden können. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Klägerin entspricht allenfalls einer einjährigen (vollschichtigen) Einarbeitungszeit und ist zudem beschränkt auf den Bereich Wurstwaren, nur einen Teilbereich der Tätigkeit einer gelernten Fleisch- und Wurstverkäuferin. Damit ist die Klägerin nur in die Berufsgruppe der Ausgebildeten mit zwei Jahren (Gruppe III) einzuordnen und auf alle ihr nach Ausbildungsstand, Berufserfahrung und gesundheitlichem Zustand möglichen Berufstätigkeiten in derselben Gruppe sowie eine Gruppe tiefer (Gruppe IV) verweisbar, wobei bei letzterer nur Tätigkeiten allereinfachster Art ausscheiden.

In Frage kommen damit ungelernte Tätigkeiten (Gruppe IV) wie auch Arbeiten, die andere mit einer Ausbildungs- oder Einarbeitungszeit von drei bis zwölf Monaten (unterer Bereich der Gruppe III) verrichten; bei diesen Verweisungstätigkeiten können die Kenntnisse und Erfahrungen der Klägerin als Verkäuferin und auch als Einzelhandelskauffrau, wie sie rudimentär noch vorhanden sein müssen, berücksichtigt werden.

In Frage kommen - dies hatte der Senat der Klägerin auch mitgeteilt - Bürohilfsarbeiten (vgl. hierzu auch das von der Beklagten in dem Prozess eingeführte Urteil des LSG für das Saarland vom 13.04.2000 - L 1 RA 50/98 mit der zugrunde liegenden Stellungnahme des berufskundlichen Sachverständigen H. vom 07.01. 2000). Die Tätigkeiten werden z.B. in der Vergütungsgruppe BAT IX b umschrieben mit "Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, Kanzlei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit einfacheren Arbeiten (z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung; Schreibmaterialien Verwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher)". Es handelt sich, den oben genannten Außendienst ausgenommen, um leichte körperliche Tätigkeiten, die im Wechselrhythmus verrichtet werden oder weitaus überwiegend im Sitzen, aber die Möglichkeit des Haltungswechsels zulassen. Besondere Streßfaktoren wie Nachtschicht und Arbeiten im Akkord oder unter akkordähnlichen Bedingungen sind nicht vorhanden.

Der Senat weist ferner darauf hin, dass im Gehaltstarifvertrag für die Angestellten im Einzelhandel in Bayern ein Kaufmann/ eine Kauffrau mit einer Ausbildungszeit von zwei Jahren in der Beschäftigungsgruppe III geführt wird und in der Beschäftigungsgruppe II einfachere kaufmännische Tätigkeiten erfasst werden, z.B. Arbeiten in der Buchhaltung, der Registratur, der Kalkulation, der Rechnungsprüfung, der Auftragsbearbeitung und der Personalkontrolle. Solche Tätigkeiten erfordern nicht die genannte Ausbildungszeit, weil sie einfacher und untergeordneter Art sind, so dass der Klägerin auch bei Unterstellung des Verlustes eines Teils ihrer fachlichen Kenntnisse als Einzelhandelskauffrau der Zugang, ggf. bei einer zumutbaren Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten, möglich ist.

Maßgebend ist im Übrigen nicht, ob derartige Stellen derzeit offen oder besetzt sind (BSG vom 25.06.1986 - 4a RJ 55/84 in SozR 2200 § 1246 Nr.137). Die Klägerin ist hierfür gesundheitlich geeignet, und von einer hinreichenden Zahl solcher Arbeitsplätze ist angesichts der tariflichen Erfassung auszugehen; auf die Arbeitsmarktlage kommt es nicht an.

Ebenso ist es unerheblich, ob die Klägerin wegen ihres Alters und langer Arbeitslosigkeit schwer oder kaum vermittelbar ist; Alter und Langzeitarbeitslosigkeit sind keine Gesichtspunkte, die bei der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu berücksichtigen sind (BSG vom 25.01.1994 - 4 RA 35 /93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr.41). Berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist auch nicht der "arbeitsfähige" Arbeitslose, der wegen zeitlicher Begrenzung oder aus sonstigen Gründen keine Leistungen seitens der Arbeitsverwaltung (mehr) erhält. Das soziale Netz sichert nicht gegen jeden Ausfall von Einnahmen ab, und die Gefahr der Arbeitslosigkeit ist nicht vom Rentenversicherungsträger zu tragen.

Aus den genannten Gründen war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved