L 14 RA 13/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 111/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 13/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11. November 1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. März 1997 abgewiesen.
II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Rentenleistung wegen Berufsunfähigkeit aufgrund eines Antrages vom November 1991 bzw. die Gewährung von Übergangsgeld.

Der 1955 geborene Kläger, zunächst von 1973 bis 1977 als gelernter Koch erwerbstätig, erlernte danach den Beruf des Bäckers und legte im April 1982 seine Meisterprüfung ab; er arbeitete ab Juli 1983 als selbständiger Bäckermeister im eigenen Betrieb bis Juni 1988. Danach war er zugleich Geschäftsführer der B. GmbH. Er entrichtete Pflichtbeiträge als Handwerker. Seit Übernahme aller GmbH-Anteile ab 01.05.1996 entrichtet er nur mehr freiwillige Beiträge in Mindesthöhe.

Auf den Rentenantrag wegen Berufsunfähigkeit im November 1991 ließ die Beklagte den Kläger internistisch und orthopädisch untersuchen. Während der Internist Dr.K. trotz eines insulinpflichtigen Diabetes als Bäcker vollschichtige Berufstätigkeit annahm, kam der Orthopäde Dr.S. im Dezember 1991 insbesondere im Hinblick auf eine klinisch wie röntgenologisch bereits massive Sprunggelenks- und Fußwurzelarthrose mit erheblicher Einsteifung zur Leistungsbeurteilung, der Kläger könne als Bäckermeister nur mehr bis unter halbschichtig belastet werden. Angesichts des Lebensalters bot die Beklagte Umschulungsmaßnahmen an und bewilligte mit Bescheid vom 16.09.1993 die Ausbildung zum Betriebswirt des Handwerks. Diese Umschulung begann jedoch erst ab September 1994 im Institut für Gewerbeförderung der Handwerkskammer für Oberfranken; der Kläger legte die Prüfung am 09.12.1995 in den Fächern Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Recht im Handwerk und Unternehmensführung mit der Gesamtnote "gut" ab. Da die Maßnahme berufsbegleitend in Form von Abendstunden durchgeführt worden war, enthielt der Bewilligungsbescheid den internen Vermerk: Kein Anspruch auf Übergangsgeld.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11.07.1996 lehnte die Beklagte nunmehr den Rentenantrag ab, da der Kläger trotz der festgestellten überwiegend orthopädischen Gesundheitsstörungen in der Lage sei, sowohl im bisherigen Beruf als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig tätig zu sein.

Der Widerspruch blieb erfolglos. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 13.03.1997 führte die Widerspruchsstelle aus, dass die im April 1992 getroffenen Feststellungen nur vorläufig gewesen seien. Da der Kläger durchgehend im bisherigen Beruf vollschichtig gearbeitet habe, habe während der Umschulungsmaßnahme kein Anspruch auf Übergangsgeld bestanden und es sei in Abänderung der im April getroffenen Festsstellungen auch durchgehend von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auszugehen.

Im Klageverfahren verfolgte der Kläger seinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit ab Antrag weiter, hilfsweise die Gewährung von Übergangsgeld.

Das Sozialgericht ließ den Kläger durch den Internisten und Sozialmediziner Dr.T. untersuchen und begutachten. Dieser sah im Gutachten vom 07.04.1998 in der seit langem bestehenden insulinpflichtigen Diabeteserkrankung keine Beeinträchtigung in der Tätigkeit des Bäckermeisters, da dem veränderten Tagesrhythmus die Diabeteseinstellung angepasst werden könne. Die orthopädischen Beeinträchtigungen wertete er seit der Untersuchung durch Dr.S. 1991 im Wesentlichen unverändert bis auf eine zusätzliche Leistungseinbuße in der Fingerfeinstfertigkeit aufgrund eines beidseitigen Carpaltunnelsyndroms, das durch einen allerdings duldungspflichtigen Eingriff besserungsfähig sei. Wie im Rentenverfahren nahm auch Dr.T. ein nur mehr unter halbschichtiges Leistungsvermögen als mitarbeitender Bäckermeister an, er sah jedoch die Tätigkeiten eines Geschäftsführers eines Bäckereibetriebes, eines Bäckers oder Einkäufers in einer Großbäckerei oder den Einsatz bei einem Gebäck- und Süßwarenhersteller als vollschichtig an.

Im Termin der mündlichen Verhandlung vom 15.07.1998 schilderte der Kläger, dass er auch während der Zeit der Umschulung den Betrieb voll weitergeführt habe, da es sich um 700 Stunden Abendunterricht gehandelt habe und er in der Regel ab 2.00 Uhr in der Frühe die Tätigkeit als Bäcker aufgenommen habe. Das Sozialgericht gab der Klägerseite auf, Unterlagen über medizinische Behandlungen ab 1990 vorzulegen, und vertagte den Termin. Daraufhin reichte der Kläger einen ärztlichen Bericht des Orthopäden Dr.G. über eine Untersuchung der Schulter rechts vom 07.11.1995, einen Heilverfahrensbericht über eine stationäre Heilbehandlung vom 08. bis 29.10.1996 in der Kurparkklinik N. wegen Beschwerden im rechten Schultergelenk sowie einen OP-Bericht der Chirurgen Dres.A./U. vom 28.10.1998 über eine durchgeführte Carpaltunnelspaltung rechts ein. Weitere Unterlagen könnten nicht beigebracht werden, da der Kläger nicht ständig beim Arzt gewesen sei. Ferner forderte das Sozialgericht von der Beklagten eine berufskundliche Stellungnahme an und erholte vom Landesarbeitsamt Bayern eine berufskundliche Stellungnahme (vom 13.07.1999) vordergründig zum Einkäufer in einer Großbäckerei bzw. bei einem Gebäck- und Süßwarenhersteller.

Mit Urteil vom 11.11.1999 verurteilte es die Beklagte zur Gewährung von Übergangsgeld für den Zeitraum 01.11.1991 bis 31.12.1995; zur Rente wegen Berufsunfähigkeit im Sinne einer Klageabweisung im Übrigen tenorierte es nicht. In den Gründen führte es aus: Bis zum Abschluss der Umschulung sei der Kläger berufsunfähig gewesen, weil keine Verweisungstätigkeit entweder aus gesundheitlichen oder aus Gründen der Ausbildung zumutbar gewesen sei. Die tatsächliche Ausübung des Berufs des Klägers stehe dem nicht entgegen, da dieser auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet habe. Aufgrund der geprüften Ausbildungsfächer sei der Kläger jedoch nach der Ausbildung zum "Betriebswirt des Handwerks" in der Lage gewesen, die Tätigkeit eines Einkäufers in einer Großbäckerei auszuüben. Deshalb sei im tenorierten Umfang Übergangsgeld zuzusprechen gewesen.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung rügt die Beklagte, dass das angegriffene Urteil auf der fehlerhaften Annahme beruhe, die Tätigkeit des Klägers sei auf Kosten der Gesundheit erfolgt. Das Gericht verkenne, dass eine Tätigkeit nur dann auf Kosten der Gesundheit verrichtet werde, wenn daraus eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit resultiere, d.h., wenn diese Tätigkeit mit dem Risiko einer unmittelbaren Schädigung bzw. Verschlimmerung des Gesundheitszustandes verbunden sei. Dies bedeute, dass die während einer Arbeitsleistung entstandene oder verschlimmerte gesundheitliche Schädigung genau zu beschreiben sei. Die alleinige Feststellung, es werde auf Kosten der Gesundheit gearbeitet, reiche insoweit nicht aus. Der Kläger habe als mithelfender Bäckermeister durchgehend vollschichtig gearbeitet, und zwar jahrelang vollschichtig, obgleich das orthopädische Gutachten im Verwaltungsverfahren nur von einem zweistündigen bis unter halbschichtigen Leistungsvermögen ausgegangen sei. Auch während der berufsfördernden Maßnahme habe der Kläger durchgehend vollschichtig gearbeitet. Trotz der festgestellten qualitativen und quantitativen Leistungsminderung als Bäckermeister sei die Tätigkeit über Jahre hinweg ausgeübt worden. Gleichwohl habe der Gutachter im sozialgerichtlichen Verfahren im April 1998 keine Verschlimmerung der Zuckerkrankheit oder der orthopädischen Leiden durch die körperlich mittelschwere bis gelegentlich schwere Arbeit feststellen können. Dies spreche eindeutig gegen eine Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit, zumal nach Aktenlage weder regelmäßige ärztliche Behandlungen erforderlich gewesen seien noch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen hätten. Der Kläger könne auch den Beweis, auf Kosten der Gesundheit gearbeitet zu haben, nicht erbringen. Ein vermeintlicher oder auch existierender wirtschaftlicher Zwang, eine nicht leidensgerechte Tätigkeit über einen längeren Zeitraum auszuüben, um einen finanziellen Ruin abzuwenden, sei bei der sozialmedizinischen Betrachtung nicht zu berücksichtigen. Weiterhin habe das Sozialgericht rechtsfehlerhaft Übergangsgeld zugesprochen. Dies treffe nach § 20 Abs.1 Nr.1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) nur dann zu, wenn der Betreute wegen der Rehabilitations(Reha)-Leistung keine ganztägige Erwerbstätigkeit ausüben könne. Der Kläger habe aber die Reha-Maßnahme berufsbegleitend durchgeführt und ununterbrochen vollschichtig gearbeitet. Somit stehe auch weder vorgezogenes Übergangsgeld noch Ersatzübergangsgeld gemäß §§ 25 Abs.2, 20 Abs.3 SGB VI zu.

Die Kläger-Seite legt ebenfalls das Rechtsmittel der Berufung ein mit dem Begehren, dem Kläger ab 01.11.1991 Berufsunfähigkeitsrente zu gewähren. Zwar sei ihm kein Übergangsgeld zu zahlen; ihm sei aber Rente wegen Berufsunfähigkeit bis zum Abschluss der Reha-Maßnahme zu gewähren, da das Sozialgericht keine zumutbare Verweisungstätigkeit bis zum Abschluss dieser Maßnahme habe aufzeigen können. Denn für die Verweisungstätigkeit als Einkäufer in einer Großbäckerei sei wohl der Arbeitsmarkt verschlossen, da für eine derartige Tätigkeit hauptsächlich Diplom-Betriebswirte eingesetzt würden und nach einer Auskunft des Arbeitsamtes Bamberg noch niemals eine Stelle als Einkäufer in einer Großbäckerei angeboten oder vermittelt worden sei. Auch besitze ein Betriebswirt des Handwerks regelmäßig nicht die umfassenden betriebswirtschaftlichen Kenntnisse zur Befähigung für diese Tätigkeit. Im Übrigen könne der Kläger auf diese Tätigkeit schon deshalb nicht verwiesen werden, weil er hierbei nicht die Hälfte des Wertes der bisherigen Arbeit erzielen könne. Bei einem derzeitigen Unternehmerlohn in Höhe von monatlich ca. 8.000,00 DM brutto bekäme er als Angestellter einer Großbäckerei allenfalls zwischen 3.000,00 und 3.700,00 DM brutto. Auch treffe die Prämisse der Beklagten nicht zu, der Kläger habe nicht auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet. Vielmehr habe der Kläger Raubbau an seiner Gesundheit betrieben und im Jahre 1998 sei ein operativer Eingriff an der rechten Hand notwendig geworden, nachdem an mehreren Fingern dieser Hand ein dauerhaftes Taubheitsgefühl aufgetreten gewesen und die rechte Hand nahezu unbrauchbar gewesen sei. Darüber hinaus sei ärztlicherseits festgestellt, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers im Laufe der Jahre verschlechtert habe. Eine Tätigkeit erfolge bereits dann auf Kosten der Gesundheit, wenn nach den medizinischen Befunden eine Verschlechterung in Zukunft zu erwarten sei, wenn also das Weiterführen der Tätigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit negative Spätfolgen nach sich ziehen werde und dies mit aller größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, wenn auch derartige Spätfolgen oft erst nach vielen Jahren konkret festgestellt werden könnten.

Die Beklagte erwidert, dass nach der Auskunft des Landesarbeitsamtes Bayern vom Juli 1999 für die Verweisungstätigkeit eines Einkäufers einer Großbäckerei mindestens 300 Arbeitsplätze im Bundesgebiet benannt worden seien. Im Übrigen sei der Kläger auch auf die Tätigkeit eines Lagerverwalters in Großbäckereien und auf die Tätigkeit eines Anlagenführers oder auf Facharbeitertätigkeiten in der Brot- und Dauerbackwarenproduktion verweisbar.

Die Kläger-Seite wendet ein, dass dem Kläger für die Tätigkeit eines Einkäufers in einer Großbäckerei das nötige Wissen fehle, das er sich durch die Umschulungsmaßnahme nicht habe erwerben können. Die sonst benannten Tätigkeiten seien dem Kläger körperlich nicht zumutbar. Im Übrigen sei eine bundesweite Verweisung für den Kläger ebensowenig zumutbar, da er den Wohnort wechseln müsste und wegen seiner Krankheit keine längeren Fahrstrecken zurücklegen könne.

Auf Anforderung der Beklagten legt der Kläger die Unterlagen der Akademie des Handwerks über das Studium zum Betriebswirt des Handwerks mit Prüfungsordnung und Rahmenlehrplan vor. Darüber hinaus teilt der Kläger mit, dass er Inhaber der einzigen Betriebsstätte in Heiligenstadt sei. Im Betrieb würden zwei Auszubildende, eine Vollkraft, ein Hilfsarbeiter und ein Bäckermeister, der allerdings nur 20 Stunden in der Woche arbeite, tätig sein. Darüber hinaus seien noch acht geringfügig Beschäftigte tätig, davon fünf im Verkauf, Putzfrauen und ein Fahrer. Der Kläger sei deshalb vollständig in der Produktion tätig, darüber hinaus für die Verwaltung, Organisation, den Verkauf und das Marketing zuständig. Die Größe seines Betriebes lasse es nicht zu, dass er sich ausschließlich der Verwaltung des Betriebes widme. Im Übrigen sei er zwischenzeitlich 45-jährig und schlichtweg nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar.

Auf weitere Aufforderung der Beklagten schilderte der Kläger seinen Tagesablauf und legte die Einkommensteuererklärungen der Jahre 1993 bis 1998 vor.

Im Rahmen der berufskundlichen Stellungnahme vom Juli 2001 versucht die Beklagte vordergründig aufgrund der vorgelegten Einkommensverhältnisse den Nachweis zu führen, dass der Kläger schon mit seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit als Geschäftsführer ab 1993 bei weitem die gesetzliche Lohnhälfte des Durchschnittsverdienstes der maßgeblichen Berufsgruppe erarbeitet hatte.

Die Aufforderung des Senats, vom Arbeitsamt Bamberg die Reha-Unterlagen der damaligen Maßnahme vorlegen zu lassen, blieb erfolglos. Die Akten waren bereits vernichtet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.11.1999 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.11.1999 abzuändern und dem Kläger ab Antrag Rente wegen Berufsunfähigkeit unbefristet zu zahlen sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Von den gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaften, form- und fristgerecht eingelegten, damit zulässigen Doppelberufungen der Beteiligten war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Denn dem Kläger stand weder Übergangsgeld noch steht ihm Rente zu.

Zwar hat die Klägerpartei im Berufungsverfahren die Gewährung von Übergangsgeld nicht mehr weiter verfolgt, aber auch nicht ausdrücklich auf die Rechte aus dem sozialgerichtlichen Urteil verzichtet. Somit war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben, da es schon den klaren Wortlaut des § 20 Abs.1 Nr.2 SGB VI in der bis zum 01.07.2001 geltenden Fassung nicht beachtet hat, dass Anspruch auf Übergangsgeld nur Versicherte haben, die wegen dieser Leistung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können. Das Sozialgericht hat jedoch selbst ermittelt (Vortrag des Klägers im Termin vom 15.07.1998), dass die Reha-Leistung außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durchgeführt worden war, weil sie ausschließlich in Kursen im Abendunterricht stattgefunden hatte. Auch hatte der Kläger vorgetragen, während der gesamten Maßnahme den Betrieb voll weitergeführt zu haben. Zu Recht hat deshalb die Beklagte die Gewährung von Übergangsgeld versagt.

Dem Kläger steht und stand nach der Rechtsauffassung des Senats aber auch keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu. Dabei sind die Zeiträume bis zum Abschluss der Reha-Maßnahme (1.) und die danach (2.) zu unterscheiden.

1. Die Rechtslage beurteilt sich noch nach den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, da ein Leistungsbeginn vor dem 01.01.2001 in Streit steht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI).

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Zwar erfüllt der Kläger für einen Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit die erforderliche Mindestwartezeit und auch die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Bei ihm ist jedoch zu keinem Zeitpunkt der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit eingetreten. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat er nämlich nicht auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet.

Die Beurteilung der tatsächlichen Berufsausübung bzw. die Einschränkung des Leistungsvermögens und damit der Eintritt des Versicherungsfalles ist nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht nur eine medizinische Frage, sondern vorrangig eine Rechtsfrage (BSG SozR 2200 § 1247 Nr.12 mit vielen zeitlich späteren Bezugnahmen). Zutreffend hat die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung darauf hingewiesen, dass eine Tätigkeit nur dann auf Kosten der Gesundheit verrichtet wird, wenn hieraus eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit resultiert, die Tätigkeit also mit dem Risiko einer unmittelbaren Schädigung und/oder mit einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes verbunden ist. Wenn die Klägerpartei darauf abstellt, eine Tätigkeit erfolge bereits dann auf Kosten der Gesundheit, wenn nach den medizinischen Befunden eine Verschlechterung in Zukunft zu erwarten sei, wenn also das Weiterführen der Tätigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit negative Spätfolgen nach sich ziehen werde und dies mit aller größter Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei, wenn auch derartige Spätfolgen oft erst nach vielen Jahren konkret festgestellt werden könnten, kann sie damit nicht gehört werden. Denn die Voraussetzungen für eine Berentung richten sich nicht nach einem möglichen oder sogar wahrscheinlichen künftigen Zustand; vielmehr ist das Leistungsvermögen im Hinblick auf einen Rentenanspruch in der Regel nur bis zur (letzten) mündlichen Verhandlung zu beurteilen, vorliegend jedoch bis zum Zeitpunkt der abgeschlossenen Reha-Maßnahme. Insoweit ist Tatsache, dass der Kläger im entscheidungserheblichen Zeitraum vom Rentenantrag bis zum Abschuss der Umschulungsmaßnahme im Dezember 1995 lediglich einen Behandlungsbericht des Orthopäden Dr.G. über eine Untersuchung der rechten Schulter im November 1995 vorlegen konnte, aus dem anamnestisch Beschwerden der rechten Schulter seit acht Wochen hervorgehen mit der abschließenden Therapieempfehlung: intensive Krankengymnastik. Von sonstigen orthopädischen Beschwerden und Behandlungen, insbesondere solchen, die bei der Untersuchung im Rentenverfahren im Vordergrund standen, fehlt jeder Beleg. Ein einziges Heilverfahren wurde ca. ein Jahr später durchgeführt, die Carpaltunnelspaltung erst im Oktober 1998 notwendig; im Übrigen ärztliche Behandlungen, die zeitlich eindeutig nach der abgeschlossenen Umschulung stattfanden. Weitere Behandlungen oder Arztkonsultationen kann der Kläger nicht belegen. Ebensowenig kann er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für den fraglichen Zeitraum vorlegen. Tatsache ist weiter, dass die Begutachtung durch Dr.T. im April 1998 für die orthopädischen Gesundheitsstörungen keine Änderungen, insbesondere keine wesentlichen Verschlimmerungen im Vergleich zur Untersuchung durch Dr.S. im Jahre 1991 ergeben hat. Die minimale zusätzliche Leidensverschlimmerung hinsichtlich der Fingerfeinstfertigkeit aufgrund eines beiderseitigen Carpaltunnelsyndroms hat im Oktober 1998 seine operative und duldungspflichtige Besserung erfahren und war wohl nur an der rechten Hand notwendig. Für den hier strittigen Zeitraum ist diese zusätzliche geringe Leistungseinbuße ohnehin nicht von Belang. Wesentlich ist, dass auch Dr.T. für die seit Jahren bestehende insulinpflichtige Diabetes-Erkrankung - wie schon im Rentenverfahren Dr.K. - keine Beeinträchtigung im ausgeübten Beruf des Bäckermeisters ersah, da dem berufsbedingten veränderten Tagesrhythmus die Diabeteseinstellung angepasst werden kann. Tatsache ist ferner, dass der Kläger in den fraglichen Jahren (1993 bis 1995) seine Krankenversicherungsbeiträge zurückerstattet erhielt, wie die im Berufungsverfahren vorliegenden Einkommensteuererklärungen beweisen. Dabei handelte es sich um Erstattungsbeträge in Höhe von 4.200,00 bis zu 4.500,00 DM jährlich, ein offensichtliches Indiz dafür, dass keine ärztlichen Behandlungen beansprucht worden waren. Damit ist unübersehbare Tatsache, dass der Kläger bis zum Ablauf des Jahres 1995 keine AU-Zeiten aufwies und auch keinerlei ernsthafte - vgl. den Behandlungsbericht des Dr.G. vom November 1995 - ärztlichen Behandlungen in Anspruch nehmen musste. Entscheidende Tatsache ist, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum uneingeschränkt vollschichtig seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit nachging und zwar trotz Doppelbelastung durch die Reha-Maßnahme in Abendkursen. Und dies, obgleich sich weder nach dem klägerischen Vorbringen noch nach Akteninhalt die Arbeitsverhältnisse, Arbeitsbedingungen und Arbeitsabläufe kaum geändert hatten, sieht man von dem Umstand ab, dass die im Laufe der Zeit erfolgte zusätzliche Einstellung eines weiteren Bäckermeisters (20 Stunden in der Woche) für den Kläger eine gewisse Entlastung brachte. Die unmittelbaren körperlichen Anforderungen, die gerade die medizinische Prognose ausmachen, haben hierdurch jedoch keine Änderung erfahren, sondern sind gleich geblieben. Es war für den Senat nicht mehr aufklärbar, ob die Abendkurs-Ausgestaltung der Reha gerade im Hinblick auf den zeitlich sehr spät einsetzenden Maßnahmebeginn auf den ausdrücklichen Wunsch des Klägers zurückging, sich nur berufsbegleitend umschulen zu lassen, um einerseits die Aufrechterhaltung des Betriebes nicht zu gefährden, andererseits für seinen kleinen mittelständischen Betrieb mit den Leistungsfächern (Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Recht im Handwerk, Betriebsführung) eine weitere betriebliche Abrundung zu erreichen. Denn die einschlägigen Unterlagen des Arbeitsamtes Bamberg sind nicht mehr einsehbar, sondern wegen Zeitablaufs vernichtet. Auch wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass der Kläger mit der angestrengten Form der Reha nicht die geringste Beeinträchtigung seines Gewerbebetriebes riskieren wollte, so ist doch evidente Tatsache, dass er über die ganzen Jahre hinweg ohne gesundheitliche Verschlimmerung, wie ärztlich fest- und bereits dargestellt, vollschichtig den bisherigen Beruf sowohl als mitarbeitender Bäckermeister als auch als Geschäftsführer ungeschmälert ausübte. In diesem Zusammenhang stimmt der Senat mit der Beklagten überein, dass ein vermeintlicher oder auch existierender wirtschaftlicher Zwang, eine nicht leidensgerechte Tätigkeit über einen längeren Zeitraum auszuüben, um einen möglichen finanziellen Ruin abzuwenden, bei der sozialmedizinischen Betrachtung nicht zu berücksichtigen ist.

Mag die generelle Vorgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der tatsächlichen Arbeitsleistung komme der stärkere Beweiswert zu als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden, zumal in Teilen der Literatur nicht unwidersprochen geblieben sein, so ist zumindest unstreitig, dass maßgebend letztlich die Einzelumstände sind und die diese Umstände wertende Beweiswürdigung. Deshalb kann der Senat bei aller Hochachtung für die Lebensleistung des Klägers nicht außer Acht lassen, dass die jahrelange, durchgehende und unbeeinträchtigte vollschichtige Beschäftigung trotz anderslautender ärztlicher Prognosen im Rahmen der anzustellenden Rechtsfrage den stärkeren Beweiswert darstellt. Gerade im Hinblick darauf, dass der Senat seit dem anhängigen Berufungsverfahren nicht mehr in der Lage ist, die gesundheitlichen Verhältnisse in der Vergangenheit aufzuhellen, sondern anhand der aufgeführten Tatsachen seine Beweiswürdigung vorzunehmen hat, lässt die erdrückende Fülle der aufgezeigten Tatsachen im vorliegenden Einzelfall keine andere Beweiswürdigung zu.

2. Zu den bisherigen Überlegungen kommt für die Zeit nach abgeschlossener und bestandener Ausbildung zum Betriebswirt des Handwerks hinzu, dass der Kläger jedenfalls auf den Umschulungsberuf verweisbar ist. Dies ergibt sich schon aus der Gesetzesfassung. Denn in § 43 Abs.2 Satz 3 SGB VI (in der Fassung bis 31.12.2000) ist bestimmt: "Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation ausgebildet und umgeschult worden sind." Auch wenn die Vorschrift nur die soziale Zumutbarkeit regelt, der Versicherte also nicht einwenden kann, die umgeschulte Tätigkeit sei qualitativ zu geringwertig, muss der neue Beruf nicht den Zumutbarkeitskriterien des Abs.2 Satz 2 dieser Bestimmung entsprechen, wie sie bereits zitiert wurde. Das ergibt sich ohnehin aus der grundlegenden Überlegung, dass derartige Reha-Maßnahmen nur eingeleitet und bewilligt werden dürfen, wenn die bisherigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen vermieden werden. Gerade dies wurde beim Kläger klar beachtet. Ferner verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung, dass derartige Reha-Leistungen ausreichend sind, die eine Vermittlung von Kenntnissen und/oder Fertigkeiten nach bestimmten Ausbildungsplänen vorsehen und mindestens drei Monate dauern (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.25). Auch diese Kriterien sind bei der Umschulungsmaßnahme des Klägers bei Weitem erfüllt. Zudem ist die Maßnahme vom zuständigen Rentenversicherungsträger durchgeführt und sie ist mit Erfolg vom Kläger beendet worden. Entscheidend ist nicht, ob der Versicherte im neuen Beruf bereits tätig war; er ist auch dann auf den Umschulungsberuf verweisbar, wenn er in diesem keinen Arbeitsplatz findet (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.32). Bei diesen Vorgaben des BSG, an die der erkennende Senat sich hält, kommt es auf die vom Sozialgericht aufgezeigten, nach Abschluss der Umschulungsmaßnahme nunmehr zumutbaren Verweisungstätigkeiten für die Entscheidungsfindung nicht mehr an.

Nach der Rechtsauffassung des Senats sind folglich auch die rechtlich nicht zutreffenden Erwägungen der Kläger-Seite zur Erzielung der Lohnhälfte, zur Verweisung auf das gesamte Gebiet der Bundesrepublik und zur Vermittelbarkeit auf den Arbeitsmarkt unbeachtlich.

Nach all dem war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben, die Berufung des Klägers zurückzuweisen und seine Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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