L 13 RA 146/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 264/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 146/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Verweisbarkeit einer Einzelhandelskauffrau
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21. August 1998 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Leistung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ...1941 geborene Klägerin hat vom 15.10.1955 bis 15.10.1958 eine Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel (verkaufsbetont) erfolgreich absolviert (Lehrvertrag vom 13.10. 1955). Nach Ende der Ausbildung war sie weiterhin im erlernten Beruf tätig und arbeitete seit 01.10.1979 als Kassiererin, zuletzt ab 01.07.1987 im Lebensmittelgroßhandel bei Firma ... GmbH & Co. Sie wurde entsprechend Gehaltsgruppe K II des Tarifvertrags für den Groß- und Außenhandel in Bayern entlohnt (Auskunft der Firma ... GmbH & Co vom 19.11. 1997). Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30.09.1996 laut Mitteilung des Arbeitgebers wegen Aufgabe des Betriebsteils in Kulmbach beendet. Bei der Klägerin hatte seit Mitte Juli 1996 Arbeitsunfähigkeit vorgelegen, Krankengeld wurde ab 01.09.1996 geleistet. Seit Ende des Krankengeldbezugs bezieht die Klägerin Arbeitslosengeld; der Anspruch besteht bis August 2000.

Am 14.08.1996 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und begründete dies mit verschiedenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere einem Bericht ihres behandelnden Arztes Dr ... vom 24.07.1996. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch den Chirurg und Gynäkologen Dr ... Dieser kam in seinem Gutachten vom 15.11.1996 zum Ergebnis, die Klägerin könne als Kassiererin noch zwei Stunden bis unterhalbschichtig tätig sein, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien ihr noch leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus, ohne Überkopfarbeit bzw. ohne besondere Belastung des Schulter-Hals-Bereichs, ohne besondere Belastung der Ellenbogen- und Handgelenke, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Nacht-/Wechselschicht sowie ohne Akkord vollschichtig möglich. Aus einem von der Beklagten beigezogenen Heilverfahrensentlassungsbericht vom 12.10.1995 ergab sich, dass die Klägerin als arbeitsfähig im Beruf der Kassiererin aus der Rehabilitationsmaßnahme entlassen worden war. Zur Klärung des Berufsbildes der Klägerin zog die Beklagte eine Auskunft des Arbeitgebers vom 30.08.1996 bei. Darin ist festgehalten, die Klägerin sei als Kassiererin (stehende Tätigkeit mit Heben der Waren, Auszeichnen und Kontrollieren der Waren, Auffüllen von Regalen) beschäftigt gewesen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.01.1997 den Antrag der Klägerin ab, da sie noch in der Lage sei, als Mitarbeiterin für Bürohilfstätigkeiten, die dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnen sind, z.B. Mitarbeit in einer Registratur oder Poststelle, einfache Arbeiten in der Rechnungsprüfung ganztags auszuführen. Den am 21.01.1997 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin unter Bezugnahme auf einen Bericht des Dr ... vom 18.03.1997, einen Arztbrief des Nervenkrankenhauses des Bezirkes Oberfranken vom 19.02.1997 und einen Bericht des Dr ... vom 18.03.1997. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet durch den Neurologen und Psychiater Dr ... ein. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 11.05.1997 nach Untersuchung der Klägerin eine Polyneuropathiesymptomatik an der unteren Extremität mit dem Leitsymptom der schmerzhaften Muskelkrampi und Faszikulationsaktivität und verneinte einen Hinweis auf einen generalisierten Vorderhornprozess, sondern äußerte den Verdacht auf eine alkoholinduzierte Polyneuropathie. Außerdem stellte er ein Lendenwirbelsäulensyndrom ohne radikuläre Ausfälle sowie leichte depressive Symptome fest.

Zum Leistungsvermögen der Klägerin führte Dr ... aus, als Kassiererin sei ihr eine halb- bis untervollschichtige Tätigkeit zumutbar, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kämen leichte Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ganztags in Betracht (Gutachten vom 11. Mai 1997). Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Bescheid vom 14.08.1997 zurück.

Mit der am 27.08.1997 beim Sozialgericht Bayreuth erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und führte aus, sie sei nicht mehr zu einer vollschichtigen Tätigkeit in der Lage. Das Sozialgericht zog Entlassungsberichte des Nervenkrankenhauses des Bezirks Oberfranken vom 19.02., 06.06. und 05.11.1997 bei und beauftragte den Neurologen und Psychiater Dr ... mit der Erstellung eines Gutachtens, das dieser am 28.01.1998 fertigte. Als Diagnosen nannte er eine leichte distale Polyneuropathie der unteren Extremitäten mit Schmerzerlebnissen und zeitweise auftretenden Krampi an den Waden sowie eine hypochondrisch-neurotische Entwicklung. In der Beurteilung des Leistungsvermögens führte Dr ... aus, die Klägerin sei noch in der Lage, als Verkäuferin/Kassiererin in einem Kaufmarkt vollschichtig zu arbeiten, wobei eine wechselnde Tätigkeit zwischen Sitzen und Gehen anzuraten sei. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig möglich.

Zusätzlich beauftragte das Sozialgericht den Chefarzt a.D. Dr ... mit der Erstellung eines Gutachtens zum Leistungsvermögen der Klägerin. Dieser diagnostizierte einen Morbus Dupuytren beidseits ohne Behinderung der Funktionsfähigkeit und der Gebrauchsfähigkeit der Hand, ein BWS/LWS-Syndrom bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, ein Polyneuropathiesyndrom, eine initiale Coxarthrosis und Gonarthrosis beidseits ohne Anhalt für Funktionsbehinderung bzw. Einschränkung der Gebrauchsfähigkeit, eine Senkfuß beidseits und Hallux valgus beidseits. Die Klägerin sei noch in der Lage, als Verkäuferin bzw. Kassiererin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten halb- bis untervollschichtig, z.B. als Kassiererin an einer Sammelkasse, zu verrichten. Die Tätigkeiten sollten, wenn möglich, im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt werden und überwiegend in geschlossenen Räumen möglich sein. Heben und Tragen von schweren und mittelschweren Lasten ohne Hilfsmittel sei zu vermeiden, ebenso häufiges Bücken und Arbeiten, die mit häufigem Knien verbunden seien. Die verminderte Erwerbsfähigkeit bestehe seit Mai 1997 (Gutachten vom 14.05.1998). Beigefügt waren dem Gutachten des Dr ... ein Bericht des Dr ... vom 02.04.1998 sowie ein Arztbrief von Dr ... vom 20.04.1998.

Das Sozialgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 21.08.1998, der Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit ab 01.12.1997 bis 30.11.2000 zu gewähren. Es entsprach damit dem Antrag der Klägerin, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit - ohne nähere Begrenzung - zu bewilligen. Das Sozialgericht stützte sich bei seiner Entscheidung auf das Gutachten des Dr ... und kam zum Ergebnis, dass die Klägerin nur noch halb- bis untervollschichtig eingesetzt werden könne. Der Leistungsfall sei auf den 11.05.1997, den Tag der Begutachtung und Untersuchung durch Dr ..., zu legen, da dieser erstmals Befunde erhoben habe, die zur Feststellung eines Polyneuropathiesyndroms geführt hätten. Dieses Syndrom wiederum sei eine der wesentlichen Gesundheitsstörungen, die die Feststellung einer verminderten Erwerbsfähigkeit bedingen würden. Bei Feststellung eines halb- bis untervollschichtigen Leistungsvermögens sei Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zu gewähren. Entsprechend § 99 Abs.1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs.1 Satz 1 SGB VI sei Rentenbeginn der 01.12.1997.

Die Beklagte legte am 05.10.1998 Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth ein und begründete dies insbesondere damit, dass die Leistungsbeurteilung des Dr ... nicht überzeugend sei. Es lägen keine neurologischen Einschränkungen von gravierendem Ausmaß vor. Der Gutachter Dr ... habe unter Einsatz von apparativen Untersuchungsmöglichkeiten lediglich eine distale Polyneuropathie festgestellt, die das Leistungsvermögen der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeismarkt nicht beeinträchtigte.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.08.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 21.08.1998 zurückzuweisen.

Der Senat zog einen Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses Bayreuth vom 19.11.1998 bei, worin ein Verdacht auf Polyradikulitis bzw. eines generalisierten Vorderhornprozesses geäußert wurde.

Seitens des internistischen Fachgebiets wurde Prof.Dr ... mit der Erstellung eines Gutachtens betraut. Er konnte bezüglich seines Fachgebiets keinen krankhaften Befund feststellen und hielt die Klägerin noch für fähig, ab August 1996 leichte und stundenweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten (Gutachten vom 19.02.1999).

Seitens des nervenärztlichen Fachgebiets wurde der Neurologe und Psychiater Dr ... mit der Erstellung eines Gutachtens beaufragt. Er kam nach Untersuchung der Klägerin zum Ergebnis, dass bei der Klägerin eine bislang gutartig verlaufende neurologische Erkrankung des peripheren Nervensystems im Sinne einer generalisierten Vorderhornerkrankung bzw. einer Polyradikulitis bestehe. Eine eigenständige psychische Erkrankung liege nicht vor. Hinweise für das Vorliegen einer hypochondrischen Verarbeitung des vorliegenden Beschwerdebildes oder einer Alkoholkrankheit bestünden nicht. Die Klägerin könne nur noch leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen ausüben. Mittelschwere und schwere Lasten könnten nicht mehr gehoben und getragen werden. Arbeiten unter Akkord, in Nässe und Kälte seien gleichfalls nicht mehr möglich. Die Klägerin könne sich noch auf andere als die bisher ausgeübten Erwerbstätigkeiten umstellen (Gutachten vom 02.03.1999).

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 07.06.1999 gab die Klägerin zu ihrer zuletzt verrichteten Tätigkeit an, sie habe an der Kasse gearbeitet, habe morgens Bestellscheine bekommen, diese in den Computer eingegeben, die Rechnungen seien danach ausgedruckt worden. Sie habe die Ware auffüllen müssen, wenn keine Kunden an der Kasse gewesen seien. Die Bestellungen für Süßwaren habe sie bei Vertreterbesuchen der entsprechenden Firmen aufgegeben. Sie habe den Lagerbedarf überprüft. Im Übrigen sei sie an der Kasse gesessen. Sie sei während des gesamten Arbeitslebens nur im Verkauf tätig gewesen.

Zur Klärung der Anforderungen des erlernten Berufs der Klägerin und möglicher Verweisungstätigkeiten wurden berufskundliche Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Bayern vom 02.04.1998 sowie 23.01.1998 beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben. Bezüglich des Inhalts der Auskünfte wird auf die Stellungnahmen Bezug genommen.

Die Beklagte äußerte sich mit Schriftsatz vom 05.08.1999 zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit dahin, dass die Klägerin Berufsschutz genieße und eine Verweisung auf das allgemeine Arbeitsfeld grundsätzlich ausgeschlossen sei. Als Verweisungstätigkeit wurde die Tätigkeit einer Kassiererin an der Etagenkasse von großen Bekleidungsfachgeschäften genannt und die Anforderungen im Einzelnen beschrieben, wonach ein Wechsel der Körperhaltung möglich ist.

Zur Frage der psychischen Belastbarkeit wurde daraufhin von Dr ... eine ergänzende Stellungnahme eingeholt, die dieser am 20.08.1999 fertigte. Danach ist die Klägerin in der Lage, die beschriebene Tätigkeit einer Etagenkassiererin auch bei zeitweise erhöhter psychischer Belastung auszuführen, da über den Tag verteilt genügend Zeit zur Verfügung stehe, die vorübergehende erhöhte Inanspruchnahme auszugleichen. Die Einschätzung, dass mittelschwere und schwere Lasten nicht mehr gehoben werden könnten, schließe nicht aus, dass die Klägerin ausnahmsweise mit dem Anheben einer mittelschweren Last betraut werde.

Im Rahmen eines weiteren im 13. Senat anhängigen Verfahrens L 13 RA 136/98 wurden zur Verweisbarkeit einer Verkäuferin weitere Ermittlungen durchgeführt. Auf die Auskünfte der ... Waren- und Kaufhaus GmbH, der ... Warenhaus AG, ... und am ..., der ... AG und der Firma ... wird verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Bayreuth und die Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat zwar die Wartezeit sowie die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt (§§ 43 Abs.1, Abs.3, 44 Abs.1, Abs.4, 50 Abs.1 Nr.2 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI -), sie ist aber nicht seit Antragstellung zumindest als berufsunfähig nach § 43 Abs.2 SGB VI anzusehen.

Aufgrund der Beweisaufnahme, insbesondere des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses Bayreuth, der Gutachten des Prof.Dr ... und des Dr ... steht fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen zum Stehen und Sitzen vollschichtig auszuführen, wobei mittelschwere Lasten nur ausnahmsweise gehoben werden sollten. Nicht in Betracht kommen Arbeiten im Akkord, in Nässe oder Kälte. Entscheidend für die Beurteilung des Leistungsvermögens der Klägerin ist eine neurologische Erkrankung des peripheren Nervensystems im Sinne einer generalisierten Vorderhornerkrankung. Für den von Dr ... geäußerten Verdacht einer Alkoholkrankheit sowie für eine hypochondrisch-neurotische Entwicklung besteht kein Anhaltspunkt. Die bestehende neurologische Erkrankung erklärt zwar die Beschwerden der Klägerin wie Schmerzen in den Beinen und motorische Unruhe in den unteren Extremitäten sowie Einschlafen der Hände, da motorische und sensible Reizerscheinungen des peripheren Nervensystems, wie Dr ... darlegt, nachweisbar sind. Diese Erscheinungen bedingen aber noch keine wesentliche Einschränkung für eine berufliche Tätigkeit der Klägerin. Es fehlen wesentliche Abweichungen von der Norm wie Lähmungen, Ernährungsstörungen der Haut, Muskelschwund oder Sensibilitätsstörungen. Allerdings stellt Dr ... fest, dass die Klägerin dauerhaft behandlungsbedürftig bleibe und dass in ca. halbjährlichem Abstand stationäre Untersuchungen und Behandlungen erforderlich seien. Insgesamt ist die Klägerin aber trotz der generalisierten Vorderhornerkrankung noch in der Lage, leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen.

Weder durch Befunde auf nervenärztlichem noch auf internistischem Fachgebiet wird das Leistungsvermögen der Klägerin darüber hinaus beeinträchtigt. Prof ... legte überzeugend dar, dass seitens des internistischen Fachgebiets keine Leistungseinschränkungen gegeben seien. Für die von Dr ... in seinem Gutachten vom 14.05.1998 angenommene Leistungseinschränkung auf halb-untervollschichtig konnte bei den Untersuchungen durch Prof. Dr ... und Dr ... sowie auch Dr ... , Dr ... und Dr ... kein ausreichender Befund erhoben werden. Die Beurteilung des Dr ... ist unschlüssig, da sie sich nicht aus den festgestellten Gesundheitsstörungen ergibt. Auch die von ihm selbst genannten Diagnosen rechtfertigen seine Beurteilung nicht.

Ausgehend von dem festgestellten gesundheitlichen Leistungsvermögen ist die Klägerin nicht als berufsunfähig nach § 43 SGB VI anzusehen, da ihre Erwerbsfähigkeit nicht unter die Hälfte einer vergleichbaren gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Ob Berufsunfähigkeit vorliegt, ist ausgehend vom bisherigen Beruf der Klägerin zu betrachten (u.a. BSG in SozR 3-2600 § 43 Nr.13). Die Klägerin hat den Beruf einer Einzelhandelskauffrau mit Betonung auf Verkauf erlernt und war in diesem Beruf, zuletzt seit 1979 als Kassiererin, tätig. Die Klägerin gehört gemäß dem sog. Mehrstufenschema des BSG (u.a. SozR 2200 § 1246 Nr.137) zu den Versicherten mit einer mehr als zwei Jahre dauernden Ausbildung und genießt qualifizierten Berufsschutz; dies wird auch von der Beklagten nicht (mehr) bestritten. Dass der Klägerin eine reine Verkaufstätigkeit nicht mehr zumutbar ist, ergibt sich aus der Leistungseinschränkung des notwendigen Wechsels der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen. Auch für bestimmte Arten von Kassiererinnentätigkeit reicht das Leistungsvermögen der Klägerin sicherlich nicht aus, nämlich sofern diese Tätigkeiten nur im Sitzen verrichtet werden und mit dem regelmäßigen Bewegen von erheblichen Lasten verbunden sind.

Aufgrund der in der Sache L 13 RA 136/98 eingeholten Auskünfte ist aber davon auszugehen, dass es im Bereich großer Kaufhäuser Kassiererinnentätigkeiten gibt, die einen Wechsel der Körperhaltung entsprechend den eigenen Bedürfnissen der Klägerin zulassen (vgl. Auskünfte der ... GmbH und Firma ...), und die auch nicht mit dem Heben und Tragen mittelschwerer Lasten verbunden sind. Eine Verweisung auf eine Sammelkasse jedoch scheidet aus, da dafür erhebliche kaufmännische Tätigkeiten gefordert werden, wie die genannten Auskünfte ebenfalls ergeben haben. Die Klägerin ist auch in der Lage, der mit einer Tätigkeit an der Kasse verbundenen nervlichen Belastung standzuhalten. Wie Dr ... überzeugend dargelegt hat, kann die Klägerin die psychische Beanspruchung bei erhöhtem Kundenandrang durch die ruhigeren Zeiten während des Arbeitstages ausgleichen. Die Tätigkeit einer Kassiererin ist der Klägerin demnach gesundheitlich möglich. Sie ist ihr auch sozial zumutbar, da sie wie die Tätigkeit einer Verkäuferin im Einzelhandel von Tarifgruppe 2 (ggf. 3) des Tarifvertrags für den bayerischen Einzelhandel erfasst wird. Berufsunfähigkeit liegt demnach nicht vor.

Daraus ergibt sich, dass auch Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI nicht angenommen werden kann, da daran erheblich gravierendere Voraussetzungen geknüpft sind.

Die Entscheidung über die Kosten beruht darauf, dass die Berufung der Beklagten Erfolg hat (§ 193 SGG).

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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