L 5 RJ 15/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 1267/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 15/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 4. August 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. Berufsunfähigkeit (BU).

Der am 1943 geborene Kläger war in der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Juni 1970 bis 13. Juli 1974 versicherungspflichtig beschäftigt. Während dieser Zeit wurden für ihn für 47 Monate Pflichtbeiträge entrichtet. Nach seinen eigenen Angaben hat der Kläger keinen Beruf erlernt, war aber in Deutschland als Maurer beschäftigt. Eine Anfrage der Beklagten im Rentenverfahren bei dem früheren Arbeitgeber, Fa. G. D. und Sohn in A. , bei dem der Kläger vom 9. Juni 1970 bis 9. November 1970 beschäftigt war, ergab, dass er als Maurer auf Hochbaustellen eingesetzt war. Nähere Angaben über die Tätigkeit konnte der Arbeitgeber aber nicht mehr machen, da aus dieser Zeit keine Personalunterlagen mehr vorlagen. Eine weitere Anfrage bei einer Baufirma in D. , die Firma S. , bei der der Kläger anschließend bis zu seiner Rückreise nach Jugoslawien beschäftigt war, blieb erfolglos, da diese Firma nicht mehr existiert. In Jugoslawien war der Kläger als Kraftfahrer berufstätig, dort weist der Versicherungsverlauf 24 Jahre und 2 Monate und 24 Tage Versicherungszeiten aus.

Am 23. Juli 1991 hat der Kläger in B. , Bosnien-Herzegowina, einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gestellt. In dem vom jugoslawischen Versicherungsträger übersandten Gutachtensheft, dem zahlreiche Befundberichte beilagen, wurde nach einer Untersuchung des Klägers am 21. August 1991 die Beurteilung abgegeben, der Kläger könne weder in seinem bisherigen Beruf noch in sonstigen Tätigkeiten erwerbstätig sein. Der Prüfarzt der Beklagten, Dr.D. , kam in einer Stellungnahme vom 31. März 1992 nach Auswertung der vorliegenden Befunde und Untersuchungsergnisse dagegen zu dem Ergebnis, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein, den Beruf als Maurer jedoch nicht mehr ausüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er noch leichte bis mittelschwere Arbeiten zu ebener Erde und ohne besonderen Zeitdruck verrichten. In der seiner Beurteilung beigefügten Stellungnahme vom 26. März 1992 setzte sich Dr.D. mit den in Jugoslawien gestellten Diagnosen und Befunden auseinander und begründete seine Beurteilung.

Mit Bescheid vom 15. April 1992 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenantrag ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit bestehe. Dieser Bescheid konnte dem Kläger wegen einer Verkehrsunterbrechung nicht zugestellt werden. Auf eine Anfrage des jugoslawischen Versicherungsträgers in B. vom 16. Oktober 1996, ob bereits eine Bescheiderteilung erfolgt sei, wurde der Bescheid erneut zugestellt. Ausweislich der Postzustellungsurkunde erhielt der Kläger den Bescheid nunmehr am 24. Januar 1997.

Mit Schreiben vom 29. März 1997 legte der Kläger dagegen Widerspruch ein. Laut Befund und Gutachten der Ärztlichen Kommission in Sarajevo sei er berufs- und erwerbsunfähig. Er legte einen Krankenbericht des Dr.D. , Internist und Kardiologe, vom 18. Februar 1997 und weitere Befunde bei.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 1997 den Widerspruch wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück. Der Widerspruch sei gemäß § 84 Abs.1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe einzulegen. Ausgehend vom Tag der Zustellung des Bescheides am 24. Januar 1997 (das sei der auf dem Rückschein bestätigte Zeitpunkt) habe die Frist für die Einlegung des Widerspruchs am 24. Februar 1997 geendet. Der Widerspruch sei aber erst am 8. April 1997, also verspätet eingegangen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 22. August 1997 zugestellt.

Die dagegen erhobene Klage ist am 1. Oktober 1997 beim Sozialgericht Landshut eingegangen. Mit Beweisanordnung vom 13. April 1999 hat das Sozialgericht den Internisten Dr.P. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und ihn mit der Erstattung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers beauftragt. Auf Anregung von Dr.P. wurde am 7. Mai 1999 Dr.Dr.W. , Neurologe, ebenfalls zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und auch er mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers beauftragt. Am 20. Mai 1999 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, dieser könne zu der vorgesehenen Untersuchung am 7. Juni 1999 sowie zu der mündlichen Verhandlung am 9. Juni 1999 wegen einer Verschlimmerung seines Zustandes nicht kommen. Hierzu legte er ein ärztliches Attest über die Verschlimmerung des Gesundheitszustandes vor. Dr.P. führte hierzu aus, bei dem Kläger stünden nach den Aktenunterlagen Beschwerden von Seiten des Herzens und der Psyche im Vordergrund. Entsprechende Untersuchungen der Leistungsfähigkeit aus jüngerer Zeit könnten nicht gefunden werden, es sei deshalb insbesondere eine internistisch-kardiologische und eine psychiatrische Begutachtung erforderlich, eine Begutachtung nach Aktenlage sei keinesfalls ausreichend. Das Sozialgericht hat dem Kläger daraufhin mitgeteilt, eine Untersuchung in Deutschland sei für die Aufklärung des Sachverhaltes nach wie vor unerlässlich, es liege in seinem Interesse, der Ladung zum Termin 2. bis 4. August 1999 Folge zu leisten.

Mit Schreiben vom 10. Juli 1999 hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, der Kläger könne auch zu der mündlichen Verhandlung am 4. August 1999 nicht kommen, wie sich aus dem beigelegten ärztlichen Befund vom 9. Juli 1999 ergebe. Dieser sei auch ausreichend, die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu verurteilen. Eine zusätzliche Untersuchung sei nicht erforderlich. Hierzu hat Dr.P. ausgeführt, ohne Funktionsuntersuchungen sei eine Beurteilung der Belastbarkeit nicht möglich. Entsprechendes gelte auch für eine nervenärztliche Begutachtung. Allein an Hand des vorgelegten Befundes könne eine Reisefähigkeit nicht ausgeschlossen werden. Zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Landshut am 4. August 1999 ist für den Kläger niemand erschienen.

Mit Urteil vom 4. August 1999 hat das Sozialgericht Landshut die Klage abgewiesen. Im Hinblick darauf, dass der Sachverständige Dr.P. in seinen Stellungnahmen überzeugend dargelegt habe, dass eine Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers ohne die vorgesehene ambulante Untersuchung, zu welcher der Kläger trotz nachdrücklichen Hinweises durch das Gericht auch ein zweites Mal nicht erschienen sei, nicht erfolgen könne, gehe die Kammer nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast davon aus, dass bei dem Kläger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht vorliege.

Gegen das ihm am 15. Dezember 1999 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Berufung einlegen lassen, die am 14. Januar 2000 beim Bayerischen Landessozialgericht eingegangen ist. Auf Anfrage, ob er bereit sei, zur Untersuchung nach Deutschland zu kommen, hat der Kläger im März 2000 mitgeteilt, er sei mit einer ärztlichen Untersuchung in der Bundesrepublik Deutschland nicht einverstanden, weil er krank sei. In dem Anschreiben des Gerichts war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass es zu seinen Lasten gehe, wenn das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht nachgewiesen werden könne, wozu regelmäßig persönliche Untersuchungen erforderlich seien. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde dann gebeten, falls neuere ärztliche Unterlagen vorlägen, diese zu übersenden. Es erfolgte ein erneuter Hinweis, dass es zu Lasten des Klägers gehen könne, wenn er nicht zur Untersuchung erscheine. Bei dem Zentrum für Physikalische Rehabilitation in V. , dem Wohnort des Klägers, wurde ein Befundbericht angefordert, der auch einging. Vom Klägerbevollmächtigten wurde ebenfalls eine Krankengeschichte dieses Zentrums sowie der Gesundheitsanstalt "V." übersandt. Der Sozialärztliche Dienst der Beklagten hat dazu ausgeführt, die in den ärztlichen Unterlagen übersandten Befunde auf internistisch-kardiologischem und orhopädischem Gebiet seien unzureichend belegt. Der Kläger wurde erneut darauf hingewiesen, dass die vorgelegten ärztlichen Unterlagen nicht ausreichend seien, um einen Rentenanspruch nachzuweisen. Eine Begutachtung und Untersuchung in Deutschland sei unumgänglich. Aus den Unterlagen gehe auch die angebliche Reiseunfähigkeit nicht hervor. Es gehe es zu Lasten des Klägers, wenn der Nachweis der Berufungs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung nicht erbracht werden könne. Nachdem dieses Schreiben nicht beantwortet wurde, ist mit Beweisanordnung vom 14. November 2001 der Internist Dr.R. zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt worden.

In seinem Gutachten nach Aktenlage vom 19. November 2001, in dem sich Dr.R. mit den vorliegenden ärztlichen Unterlagen aus Jugoslawien auseinandersetzt, ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass sich insgesamt aufgrund der verfügbaren Befunde zwar zweifellos eine mittelgradige Leistungseinschränkung ergebe. Diese habe jedoch nicht das Ausmaß, welches auch die Einsatzfähigkeit für leichte und ruhige Tätigkeiten unzumutbar machen würde. Der Kläger leide an Herzdurchblutungsstörungen (Koronarinsuffizienz) nach Infarkt bei labilem Bluthochdruck, einem degenerativen Wirbelsäulensyndrom, einer Magengeschwürsneigung und Nervenschwäche. Die seit Juli 1991 vorliegenden Gesundheitsstörungen bewirkten eine stärkere Einschränkung der Herzleistungsbreite und eine mittelgradige Reduzierung der nervlich-psychischen Belastbarkeit. Die Belastbarkeit des Bewegungsapparates sei nur mäßiggradig reduziert. Gegenüber dem Gutachten vom August 1991 sei die Herzdurchblutungsstörung jetzt stärker ausgeprägt. Als Maurer sei der Kläger schon seit 1991 nicht mehr einsetzbar. Auch als Kraftfahrer sei er wegen der damit verbundenen Stresseinwirkungen und Lastenbewegungen nicht mehr geeignet. Als Pförtner bestehe aber keine Einsatzfähigkeitsbeschränkung (leichte sitzende Tätigkeit). Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt; unzumutbar seien schwere und mittelschwere Arbeiten, ständig gehend-stehende Tätigkeiten, witterungsexponierte Außenarbeiten, das Heben und Tragen schwerer Lasten, gebückte Arbeitsweise und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten mit Stresswirkung (Zeitdruck, Akkord, Fließband, hohe Konzentrationsanforderung). Einschränkungen bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes hinsichtlich der Wegstrecke beständen nicht. Der Kläger könne mit dem ihm verblieben Leistungsvermögen leichte und ruhige Tätigkeiten in geschlossenen Räumen noch vollschichtig ausführen. Zusätzliche Pausen müssten nicht eingelegt werden. Es seien z.B. zumutbar leichte Handverrichtungen an Werkstücken der gewerblichen Industrie, Kleinteilemontage, Pack- und Sortierarbeiten, Materialausgabe, leichte Hilfstätigkeiten in Handelsbetrieben und ähnliche Tätigkeiten. Dieser Zustand bestehe seit März 2001. Die Befunde vom August 1991 erlaubten demgegenüber noch einen mittelschweren Arbeitseinsatz. Eine fachliche Begutachtung in Deutschland sei unabdingbar, wenn eine weitere Verschlimmerung der koronaren Herzkrankheit geltend gemacht werde.

Hierzu hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausgeführt, Dr.R. habe bestätigt, dass der Kläger seit 1991 nicht mehr imstande sei, als Maurer oder Fahrer tätig zu werden, weil er erwerbsunfähig sei. Wegen der Verschlimmerung des Gesundheitszustandes könne er nunmehr auch nicht mehr die einfachsten und leichteren Arbeiten verrichten. Neben Störungen am Herzen existierten auch nervlich-psychische sowie depressive Störungen. Die jugoslawischen Ärzte hätten bestätigt, dass der Kläger keine Arbeiten mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben könne.

Die Beklagte stimmt der Einschätzung der Leistungsfähigkeit durch Dr.R. zu und vertritt die Auffassung, dass eine Umstellungsfähigkeit auf ungelernte Tätigkeiten mit den Merkmalen der Einweisung und Einarbeitung gegeben seien. Eine schwerwiegende Symptomatik hinsichtlich der "psychischen Störungen" könne nicht bestehen, da eine nervenärztliche Behandlung im Heimatland des Klägers offenbar nicht stattfinde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 4. August 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. April 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm ab 1. August 1991 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte des Sozialgerichts Landshut mit dem Az.: S 12 AR 1267/97 A und die Berufungsakte mit dem Az.: L 5 RJ 15/00 vor. Auf deren Inhalt, insbesondere den der vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 151 Abs.1, 153 Abs.1, 84 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG) Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG Landshut vom 4. August 1999 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Die Klage war allerdings nicht bereits deshalb unbegründet, weil der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15. April 1992 verfristet und der Bescheid deshalb nach § 77 SGG für den Kläger bereits bindend geworden war. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten hat mit dem Widerspruchsbescheid vom 5. August 1997 vielmehr den Widerspruch des Klägers zu Unrecht als verfristet zurückgewiesen, da dann, wenn Bescheide Empfangsberechtigten außerhalb des Geltungsbereiches des Sozialgerichtsgesetzes bekannt gegeben werden, die Widerspruchsfrist seit Streichung des § 78 Abs.2 SGG durch den Einigungsvertrag drei Monate beträgt (BSG, SozR 3-1500, § 84 Nr.2). Der Kläger konnte jedoch weder mit seiner Klage noch mit seiner Berufung Erfolg haben, da bei ihm weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliegt.

Auf den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit finden wegen der Antragstellung am 23. Juli 1991 die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung - RVO - Anwendung. Nach § 300 Abs.2 SGB VI sind auch die durch dieses Gesetzbuch ersetzten Vorschriften noch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung auf einen bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht worden ist. Da das SGB VI zum 1. Januar 1992 die Vorschriften der RVO ersetzte, sind diese noch anzuwenden, wenn der Anspruch vor dem 31. März 1992 geltend gemacht wurde.

Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat nach den bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Vorschriften der §§ 1246 und 1247 RVO nur, wer berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte eines gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 1246 Abs.2 Satz 1 RVO). Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten hierbei zu beurteilen ist, alle jene Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines Berufes und der besonderen Anforderung an seine Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 1246 Abs.2 Satz 2 RVO).

Nach § 1247 RVO sind Versicherte erwerbsunfähig, die infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche ihrer körperlichen und geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben.

Für den geltend gemachten Anspruch des Kläger sind auch die Vorschriften des SGB VI in der ab dem 01. Januar 1992 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (SGB VI a.F.) maßgebend, soweit (hilfsweise) Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit nach dem 31. Dezember 1991 begehrt wird (vgl. § 300 Abs.1 SGB VI). Da der Kläger in Jugoslawien nur bis zum 5. Oktober 1991 Beiträge zur Rentenversicherung entrichtete und seit diesem Zeitpunkt eine jugoslawische Rente bezieht, sind für einen Versicherungsfall nach dem November 1993 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 43 Abs.1 Nr.2 bzw. § 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI nicht mehr erfüllt. Ein Anspruch nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden SGB VI, der nach § 300 Abs.1 SGB VI grundsätzlich möglich wäre, ist deshalb nicht mehr zu prüfen (§ 43 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (neue Fassung)).

Die Voraussetzungen für die Zahlung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43 und 44 SGB VI a.F. liegen ebenfalls nur vor, wenn Berufsunfähigkeit (§ 43 SGB VI a.F.) bzw. Erwerbsunfähigkeit (§ 44 SGB VI a.F.) besteht. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Versicherten, ob Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vorliegt, erfolgt dabei nach denselben Kriterien wie nach § 1246 bzw. 1247 RVO.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar beeinträchtigt, jedoch nur in qualitativer Hinsicht, nicht auch in quantitativer Hinsicht. Dies steht zur Überzeugung des Senates fest aufgrund des von Dr.R. erstatteten internistischen Gutachtens nach Aktenlage vom 19. November 2001. Demnach ergeben sich aufgrund der vom jugoslawischen Versicherungsträger und vom Kläger übersandten Befunddokumentationen beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen: 1. Herzdurchblutungsstörungen (Koronarinsuffizienz) nach Infarkt bei labilem Bluthochdruck. 2. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom. 3. Magengeschwürsneigung. 4. Nervenschwäche.

Diese Gesundheitsstörungen bewirken eine stärkere Einschränkung der Herzleistungsbreite und eine mittelgradige Reduzierung der nervlich-psyschichen Belastbarkeit. Die Belastbarkeit des Bewegungsapparates ist mäßiggradig reduziert. Für eine Tätigkeit als Maurer ist der Kläger seit 1991 nicht mehr einsetzbar, auch als Kraftfahrer kann er wegen der damit verbundenen Stresseinwirkungen und Lastenbewegungen nicht mehr verwendet werden. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist der Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt. Unzumutbar sind schwere und mittelschwere Arbeiten, ständig gehende, stehende Tätigkeiten, witterungsexponierte Außenarbeiten, das Heben und Tragen schwerer Lasten, gebückte Arbeitsweise und Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Arbeiten mit Streßwirkung (Zeitdruck, Akkord, Fließband, hohe Konzentrationsanforderungen). Der Kläger kann mit dem ihm verbliebenen Leistungvermögen noch leichte und ruhige Tätigkeiten in geschlossenen Räumen vollschichtig ausüben. Zusätzliche Pausen müssen nicht eingelegt werden. Aus gesundheitlicher Sicht sind dem Kläger noch leichte Handverrichtungen an Werkstücken der gewerblichen Industrie, Kleinteilmontage, Pack- und Sortierarbeiten, Materialausgabe, leichte Hilfstätigkeiten in Handelsbetrieben und ähnliche Tätigkeiten zumutbar. Die im August 1991 übersandten Befunde erlaubten dem Kläger sogar noch einen mittelschweren Arbeitseinsatz. Soweit in den aus Jugoslawien übersandten ärztlichen Berichten ein anderes Leistungsbild des Kläger geschildert wird, kann dem nach den Feststellungen des Gutachters Dr.R. und auch nach dem vom Sozialgericht Landshut gehörten Gutachter Dr.P. nicht gefolgt werden, weil die von den jugoslawischen Ärzten gestellten Diagnosen durch Befunde nicht ausreichend dokumentiert sind. Soweit durch die Beurteilung durch Dr.R. das Ausmaß der Gesundheitsstörungen des Klägers nicht in vollem Umfang ermittelt sein sollte, kann der Kläger hieraus keine für sich günstigen Schlussfolgerungen ziehen. In der Regel muss das Gericht nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen erforschen und zu dessen Feststellung Beweis erheben. Der Umfang der Ermittlungen des Gerichtes steht aber in Beziehung zur Mitwirkungsverpflichtung des Klägers, auf die er bereits vom Sozialgericht und auch vom Senat mehrfach hingewiesen worden ist. Aus den übersandten Befunden lässt sich weder nach Dr.P. noch nach Dr.R. ersehen, dass eine Anreise zur Untersuchung in Deutschland - eventuell mit einer Begleitperson - nicht möglich ist.

Nach dem bisher ermittelten Sachverhalt kann nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (BSGE 7, 106; 19, 53) von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 8 bzw. 6 Stunden ausgegangen werden. Diesen Nachteil, dass der Sachverhalt mangels weiterer persönlicher Untersuchung des Klägers nicht völlig geklärt werden kann, trifft nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast den Kläger als denjenigen, der sich eines fremden Anspruches berühmt (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 103 Rdnr.19a; siehe auch Urteil des Senates vom 30. Oktober 2001, Az.: L 5 RJ 158/98). Wie in allen Rechtszweigen gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz, dass jeder die objektive Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das hat zur Folge, dass die objektive Beweislast im Sozialgerichtsprozess in der Regel den Kläger trifft.

Mit dem zur Überzeugung des Senates feststehenden Leistungsvermögen, das sich aufgrund des von Dr.R. anhand der übersandten Unterlagen aus Jugoslawien erstellten Gutachtens ergibt, kann der Kläger in einer zumutbaren Beschäftigung die Hälfte des Lohnes eines vergleichbaren gesunden Versicherten verdienen.

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ergibt sich dies aus der letzten versicherungsrechtlichen Beschäftigung der Tätigkeit, die auch dann maßgebend ist, wenn sie nur kurzfrist ausgeübt worden war, aber zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist. Arbeiterberufe werden in Gruppen unterteilt, die durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters, des angelernten und des ungelernten Arbeiters geprägt sind (vgl. Niesel in KassKomm, § 43 SGB VI, Rdnrn.35 m.w.N.). Welcher Gruppe des Mehrstufenschemas eine bestimmte Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich dabei nach der Qualität der verrichteten Arbeit, wobei es auf das Gesamtbild der in § 1246 Abs.2 Satz 2 RVO bzw. § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale ankommt (vgl. BSG in SozR 3-2200 § 1246 Nr.1 und SozR 3-2900 § 48 Nr.4). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zum bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG a.a.O.).

Der Kläger hat nach seinen Angaben im Rentenantrag keinen Beruf erlernt und weder in Jugoslawien noch in Deutschland eine Fachausbildung abgeschlossen. Er war in Deutschland vom 9. Juni 1970 bis 9. November 1972 angeblich bei einer Baugesellschaft D. in A. , vom 10. November 1972 bis 13. Juli 1994 bei einer Baufirma S. in D. als Maurer versicherungspflichtig beschäftigt. Nähere Angaben über die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten waren bei den Arbeitgebern des Klägers in Deutschland nicht einzuholen. Die Firma D. gab an, aus dieser Zeit lägen keine Personalunterlagen mehr vor, die Firma S. ist unbekannt verzogen. Da der Kläger in Deutschland insgesamt nur 47 Monate versicherungspflichtig beschäftigt, und nach seinen eigenen Angaben in Jugoslawien nicht als "Maurer", sondern als Kraftfahrer tätig war, ist der Kläger auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Selbst wenn er für eine gewisse Zeit qualifizierte Tätigkeiten eines Maurer-Facharbeiter ausgeübt hätte, wovon aufgrund fehlender Angaben der Arbeitgeber und einer fehlenden Ausbildung nicht ausgegangen werden kann, hat der Kläger einen Berufsschutz als Maurer nicht erworben, da er hierfür die Wartezeit von 60 Monaten (§ 1246 Abs.1 Satz 1 Nr.3 RVO bzw. § 43 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB VI a.F.) in einer Tätigkeit als Maurer nicht erfüllt hat. Da der Kläger in Jugowlawien stets als Kraftfahrer tätig war, können jugoslawische Zeiten bei der Prüfung eines Berufsschutzes als Maurer nicht berücksichtigt werden.

Soweit es die soziale Zumutbarkeit einer möglichen Verweisungstätigkeit betrifft, ist der Kläger zumutbar auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verweisbar. Demgemäß ist er noch imstande, mehr als die Lohnhälfte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verdienen und nicht berufsunfähig, auch wenn er als "Maurer" bzw. im Baugewerbe nicht mehr tätig sein kann.

Bei dem Kläger liegt damit erst recht keine Erwerbsunfähigkeit vor, da er auch derzeitig noch vollschichtig leichte und ruhige Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ausführen kann. Nach der Auffassung von Dr.R. war dem Kläger im August 1991 sogar noch ein mittelschwerer Arbeitseinsatz möglich. Noch im März 2001 konnte der Kläger leichte Handverrichtungen an Werkstücken der gewerblichen Industrie, Kleinteilmontage, Pack- und Sortierarbeiten, Materialausgabe, leichte Hilfstätigkeiten in Handelsbetrieben und ähnlichen Verrichtungen ausüben. Damit liegt nach dem Wortlaut von § 1247 RVO und § 44 SGB VI a.F. ohnehin kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vor, da der Kläger eine Ererbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit ausüben kann. Unbestritten kann er noch mehr als zwei Stunden täglich arbeiten und damit in gewisser Regelmäßigkeit Arbeitsentgelt erzielen. Wegen seines vollschichtigen Arbeitsvermögens ist dem Kläger aber auch der Arbeitsmarkt nicht praktisch verschlossen (Beschluss des Großen Senates des BSG vom 10. Dezember 1996, SozR 2200 § 1246 Nr.13). Bei dieser sogenannten Arbeitsmarktrente beurteilt sich die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten nicht nur nach der im Gesetz allein genannten - gesundheitlichen - Fähigkeit, Arbeiten zu verrichten, sondern auch danach, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, was bei einem lediglich zur Teilzeit arbeitsfähigen Versicherten - 1990 bis 1993 - nicht der Fall war. Der Kläger konnte und kann jedoch vollschichtig erwerbstätig sein.

Die Leistungseinschränkungen des Klägers sind auch in ihrer Zusammenschau nicht so außergewöhnlich, dass der allgemeine Arbeitsmarkt als verschlossen anzusehen ist. Bei dem vorhandenen negativen Leistungsbild liegt weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes aufgrund eines sogenannten Katalogfalles vor (vgl. SozR 2200 § 1246 Nrn.30, 75, 81, 90, 104, 109, 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr.8, § 1246 Nr.41). Der Kläger hat nämlich weder besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz, noch weist er Leistungseinschränkungen auf, die sich in Verbindung mit anderen Einschränkungen besonders erschwerend bei einer Arbeitsplatzsuche auswirkten, wie z.B. die von der Rechtssprechung erwähnten Fälle der Erforderlichkeit zusätzlicher Arbeitspausen, Einschränkungen bei Arm- und Handbewegungen, jederzeit selbstbestimmtem Wechsel vom Sitzen zum Gehen, Einarmigkeit oder Einäugigkeit.

Grundsätzlich liegt bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit das Arbeitsmarktrisiko bei der Arbeitslosenversicherung bzw. dem Versicherten, nicht hingegen bei der Rentenversicherung, vor allem nach dem beim Kläger keine einzelne schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, jedenfalls aufgrund der fehlenden Bereitschaft des Klägers, sich in Deutschland untersuchen zu lassen, nicht festgestellt werden konnte.

Die Berufung war daher in vollem Umfang zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung des Klägers ohne Erfolg blieb.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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